Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 12. Apr. 2017 - 2 L 92/16

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2017:0412.2L92.16.0A
bei uns veröffentlicht am12.04.2017

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten durchgeführte Grenzfeststellung und Abmarkung. Er ist Eigentümer des Grundstücks G1 (O-Straße ...). Das Grundstück ist in seinem östlichen, an der O-Straße gelegenen Teil mit einem in geschlossener Bauweise errichteten Wohnhaus bebaut. An der südlichen und westlichen Grundstücksgrenze befand sich ursprünglich ein Seitenflügel, der an das Wohngebäude auf dem westlich angrenzenden Grundstück (G2 [B-Straße ...]) angebaut war, und den der Kläger wegen Baufälligkeit abreißen und durch einen Neubau ersetzen ließ.

2

Auf den Antrag der Eigentümer des Nachbargrundstücks B-Straße ... nahm der Beklagte nach Durchführung eines Grenztermins am 21.03.2013 eine Grenzfeststellung und Abmarkung bezüglich der zwischen beiden Grundstücken verlaufenden Grundstücksgrenze im Bereich der aneinandergrenzenden Wohngebäude (Giebelmauer) vor. Im Abschnitt 2 der Niederschrift zum Grenztermin (Grenzermittlung) gab er an, dass die Lage der Grundmauer zwischen den beiden Flurstücken in der nebenstehenden Skizze dargestellt sei und die örtlich vorgefundene Grenzeinrichtung (Mauer) nicht mit dem rechtlichen Grenzverlauf übereinstimme. Nach der Skizze zur Niederschrift verläuft die Grenze zwischen den beiden Flurstücken im fraglichen Bereich dergestalt, dass die Giebelmauer nicht mit ihrer vollen Stärke auf dem Grundstück des Klägers liegt.

