Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 01. Aug. 2011 - 1 Ws 90/11 (Vollz)
Gericht
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 01. März 2011 insoweit aufgehoben, als sein Antrag zu Ziffer 2 aus dem Schriftsatz vom 15. Januar 2011 zurückgewiesen wurde.
Dem Pfalzklinikum wird untersagt, den Antragsteller mittels einer Kamera zu überwachen.
2. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des Verurteilten als unzulässig verworfen
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Landeskasse auferlegt.
4. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat im Sicherungsverfahren durch Urteil vom 16. Dezember 1999 (5220 Js 16446/99) die Unterbringung des jetzt 59-jährigen Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
- 2
Nach den Urteilsfeststellungen hatte er im Zustand der Schuldunfähigkeit aufgrund einer paranoiden Psychose (wahnhaften Störung) mit einer Weinflasche auf seine schlafende Ehefrau eingeschlagen und versucht sie mit einem Kopfkissen zu ersticken. Danach hatte er mit einer weiteren Weinflasche auf seine im Bett liegende Tochter eingeschlagen. In beiden Fällen zerbrach die Flasche, beide Opfer erlitten u.a. Schnittwunden im Gesicht. Das erkennende Gericht hat die Taten als gefährliche Körperverletzung gewertet und dabei zugrunde gelegt, dass ein freiwilliger Rücktritt vom versuchten Tötungsdelikt nicht ausgeschlossen werden konnte.
- 3
Die Maßregel wird seit dem 16. Dezember 1999 im Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie in Klingenmünster vollzogen.
- 4
Der Beschwerdeführer leidet nach der Bewertung der Klinik, die sich insoweit auch auf die externe kriminologische Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. P. bezieht, an einer handlungs- und verhaltensbestimmten paranoiden Schizophrenie (ICD-10:F20.0).
- 5
Im Februar 2008 erkrankte der Beschwerdeführer an einer hochgradigen Einengung der Herzkranzgefäße (sog. Koronare Herzkrankheit- KHK -), weshalb er sich einer Bypass-Operation in der Herzklinik in K. unterziehen musste. Eine Behandlung der Herzerkrankung (z.B. Medikation, Sport, Tabakabstinenz) lehnt er ebenso ab, wie jegliche psychiatrische Untersuchung und Behandlung. Der Beschwerdeführer hat deswegen am 19. März 2010 eine Patientenverfügung (gem. § 1901 a BGB) aufgesetzt und unterschrieben. Darin hat er lediglich im Falle einer Erkrankung, die ein unumkehrbares tödliches Stadium erreicht haben sollte, eine Medikation zur Vermeidung von Schmerzen erbeten. In der Folgezeit wurde er in den nachts kameraüberwachten Kriseninterventionsraum der Station F6 verlegt, um herzbedingte Krisensituationen oder gar einen Herzinfarkt rechtzeitig zu erfassen und dann notärztliche Maßnahmen in die Wege leiten zu können. Die Zugangstür in den Kriseninterventionsraum war geöffnet, so dass er jederzeit die Nasszelle einschließlich der Toilette in einem gesonderten, nicht überwachten Raum nutzen konnte.
- 6
Durch Schreiben seines Verteidigers vom 10. November 2010 forderte der Beschwerdeführer das Pfalzklinikum Landeck auf, unverzüglich eine Zurückverlegung auf die Station F5 zu veranlassen, damit er nicht der von ihm abgelehnten Kameraüberwachung unterliegt. Dies lehnte das Pfalzklinikum mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 an den Verteidiger aus medizinischen Gründen ab.
- 7
Mit Schreiben vom 10. November 2010 hatte das Klinikum bei dem Amtsgericht Landau in der Pfalz – Zweigstelle Bad Bergzabern – die Errichtung einer gesetzlichen Betreuung für den Beschwerdeführer mit dem Aufgabenbereich Gesundheitsfürsorge angeregt. Im Nachgang hierzu übersandte das Pfalzklinikum ein Schreiben des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 30. November 2010, in welchem die Bestellung eines Betreuers für den Beschwerdeführer sowie die Beschleunigung des Verfahrens als dringlich hervorgehoben wurde. Die Aufsichtsbehörde wies zudem darauf hin, dass eine Patientenverfügung im Bereich interkurrenter Erkrankungen als beachtlich anzusehen sei. Weiter wurde ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Behandlung seiner kardiologischen Erkrankung grundsätzlich freistehe, eine Patientenverfügung zu treffen. Entscheidend sei insoweit, ob er als einwilligungsfähig zu betrachten sei und damit zugleich die Einsicht in seine Festlegungen über die Behandlung oder Nichtbehandlung und die Konsequenzen besitze.
