Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 12. Apr. 2017 - 2 L 92/16
Gericht
Gründe
I.
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Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten durchgeführte Grenzfeststellung und Abmarkung. Er ist Eigentümer des Grundstücks G1 (O-Straße ...). Das Grundstück ist in seinem östlichen, an der O-Straße gelegenen Teil mit einem in geschlossener Bauweise errichteten Wohnhaus bebaut. An der südlichen und westlichen Grundstücksgrenze befand sich ursprünglich ein Seitenflügel, der an das Wohngebäude auf dem westlich angrenzenden Grundstück (G2 [B-Straße ...]) angebaut war, und den der Kläger wegen Baufälligkeit abreißen und durch einen Neubau ersetzen ließ.
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Auf den Antrag der Eigentümer des Nachbargrundstücks B-Straße ... nahm der Beklagte nach Durchführung eines Grenztermins am 21.03.2013 eine Grenzfeststellung und Abmarkung bezüglich der zwischen beiden Grundstücken verlaufenden Grundstücksgrenze im Bereich der aneinandergrenzenden Wohngebäude (Giebelmauer) vor. Im Abschnitt 2 der Niederschrift zum Grenztermin (Grenzermittlung) gab er an, dass die Lage der Grundmauer zwischen den beiden Flurstücken in der nebenstehenden Skizze dargestellt sei und die örtlich vorgefundene Grenzeinrichtung (Mauer) nicht mit dem rechtlichen Grenzverlauf übereinstimme. Nach der Skizze zur Niederschrift verläuft die Grenze zwischen den beiden Flurstücken im fraglichen Bereich dergestalt, dass die Giebelmauer nicht mit ihrer vollen Stärke auf dem Grundstück des Klägers liegt.
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Hiergegen erhob der Kläger am 03.04.2013 Widerspruch und trug dazu vor, aus den Unterlagen zu der im Mai 1912 durchgeführten Grundstücksteilung gehe hervor, dass die Giebelwand in vollem Umfang zu seinem Grundstück gehöre. Den Widerspruch wies das Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2015 zurück und führte zur Begründung u.a. aus: Die Giebelmauer sei außen an ihrer Stirnseite in Richtung des Hofes 29 cm breit. Im Erdgeschoss des Nachbargebäudes betrage die Gesamtmauerstärke 38 cm. Am Fuße dieser Mauer befinde sich in westlicher Richtung ein Fundament von ca. 25 cm Breite. Grundlage für die Grenzfeststellung sei eine Zerlegungsvermessung aus dem Jahr 1912, mit der die beiden Flurstücke gebildet worden seien. Ausweislich der Messungsverhandlung vom 30.05.1912 gehöre die Giebelmauer zum Grundstück des Klägers. An der Stirnseite der Mauer knicke die Grenze in Richtung des Flurstücks des Klägers ab, verlaufe um den Betrag der Mauerstärke am Gebäude entlang und knicke dann in Richtung des Hofes ab. Aus dem Fortführungsriss dieser Vermessung ergebe sich die konkrete Mauerstärke mit 25 cm als Differenz zweier Koordinatenwerte einer Messungslinie bzw. 26 cm als Differenz zweier Längenmaße am ehemaligen Seitengebäude. Die Grenze sei in diesem Fortführungsriss als unmittelbar an der Giebelmauer verlaufend dargestellt. Die Vermessung aus dem Jahr 1912 sei im Jahr 2011 im Rahmen der Grenzermittlung für ein Zivilgerichtsgutachten für den in Rede stehenden Grenzverlauf "rekonstruiert" worden, d.h. mittels identischer Punkte in die jetzige Örtlichkeit übertragen worden. Danach verlaufe die Grenze unmittelbar an der Giebelmauer. Der Beklagte habe den Grenzverlauf unabhängig von der Vermessung aus dem Jahr 2011 unmittelbar anhand der Vermessung von 1912 durchgeführt und die Ergebnisse der Vermessung von 2011 bestätigen können. Beide Vermessungen seien ausreichend genau und zuverlässig sowie in sich und in Bezug aufeinander widerspruchsfrei. Ein Grenzverlauf an einem von der eigentlichen Giebelmauer abweichenden Mauerfundament sei weder in der Skizze dargestellt noch im Text beschrieben. Auch im Fortführungsriss sei kein Mauerfundament dargestellt und vermessungstechnisch erfasst. Die Vermessungen ließen sich auch eindeutig in die Örtlichkeit übertragen, da die nach den Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Liegenschaftsvermessungen (VV LiegVerm) zulässigen Abweichungen nicht überschritten seien. Zwar seien nun Diskrepanzen