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Hiergegen erhob der Kläger am 03.04.2013 Widerspruch und trug dazu vor, aus den Unterlagen zu der im Mai 1912 durchgeführten Grundstücksteilung gehe hervor, dass die Giebelwand in vollem Umfang zu seinem Grundstück gehöre. Den Widerspruch wies das Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2015 zurück und führte zur Begründung u.a. aus: Die Giebelmauer sei außen an ihrer Stirnseite in Richtung des Hofes 29 cm breit. Im Erdgeschoss des Nachbargebäudes betrage die Gesamtmauerstärke 38 cm. Am Fuße dieser Mauer befinde sich in westlicher Richtung ein Fundament von ca. 25 cm Breite. Grundlage für die Grenzfeststellung sei eine Zerlegungsvermessung aus dem Jahr 1912, mit der die beiden Flurstücke gebildet worden seien. Ausweislich der Messungsverhandlung vom 30.05.1912 gehöre die Giebelmauer zum Grundstück des Klägers. An der Stirnseite der Mauer knicke die Grenze in Richtung des Flurstücks des Klägers ab, verlaufe um den Betrag der Mauerstärke am Gebäude entlang und knicke dann in Richtung des Hofes ab. Aus dem Fortführungsriss dieser Vermessung ergebe sich die konkrete Mauerstärke mit 25 cm als Differenz zweier Koordinatenwerte einer Messungslinie bzw. 26 cm als Differenz zweier Längenmaße am ehemaligen Seitengebäude. Die Grenze sei in diesem Fortführungsriss als unmittelbar an der Giebelmauer verlaufend dargestellt. Die Vermessung aus dem Jahr 1912 sei im Jahr 2011 im Rahmen der Grenzermittlung für ein Zivilgerichtsgutachten für den in Rede stehenden Grenzverlauf "rekonstruiert" worden, d.h. mittels identischer Punkte in die jetzige Örtlichkeit übertragen worden. Danach verlaufe die Grenze unmittelbar an der Giebelmauer. Der Beklagte habe den Grenzverlauf unabhängig von der Vermessung aus dem Jahr 2011 unmittelbar anhand der Vermessung von 1912 durchgeführt und die Ergebnisse der Vermessung von 2011 bestätigen können. Beide Vermessungen seien ausreichend genau und zuverlässig sowie in sich und in Bezug aufeinander widerspruchsfrei. Ein Grenzverlauf an einem von der eigentlichen Giebelmauer abweichenden Mauerfundament sei weder in der Skizze dargestellt noch im Text beschrieben. Auch im Fortführungsriss sei kein Mauerfundament dargestellt und vermessungstechnisch erfasst. Die Vermessungen ließen sich auch eindeutig in die Örtlichkeit übertragen, da die nach den Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Liegenschaftsvermessungen (VV LiegVerm) zulässigen Abweichungen nicht überschritten seien. Zwar seien nun Diskrepanzen zwischen der aktuellen örtlichen Situation und der in der Vermessung von 1912 dokumentierten damaligen örtlichen Situation offenbar geworden. Die Vermessung von 1912 weise eine im Hofbereich auf ganzer Höhe ca. 25 cm breite Mauer nach. Tatsächlich existiere (noch) die im Hofbereich auf ganzer Höhe an ihrer Stirnseite nunmehr mit ca. 29 cm Breite erfasste Mauer. Im Erdgeschoss des Nachbargrundstücks sei eine Breite von 38 cm gemessen worden. Die Differenz zur nachgewiesenen Mauerstärke verbreitere die Mauer in westliche Richtung. Daran schließe sich ein nochmal ca. 25 cm breites Mauerfundament in westlicher Richtung an. Die vom Kläger vorausgesetzte Übereinstimmung von heutiger und damaliger Bausituation lasse sich nicht belegen. Es sei weiterhin von der Richtigkeit der Vermessung aus dem Jahr 1912 auszugehen. Es seien alle technischen Voraussetzungen gegeben gewesen, um den Schnittpunkt einer Innenwand (bzw. eines entsprechenden Fundaments) mit einer Außenwand ermitteln und diesen dokumentieren zu können. Die Dokumente dieser Vermessung wiesen nur eine im Hofbereich auf ganzer Höhe ca. 25 cm breite Mauer ohne Verbreiterungen und Fundamente nach. Auch könne die Bezeichnung "Giebelmauer" nicht ohne weiteres als "Giebelmauer einschließlich Mauerfundament" interpretiert werden. Ein einheitlicher örtlicher Grenzverlauf in der vom Kläger vermuteten Lage existiere nicht.

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Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Die Behauptung der Widerspruchsbehörde, die Originalität der Giebelmauer sei nicht überzeugend feststellbar, sei nicht plausibel. Die Originalmauer sei 1912 lediglich falsch vermessen worden, nämlich an der Oberkante. Dies sei ein Notbehelf gewesen, um wenigstens die Identität der Grenzmauer zu sichern. Der Hinweis auf die Vermessungsmängel werde in der handschriftlich geführten Unterlage ausdrücklich erwähnt. Danach sei die Messung durch dichte Bebauung sehr erschwert gewesen, die nicht gemessenen Gebäudedimensionen seien wegen örtlicher Hindernisse nicht zu ermitteln gewesen, und die größere Zahl der Gebäudedimensionen sei auf den Dächern gemessen worden. Maßgeblich sei aber, wo sich die Mauer "aus der Erde hebe". Dem entsprechend gehöre auch ein oberirdisches Fundament zur Mauer. Nach oben verjünge sich die Mauer, was einer damals üblichen Bauweise entsprochen habe, und zwar an der Außenwand, während die Innenwand – auch heute noch messbar – senkrecht sei. Die Giebelmauer sei inzwischen oben abgetragen, so dass bereits jetzt die Grenzlinie ca. 4 cm innerhalb der Mauer verlaufe. Die Zahlen auf den Fortführungsrissen aus den Jahren 2011 und 1992 (Bl. 8, 9 und 43) seien widersprüchlich und nicht konsistent mit den übrigen Zahlenwerten der Vermessungsbehörde.