- 8
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie H. S. gelangte in dem im Betreuungsverfahren eingeholten Gutachten vom 14. März 2011 zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer für die somatische Begleiterkrankung, die koronare Herzerkrankung, zu einer freien Willensbildung fähig sei.
- 9
Das Amtsgericht Landau in der Pfalz – Zweigstelle Bad Bergzabern- hat daraufhin mit Beschluss vom 24.März 2011 die Errichtung einer Betreuung abgelehnt. Nach Mitteilung des Amtsgerichts ist gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden.
- 10
Gegen die zum Zwecke der Überwachung erfolgte Verlegung des Beschwerdeführers hat dieser mit Schreiben seines Verteidigers vom 15. Januar 2011 gerichtliche Entscheidung beantragt. Darin begehrt er, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn von der Station F6 auf die Station F5 zurück zu verlegen (Antrag 1) und der Antragsgegnerin zu verbieten, ihn mittels einer Kamera zu überwachen (Antrag 2).
- 11
Ferner begehrte er die vorstehend beantragten Handlungen und Unterlassungen vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu regeln.
- 12
Die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit Beschluss vom 01. März 2011 die Anträge des Beschwerdeführers als unbegründet zurückgewiesen.
- 13
Mit seiner Rechtsbeschwerde, die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 114 Abs. 2 S.1, 116 Abs. 2 S.2 StVollzG verbunden war, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte.
- 14
Nachdem der Senat in dem Verfahren (5220 Js 16446/99 - 5050 VRs - StA Frankenthal (Pfalz) betreffend die jährliche Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers (Az. des Senats 1 Ws 102/11) Kenntnis davon erhalten hatte, dass das Pfalzklinikum die Errichtung einer Betreuung für den Beschwerdeführer im Bereich Gesundheitsfürsorge angeregt hatte, hat der Senat mit Verfügung vom 21. April 2011 - zur weiteren Sachaufklärung die Betreuungsakten XVII 244/10 des Amtsgerichts Landau in der Pfalz – Zweigstelle Bad Bergzabern beigezogen.
- 15
Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung von Rheinland-Pfalz hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
- 16
Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Senat mit Beschluss vom 17. Mai 2011 dem Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie in Klingenmünster bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde, längstens für die Dauer von 3 Monaten, untersagt, den Beschwerdeführer mit einer Kamera zu überwachen.
- 17
Mit Schreiben vom 06. Juli 2011 hat das Pfalzklinikum mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nach der durch den Senat getroffenen Anordnung zunächst den Kriseninterventionsraum der Station F6 de facto wie ein reguläres Patientenzimmer habe nutzen können und am 30. Juni 2011 wieder auf die geschlossene Therapiestation F5 verlegt worden ist.
II.
- 18
Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers hat, soweit es zulässig ist, Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
- 19
Die Formalien der Einlegung und Begründung im Sinne der §§ 118,138 Abs.3 StVollzG sind eingehalten.
- 20
Die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 116 Abs. 1 StVollzG ist jedoch nur teilweise erfüllt.
- 21
Gegen gerichtliche Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde nur dann zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs.1 StVollzG).
- 22
Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer gibt, soweit sie den Antrag des Beschwerdeführers auf Rückverlegung von der Station F6 auf die Station F5 zurückweist, weder Anlass zur Klärung und richtungsweisenden Beurteilung bestimmter Rechtsfragen Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen, noch geht von der angefochtenen Entscheidung eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., Rdnr. 2 zu § 116).
- 23
Die Verlegung des Beschwerdeführers von der Station F5 auf die Station F6 ist für sich genommen weder als Absonderung im Sinne einer besonderen Sicherungsmaßnahme noch als Absonderung in einem besonders gesicherten Raum gem. § 21 Abs.1 Satz 2 Ziffn. 3 und 4 MVollzG Rheinl.-Pfalz zu betrachten, weil das Zimmer des Beschwerdeführers offen stand und er es demgemäß zu jeder Zeit verlassen konnte. Auch erfolgte keine Absonderung von anderen Patienten oder gar eine getrennte Einnahme von Mahlzeiten oder ein Verbot der Wahrnehmung von Freizeitaktivitäten. Insoweit stand die Überwachung bei Nacht, die auf der Station F5 nicht möglich war, im Vordergrund. Dies führte der Antragsteller im Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. Januar 2011 selbst aus.
- 24
Soweit der Antragsteller das Verbot der Kameraüberwachung begehrt, ist das Rechtsmittel zulässig im Sinne von § 116 Abs.1 StVollzG, denn es ist geboten, die Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Obergerichtliche Entscheidungen zur nächtlichen Beobachtung eines Untergebrachten nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 MVollzG Rheinl.-Pfalz liegen bisher, soweit ersichtlich, nicht vor. Es handelt sich zudem nicht um einen Einzelfall.
