Sozialgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - S 31 R 210/14

bei uns veröffentlicht am05.02.2015

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

I. Es wird unter Aufhebung der Bescheide vom 30.07.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.01.2014 festgestellt, dass der Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zum 1) vom 31.03.2013 bis zum 09.04.2014 nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt war und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Status des Klägers zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) streitig.

Der Kläger zu 2) war von 2005 bis 2013 freiberuflicher Web-Entwickler. Er wurde zum 01.03.2013 Geschäftsführer der Klägerin zu 1), gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer D., dessen Status in einem Parallelverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: ) streitig ist. Der Kläger zu 2) war überdies vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 Mitgesellschafter der Klägerin mit einem Kapitalanteil von 21%, neben weiteren vier Gesellschaftern, die ebenfalls jeweils 21% bzw. 16% Kapitalanteil hielten.

Seit 10.04.2014 ist der Kläger zu 2) nicht mehr Mitgesellschafter. Er ist seither unstreitig abhängig beschäftigt, Sozialversicherungsbeiträge werden entrichtet.

Der Kläger zu 2) erhielt im hier streitigen Zeitraum vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 eine feste monatliche Vergütung von knapp 6.400,00 Euro brutto. Er hatte laut Geschäftsführervertrag vom 28.02.2013 keine festen Arbeitszeiten und war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Im Krankheitsfall hatte er laut Vertrag Anspruch auf sechswöchige Entgeltfortzahlung, bei Krankheit hatte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem dritten Tag vorzulegen. Der Geschäftsführervertrag enthielt auch eine sogenannte Schriftformklausel.

Die Beschlussfassung bei der Klägerin zu 1) erfolgte laut Satzung derart, dass in der Regel eine einfache Mehrheit der Stimmen reichte, außer in Fällen der Satzungsänderung oder der Änderung von Geschäftsführerverträgen, wofür jeweils eine Dreiviertelmehrheit erforderlich war.

Am 01.03.2013 schlossen der Kläger zu 2), sein Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter D. sowie die Gesellschafter E. und F., jeweils mit einem Kapitalanteil von 21 %, eine sogenannte Stimmbindungsvereinbarung. Sie verpflichteten sich hier einander, bei Beschlussfassung der Klägerin zu 1) immer einstimmig abzustimmen. Soweit eine Einigung nicht erzielt werden könnte, verpflichteten sie sich, mit „Nein“ abzustimmen. Verletzungen dieser Vereinbarungen waren strafbewehrt (Vertragsstrafe: 15.000,00 Euro). Die Stimmbindungsvereinbarung war nur aus wichtigem Grunde kündbar.

Wie der Kläger zu 2) im Erörterungstermin am 15.01.2015 glaubwürdig versicherte, haben die an der Stimmbindungsvereinbarung beteiligten Gesellschafter immer einstimmig abgestimmt, Verletzungen der Stimmbindungsvereinbarung gab es nicht.

Am 29.04.2013 ging bei der Beklagten ein Statusfeststellungsantrag der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) vom 15.02.2013 ein, mit dem beide beantragten, festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege.

Die Beklagte hörte die Kläger mit Schreiben vom 13.05.2013 zur beabsichtigten Feststellung einer abhängigen Beschäftigung und zum Vorliegen der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung und in der gesetzlichen Rentenversicherung an.

Der Kläger zu 2) wandte sich gegen die beabsichtigte Feststellung, vor allem unter Hinweis darauf, er sei nicht weisungsgebunden, sondern weisungsberechtigt. Ferner habe er eine freie Arbeitszeit und trage durch seinen Gesellschaftsanteil an der Klägerin zu 1) auch ein Unternehmerrisiko. Schließlich habe er durch die Stimmbindungsvereinbarung mit drei Mitgesellschaftern, die – einschließlich seiner eigenen Anteile - 84 % der Stimmrechte halten, unternehmerische Entscheidungsfreiheit.