5

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Bei der Frage, ob nach § 4 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Vermessungs- und Katastergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (DVO VermKatG LSA) und Ziffer 6.6.5 VV LiegVerm über den Verlauf einer Grundstücksgrenze nicht zweifelsfrei entschieden werden könne, insbesondere ob ein Widerspruch in den Angaben des Liegenschaftskatasters sich nicht zweifelsfrei klären lasse oder die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Flurstücksgrenze nicht in die Örtlichkeit übertragen werden könne (Ziffer 6.2.13 VV LiegVerm), berücksichtige das Gericht maßgeblich die sachverständigen Wertungen des Beklagten und der Widerspruchsbehörde. Diese unterlägen zwar im Ergebnis der vollen gerichtlichen Kontrolle, die Wertung und Interpretation selbst seien aber vom Gericht lediglich darauf zu überprüfen, ob sie nicht nachvollziehbar oder offensichtlich unrichtig, willkürlich oder grob fehlerhaft erschienen. Ein solcher Fehler sei hier nicht erkennbar. Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde hätten ausführlich und nachvollziehbar dargetan, weshalb die im Liegenschaftskataster vorhandenen Vermessungszahlen und Unterlagen (u.a. die Zerlegungsvermessung aus dem Jahr 1912 und die Zerlegungsvermessung für das Nachbargrundstück aus dem Jahr 1992) in sich widerspruchsfrei seien und für die Grenzfeststellung hätten berücksichtigt werden können. Mit dem Hinweis auf die Messungsverhandlung aus dem Jahr 1912, wonach die Giebelmauer noch zum Grundstück O-Straße ... gehöre, könne der Kläger diese Wertungen im Ergebnis nicht erschüttern. Der vom Beklagten festgestellte Grenzverlauf entspreche hinsichtlich der Kubatur dem seinerzeit zahlenmäßig festgelegten Grenzverlauf. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die ca. 100 Jahre alte Giebelmauer nach der angegriffenen Grenzfeststellung ca. 4 cm auf dem Nachbargrundstück liege. Zwar umschlössen nach der Beschreibung des Grenzverlaufs durch das Landesamt für Vermessung und Geoinformation vom 16.02.2011 die Punkte e, s, t, u und v die ehemalige Giebelmauer. Maßgeblich sei indes, dass sich das Vermessungszahlenwerk nach Einschätzung des Beklagten und der Fachbehörde "eindeutig" in die Örtlichkeit übertragen lasse. Zwar habe die Grenze ausweislich der Messverhandlung aus dem Jahr 1912 zum Grundstück O-Straße ... gehören sollen. Hierfür spreche auch der Verlauf der Grenze, der "um die Giebelmauer herum" dargestellt worden sei. Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde hätten aber diese "Widersprüchlichkeit" und die Unterschiede zwischen der aktuellen örtlichen Situation und der im Jahr 1912 zum Gegenstand ihrer fachlichen Einschätzung gemacht. Eine Willkürlichkeit dieser Feststellung über die subjektive Gewissheit über das Flurstücksabbild könne nach alledem nicht angenommen werden. Denn das Zahlenwerk sei in sich widerspruchsfrei.

II.

6

A. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Solche Zweifel bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506, RdNr. 36 in juris, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

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a) Der Kläger macht geltend, bei der Messungsverhandlung am 30.05.1912 sei ohne jeden Zweifel vereinbart worden, dass die neue Grenze westlich der Giebelmauer, gemessen am Boden, verlaufe und nicht im Bereich der Giebelmauer. Die als Grenze vorgesehene Giebelwand sei insofern unverändert vorhanden, wie sie noch aus dem Boden mindestens über die gesamte Höhe des Erdgeschosses hinausrage. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass es im Laufe der zurückliegenden 104 Jahre zu keinen Erdverschiebungen gekommen sei, die den Standort der Mauer messbar in die eine oder andere Richtung verschoben hätten. Wenn die Messungen im Jahr 1912 richtig ausgeführt und Maßzahlen korrekt angewandt worden seien, müsse sich der Grenzverlauf vor Ort so ergeben, wie er bei dieser Messungsverhandlung vereinbart worden sei. Diese Tatsache lasse sich nicht durch irgendwelche Zahlen oder Argumente oder sonstige Wertungen um 4 cm in das Mauerwerk hinein argumentieren. Die Wertungen des Beklagten und der Widerspruchsbehörde seien damit offensichtlich grob fehlerhaft. Die Abweichungen bei der Mauerstärke erklärten sich aus einer auf der Außenseite fliehenden Mauer, die der Einfachheit halber nur am Giebel und nicht am Boden, wo sie wesentlich stärker sei, vermessen worden sei. Mit diesen Einwänden vermag der Kläger nicht durchzudringen.