- 25
Die danach zulässige Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
- 26
Die Überwachung des Beschwerdeführers mittels Kamera ist rechtswidrig und daher zu unterlassen.
- 27
Die Strafvollstreckungskammer hat die Beobachtung des untergebrachten Beschwerdeführers als besondere Sicherungsmaßnahme im Sinne von § 21 Abs.1 Satz 2 Ziff. 3 MVollzG Rheinl.-Pfalz angesehen. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 MVollzG Rheinl.-Pfalz kann eine Sicherungsmaßnahme angeordnet werden, soweit und solange ihr Zweck dies erfordert, um u.a. Gefahren für Leib und Leben des untergebrachten Patienten abzuwehren.
- 28
Entgegen der Auffassung des Pfalzklinikums für Psychiatrie und Neurologie und der Strafvollstreckungskammer bestand keine Verpflichtung, Maßnahmen zur Abwehr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, soweit es sich um interkurrente Erkrankungen handelt, zu ergreifen.
- 29
Dem steht nicht entgegen, dass der Untergebrachte über die auf das Vollzugsziel gerichtete Behandlung hinaus einen Anspruch auf weitere gesundheitliche Betreuung nach Maßgabe der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 2 MVollzG Rheinl.-Pfalz) hat.
- 30
Insoweit regelt § 56 Abs.1 Satz 1 StVollzG, die Verpflichtung der Anstalt zur Sorge für die körperliche und geistige Gesundheit des Untergebrachten. Zur zwangsweisen Durchführung einer Behandlung ist die Vollzugsbehörde jedoch dann nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Untergebrachten ausgegangen werden kann, §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 101 Abs. 1 S. 2 StVollzG.
- 31
Im Lichte der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG ist es der Antragsgegnerin sogar verwehrt, bei dem Beschwerdeführer bestehende interkurrente Erkrankungen gegen dessen natürlichen Willen zwangsweise zu behandeln.
- 32
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers und damit auch sein diesbezügliches Selbstbestimmungsrecht. Zu seinem Gehalt gehört dabei auch der Schutz gegen staatliche Zwangsbehandlung, selbst wenn sie zum Zwecke der Heilung vorgenommen wird. Eine schädliche Zielrichtung ist dabei nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Der Betroffene wird jedoch genötigt, eine Maßnahme zu dulden, die grundsätzlich den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllt und daher normalerweise nur mit der – in strafrechtlicher Hinsicht rechtfertigenden – Einwilligung des Betroffenen zulässig ist. Der in einer medizinischen Zwangsbehandlung liegende Eingriff berührt dabei nicht nur die körperliche Integrität des Betroffenen als solche, sondern in besonders intensiver Weise auch das von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützte Recht auf diesbezügliche Selbstbestimmung (vgl. Beschluss des BVerfG 2. Senat vom 23. März 2011, 2 BvR 882/09, Rdnr.39 m.w.N., zitiert nach juris). Eine medizinische Behandlung, die ihrer Art nach das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berührt, greift in dieses Grundrecht allenfalls dann nicht ein, wenn sie von der frei, auf der Grundlage der gebotenen ärztlichen Aufklärung, erteilten Einwilligung des Untergebrachten gedeckt ist (vgl. Beschluss des BVerfG 2. Senat vom 23. März 2011, a.a.O., Rdnr. 41). Dies setzt voraus, dass der Untergebrachte überhaupt einwilligungsfähig ist. Andererseits lässt eine zum Beispiel fehlende krankheitsbedingte Einsichtsfähigkeit den Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht von vornherein entfallen (vgl. Beschluss des BVerfG 2. Senat vom 07.10.1981, 2 BvR 1194/80, Rdnr. 39 ff; Beschluss des BVerfG 2. Senat vom 23. März 2011, a.a.O., Rdnr. 42, jeweils zitiert nach juris).
- 33
Die Patientenverfügung des Beschwerdeführers vom 19. März 2010 ist daher von entscheidender Bedeutung. Der Betroffene hat darin ausdrücklich eine ärztliche Intervention zur Behandlung seiner somatischen Erkrankung abgelehnt.
- 34
Unter Berücksichtigung der sachverständigen Bewertung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie H. S. ist insoweit von der Einwilligungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.