zwischen der aktuellen örtlichen Situation und der in der Vermessung von 1912 dokumentierten damaligen örtlichen Situation offenbar geworden. Die Vermessung von 1912 weise eine im Hofbereich auf ganzer Höhe ca. 25 cm breite Mauer nach. Tatsächlich existiere (noch) die im Hofbereich auf ganzer Höhe an ihrer Stirnseite nunmehr mit ca. 29 cm Breite erfasste Mauer. Im Erdgeschoss des Nachbargrundstücks sei eine Breite von 38 cm gemessen worden. Die Differenz zur nachgewiesenen Mauerstärke verbreitere die Mauer in westliche Richtung. Daran schließe sich ein nochmal ca. 25 cm breites Mauerfundament in westlicher Richtung an. Die vom Kläger vorausgesetzte Übereinstimmung von heutiger und damaliger Bausituation lasse sich nicht belegen. Es sei weiterhin von der Richtigkeit der Vermessung aus dem Jahr 1912 auszugehen. Es seien alle technischen Voraussetzungen gegeben gewesen, um den Schnittpunkt einer Innenwand (bzw. eines entsprechenden Fundaments) mit einer Außenwand ermitteln und diesen dokumentieren zu können. Die Dokumente dieser Vermessung wiesen nur eine im Hofbereich auf ganzer Höhe ca. 25 cm breite Mauer ohne Verbreiterungen und Fundamente nach. Auch könne die Bezeichnung "Giebelmauer" nicht ohne weiteres als "Giebelmauer einschließlich Mauerfundament" interpretiert werden. Ein einheitlicher örtlicher Grenzverlauf in der vom Kläger vermuteten Lage existiere nicht.
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Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Die Behauptung der Widerspruchsbehörde, die Originalität der Giebelmauer sei nicht überzeugend feststellbar, sei nicht plausibel. Die Originalmauer sei 1912 lediglich falsch vermessen worden, nämlich an der Oberkante. Dies sei ein Notbehelf gewesen, um wenigstens die Identität der Grenzmauer zu sichern. Der Hinweis auf die Vermessungsmängel werde in der handschriftlich geführten Unterlage ausdrücklich erwähnt. Danach sei die Messung durch dichte Bebauung sehr erschwert gewesen, die nicht gemessenen Gebäudedimensionen seien wegen örtlicher Hindernisse nicht zu ermitteln gewesen, und die größere Zahl der Gebäudedimensionen sei auf den Dächern gemessen worden. Maßgeblich sei aber, wo sich die Mauer "aus der Erde hebe". Dem entsprechend gehöre auch ein oberirdisches Fundament zur Mauer. Nach oben verjünge sich die Mauer, was einer damals üblichen Bauweise entsprochen habe, und zwar an der Außenwand, während die Innenwand – auch heute noch messbar – senkrecht sei. Die Giebelmauer sei inzwischen oben abgetragen, so dass bereits jetzt die Grenzlinie ca. 4 cm innerhalb der Mauer verlaufe. Die Zahlen auf den Fortführungsrissen aus den Jahren 2011 und 1992 (Bl. 8, 9 und 43) seien widersprüchlich und nicht konsistent mit den übrigen Zahlenwerten der Vermessungsbehörde.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Bei der Frage, ob nach § 4 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Vermessungs- und Katastergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (DVO VermKatG LSA) und Ziffer 6.6.5 VV LiegVerm über den Verlauf einer Grundstücksgrenze nicht zweifelsfrei entschieden werden könne, insbesondere ob ein Widerspruch in den Angaben des Liegenschaftskatasters sich nicht zweifelsfrei klären lasse oder die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Flurstücksgrenze nicht in die Örtlichkeit übertragen werden könne (Ziffer 6.2.13 VV LiegVerm), berücksichtige das Gericht maßgeblich die sachverständigen Wertungen des Beklagten und der Widerspruchsbehörde. Diese unterlägen zwar im Ergebnis der vollen gerichtlichen Kontrolle, die Wertung und Interpretation selbst seien aber vom Gericht lediglich darauf zu überprüfen, ob sie nicht nachvollziehbar oder offensichtlich unrichtig, willkürlich oder grob fehlerhaft erschienen. Ein solcher Fehler sei hier nicht erkennbar. Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde hätten ausführlich und nachvollziehbar dargetan, weshalb die im Liegenschaftskataster vorhandenen Vermessungszahlen und Unterlagen (u.a. die Zerlegungsvermessung aus dem Jahr 1912 und die Zerlegungsvermessung für das Nachbargrundstück aus dem Jahr 1992) in sich widerspruchsfrei seien und für die Grenzfeststellung hätten berücksichtigt werden können. Mit dem Hinweis auf die Messungsverhandlung aus dem Jahr 1912, wonach die Giebelmauer noch zum Grundstück O-Straße ... gehöre, könne der Kläger diese Wertungen im Ergebnis nicht erschüttern. Der vom Beklagten festgestellte Grenzverlauf entspreche hinsichtlich der Kubatur dem seinerzeit zahlenmäßig festgelegten Grenzverlauf. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die ca. 100 Jahre alte Giebelmauer nach der angegriffenen Grenzfeststellung ca. 4 cm auf dem Nachbargrundstück liege. Zwar umschlössen nach der Beschreibung des Grenzverlaufs durch das Landesamt für Vermessung und Geoinformation vom 16.02.2011 die Punkte e, s, t, u und v die ehemalige Giebelmauer. Maßgeblich sei indes, dass sich das Vermessungszahlenwerk nach Einschätzung des Beklagten und der Fachbehörde "eindeutig" in die Örtlichkeit übertragen lasse. Zwar habe die Grenze ausweislich der Messverhandlung aus dem Jahr 1912 zum Grundstück O-Straße ... gehören sollen. Hierfür spreche auch der Verlauf der Grenze, der "um die Giebelmauer herum" dargestellt worden sei. Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde hätten aber diese "Widersprüchlichkeit" und die Unterschiede zwischen der aktuellen örtlichen Situation und der im Jahr 1912 zum Gegenstand ihrer fachlichen Einschätzung gemacht. Eine Willkürlichkeit dieser Feststellung über die subjektive Gewissheit über das Flurstücksabbild könne nach alledem nicht angenommen werden. Denn das Zahlenwerk sei in sich widerspruchsfrei.
II.
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A. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Solche Zweifel bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506, RdNr. 36 in juris, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
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a) Der Kläger macht geltend, bei der Messungsverhandlung am 30.05.1912 sei ohne jeden Zweifel vereinbart worden, dass die neue Grenze westlich der Giebelmauer, gemessen am Boden, verlaufe und nicht im Bereich der Giebelmauer. Die als Grenze vorgesehene Giebelwand sei insofern unverändert vorhanden, wie sie noch aus dem Boden mindestens über die gesamte Höhe des Erdgeschosses hinausrage. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass es im Laufe der zurückliegenden 104 Jahre zu keinen Erdverschiebungen gekommen sei, die den Standort der Mauer messbar in die eine oder andere Richtung verschoben hätten. Wenn die Messungen im Jahr 1912 richtig ausgeführt und Maßzahlen korrekt angewandt worden seien, müsse sich der Grenzverlauf vor Ort so ergeben, wie er bei dieser Messungsverhandlung vereinbart worden sei. Diese Tatsache lasse sich nicht durch irgendwelche Zahlen oder Argumente oder sonstige Wertungen um 4 cm in das Mauerwerk hinein argumentieren. Die Wertungen des Beklagten und der Widerspruchsbehörde seien damit offensichtlich grob fehlerhaft. Die Abweichungen bei der Mauerstärke erklärten sich aus einer auf der Außenseite fliehenden Mauer, die der Einfachheit halber nur am Giebel und nicht am Boden, wo sie wesentlich stärker sei, vermessen worden sei. Mit diesen Einwänden vermag der Kläger nicht durchzudringen.
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b) Gemäß § 16 Abs. 1 des Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (VermGeoG LSA) wird der örtliche Verlauf der im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Flurstücksgrenzen auf Antrag oder von Amts wegen festgestellt (Grenzfeststellung). Sachlicher Inhalt der Feststellung ist allgemein die verbindliche Aussage einer befugten Vermessungsstelle über die Lage der im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Flurstücksgrenzen in der Örtlichkeit. Je nach den Ergebnissen der Grenzermittlung sind drei unterschiedliche Entscheidungen möglich: Grenzfeststellung (Positiventscheidung), keine Grenzfeststellung (Negativentscheidung) oder Grenzfeststellung unter Vorbehalt (Vorbehaltsentscheidung) (vgl. Kummer/Möllering, Vermessungs- und Geoinformationsrecht Sachsen-Anhalt, 3. Aufl., § 16 Anm. 5.2.1.2).