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b) Gemäß § 16 Abs. 1 des Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (VermGeoG LSA) wird der örtliche Verlauf der im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Flurstücksgrenzen auf Antrag oder von Amts wegen festgestellt (Grenzfeststellung). Sachlicher Inhalt der Feststellung ist allgemein die verbindliche Aussage einer befugten Vermessungsstelle über die Lage der im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Flurstücksgrenzen in der Örtlichkeit. Je nach den Ergebnissen der Grenzermittlung sind drei unterschiedliche Entscheidungen möglich: Grenzfeststellung (Positiventscheidung), keine Grenzfeststellung (Negativentscheidung) oder Grenzfeststellung unter Vorbehalt (Vorbehaltsentscheidung) (vgl. Kummer/Möllering, Vermessungs- und Geoinformationsrecht Sachsen-Anhalt, 3. Aufl., § 16 Anm. 5.2.1.2).

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Die im Normalfall ergehende Positiventscheidung beinhaltet die verbindliche Erklärung der Übereinstimmung zwischen der örtlich ermittelten Grenze und ihrem Nachweis im Liegenschaftskataster. Durch diese förmliche Feststellung wird das Ergebnis der Grenzermittlung amtlich bestätigt und damit verbindlich. Sie drückt die behördliche Gewissheit der erklärten Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild (Liegenschaftskatasternachweis) und dem reproduzierten Flurstücksurbild (Örtlichkeit) aus. Dementsprechend ist eine Grenzfeststellung rechtswidrig, wenn eine andere als die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Flurstücksgrenze festgestellt worden ist, wenn also bei der Grenzermittlung ein Vermessungsfehler unterlaufen ist. Ohne Belang ist demgegenüber, ob der im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenzverlauf zutreffend ist, d.h. der Eigentumsgrenze entspricht. Bei der Grenzfeststellung ist dabei das Gebot der Katastermäßigkeit zu beachten. Hiernach ist die Vermessungsstelle bei der Grenzermittlung an den Inhalt des Liegenschaftskatasters gebunden mit der Folge, dass nur katastermäßige Nachweise statthaft sind, während andere, katasterfremde Unterlagen und sonstige Beweismittel außer Betracht bleiben müssen. Bei der Grenzermittlung ist die dem Nachweis entsprechende Lage der Grenzpunkte, die den linienhaften Grenzverlauf konkretisieren, anhand der maßgeblichen Vermessungsunterlagen (Vermessungszahlen, ggf. graphische Bestimmungselemente) vermessungstechnisch in der Örtlichkeit zu bestimmen, mit der Örtlichkeit zu vergleichen und sachverständig zu werten. Die Positiventscheidung „Grenzfeststellung“ ist möglich, wenn das Liegenschaftskataster eine zuverlässige und widerspruchsfreie Grenzaussage erlaubt und das geometrische Abbild des Flurstücks sich den örtlichen Gegebenheiten eindeutig zuordnen lässt (zum Ganzen: Beschl. d. Senats v. 26.09.2014 – 2 L 3/13 –, juris, RdNr. 5, m.w.N.).

