Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 11. Juli 2017 - 6 W 56/17

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2017:0711.6W56.17.00
bei uns veröffentlicht am11.07.2017

1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 20.06.2017 gegen den Streitwertbeschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau vom 09.05.2017 - 2 O 158/15 - wird zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Der Kläger hat vom Beklagten mit notariellem Vertrag vom 23.07.2014 ein Hausgrundstück zum Kaufpreis in Höhe von € 175.000,-- gekauft. Am 10.09.2014 leistete er eine Kaufpreiszahlung in Höhe von € 165.000,--. Die bereits angewiesene Restzahlung in Höhe von € 10.000,-- zog der Kläger im Hinblick auf zwischenzeitlich von ihm ausgemachte Feuchtigkeitsschäden im Haus wieder zurück. Die Kosten der Beseitigung der Schäden bezifferte er auf insgesamt € 39.880,-- (vgl. Klageschrift, Seite 9, Bl. 20 d.A.).

2

Mit seiner Klage begehrt er in der Hauptsache neben Schadensersatz in Höhe von € 29.880,-- (Klageantrag Ziffer 1.) vom Beklagten die Abgabe einer auf Auflassung sowie Bewilligung der Eigentumseintragung gerichteten Willenserklärung (Klageantrag Ziffer 2.).

3

Der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat die Klage mit Urteil vom 09.05.2017 - 2 O 158/15 - abgewiesen und hat den Streitwert mit Beschluss vom selben Tag auf „bis € 40.000,-- (Gebührenstufe)“ festgesetzt (Bl. 300 d.A.).

4

Gegen den Streitwertbeschluss richtet sich die Beschwerde der Beklagtenvertreter aus eigenem Recht. Sie machen geltend, dass für die Bemessung des Klageantrages Ziffer 2. der Wert des Eigentums (= € 175.000,--) heranzuziehen sei, weil der Kläger gerade dieses Interesse am Eigentum verfolge. Hilfsweise sei zumindest ein angemessener Bruchteil des Eigentumswertes anzusetzen, jedoch nicht weniger als die Hälfte (vgl. Beschwerdeschrift vom 20.06.2017, Seite 2, Bl. 306 d.A.).

II.

5

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 6 S. 2 GKG in der im GVG vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist gemäß §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig.

6

Sie ist in der Sache jedoch erfolglos.

7

Die Frage, ob bei Geltendmachung eines Auflassungsanspruchs grundsätzlich gemäß § 6 ZPO der Verkehrswert des aufzulassenden Grundstücks zugrunde zu legen ist oder in bestimmten Ausnahmefällen gemäß § 3 ZPO auf den Wert einer noch streitigen Restforderung festgesetzt werden kann, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.

8

Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass sich der Gegenstandswert bei Klagen auf Erteilung der Auflassung auch dann nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO bestimmt, wenn die Auflassung allein wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Gegenanspruchs verweigert wird (vgl. Wöstmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 3, Rdnr. 35 mwN; Herget in Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 3, Rdnr. 16 „Auflassung“ mwN; OLG Köln vom 20.09.2004 - 19 U 214/02 - in MDR 2005, 298; OLG München vom 10.03.1997 - 28 W 2542/96 - in NJW-RR 1998, 142). Zur Begründung wird dafür im Wesentlichen angeführt, dass für die Anwendung von § 6 ZPO die Gewährleistung einer berechenbaren und einheitlichen Wertberechnung spreche. Auch werde dadurch dem Umstand Rechnung getragen, dass Einwendungen und Gegenrechte der Beklagtenseite bei der Wertberechnung ohne Einfluss zu bleiben haben (vgl. aaO).

9

Für vorzugswürdig erachtet der Senat allerdings die Auffassung, wonach zumindest in den Fällen, in welchen nur noch eine im Verhältnis zum Kaufpreis, bzw. zum Grundstückswert geringe Restforderung streitig ist und allein das Bestehen oder Nichtbestehen dieser Restforderung über die Erfolgsaussichten der Klage entscheidet, der Streitwert nach § 3 ZPO auf den Wert der streitigen Forderung zu begrenzen ist (so OLG Nürnberg vom 08.12.2010 - 2 W 2145/10 -, in NJW-RR 2011, 1007; OLG Hamm vom 30.01.2013 - 12 W 37/12, I-12 - in BauR 2013, 995; OLG Stuttgart vom 23.09.2009 - 8 W 392/09 -, in MDR 2009, 1353).