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Die im Normalfall ergehende Positiventscheidung beinhaltet die verbindliche Erklärung der Übereinstimmung zwischen der örtlich ermittelten Grenze und ihrem Nachweis im Liegenschaftskataster. Durch diese förmliche Feststellung wird das Ergebnis der Grenzermittlung amtlich bestätigt und damit verbindlich. Sie drückt die behördliche Gewissheit der erklärten Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild (Liegenschaftskatasternachweis) und dem reproduzierten Flurstücksurbild (Örtlichkeit) aus. Dementsprechend ist eine Grenzfeststellung rechtswidrig, wenn eine andere als die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Flurstücksgrenze festgestellt worden ist, wenn also bei der Grenzermittlung ein Vermessungsfehler unterlaufen ist. Ohne Belang ist demgegenüber, ob der im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenzverlauf zutreffend ist, d.h. der Eigentumsgrenze entspricht. Bei der Grenzfeststellung ist dabei das Gebot der Katastermäßigkeit zu beachten. Hiernach ist die Vermessungsstelle bei der Grenzermittlung an den Inhalt des Liegenschaftskatasters gebunden mit der Folge, dass nur katastermäßige Nachweise statthaft sind, während andere, katasterfremde Unterlagen und sonstige Beweismittel außer Betracht bleiben müssen. Bei der Grenzermittlung ist die dem Nachweis entsprechende Lage der Grenzpunkte, die den linienhaften Grenzverlauf konkretisieren, anhand der maßgeblichen Vermessungsunterlagen (Vermessungszahlen, ggf. graphische Bestimmungselemente) vermessungstechnisch in der Örtlichkeit zu bestimmen, mit der Örtlichkeit zu vergleichen und sachverständig zu werten. Die Positiventscheidung „Grenzfeststellung“ ist möglich, wenn das Liegenschaftskataster eine zuverlässige und widerspruchsfreie Grenzaussage erlaubt und das geometrische Abbild des Flurstücks sich den örtlichen Gegebenheiten eindeutig zuordnen lässt (zum Ganzen: Beschl. d. Senats v. 26.09.2014 – 2 L 3/13 –, juris, RdNr. 5, m.w.N.).
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Gemäß § 4 Abs. 1 DVO VermKatG LSA unterbleibt hingegen die Grenzfeststellung, wenn im Grenzfeststellungsverfahren über den Verlauf einer Flurstücksgrenze nach sachverständigem Ermessen nicht zweifelsfrei entschieden werden kann; die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenze ist mit einem besonderen Vermerk zu versehen (Negativentscheidung). Solche Zweifel sind gegeben, wenn keine eindeutige Zuordnung zwischen dem Nachweis im Liegenschaftskataster und Örtlichkeit möglich ist, weil die Bestimmungselemente für den Grenzverlauf widersprüchlich sind und der Widerspruch nicht geklärt werden kann oder sie nicht ausreichend (sog. Versagen des Liegenschaftskatasters) sind (Ungewissheit im Nachweis). Bei der Beurteilung kommt es allein auf die subjektiven Vorstellungen der Vermessungsstelle und nicht darauf an, ob bei einer objektiven Betrachtungsweise solche Zweifel bestehen (zum Ganzen: Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 Anm. 5.2.4.1.).
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Entspricht der Nachweis einer Flurstücksgrenze im Liegenschaftskataster nicht dem örtlichen Grenzverlauf und ist eine willkürliche Grenzänderung auszuschließen, so gilt gemäß § 4 Abs. 2 DVO VermKatG LSA der im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenzverlauf als fehlerhaft. In diesem Fall ist der örtliche Grenzverlauf als Flurstücksgrenze mit dem Vorbehalt festzustellen, dass das Grundbuchamt das Bestandsverzeichnis berichtigt. Eine solche Vorbehaltsentscheidung setzt einen im Liegenschaftskataster fehlerhaft nachgewiesenen Grenzverlauf voraus. Der Grenznachweis gilt als fehlerhaft (Fehlerfiktion), wenn eine nachgewiesene Flurstücksgrenze nicht dem tatsächlichen Grenzverlauf entspricht (Abweichungen außerhalb der zulässigen Werte) und zugleich die Grenzermittlung ergibt, dass er nicht willkürlich verändert worden ist.
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Die „sachverständige Wertung“ bzw. "sachgemäße Interpretation“ sowie die behördliche Einschätzung der „Geringfügigkeit“ von Abweichungen unterliegen zwar im Ergebnis der vollen gerichtlichen Kontrolle, die Wertung und Interpretation selbst sind aber vom Gericht lediglich daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft erscheinen. Dies gilt umso mehr, als die Grenzfeststellung nicht eine objektiv bestehende Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild und dem reproduzierten Flurstücksurbild zum Gegenstand hat, sondern lediglich die (subjektive) behördliche Gewissheit hierüber (zum Ganzen: Beschl. d. Senats v. 04.08.2011 – 2 L 105/10 –, juris, RdNr. 4, m.w.N.). Die Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Liegenschaftsmessungen – VV LiegVerm – vom 01.01.2004 in der Form des RdErl. des Ministeriums des Innern vom 22.01.2002-43-23410 in der Neufassung vom 16.06.2006 haben die Funktion normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, die – wie ein vorweggenommenes Sachverständigengutachten – im Regelfall den Nachweis begründen, ob eine im Kataster nachgewiesene Flurstücksgrenze in der Örtlichkeit zutreffend bestimmt worden ist (Beschl. d. Senats v. 12.11.2009 – 2 L 335/07 –, juris, RdNr. 3).