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Gemäß § 4 Abs. 1 DVO VermKatG LSA unterbleibt hingegen die Grenzfeststellung, wenn im Grenzfeststellungsverfahren über den Verlauf einer Flurstücksgrenze nach sachverständigem Ermessen nicht zweifelsfrei entschieden werden kann; die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenze ist mit einem besonderen Vermerk zu versehen (Negativentscheidung). Solche Zweifel sind gegeben, wenn keine eindeutige Zuordnung zwischen dem Nachweis im Liegenschaftskataster und Örtlichkeit möglich ist, weil die Bestimmungselemente für den Grenzverlauf widersprüchlich sind und der Widerspruch nicht geklärt werden kann oder sie nicht ausreichend (sog. Versagen des Liegenschaftskatasters) sind (Ungewissheit im Nachweis). Bei der Beurteilung kommt es allein auf die subjektiven Vorstellungen der Vermessungsstelle und nicht darauf an, ob bei einer objektiven Betrachtungsweise solche Zweifel bestehen (zum Ganzen: Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 Anm. 5.2.4.1.).

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Entspricht der Nachweis einer Flurstücksgrenze im Liegenschaftskataster nicht dem örtlichen Grenzverlauf und ist eine willkürliche Grenzänderung auszuschließen, so gilt gemäß § 4 Abs. 2 DVO VermKatG LSA der im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenzverlauf als fehlerhaft. In diesem Fall ist der örtliche Grenzverlauf als Flurstücksgrenze mit dem Vorbehalt festzustellen, dass das Grundbuchamt das Bestandsverzeichnis berichtigt. Eine solche Vorbehaltsentscheidung setzt einen im Liegenschaftskataster fehlerhaft nachgewiesenen Grenzverlauf voraus. Der Grenznachweis gilt als fehlerhaft (Fehlerfiktion), wenn eine nachgewiesene Flurstücksgrenze nicht dem tatsächlichen Grenzverlauf entspricht (Abweichungen außerhalb der zulässigen Werte) und zugleich die Grenzermittlung ergibt, dass er nicht willkürlich verändert worden ist.

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Die „sachverständige Wertung“ bzw. "sachgemäße Interpretation“ sowie die behördliche Einschätzung der „Geringfügigkeit“ von Abweichungen unterliegen zwar im Ergebnis der vollen gerichtlichen Kontrolle, die Wertung und Interpretation selbst sind aber vom Gericht lediglich daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft erscheinen. Dies gilt umso mehr, als die Grenzfeststellung nicht eine objektiv bestehende Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild und dem reproduzierten Flurstücksurbild zum Gegenstand hat, sondern lediglich die (subjektive) behördliche Gewissheit hierüber (zum Ganzen: Beschl. d. Senats v. 04.08.2011 – 2 L 105/10 –, juris, RdNr. 4, m.w.N.). Die Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Liegenschaftsmessungen – VV LiegVerm – vom 01.01.2004 in der Form des RdErl. des Ministeriums des Innern vom 22.01.2002-43-23410 in der Neufassung vom 16.06.2006 haben die Funktion normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften, die – wie ein vorweggenommenes Sachverständigengutachten – im Regelfall den Nachweis begründen, ob eine im Kataster nachgewiesene Flurstücksgrenze in der Örtlichkeit zutreffend bestimmt worden ist (Beschl. d. Senats v. 12.11.2009 – 2 L 335/07 –, juris, RdNr. 3).

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c) Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die vom Beklagten vorgenommene Grenzfeststellung rechtlich nicht zu beanstanden ist.