10

Das OLG Hamm (aaO) hat richtigerweise darauf abgestellt, dass nur unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aspekte bei einem starken Missverhältnis zwischen streitiger Forderung einerseits (hier: Restkaufpreis in Höhe von € 10.000,--) und Gesamtkaufpreis andererseits (hier: € 175.000,--) im Ergebnis dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Anspruch des Rechtssuchenden auf Zugang zu effektivem Rechtsschutz hinreichend Rechnung getragen werden kann. Bei nicht wirtschaftlicher Betrachtungsweise bestünde dagegen die Gefahr, dass wegen des in keiner wirtschaftlich vernünftigen Relation zur eigentlich streitigen Restforderung stehenden Kostenrisikos der Zugang zu effektivem Rechtsschutz faktisch erschwert würde (vgl. OLG Hamm, aaO; OLG Nürnberg, aaO). Durch das Abstellen auf die wirklichen Interessen der Parteien und die wirtschaftlichen Hintergründe können die ansonsten untragbaren Ergebnisse einer auf den Verkehrswert des Grundstücks fixierten Streitwertbestimmung vermieden werden (vgl. OLG Stuttgart, aaO).

11

Dementsprechend hat das Landgericht - soweit es den Klageantrag Ziffer 2. betrifft - zu Recht auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abgestellt, für den Erwerb des Grundeigentums den offenen Restkaufpreis in Höhe von € 10.000,-- nicht mehr zahlen zu müssen (vgl. Nichtabhilfebeschluss vom 29.06.2017, Bl 307 f. d.A.). Zusammen mit dem Zahlungsantrag über € 29.880,-- (Klageantrag Ziffer 1.) ergibt sich der Streitwert in der festgesetzten Gebührenstufe bis € 40.000,--.

12

Dies alles vorausgeschickt, kann sogar dahinstehen, ob vor dem Hintergrund der im notariellen Kaufvertrag bereits erklärten Auflassung (vgl. Ziffer IV.1. des notariellen Kaufvertrages vom 23.07.2014 des Notars Justizrat Dr. W., G., UR.Nr. .../2014, Anlage K1, im Anlagenheft zur Klageschrift) der vorliegende Klageantrag Ziffer 2. nicht ohnehin als lediglich auf den Vollzug der Auflassung gerichtet zu werten ist. Für diesen Fall wäre nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Streitwert ohnehin nicht nach § 6 ZPO zu bestimmen, sondern gemäß § 3 ZPO unter Berücksichtigung des Wertes der streitigen (Gegen-)Forderung zu schätzen (vgl. BGH vom 06.12.2001 - VII ZR 420/00 -, in NJW 2002, 684). Dies entspricht ebenfalls der erfolgten Streitwertfestsetzung.

13

Nach alledem kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Zivilprozessordnung - ZPO | § 6 Besitz; Sicherstellung; Pfandrecht


Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2001 - VII ZR 420/00

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 420/00 vom 6. Dezember 2001 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein GKG § 12 Abs. 1 Satz 1 ZPO §§ 3, 6 Verlangt der Kläger die Zustimmung des Beklagten zum Vollzug einer Auflassung, die wegen einer

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 23. Sept. 2009 - 8 W 392/09

bei uns veröffentlicht am 23.09.2009

Tenor 1. Auf die Streitwertbeschwerde der Kläger wird der im Wege der Teilabhilfe ergangene Beschluss des Einzelrichters des Landgerichts Heilbronn vom 7. September 2009, Az. 5 O 90/08, abgeändert: Der Streitwert des Rechtsstreits

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(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Tenor

1. Auf die Streitwertbeschwerde der Kläger wird der im Wege der Teilabhilfe ergangene Beschluss des Einzelrichters des Landgerichts Heilbronn vom 7. September 2009, Az. 5 O 90/08,

abgeändert:

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 5.314,88 Euro festgesetzt.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
1.
Die Kläger wehren sich mit ihrer Streitwertbeschwerde bezüglich der von ihnen eingereichten Auflassungsklage gegen die Festsetzung des Landgerichts zunächst in Höhe von 151.853,68 EUR (Beschluss vom 12. August 2009) und sodann im Wege der Teilabhilfe von 40.000 EUR (Beschluss vom 7. September 2009) entsprechend dem vereinbarten Kaufpreis bzw. des geschätzten jetzigen Verkehrswerts. Sie halten eine Bemessung des Gegenstandswertes in Höhe von 5.314,88 EUR für richtig. Da nur noch die letzte Rate von 3,5% des vereinbarten Kaufpreises im Streit stehe, sei dieser Betrag maßgebend für die Wertfestsetzung.
2.
Die Beschwerde ist gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässig und in der Sache auch begründet.
In Rechtsprechung und Literatur besteht ein Meinungsstreit darüber, ob bei einer Auflassungsklage sich der Gebührenstreitwert ausnahmslos analog § 6 Satz 1 ZPO nach dem Verkehrswert des Grundstücks richtet (u. a.: OLG Köln MDR 2005, 298; OLGR Hamm 2005, 16; OLG Hamm MDR 2002, 1458; OLG Stuttgart/2. Zivilsenat AGS 2002, 182 mit Verweis auf BGH NJW-RR 2001, 518, der sich jedoch mit der hier streitigen Frage nicht befasst; Wöstmann in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 3 Rdnr. 35; je m. w. N.) oder aber bei Verweigerung der Auflassung wegen einer geringfügigen Gegenforderung nach deren Höhe (u. a.: OLG Stuttgart/12. Zivilsenat, Beschluss vom 21. Januar 2004, Az. 12 W 14/04; OLGR Köln 2004, 28; OLG Düsseldorf AGS 2004, 28; KG Berlin NJW-RR 2003, 787; BGH NJW 2002, 684, in dessen Entscheidung es allerdings um die Zustimmung zum Vollzug einer Auflassung ging; OLGR Schleswig 1998, 156; LG Hamburg MDR 1998, 372; OLG Celle NJW-RR 1998, das jedoch nicht die umstrittene Restforderung, sondern einen Bruchteil des Verkehrswertes bei der Festsetzung zu Grunde legen will; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 636; OLGR Düsseldorf 1993, 348; BVerfG NJW-RR 2000, 946, zur Bestimmung des Streitwerts eines Anspruchs auf Löschung einer nicht mehr valutierten Grundschuld oder Sicherungshypothek im Hinblick auf den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Justizgewährungsanspruch; Herget in Zöller, ZPO, § 3 Rdnr. 16 "Auflassung" und § 6 Rdnr. 1; je m. w. N.).
Aus den vorstehenden Zitaten ist zu entnehmen, dass der bisherigen herrschenden Meinung, die § 6 ZPO auch gebührenrechtlich rein formal anwendet, die Rechtsprechung zunehmend nicht mehr folgt.
Auch der Senat schließt sich der Rechtsauffassung an, dass bei einer Auflassungsklage, wenn die Auflassung lediglich wegen einer geringfügigen Gegenforderung verweigert wird, für den Gebührenstreitwert nicht der volle Verkehrswert des Grundstücks analog § 6 Satz 1 ZPO maßgebend ist, sondern sich dieser nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung der streitigen Forderung bemisst.
Durch die Heranziehung der flexibleren Vorschrift des § 3 ZPO und durch das Abstellen auf die wirklichen Interessen der Parteien und die wirtschaftlichen Hintergründe werden die ansonsten untragbaren Ergebnisse einer auf den Verkehrswert des Grundstücks fixierten Streitwertbestimmung vermieden. Auf die zuvor zitierte, die Anwendbarkeit des § 3 ZPO befürwortende Rechtsprechung wird im Einzelnen Bezug genommen.
Auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, insbesondere wegen des grundgesetzlich garantierten Justizgewährungsanspruchs (Art. 103 Abs. 1 GG) erscheint die an den wahren - finanziellen - Interessen der Parteien orientierte Lösung dieser Streitwertproblematik geradezu zwingend.
Das BVerfG hat mit dem Beschluss vom 16. November 1999, Az. 1 BvR 1821/94 (NJW-RR 2000, 946), entschieden, dass es den Justizgewährungsanspruch der kostenbelasteten Partei im Zivilprozess verletzt, wenn durch eine Festsetzung des Streitwerts weit über dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrens bereits die Kosten einer Gerichtsinstanz ihr wirtschaftliches Interesse an einer Rechtsverteidigung übersteigen.
Vorliegend scheitert die Auflassung an der Nichtbezahlung der vereinbarten letzten Rate von 5.314,88 EUR, die 3,5% des Kaufpreises von 151.853,69 EUR ausmacht.
10 
Eine 1,0-Gerichtsgebühr beläuft sich bei einem Streitwert von 5.314,88 EUR auf 136 EUR, bei einem solchen von 151.853,69 EUR auf 1.156 EUR und bei dem durch die Teilabhilfe reduzierten Streitwert von 40.000 EUR auf 398 EUR. Bei den Anwaltsgebühren ergeben sich Vergleichswerte von 439,40 EUR zu 2.060,50 EUR bzw. 1.172,60 EUR (1,3-Verfahrensgebühr) sowie von 405,60 EUR zu 1.902 EUR bzw. 1.082,40 EUR (1,2-Terminsgebühr).
11 
Danach würde eine Gerichtsinstanz mit streitigem Endurteil bei einem Gegenstandswert von 151.853,69 EUR mindestens Kosten von ca. 13.000 EUR verursachen und bei einem solchen von 40.000 EUR von ca. 6.700 EUR, d. h. die anfallenden Verfahrenskosten würden in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zur streitigen Gegenforderung, deretwegen die Auflassung verweigert wird, stehen.
12 
Das Risiko einer Prozessführung wäre für die Parteien - gemessen an der allein streitigen letzten Kaufpreisrate - so hoch, dass bei einer Streitwertfestsetzung grundsätzlich in Höhe des Verkehrswertes des Grundstücks die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Auflassungsklage zweifelhaft und die Gefahr der Verletzung des grundgesetzlich garantierten Justizgewährungsanspruchs nahe liegend - wenn nicht sogar unvermeidbar - erscheint.
13 
Abzustellen ist deshalb auf den Wert der tatsächlich noch im Streit stehenden restlichen Forderung, deretwegen die Auflassung verweigert wird. Der Gebührenstreitwert war danach auf die Beschwerde der Kläger unter Abänderung der Wertfestsetzung der Vorinstanz mit 5.314,88 EUR zu bemessen.
14 
Gem. § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 420/00
vom
6. Dezember 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Verlangt der Kläger die Zustimmung des Beklagten zum Vollzug einer Auflassung,
die wegen einer umstrittenen Restgegenforderung verweigert wird, so ist der Gebührenstreitwert
nicht nach § 6 ZPO zu bestimmen, sondern gemäß § 3 ZPO unter Berücksichtigung
des Werts der streitigen Gegenforderung zu schätzen.
BGH, Beschluß vom 6. Dezember 2001 - VII ZR 420/00 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2001 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode,
Hausmann, Dr. Wiebel und Prof. Dr. Kniffka