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c) Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die vom Beklagten vorgenommene Grenzfeststellung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
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aa) Der Kläger greift die Annahme, dass die festgestellte Grenze dem Nachweis im Liegenschaftskataster, insbesondere dem darin enthaltenen Vermessungszahlenwerk entspricht, und damit ausreichende und widerspruchsfreie Bestimmungselemente für die Feststellung des Grenzverlaufs vorliegen, nicht (substantiiert) an. Seinen Einwand, im Fortführungsriss des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs Dipl.-Ing. (H.) (Bl. 43 des Verwaltungsvorgangs) sei die Mauerstärke mit 0,53 m und nicht – wie im Fortführungsriss aus dem Jahr 2011 (Bl. 8 des Verwaltungsvorgangs) – mit 0,35 m angegeben, hat der Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren im Schriftsatz vom 15.03.2016 (Bl. 66 GA) schlüssig mit dem Hinweis darauf entkräftet, dass diese Maßangabe für die in Rede stehende Grenzfeststellung keine Bedeutung habe, weil der damit gekennzeichnete Grenzverlauf (zwischen den Punkten 10 und 11) in dieser Messung nicht festgestellt worden sei und das Maß von 0,53 m keinen Bezug zu einer Mauer (fehlende Mauersignatur) enthalte; der in dieser Vermessung festgestellte Grenzbereich, der auch die hier zur Diskussion stehenden Grenzen beträfen, sei der Bereich der Punkte 35, 11 und 13, mit der exakten Bestätigung der Maßangaben aus dem Jahr 1912. Da der im Fortführungsriss dargestellte Punkt 10 nicht Gegenstand der seinerzeitigen Grenzermittlung und Grenzfeststellung war (vgl. die Niederschrift zum Grenztermin vom 22.03.1995 [Bl. 31 ff. des Verwaltungsvorgangs]), kommt es insoweit auf eine Überschreitung zulässiger Messtoleranzen nicht an.
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bb) Das vom Beklagten gefundene Ergebnis, dass sich das geometrische Abbild des Flurstücks den örtlichen Gegebenheiten eindeutig zuordnen lasse, erweist sich auch nicht deshalb als nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft, weil die festgestellte Grenze nicht unmittelbar an der Westseite der in Rede stehende Giebelmauer verläuft, die Giebelmauer sich vielmehr teilweise auf dem Nachbarflurstück 1060/314 befindet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass bei der Vermessung im Jahr 1912 ein Aufnahmefehler vorlag, der gemäß § 4 Abs. 2 DVO VermKatG LSA nur eine Vorbehaltsentscheidung zulassen würde.