Die Beklagte stellte gleichwohl mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 30.07.2013 gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 2) seit 01.03.2013 bei der Klägerin zu 1) beschäftigt sei mit der Folge der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach Auffassung der Beklagten ist die Stimmbindungsvereinbarung nur schuldrechtlich zwischen den beteiligten Gesellschaftern bindend. Beschlüsse, die entgegen der Stimmbindungsvereinbarung getroffen würden, seien wirksam. Daher könne der Kläger zu 2) unliebsame Weisungen der GmbH gegen sich selbst nicht verhindern.

Sowohl die Klägerin zu 1), als auch der Kläger zu 2) legten gegen diese Bescheide Widerspruch ein, unter anderem unter Hinweis darauf, dass die Stimmbindungsvereinbarung vertragsstrafbewehrt sei und der Kläger zu 2) bei Verletzung der Stimmbindungsvereinbarung auch auf deren Erfüllung klagen, und ein entsprechendes Urteil auch vollstrecken könne.

Die Beklagte wies die Widersprüche der Kläger zu 1) und 2) mit Widerspruchsbescheiden vom 08.01.2014 zurück. Zur Begründung beruft sie sich unter anderem auf ein Urteil des BSG vom 18.12.2001 (B 12 KR 10/01 R), wonach ein Fremdgeschäftsführer abhängig sei, auch wenn er umfassende Vollmacht für die Stimmrechtsabgabe habe, wobei im entschiedenen Fall die Vollmacht jederzeit frei widerruflich war.

Ferner weist die Beklagte daraufhin, dass der Kläger zu 2) als Geschäftsführer jederzeit abberufen werden könne, wenn er Weisungen der Klägerin zu 1) missachte.

Die Kläger erhoben gemeinsam Klage zum Sozialgericht München, eingegangen am 10.02.2014. Die Kläger halten das von der Beklagten zitierte Urteil des BSG nicht für maßgeblich, nachdem es sich dort um einen Fremdgeschäftsführer handelt. Ferner sind die Kläger der Auffassung, ein theoretisch denkbares, der Stimmbindungsvereinbarung widersprechendes Abstimmungsverhalten präge vorliegend nicht maßgeblich die Umstände der Tätigkeit des Klägers zu 2). Der Kläger zu 2) sei somit nicht abhängig beschäftigt.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Bescheide vom 30.07.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.01.2014 festzustellen, dass der Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin einer Entscheidung des Rechtstreites im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Sozialgerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

Die Bescheide vom 30.07.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.01.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie waren daher aufzuheben. Ferner war auf den klägerischen Antrag hin festzustellen, dass der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als Geschäftsführer für die Klägerin zu 1) tätig war und deshalb keine Sozialversicherungspflicht bestand.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist anzunehmen, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet ist.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Ausgangspunkt ist das Vertragsverhältnis, wie es sich aus den Vereinbarungen ergibt. Eine im Widerspruch zu den Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung geht einer formellen Vereinbarung vor, allerdings nur, soweit die Abbedingung rechtlich zulässig ist. Die bloße Nichtausübung eines Rechts ist unbeachtlich, solange es nicht wirksam abbedungen ist. Die tatsächlichen Verhältnisse geben den Ausschlag, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen.

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in einem Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht oder nicht.

Hat der Geschäftsführer einen rechtlich maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH, so schließt dies ein Beschäftigungsverhältnis in der Regel aus, da der Gesellschafter- Geschäftsführer damit Einzelanweisungen an sich selbst im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 30/04). Eine solche Stellung liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Kapitalanteil von mindestens 50 %, oder zumindest eine Sperrminorität innehat. Beides ist beim Kläger zu 2), der im streitigen Zeitraum 21 % Kapitalanteil hielt, nicht der Fall. Da Beschlüsse bei der Klägerin zu 1) in der Regel mit einfacher Mehrheit getroffen werden, hatte der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum auch keine Sperrminorität.