beschlossen:
Der Gebührenstreitwert des Rechtsstreits wird unter Abänderung der Beschlüsse des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. November 1999 sowie des Senats vom 5. April 2001 für alle Instanzen auf DM 23.200 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger erwarben von dem Beklagten durch notariellen Vertrag vom 19. Dezember 1995 zu einem Gesamtpreis von DM 318.000 Wohnungseigentum an einer neu errichteten Doppelhaushälfte. Die Vertragsparteien erklärten bereits bei Abschluû des Vertrages die Auflassung; der Beklagte bewilligte und beantragte die Eintragung der Kläger im Grundbuch. Der mit dem Vollzug des Vertrages beauftragte Notar sollte den Antrag auf Umschreibung des Eigentums jedoch erst nach vollständiger Bezahlung an das Grundbuchamt weiterleiten. Die Kläger entrichteten die vereinbarte Vergütung bis auf DM 23.200; diesen Betrag kürzten sie im Hinblick auf Mängel und eine nach ihrer Auffassung infolgedessen berechtigte Minderung. Der Beklagte verweigerte daraufhin
die Mitwirkung an der Eintragung der Kläger als Eigentümer. Die Kläger haben die Zustimmung zu einer Eigentumsumschreibung verlangt. Die gegen die Klageabweisung gerichtete Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

II.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Das Begehren der Kläger, das den Maûstab für die Festsetzung des Gebührenstreitwerts bildet, war darauf gerichtet, die Zustimmung der Beklagten zu einem Vollzug der Auflassung des Wohnungseigentums ohne die Zahlung des Restbetrages des vereinbarten Erwerbspreises zu erreichen. Dieses Begehren hat einen Wert von DM 23.200; würden die Kläger nämlich diesen Betrag an den Beklagten zahlen, so käme es infolge des Vollzuges der Treuhandabrede durch den Urkundsnotar zu der angestrebten Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Die Wertfestsetzung nach § 3 ZPO wird durch § 6 ZPO nicht ausgeschlossen , weil die Kläger weder die Übertragung des Besitzes an der Wohnung verlangt noch eine Erklärung der Beklagten angestrebt haben, die materiellrechtlich oder grundbuchrechtlich Voraussetzung für eine Eigentumsübertragung war. Ob und inwieweit der Gebührenstreitwert auch dann auf den Betrag der zwischen den Parteien allein umstrittenen Restgegenforderung festzusetzen ist (vgl. z.B. OLG Düsseldorf OLGR 1993, 348 und dagegen OLG Celle OLGR 1999, 200), wenn auf Auflassung geklagt wird, kann offenbleiben. Das Rechtsschutzbegehren der Kläger richtet sich nur darauf, das dem Vollzug der Ei-
gentumsumschreibung noch entgegenstehende Hindernis zu beseitigen. Dieses besteht in der fehlenden Erklärung des Beklagten, daû die Gegenleistung vollständig erbracht sei. Ullmann Thode Hausmann Wiebel Kniffka

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.