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aa) Der Kläger greift die Annahme, dass die festgestellte Grenze dem Nachweis im Liegenschaftskataster, insbesondere dem darin enthaltenen Vermessungszahlenwerk entspricht, und damit ausreichende und widerspruchsfreie Bestimmungselemente für die Feststellung des Grenzverlaufs vorliegen, nicht (substantiiert) an. Seinen Einwand, im Fortführungsriss des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs Dipl.-Ing. (H.) (Bl. 43 des Verwaltungsvorgangs) sei die Mauerstärke mit 0,53 m und nicht – wie im Fortführungsriss aus dem Jahr 2011 (Bl. 8 des Verwaltungsvorgangs) – mit 0,35 m angegeben, hat der Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren im Schriftsatz vom 15.03.2016 (Bl. 66 GA) schlüssig mit dem Hinweis darauf entkräftet, dass diese Maßangabe für die in Rede stehende Grenzfeststellung keine Bedeutung habe, weil der damit gekennzeichnete Grenzverlauf (zwischen den Punkten 10 und 11) in dieser Messung nicht festgestellt worden sei und das Maß von 0,53 m keinen Bezug zu einer Mauer (fehlende Mauersignatur) enthalte; der in dieser Vermessung festgestellte Grenzbereich, der auch die hier zur Diskussion stehenden Grenzen beträfen, sei der Bereich der Punkte 35, 11 und 13, mit der exakten Bestätigung der Maßangaben aus dem Jahr 1912. Da der im Fortführungsriss dargestellte Punkt 10 nicht Gegenstand der seinerzeitigen Grenzermittlung und Grenzfeststellung war (vgl. die Niederschrift zum Grenztermin vom 22.03.1995 [Bl. 31 ff. des Verwaltungsvorgangs]), kommt es insoweit auf eine Überschreitung zulässiger Messtoleranzen nicht an.

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bb) Das vom Beklagten gefundene Ergebnis, dass sich das geometrische Abbild des Flurstücks den örtlichen Gegebenheiten eindeutig zuordnen lasse, erweist sich auch nicht deshalb als nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft, weil die festgestellte Grenze nicht unmittelbar an der Westseite der in Rede stehende Giebelmauer verläuft, die Giebelmauer sich vielmehr teilweise auf dem Nachbarflurstück 1060/314 befindet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass bei der Vermessung im Jahr 1912 ein Aufnahmefehler vorlag, der gemäß § 4 Abs. 2 DVO VermKatG LSA nur eine Vorbehaltsentscheidung zulassen würde.

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aaa) Bei dem Vergleich zwischen Katasternachweis und örtlichem Grenzverlauf ist zunächst zu prüfen, ob etwaige Abweichungen die für die Grenzermittlung vorgeschriebenen größten zulässigen Abweichungen überschreiten oder nicht. Liegen sie innerhalb dieses Bereichs, handelt es sich um Messungenauigkeiten. Katasternachweis und Örtlichkeit sind dann als übereinstimmend anzusehen. Werden die zulässigen Abweichungen überschritten und liegt weder eine willkürliche Grenzveränderung noch eine Grenzveränderung mit rechtlicher Wirkung (z.B. aufgrund gerichtlicher Entscheidung) vor, können die vorgefundenen Abweichungen auf Ungenauigkeiten des Aufnahmeverfahrens oder Aufnahmefehlern beruhen. Der Katasternachweis ist – ggf. unter Mitwirkung der Grundeigentümer – zu berichtigen (zum Ganzen: Kriegel/Herzfeld, Katasterkunde, Heft 6, Anm. 2.1). Messungenauigkeiten sind die bei Grenzermittlungen auftretenden Abweichungen gegen frühere Vermessungsergebnisse, verursacht durch die in den Messverfahren und Messgeräten begründeten unvermeidlichen Messungsfehler. Verbleiben diese Abweichungen innerhalb bestimmter Grenzwerte (größte zulässige Abweichungen), gelten Kataster-(Grenz-)nachweis und örtlicher Grenzverlauf als übereinstimmend, die Abweichungen sind als bloße Ungenauigkeiten einzustufen (Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Anm. 2.2, m.w.N.). Daneben können Ungenauigkeiten des Aufnahmeverfahrens vorliegen. Dies sind Abweichungen zwischen dem örtlichen Grenzverlauf und dem Katasternachweis, die auf einer nach heutigen Begriffen ungenauen Aufnahme des Grenzverlaufs beruhen und die weder als Messungenauigkeiten noch als Aufnahmefehler angesehen werden können, etwa wenn bei der seinerzeitigen Aufnahme der Grenzverlauf nicht scharf bezeichnet war oder Knicke oder Vorsprünge in der Grenze (z.B. in eng bebauten Ortschaften) unbeachtet geblieben sind. Begrifflich sind sowohl Ungenauigkeiten des Aufnahmeverfahrens als auch Messungenauigkeiten Widersprüche, die innerhalb der Genauigkeit des betreffenden Grenznachweises bleiben (Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Anm. 2.4.1). Davon zu unterscheiden ist der Aufnahmefehler, der dann vorliegt, wenn die Abgrenzung eines Flurstücks im Katasternachweis nicht dem rechtlichen Bestand entspricht, wie er bei der Aufnahme gegeben war, und wenn die Abweichung weder mit der Ungenauigkeit des Aufnahmeverfahrens erklärt noch als Messungenauigkeit angesehen werden kann. Der Typfall eines fehlerhaften Grenznachweises im Liegenschaftskataster ist der sog. Aufnahmefehler (vgl. Kriegel/Herzfeld, a.a.O., Anm. 2.5.1), der durch die Grenzfeststellungsbehörde nicht erkannt werden kann, sondern der subjektiven (übereinstimmenden) Erklärung der Beteiligten bedarf; er kann durch fehlerhafte Erfassung (Uraufnahme) der rechtmäßigen Grenze oder durch ordnungsgemäße Erfassung des falschen Grenzverlaufs (Grenzirrtum, also Irrtum in der Sache) entstanden sein (Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 Anm. 5.2.3.2).