Gleichwohl war der Kläger zu 2) bis zum 09.04.2014 in der Lage, unliebsame Weisungen gegen sich selbst zu verhindern. Dies beruht auf der am 01.03.2013, also am Tag des Beginns der hier streitigen Tätigkeit, geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Kläger zu 2) gemeinsam mit drei weiteren Gesellschaftern der Klägerin zu 1), die allesamt – wie der Kläger zu 2) – einen Kapitalanteil von jeweils 21 % hielten, bei Beschlussfassung immer einstimmig abzustimmen. Sofern eine Einigung hinsichtlich des Stimmverhaltens nicht erzielt werden könnte, war gemäß Ziffer 2.2 der Stimmbindungsvereinbarung die Verpflichtung vorgesehen, mit „Nein“ zu stimmen. Die Stimmbindungsvereinbarung war außerdem strafbewehrt: Sofern ein Beteiligter entgegen der Vereinbarung abstimmte, sollte eine Vertragsstrafe von 15.000,00 Euro fällig werden. Die Stimmbindungsvereinbarung konnte von den Beteiligten nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Durch diese Vereinbarung hat der Kläger zu 2) die Rechtsmacht erhalten, unliebsame Weisungen gegen sich selbst zu verhindern.

Dies ist für Fälle einer unter allen GmbH-Gesellschaftern geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung in der Rechtsprechung schon mehrfach so entschieden worden: Sowohl das LSG Rheinland- Pfalz (Urteil vom 12.11.2014, Az.: L 4 R 556/13), als auch das LSG Hessen (Urteil vom 15.05.2014, Az.: L 1 KR 235/13), das LSG Baden- Württemberg (Urteil vom 11.06.2014, Az.: L 5 KR 2911/13) und das LSG Sachsen (Urteil vom 04.03.2014, Az.: L 1 KR 9/11) haben entschieden, dass ein Geschäftsführer, der eine Stimmbindungsvereinbarung mit allen anderen Gesellschaftern geschlossen hat, weisungsunabhängig ist und somit als Selbstständiger tätig wird. Von den erkennenden Gerichten wird für diese Fallkonstellation (Stimmbindung aller Gesellschafter) angenommen, dass Beschlüsse, die entgegen der Stimmbindungsvereinbarung gefasst werden, zwar wirksam sind. Ein stimmbindungswidrig zustande gekommener Beschluss könne jedoch von jedem an der Stimmbindungsvereinbarung Beteiligten angefochten werden, und zwar – wenn tatsächlich alle Gesellschafter einer GmbH Partei der Stimmbindungsvereinbarung sind – im Wege einer Klage direkt gegen die Gesellschaft. Daher nehmen die genannten Landessozialgerichte an, dass jeder Geschäftsführer-Gesellschafter, der an einer solchen Stimmbindungsvereinbarung beteiligt ist, einen Beschluss, der eine unliebsame Weisungen gegen ihn selbst beinhaltet, im Klagewege aus der Welt schaffen kann. Die Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses direkt gegenüber der Gesellschaft wird dabei gesellschaftsrechtlich damit begründet, dass kein Grund bestehe, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluss aus der Welt zu schaffen (so die überwiegende Meinung, siehe Urteil des BGH vom 20.01.1983, Az.: II ZR 243/81; Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 47 Rn 53).

Im Unterschied zu den in den genannten Urteilen getroffenen Entscheidungen handelt es sich vorliegend jedoch nicht um eine Stimmbindungsvereinbarung aller beteiligten Gesellschafter, sondern um eine Vereinbarung von vier Gesellschaftern, die insgesamt 84 % der Stimmrechte auf sich vereinen. Diese 84% in ihrer Verbundenheit halten die zur Beschlussfassung erforderliche Mehrheit der Stimmen, auch für solche Beschlüsse, die einer qualifizierten Mehrheit bedürfen.

Das bedeutet, dass der Kläger zu 2) nach herrschender Meinung zwar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, einen stimmbindungswidrigen Gesellschafterbeschluss mit einer Anfechtungsklage direkt gegen die Klägerin zu 1) anzufechten. Jedoch könnte der Kläger zu 2) in einem solchen Falle diejenigen Gesellschafter, die entgegen der Vereinbarung abstimmen, aus dem Stimmbindungsvertrag auf stimmbindungskonforme Abstimmung verklagen und so einen unliebsamen Beschluss aus der Welt schaffen. Dieser Rechtsweg ist nach herrschender Meinung gegeben, auch wenn nicht alle Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung beteiligt sind. Ein Urteil, das gegen den stimmbindungswidrig abstimmenden Gesellschafter ergeht, wäre auch vollstreckbar (vgl. hierzu BGH, II ZR 105/66; Schmidt. a.a.O., § 47 Rn 55 ff).