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aaa) Bei dem Vergleich zwischen Katasternachweis und örtlichem Grenzverlauf ist zunächst zu prüfen, ob etwaige Abweichungen die für die Grenzermittlung vorgeschriebenen größten zulässigen Abweichungen überschreiten oder nicht. Liegen sie innerhalb dieses Bereichs, handelt es sich um Messungenauigkeiten. Katasternachweis und Örtlichkeit sind dann als übereinstimmend anzusehen. Werden die zulässigen Abweichungen überschritten und liegt weder eine willkürliche Grenzveränderung noch eine Grenzveränderung mit rechtlicher Wirkung (z.B. aufgrund gerichtlicher Entscheidung) vor, können die vorgefundenen Abweichungen auf Ungenauigkeiten des Aufnahmeverfahrens oder Aufnahmefehlern beruhen. Der Katasternachweis ist – ggf. unter Mitwirkung der Grundeigentümer – zu berichtigen (zum Ganzen: Kriegel/Herzfeld, Katasterkunde, Heft 6, Anm. 2.1). Messungenauigkeiten sind die bei Grenzermittlungen auftretenden Abweichungen gegen frühere Vermessungsergebnisse, verursacht durch die in den Messverfahren und Messgeräten begründeten unvermeidlichen Messungsfehler. Verbleiben diese Abweichungen innerhalb bestimmter Grenzwerte (größte zulässige Abweichungen), gelten Kataster-(Grenz-)nachweis und örtlicher Grenzverlauf als übereinstimmend, die Abweichungen sind als bloße Ungenauigkeiten einzustufen (Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Anm. 2.2, m.w.N.). Daneben können Ungenauigkeiten des Aufnahmeverfahrens vorliegen. Dies sind Abweichungen zwischen dem örtlichen Grenzverlauf und dem Katasternachweis, die auf einer nach heutigen Begriffen ungenauen Aufnahme des Grenzverlaufs beruhen und die weder als Messungenauigkeiten noch als Aufnahmefehler angesehen werden können, etwa wenn bei der seinerzeitigen Aufnahme der Grenzverlauf nicht scharf bezeichnet war oder Knicke oder Vorsprünge in der Grenze (z.B. in eng bebauten Ortschaften) unbeachtet geblieben sind. Begrifflich sind sowohl Ungenauigkeiten des Aufnahmeverfahrens als auch Messungenauigkeiten Widersprüche, die innerhalb der Genauigkeit des betreffenden Grenznachweises bleiben (Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Anm. 2.4.1). Davon zu unterscheiden ist der Aufnahmefehler, der dann vorliegt, wenn die Abgrenzung eines Flurstücks im Katasternachweis nicht dem rechtlichen Bestand entspricht, wie er bei der Aufnahme gegeben war, und wenn die Abweichung weder mit der Ungenauigkeit des Aufnahmeverfahrens erklärt noch als Messungenauigkeit angesehen werden kann. Der Typfall eines fehlerhaften Grenznachweises im Liegenschaftskataster ist der sog. Aufnahmefehler (vgl. Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Anm. 2.5.1), der durch die Grenzfeststellungsbehörde nicht erkannt werden kann, sondern der subjektiven (übereinstimmenden) Erklärung der Beteiligten bedarf; er kann durch fehlerhafte Erfassung (Uraufnahme) der rechtmäßigen Grenze oder durch ordnungsgemäße Erfassung des falschen Grenzverlaufs (Grenzirrtum, also Irrtum in der Sache) entstanden sein (Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 Anm. 5.2.3.2).
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Gemäß Nr. 6.2.7 VV LiegVerm gelten der übertragene und der örtliche Grenzverlauf als übereinstimmend bei Abweichungen, die nach der Anlage 4 zulässig sind. Nach der Anlage 4 zu den VV LiegVerm sind die Abweichungen zwischen dem im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Vermessungszahlen und den in der Liegenschaftsvermessung abschließend bestimmten Vermessungszahlen nach Anlage 1 zu berechnen. Die größte zulässige Abweichung (D) beträgt bei Vermessungen gemäß den VV LiegVerm 0,064 m. Bei kontrollierten Vermessungen vor Inkrafttreten der VV LiegVerm beträgt die größte zulässige Abweichung bei einer Strecke < 10 m in der Ortslage 0,21 m und in der Feldlage 0,32 m. Bei älteren Vermessungen (Verkoppelungen, Separationen, Grundsteuervermessungen) sind die größten zulässigen Abweichungen noch größer (vgl. Abschnitt 3 der Anlage 4).
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Gemessen daran begegnet die Annahme des Beklagten und der Widerspruchsbehörde, dass sich die zutage getretene Differenz zwischen katastermäßigem und örtlichem Grenzverlauf innerhalb der zulässigen Abweichungen bewege, keinen durchgreifenden Bedenken. Nach den Angaben des Klägers liegt die in Rede stehende Giebelmauer, gemessen in der Höhe, bis zu der sie abgetragen worden war, ca. 4 cm auf dem Nachbarflurstück 1060/314. Nach dem aus Anlass eines Zivilrechtsstreits erstatteten Gutachten des Landesamts für Vermessung und Geoinformation aus dem Jahr 2011 (Bl. 7 ff. des Verwaltungsvorgangs) ergab der Vergleich zwischen den originären Maßzahlen und den Maßen der örtlich vorgefundenen Mauer eine Differenz von 0,1 m bezüglich der Mauerstärke. Auch diese Differenz liegt noch innerhalb der für kontrollierte Vermessungen vor Inkrafttreten der VV LiegVerm festgelegten größten zulässigen Abweichungen in Ortslagen von 0,21 m. In dem vom Kläger als Anlage K 6 vorgelegten Schreiben vom 06.05.2011 weist auch der mit der Messung betraute Mitarbeiter L. im vorletzten Absatz auf die größten zulässigen Abweichungen für Vermessungen vor Inkrafttreten der VV LiegVerm "von 2 bis 3 Dezimeter" hin. Seine Aussage im letzten Absatz, dass im Rahmen der von ihm vorgenommenen Grenzermittlung genaue und zuverlässige Daten mit einer Punktidentität von zwei Zentimetern hätten bestimmt werden können, besagt entgegen der Auffassung des Klägers nichts über die maßgebliche größte zulässige Abweichung. Die Vermutung des Klägers, dass sich der örtliche Grenzverlauf weiter westlich befinde und bis zur Westseite der Innenwand des Nachbargrundstücks B-Straße ... reiche, so dass das Mauerwerk, gemessen am Boden, eine Gesamtstärke von 53 cm erreiche (vgl. Skizze die Giebelmauer, Anlage K 5 der Antragsbegründung), lässt sich – auch mit den von ihm vorgelegten Lichtbildern – nicht belegen. Der vom Kläger in diesem Zusammenhang nochmals herangezogene Fortführungsriss des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs (H.) (Bl. 43 des Verwaltungsvorgangs) ist aus den oben bereits darlegten Gründen in Bezug auf die tatsächliche Mauerstärke nicht aussagekräftig.