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Gemäß Nr. 6.2.7 VV LiegVerm gelten der übertragene und der örtliche Grenzverlauf als übereinstimmend bei Abweichungen, die nach der Anlage 4 zulässig sind. Nach der Anlage 4 zu den VV LiegVerm sind die Abweichungen zwischen dem im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Vermessungszahlen und den in der Liegenschaftsvermessung abschließend bestimmten Vermessungszahlen nach Anlage 1 zu berechnen. Die größte zulässige Abweichung (D) beträgt bei Vermessungen gemäß den VV LiegVerm 0,064 m. Bei kontrollierten Vermessungen vor Inkrafttreten der VV LiegVerm beträgt die größte zulässige Abweichung bei einer Strecke < 10 m in der Ortslage 0,21 m und in der Feldlage 0,32 m. Bei älteren Vermessungen (Verkoppelungen, Separationen, Grundsteuervermessungen) sind die größten zulässigen Abweichungen noch größer (vgl. Abschnitt 3 der Anlage 4).

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Gemessen daran begegnet die Annahme des Beklagten und der Widerspruchsbehörde, dass sich die zutage getretene Differenz zwischen katastermäßigem und örtlichem Grenzverlauf innerhalb der zulässigen Abweichungen bewege, keinen durchgreifenden Bedenken. Nach den Angaben des Klägers liegt die in Rede stehende Giebelmauer, gemessen in der Höhe, bis zu der sie abgetragen worden war, ca. 4 cm auf dem Nachbarflurstück 1060/314. Nach dem aus Anlass eines Zivilrechtsstreits erstatteten Gutachten des Landesamts für Vermessung und Geoinformation aus dem Jahr 2011 (Bl. 7 ff. des Verwaltungsvorgangs) ergab der Vergleich zwischen den originären Maßzahlen und den Maßen der örtlich vorgefundenen Mauer eine Differenz von 0,1 m bezüglich der Mauerstärke. Auch diese Differenz liegt noch innerhalb der für kontrollierte Vermessungen vor Inkrafttreten der VV LiegVerm festgelegten größten zulässigen Abweichungen in Ortslagen von 0,21 m. In dem vom Kläger als Anlage K 6 vorgelegten Schreiben vom 06.05.2011 weist auch der mit der Messung betraute Mitarbeiter L. im vorletzten Absatz auf die größten zulässigen Abweichungen für Vermessungen vor Inkrafttreten der VV LiegVerm "von 2 bis 3 Dezimeter" hin. Seine Aussage im letzten Absatz, dass im Rahmen der von ihm vorgenommenen Grenzermittlung genaue und zuverlässige Daten mit einer Punktidentität von zwei Zentimetern hätten bestimmt werden können, besagt entgegen der Auffassung des Klägers nichts über die maßgebliche größte zulässige Abweichung. Die Vermutung des Klägers, dass sich der örtliche Grenzverlauf weiter westlich befinde und bis zur Westseite der Innenwand des Nachbargrundstücks B-Straße ... reiche, so dass das Mauerwerk, gemessen am Boden, eine Gesamtstärke von 53 cm erreiche (vgl. Skizze die Giebelmauer, Anlage K 5 der Antragsbegründung), lässt sich – auch mit den von ihm vorgelegten Lichtbildern – nicht belegen. Der vom Kläger in diesem Zusammenhang nochmals herangezogene Fortführungsriss des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs (H.) (Bl. 43 des Verwaltungsvorgangs) ist aus den oben bereits darlegten Gründen in Bezug auf die tatsächliche Mauerstärke nicht aussagekräftig.