Damit hat der Kläger zu 2) die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Beschlüsse und Weisungen zu verhindern. Er kann das aus der Stimmbindungsvereinbarung geschuldete Abstimmungsverhalten erzwingen und auch ein abredewidriges Verhalten untersagen lassen. Er kann außerdem von den anderen Gesellschaftern als Naturalrestitution verlangen, dass diese an der Aufhebung eines abredewidrig gefassten Beschlusses mitwirken. Er kann sogar im Vorfeld im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen drohende Verstöße gegen eine Stimmbindungsvereinbarung vorgehen (so die überwiegende Meinung, vgl. OLG Koblenz vom 27.02.1986, Az.: 6 U 261/86, NJW 1986, 1692). Dieser Weg mag zwar mühsamer sein, als eine Anfechtungsklage direkt gegen die GmbH, die gegeben wäre, wenn alle Gesellschafter im Stimmenpool wären. Er führt aber im Ernstfall auch zu einer vollstreckbaren Gerichtsentscheidung, mit der ein stimmbindungswidriger Gesellschafterbeschluss aus der Welt geschaffen und vereinbarungsgemäßes Abstimmungsverhalten erzwungen werden kann. Im Ergebnis ist die Situation bei einem Stimmenpool, der die erforderliche Mehrheit der Stimmrechte vereint, daher nicht anders, als bei einem Stimmenpool, der 100% der Gesellschafterstimmen vereint. Auch in letzterem Falle sind ja gefasste Beschlüsse zunächst wirksam und müssen vom betroffenen Gesellschafter unter Inanspruchnahme des Rechtsweges angefochten werden. Auch hier verlangt die Ausübung der Rechtsmacht, unliebsame Weisungen zu verhindern, erheblichen Aufwand. Dass der Aufwand im vorliegenden Falle (Stimmenpool der Mehrheit der Gesellschafter) höher ist, kann nicht dazu führen, dass der Kläger zu 2) als weisungsgebunden anzusehen wäre. Er ist, genauso wie ein Beteiligter eines 100% - Stimmenpools, auf „schönes Wetter“, also auf einen Fortbestand der Übereinstimmung mit seinen Mitgesellschaftern, im Ernstfall nicht angewiesen.

Dieses Ergebnis wird von der bisherigen Rechtsprechung zu Stimmbindungsvereinbarungen auch nicht in Frage gestellt. Zwar wird in den oben zitierten Entscheidungen stets hervorgehoben, dass es sich um Vereinbarungen aller Gesellschafter handele und somit der Rechtsweg direkt gegen die Gesellschaft eröffnet sei, jedoch wird in keiner der Entscheidungen ausgeführt, dass die Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der lediglich an einem Mehrheitsstimmenpool beteiligt ist, als Beschäftigung zu qualifizieren sei (so auch von Medem, DStR 2014,2027).

Hinzu kommt vorliegend, dass die Stimmbindungsvereinbarung auch strafbewehrt ist, was dem Kläger zu 2) im Falle des Falles ein weiteres Druckmittel an die Hand gegeben hätte, um stimmbindungskonforme Abstimmungen zu erreichen.

Schließlich hat der Kläger zu 2) auch glaubwürdig ausgeführt, dass es zwischen den Beteiligten des Stimmenpools im streitigen Zeitraum in keinem Fall zur Uneinigkeit gekommen sei. Das bedeutet, dass die vertraglich vereinbarte Einstimmigkeit auch tatsächlich gelebt wurde, weshalb der Kläger zu 2) in keinem Falle Gefahr lief, einer Weisung gemäß handeln zu müssen, die seinem Willen nicht entsprach.

Auch die Tatsache, dass die Stimmbindungsvereinbarung ausschließlich außerordentlich kündbar war, spricht für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit (vgl. auch von Medem, a.a.O), denn keiner der Beteiligten hätte die Vereinbarung ohne wichtigen Grund kündigen können, nur um die Möglichkeit zu eröffnen, abweichend abzustimmen.