- 35
Der Sachverständige bestätigt zwar die Diagnose einer paranoid- sensitiv- narzisstischen mithin wahnhaften Persönlichkeitsstörung. Für die somatischen Begleiterkrankungen des Beschwerdeführers, wie hier der koronaren Herzerkrankung, könne aber eine freie Willensbildung angenommen werden. Der Beschwerdeführer besitze noch genügend gesunde Wahrnehmungsfähigkeit, um im somatischen Bereich für sich selbst Erkrankungen wahrzunehmen und behandeln zu lassen. Er könne noch sehr wohl abgestufte Denkmodelle entwickeln oder mit alternativen Behandlungsverfahren (asiatische Medizin) spekulieren. Soweit er den Tod für die somatische Störung in Kauf nehme, stehe dies in Übereinstimmung mit seinen innersten Vorstellungen und Absichten. Insoweit sei sein Wertesystem zwar etwas bizarr oder exzentrisch, mithin anders als die Norm, dürfe aber als Ausdruck von Freiheit angesehen werden. Soweit er mit dem Risiko seiner Herzerkrankung bewusst spiele, um sich Unterbringungsvorteile, Mitleid oder eine „moralische Bestrafung“ der Ärzte der forensischen Klinik im Sinne eines Märtyrertums zu verschaffen, sei dies ein Ausdruck seines Privatmotivs, und nicht als psychotischer Anteil einer Persönlichkeit zu werten.
- 36
Für den Senat besteht kein Anlass diese in sich nachvollziehbaren Ausführungen in Frage zu stellen. Daher sind die von dem Untergebrachten in seiner Patientenverfügung vom 19. März 2010 getroffenen Anordnungen für das Pfalzklinikum bindend.
- 37
Dem Senat ist dabei bewusst, dass das Pfalzklinikum aus wohlgemeinter Sorge um die Gesundheit des Patienten die Kameraüberwachung veranlasst hat, um im Ernstfall sofort handeln zu können. Jedoch stellen auch die zur Erhaltung des Lebens notwendigen medizinischen Maßnahmen Eingriffe in die körperliche Integrität des Patienten dar, die grundsätzlich der Einwilligung des Betroffenen bedürfen. Dies gilt auch dann, wenn die Verweigerung einer Behandlung lebensgefährlich ist. Denn die grundrechtlich geschützte Freiheit schließt auch die „Freiheit zur Krankheit“ und damit das Recht ein, auf Heilung abzielende Eingriffe abzulehnen, selbst wenn diese nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend angezeigt sind (vgl. Urteil des BVerfG 2. Senat vom 23. März 2011, a.a.O., Rdnr. 44, m.w.N.).
- 38
Zwangsbehandlungen sind insoweit unzulässig (vgl. BGH NJW 2005, 2385 und Palandt/ Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1901a, Rdnr. 7).
- 39
Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wonach eine Zwangsbehandlung der Anlasskrankheit gegen den natürlichen Willen des Untergebrachten verfassungswidrig ist (vgl. Urteil des BVerfG vom 23. März 2011 2. Senat, a.a.O., Rdnr. 39 ff, m.w.N.). Nichts anderes kann deshalb für die Behandlung der somatischen Erkrankung des Beschwerdeführers gelten.
- 40
Wenn aber bereits die Behandlung als solche gegen den Willen des Erklärenden als Zwangsbehandlung und somit als unzulässig anzusehen ist, gilt dies erst recht für eine dieser vorgeschalteten Überwachungsmaßnahme.
- 41
Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung als Aufsichtsbehörde hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Patientenverfügung im Bereich der interkurrenten Erkrankung beachtlich ist, soweit eine Einwilligungsfähigkeit vorliegt. Eine solche, die von der Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden ist, setzt lediglich die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Betroffenen, Art, Bedeutung, Tragweite und die Risiken der Maßnahme zu erfassen und seinen Willen hieran zu richten, voraus (Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1901a, Rdnr. 10).
- 42
Obwohl der Senat der Auffassung ist, dass die Ablehnung der medizinischen Behandlung der somatischen Erkrankung und die Ablehnung der Überwachung durch die Einwilligungsfreiheit gedeckt ist, so legt er dennoch Wert auf die Feststellung, dass die Ausübung dieser Einwilligungsfreiheit gegen die Empfehlung des Pfalzklinikums zu einem Übergang der Verantwortung auf den Beschwerdeführer führt. Wenn der Beschwerdeführer sich weiterhin gegen die Behandlung verwehrt, liegt die alleinige Verantwortung für eine medizinisch relevante Verschlechterung seiner Herzerkrankung bei ihm.
- 43
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 4 StPO. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 60, 52.
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Annotations
(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Das Gericht kann den Vollzug der angefochtenen Maßnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird und ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. Das Gericht kann auch eine einstweilige Anordnung erlassen; § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidungen sind nicht anfechtbar; sie können vom Gericht jederzeit geändert oder aufgehoben werden.
(3) Der Antrag auf eine Entscheidung nach Absatz 2 ist schon vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zulässig.
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Für die körperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen ist zu sorgen. § 101 bleibt unberührt.
(2) Der Gefangene hat die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.
(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.
(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.
(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.
(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.