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bbb) Unabhängig davon fehlt es an der weiteren Voraussetzung für eine Vorbehaltsfeststellung nach § 4 Abs. 2 DVO VermKatG LSA, dass eine willkürliche Grenzveränderung auszuschließen ist. Eine willkürliche, rechtsunwirksame Grenzänderung kann nur durch eine entsprechende Erklärung der betroffenen Beteiligten ausgeschlossen werden; sie müssen zugleich erklären, dass sie den örtlichen Grenzverlauf als rechtmäßig ansehen (Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 Anm. 5.2.3.1). An einer solchen übereinstimmenden Erklärung der beteiligten Grundstückseigentümer fehlt es hier.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
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2.1. Zu Unrecht rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es auf den wesentlichen Kern seines Tatsachenvortrags, dass die Grenze am äußeren Rand der Mauer und nicht 4 cm in der Mauer verlaufe, nicht eingegangen sei.
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Der Senat hat wiederholt entschieden (vgl. Beschl. v. 04.07.2012 – 2 L 94/11 –, juris, RdNr. 18), schon einfaches Verfahrensrecht (§§ 108 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) verlange nicht, dass sich die Entscheidungsgründe mit jeder Einzelheit des Vorbringens befassten; es genüge die Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet dem Gericht gleichfalls nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschl. v. 17.11.1992 – 1 BvR 168,1509/89, 638,639/90 –, BVerfGE 87, 363 [392 f]). Art. 103 Abs. 1 GG fordert allein, dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91 –, BVerfGE 86, 133 [145]), und ist erst verletzt, wenn das Gericht gegen diesen Grundsatz erkennbar verstoßen hat. Das Bundesverfassungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass ein Gericht dem Verfassungsgebot entsprochen hat (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 u. v. 17.11.1992, a.a.O.). Als Indiz für die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst anzusehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage von zentraler Bedeutung nicht eingegangen ist, sofern das Vorbringen vom Gericht nicht für unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert gehalten wird (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992, a.a.O.). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs schützt auch nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag der Beteiligten nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.08.2004 – 1 BvR 1557/01 –, NVwZ 2005, 81, m.w.N.).
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Gemessen an diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hier nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat zunächst im Tatbestand des angefochtenen Urteils das Vorbringen des Klägers, dass ein "Scheibchen" der Mauer nicht zu seinem Grundstück gehören solle und dieses Manko durch eine ursprünglich mangelhafte Vermessung entstanden sei, wiedergegeben (vgl. S. 7, 4. Absatz des Urteilsabdrucks). In den Entscheidungsgründen hat es diesen Einwand aufgegriffen und ausgeführt, der Umstand, dass nach der Grenzfeststellung des Beklagten die ca. 100 Jahre alte Giebelwand u.a. um 4 cm auf dem Nachbargrundstücke liege, könne an der sachverständigen Bewertung keine durchgreifenden Zweifel begründen. Maßgeblich sei, dass sich das Vermessungszahlenwerk nach Einschätzung des Beklagten und der Fachbehörde "eindeutig" in die Örtlichkeit übertragen ließen (S. 12, letzter Absatz des Urteilsabdrucks). Dass das Verwaltungsgericht der Auffassung des Klägers, die Abweichung zwischen katastermäßigem und örtlichem Grenzverlauf führe zu einer Fehlerhaftigkeit der Grenzfeststellung, nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (BVerwG, Beschl. v. 27.04.2012 – BVerwG 8 B 7.12 –, juris, RdNr. 2, m.w.N.).