Demnach war der Kläger zu 2) gegenüber der Klägerin zu 1) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nicht weisungsgebunden. Bei Abwägung der Umstände der Tätigkeit kommt diesem Punkt die entscheidende Bedeutung zu.

Die Tatsache, dass durchaus auch Indizien vorliegen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen (Festgehalt, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Verpflichtung zur Vorlage einer AU- Bescheinigung ab dem dritten Krankheitstag) führt nicht dazu, dass die Tätigkeit insgesamt als Beschäftigung zu qualifizieren ist. Dies entspricht der gängigen Rechtsprechung, die bei Geschäftsführer-Gesellschaftern, die entweder 50% der Stimmrechte halten oder mit einem Anteil von weniger als 50% eine Sperrminorität haben, durchwegs als selbstständig erachtet, auch wenn die sonstige vertragliche Gestaltung und die sich hieraus ergebenden tatsächlichen Verhältnisse Merkmale einer Beschäftigung aufweisen.

Nach allem war der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt und weder in der gesetzlichen Rentenversicherung, noch nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig.

Der angefochtene Bescheid war somit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, der vorliegend anzuwenden ist, da der Kläger zu 2) dem privilegierten Personenkreis des § 183 SGG angehört und das Verfahren deshalb insgesamt gerichtskostenfrei ist.

Das Gericht konnte im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 181 Insichgeschäft


Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllu

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Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Nov. 2014 - L 4 R 556/13

bei uns veröffentlicht am 12.11.2014

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.

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(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.


Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000 Euro festsetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.

2

Der Kläger war bis 31.12.2009 bei der Beigeladenen zu 1) als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Vertrag vom 30.12.2009 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellt. Der Vertrag enthält in § 3 Abs. 1 die Bestimmung, wonach der Kläger ein festes Monatsgehalt von 11.000,00 EUR bezieht. Mit Gesellschaftervertrag vom 19.05.2010 erwarb der Kläger vom Stammkapital der Gesellschaft (52.000,00 EUR) einen Anteil in Höhe von 13.100,00 EUR (25,2 % des Stammkapitals) und zahlte hierfür einen Kaufpreis von 430.000,00 EUR.

3

Im Mai 2010 beantragte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und teilte im Anhörungsverfahren mit, auch wenn er mit 25,2 % nur eine Minderheitsbeteiligung innehabe, könne er jedoch Beschlüsse, die eine ¾-Mehrheit erforderten, in jedem Fall verhindern. Aus dem Umstand, dass er nicht über die absolute Stimmenmehrheit verfüge, könne nicht geschlossen werden, dass er keinen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Auch wenn die Gesellschaft über drei Geschäftsführer verfüge, bestehe keine Einschränkung hinsichtlich der Vertretungsbefugnis; es gebe keine zustimmungspflichtigen Geschäfte, die seine Geschäftsführungsbefugnis einschränken würden. Zudem habe er mit dem Erwerb des Unternehmensanteils in Höhe von 430.000,00 EUR ein erhebliches unternehmerisches Risiko übernommen.

4

Mit Bescheid vom 10.02.2011 entschied die Beklagte, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2010 der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege, da sie im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt würde. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer spreche, dass er wegen seines Anteils von 25,2 % am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele. Dieser enthalte typische arbeitsvertragliche Regelungen zum Urlaubsanspruch und über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit. Dem Kläger werde eine monatliche Vergütung in Höhe von 11.000,00 EUR und damit ein übliches Arbeitsentgelt gezahlt. Der Kläger sei nicht der alleinige Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Für eine selbstständige Tätigkeit spreche hingegen, dass der Kläger alleinvertretungsberechtigt sei, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei und keinen Weisungen bezüglich Arbeitszeit, -ort und Ausführung der Tätigkeit unterliege. Der Kläger könne aufgrund von mangelnden Vetorechten bzw. Sperrminoritäten keine Entscheidungen verhindern. Dass er Stammkapitalanteile für einen Betrag von 430.000,00 EUR erworben habe, sei kein Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger kein, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Er sei aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Dividenden indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, müsse eine Kürzung bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage aber nicht befürchten. In der Gesamtwürdigung würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Alleine aus der weisungsfreien Ausführung der Tätigkeit könne nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden.

5

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 zurück.

6

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Trier hat der Kläger ausgeführt, keiner der Gesellschafter verfüge über eine Mehrheit, alleine Beschlüsse fassen zu können. Die beteiligten Gesellschafter seien sich von Anfang an einig gewesen und hätten vereinbart, die erforderlichen Entscheidungen nur gemeinsam, gleichberechtigt und einstimmig zu fassen. Der Kläger hat eine entsprechende Stimmrechtsvereinbarung mit Vertrag vom 10.01.2012 zu den Akten gereicht.

7

Mit Gerichtsbescheid vom 27.11.2013 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht und Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger unterliege aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.10.2010 nicht der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung. Er sei darin nicht abhängig, sondern selbstständig tätig. Nach dem Vertragsverhältnis, wie es sich aus Gesellschaftsvertrag, Stimmbindungsvereinbarung und Geschäftsführervertrag ergebe, beständen keine Zweifel daran, dass der Kläger weisungsfrei über seine Arbeitsleistung verfügen und bestimmen könne und dies auch getan habe. Er habe zudem maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Diese Rechtsmacht folge nicht unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag, da der Kläger kraft seines Anteils und Stammkapitals nur einen Anteil von 25,2 % habe. Da die Beschlüsse der Beigeladenen zu 1) grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst werden könnten, genüge alleine diese Minderheitsbeteiligung nicht, um die für die Gesellschaft richtungsgebenden Entscheidungen zu beeinflussen. Dem Kläger habe aufgrund des Gesellschaftsvertrags auch kein Vetorecht bzw. eine Sperrminorität zugestanden. Nur Gesellschafterbeschlüsse, durch die der Gesellschaftsvertrag geändert oder die Gesellschaft aufgelöst würden, hätten der Einstimmigkeit bedurft. Alle anderen Beschlüsse könnten nur mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Allerdings sei die Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig, wenn 51 % aller Stimmen anwesend oder vertreten seien, so dass der Kläger zusammen mit einem der beiden anderen Gesellschafter, die je 31,15 % am Stammkapital innehätten, bei Abwesenheit der anderen Gesellschafter ein relevantes Mitentscheidungsrecht besitze.

8

Seine Rechtsmacht folge aber ungeachtet dessen aus der zwischen allen Gesellschaftern geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung. Diese habe von Anfang an bestanden und sei zusätzlich am 10.01.2012 schriftlich dokumentiert worden. Eine solche Stimmbindungsvereinbarung sei zulässig und wirksam. Dadurch hätten sich die Gesellschafter gegenüber ihren Mitgesellschaftern verpflichtet, ihr Stimmrecht in einer vertraglich festgelegten Art und Weise, nämlich einvernehmlich, auszuüben. Zwar sei grundsätzlich, worauf die Beklagte hinweise, trotz der Stimmbindungsvereinbarung eine Stimmabgabe entgegen dieser schuldrechtlichen Verpflichtung möglich und dann sowohl die ablehnende Stimme als auch ein daraufhin gefasster Beschluss gültig. Eine Ausnahme davon bestehe allerdings, wenn sich sämtliche Gesellschafter im Rahmen einer satzungsergänzenden Nebenvereinbarung einer Stimmbindung unterworfen hätten, da im Falle einer einvernehmlichen Regelung unter allen Gesellschaftern die Regelung zumindest so lange zugleich als eine solche der Gesellschaft zu behandeln sei, als Gesellschafter nur die aus der Abrede Verpflichteten seien. Dies treffe im vorliegenden Fall zu und habe zur Folge, dass die Mitwirkung des Klägers bei allen Beschlüssen der Gesellschaft unabdingbar sei und seine Rechtsstellung daher sogar über diejenige hinausgehe, die einem Mitgesellschafter aufgrund einer Sperrminorität eingeräumt sei. Unter Berücksichtigung der Befreiung nach § 181 BGB und dem erheblichen Unternehmensrisiko des Klägers bestehe kein Zweifel daran, dass der Kläger selbstständig sei, so dass eine Versicherungs- und Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung nicht bestehe.