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2.2. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger, das Verwaltungsgericht habe gegen die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend geltende Vorschrift des § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO verstoßen, weil das Urteil formelhafte Wendungen enthalte, die als Begründung nicht genügten.
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Nach der im Verwaltungsprozess maßgeblichen Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die mit § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO wortgleich ist, sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.Dies dient einerseits der Selbstkontrolle der Tatsacheninstanz, andererseits aber auch der Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung durch die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht. Der Begründungszwang ist zugleich ein rechtsstaatliches Korrelat zu der im Grundsatz freien Beweiswürdigung des Tatrichters. Aus diesem Grunde darf sich das Gericht insoweit nicht auf formelhafte Wendungen beschränken. Die Anforderungen an die Detailliertheit der Entscheidungsgründe dürfen in diesem Punkt aber auch nicht überspannt werden. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jeder Einzelheit des ihm unterbreiteten Prozessstoffs ausdrücklich zu befassen. Die Annahme, das Gericht habe in seiner Entscheidung gewichtige Tatsachen übergangen, muss deswegen im Einzelfall durch besondere Umstände deutlich werden (zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 01.12.1994 – BVerwG 3 B 66.94 –, juris, RdNr. 4, m.w.N.).
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Gemessen daran lässt sich ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO hier nicht feststellen. Der Kläger legt im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge nicht dar, welche Wendungen er als formelhaft bzw. unzureichend ansieht. Seinem übrigen Vorbringen lässt sich zwar entnehmen, dass er die Begründung des erstinstanzlichen Urteils deshalb für unzureichend hält, weil sich das Verwaltungsgericht in weiten Teilen auf sachverständige Wertungen des Beklagten und die Widerspruchsbehörde gestützt hat. Eine unzulässige Beschränkung auf formelhafte Wendungen ist darin aber noch nicht zu erkennen, insbesondere weil die Wertung und Interpretation der Vermessungsbehörde – wie oben bereits dargelegt – lediglich daraufhin zu untersuchen sind, ob sie nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft erscheinen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt (S. 12, 2. Absatz des Urteilsabdrucks), der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung sowie schriftsätzlich, wie auch die Widerspruchsbehörde, ausführlich und nachvollziehbar dargetan, warum die im Liegenschaftskataster vorhandenen Vermessungszahlen und Unterlagen in sich widerspruchsfrei seien. Den Einwand des Klägers, dass die Grenze am äußeren Rand der Mauer und nicht 4 cm in der Mauer verlaufe, hat das Verwaltungsgericht – wie oben bereits ausgeführt – aufgegriffen und maßgeblich auf die Eindeutigkeit des Vermessungszahlenwerks abgestellt.
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2.3. Das Verwaltungsgericht hat schließlich nicht deshalb gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es keinen Sachverständigenbeweis erhoben hat.
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Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer nicht nur darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären; er muss auch darlegen, dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen; ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Beweisantrag genügt insoweit nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998 – BVerwG 6 B 67.98 –, juris, m.w.N; Beschl. d. Senats v. 08.12.2016 – 2 L 39/15 –, juris, RdNr. 39).
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Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrages nicht. Der Kläger legt schon nicht dar, hinsichtlich welcher konkreten Tatsachen ein Aufklärungsbedarf bestanden hat. Er trägt lediglich vor, die Zuziehung eines unabhängigen Sachverständigen sei notwendig gewesen, um seine "gegensätzlichen Behauptungen" klären zu lassen. Soweit seinem Vorbringen zu entnehmen sein sollte, das Verwaltungsgericht hätte den Aufbau der Giebelmauer, insbesondere deren Stärke, und die Frage, auf welcher Seite sie senkrecht nach oben verläuft, aufklären müssen, wäre dem schon deshalb nicht zu folgen, weil diese Umstände nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, auf die es in diesem Zusammenhang allein ankommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.01.1980 – BVerwG 2 B 70.78 –, juris, RdNr. 5), nicht entscheidungserheblich sind. Die Vorinstanz hat vielmehr darauf abgestellt, dass das Vermessungszahlenwerk in sich widerspruchsfrei sei und nach der fachlichen Einschätzung des Beklagten und der Widerspruchsbehörde die Feststellung eines eindeutigen zahlenmäßig nachgewiesenen Grenzverlaufs zulasse. Unabhängig davon hat der Kläger nicht durch Stellung eines Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung auf eine weitere Aufklärung bestimmter Tatsachen hingewirkt. Dem Verwaltungsgericht musste sich von seinem Rechtsstandpunkt aus auch keine weitere Sachverhaltsermittlung aufdrängen.
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.