9

Am 20.12.2013 hat die Beklagte gegen den ihr am 03.12.2013 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.

10

Die Beklagte trägt vor,

11

nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), seien Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft hätten, als Arbeitnehmer im Sinne der Sozialversicherung zu qualifizieren. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages habe der Kläger weder über eine erforderliche Mehrheit der Stimmen noch über eine umfassende Sperrminorität und somit nicht über die Rechtsmacht verfügt, maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft zu nehmen. Die Vereinbarung vom 10.01.2012 über die Stimmbindung sei schriftlich mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende kündbar und lasse das Recht zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund unberührt. Wie das BSG ausdrücklich bestätigt habe, sei die bloße Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, so lange es nicht wirksam abbedungen sei. Die tatsächlichen Verhältnisse würden im Zweifel den Ausschlag geben, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" scheide aus. Es könnten auch anderweitige Gesellschafterbeschlüsse rechtlich wirksam gefasst werden. Eine Vereinbarung zur Stimmrechtsvereinbarung, sofern sie im Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag stehe, sei nicht anders zu bewerten als eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende praktische Handhabung. In beiden Fällen bleibe die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht unangetastet. Der außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossene Stimmbindungsvertrag habe generell nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien und bewirke bei einer abredewidrig abgegebenen Stimme keinen Mangel des Gesellschafterbeschlusses.

12

Im Übrigen erhalte der Kläger nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag einen vom Gewinn und Verlust der Gesellschaft unabhängiges monatliches Festgehalt sowie einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Auch dies spreche für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.

13

Der Beklagte beantragt,

14

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

17

Der Kläger trägt vor,

18

auch nach der Rechtsprechung des BSG sei das Vertragsverhältnis Grundlage der Beurteilung, wie es im Rahmen des tatsächlich Zulässigen vollzogen werde. Grundlage bildeten die getroffenen Vereinbarungen und die sich daraus ergebende Rechtsmacht. Dazu zähle auch die Stimmrechtsbindung, die wirksam und verbindlich geschlossen sei. Die Entscheidung des BSG vom 29.08.2012 belege, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich sei, so lange es nicht wirksam abbedungen worden sei. Die getroffene Vereinbarung aller Gesellschafter, ihre Stimmrechte nur abgestimmt, somit einstimmig auszuüben, bewirke, dass eine Beschlussfassung ohne die Zustimmung des Klägers ausgeschlossen sei. Nach allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Auffassung seien die Rechte aus einer solchen Vereinbarung klage- und vollstreckungsweise durchsetzbar. Selbst die Möglichkeit der Verhinderung einer anredewidrigen Stimmabgaben im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes sei anerkannt. Deshalb sei damit eine Rechtsmacht verbunden, welche die Beklagte ignoriere. Die Stimmbindung aller Gesellschafter entfalte auch körperschaftsrechtliche Wirkung, wobei sowohl der Bundesgerichtshof (BGH) als auch die von der Beklagten hierzu zitierte Kommentarliteratur anderer Auffassung als die Beklagte seien.

19

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat.

21

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form-und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat im Gerichtsbescheid vom 27.11.2013 zu Recht die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Der Kläger unterliegt aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2010 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.

22

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger mit Schreiben vom 12.07.2010 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

23

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)), wobei im vorliegenden Fall keine Versicherungspflicht in der Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung besteht, und von der Beklagten auch nicht festgestellt ist.

24

Entscheidend ist demnach das Bestehen einer "Beschäftigung". Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 12 KR 17/09 R mwN).

25

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser steht, wenn er als Geschäftsführer tätig wird. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04 – juris). Eine derartige Stellung liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 % des Stammkapitals inne hat, was hier beim Kläger nicht der Fall ist.

26

Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers an einer GmbH für deren Beherrschung nicht ausreicht, insbesondere dann, wenn die jeweiligen Kapitalanteile der Gesellschafter-Geschäftsführer unter 50 % liegen, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann, etwa, wenn sein Anteil mehr als ein Drittel beträgt und für Entscheidungen der Gesellschafterversammlung eine Zweidrittelmehrheit vorgeschrieben ist. Im vorliegenden Fall beträgt der Gesellschaftsanteil des Klägers zwar weniger als 1/3, nämlich nur 25,2 %. Dennoch ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Geschäftsführers zu verneinen, wenn er nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH bzw. der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist. Die gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit kann durch den tatsächlich eingeräumten Einfluss aufgehoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.1990, Az.: 11 RAr 77/89 – juris).

27

Im vorliegenden Fall könnten zwar einzelne Elemente des Geschäftsführervertrages für eine abhängige Beschäftigung sprechen, etwa das Festgehalt, dessen Fortzahlung im Krankheitsfall und der vereinbarte Urlaubsanspruch. Dennoch überwiegen die Elemente, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid eingehend dargelegt. Der Senat nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

28

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren bietet zu einer anderen Betrachtungsweise keine Veranlassung. Denn die vom Kläger mit seinen Mitgesellschaftern getroffene Stimmrechtsbindungsvereinbarung vom 10.01.2012, die für die davor liegende Zeit formlos vereinbart war, führt faktisch zu einem Einstimmigkeitsprinzip in der Gesellschafterversammlung, so dass dem Kläger auch dort gegen seinen Willen keine Weisungen erteilt werden können. Aufgrund der Stimmrechtsbindungsvereinbarung bestand unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rahmen des Zumutbaren für die übrigen Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) das Verbot, dem Kläger die durch Vertrag gewährten Vorteile (Sperrminorität) wieder zu entziehen oder wesentlich zu schmälern, und die Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 16. September 1999 – 1 U 137/98 –, juris). Deshalb sind solche Verträge nicht nur wirksam, sondern im Rahmen des § 894 ZPO auch vollstreckbar (BGH, NJW 1967, 1963 ff; Reuter in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rdn. 37 m.w.N.) und entgegen der Ansicht der Beklagten u.U. auch gesellschaftsrechtlich bindend, wenn sie -wie hier- von allen Gesellschaftern gemeinsam geschlossen sind, so dass ein der Abrede entgegenstehende Gesellschafterbeschluss u.U. anfechtbar sein kann (vgl. BGH, NJW 1983, 1910; Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, Rdn. 118 mwN). Solche Vereinbarungen können daher sogar bei Fremdgeschäftsführern, je nach Fallgestaltung, maßgeblich für die Einstufung als Selbständige sein (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2012, Az.: L 1 KR 355/12 B ER –, juris; a.A. für eine nur mündliche Stimmrechtsbindungsvereinbarung LSG Hamburg, Urteil vom 07.08.2013, Az.: L 2 R 31/10 –, juris), erst Recht bei Gesellschafter-Geschäftsführern.

29

Wie das BSG in der von der Beklagten vorlegten Entscheidung vom 29.08.2012 (SozR 4-2700 § 7 Nr. 17) entschieden hat, ist maßgeblich für die wertende Zuord-nung einer Tätigkeit zum Typus der Beschäftigung das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen wird. Tatsächlich vollzogen wird vom Kläger und seinen Mitgesellschaftern in der Beteiligten zu 1) der Gesellschaftsvertrag in seiner Ausgestaltung aufgrund der Stimmrechtsbindungsvereinbarung nach dem Einstimmigkeitsprinzip, so dass dies für eine selbständige Tätigkeit spricht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat. Durch das vom Kläger eingebrachte Eigenkapital in beträchtlicher Höhe trägt der Kläger auch am Erfolg der Gesellschaft ein relevantes Unternehmerrisiko, was seinen Urlaubsanspruch und sein erfolgsunabhängiges Monatseinkommen in seiner Bedeutung relativiert.

30

Dies mag anders sein, falls seitens eines oder mehrerer Gesellschafter die Stimmrechtsbindungsvereinbarung gekündigt wird. Da dies bislang aber nicht geschehen ist, ist von den tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum auszugehen. Danach unterlag und unterliegt der Kläger hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung keinem Weisungsrecht eines Arbeitgebers, ist also nicht abhängig beschäftigt.

31

Nach alledem war ist Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung stützt sich § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

33

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG sind nicht erkennbar.

34

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.