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bbb) Unabhängig davon fehlt es an der weiteren Voraussetzung für eine Vorbehaltsfeststellung nach § 4 Abs. 2 DVO VermKatG LSA, dass eine willkürliche Grenzveränderung auszuschließen ist. Eine willkürliche, rechtsunwirksame Grenzänderung kann nur durch eine entsprechende Erklärung der betroffenen Beteiligten ausgeschlossen werden; sie müssen zugleich erklären, dass sie den örtlichen Grenzverlauf als rechtmäßig ansehen (Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 Anm. 5.2.3.1). An einer solchen übereinstimmenden Erklärung der beteiligten Grundstückseigentümer fehlt es hier.

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2. Die Berufung ist auch nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.

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2.1. Zu Unrecht rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es auf den wesentlichen Kern seines Tatsachenvortrags, dass die Grenze am äußeren Rand der Mauer und nicht 4 cm in der Mauer verlaufe, nicht eingegangen sei.

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Der Senat hat wiederholt entschieden (vgl. Beschl. v. 04.07.2012 – 2 L 94/11 –, juris, RdNr. 18), schon einfaches Verfahrensrecht (§§ 108 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) verlange nicht, dass sich die Entscheidungsgründe mit jeder Einzelheit des Vorbringens befassten; es genüge die Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet dem Gericht gleichfalls nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschl. v. 17.11.1992 – 1 BvR 168,1509/89, 638,639/90 –, BVerfGE 87, 363 [392 f]). Art. 103 Abs. 1 GG fordert allein, dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91 –, BVerfGE 86, 133 [145]), und ist erst verletzt, wenn das Gericht gegen diesen Grundsatz erkennbar verstoßen hat. Das Bundesverfassungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass ein Gericht dem Verfassungsgebot entsprochen hat (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 u. v. 17.11.1992, a.a.O.). Als Indiz für die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst anzusehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage von zentraler Bedeutung nicht eingegangen ist, sofern das Vorbringen vom Gericht nicht für unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert gehalten wird (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992, a.a.O.). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs schützt auch nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag der Beteiligten nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.08.2004 – 1 BvR 1557/01 –, NVwZ 2005, 81, m.w.N.).

24

Gemessen an diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hier nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat zunächst im Tatbestand des angefochtenen Urteils das Vorbringen des Klägers, dass ein "Scheibchen" der Mauer nicht zu seinem Grundstück gehören solle und dieses Manko durch eine ursprünglich mangelhafte Vermessung entstanden sei, wiedergegeben (vgl. S. 7, 4. Absatz des Urteilsabdrucks). In den Entscheidungsgründen hat es diesen Einwand aufgegriffen und ausgeführt, der Umstand, dass nach der Grenzfeststellung des Beklagten die ca. 100 Jahre alte Giebelwand u.a. um 4 cm auf dem Nachbargrundstücke liege, könne an der sachverständigen Bewertung keine durchgreifenden Zweifel begründen. Maßgeblich sei, dass sich das Vermessungszahlenwerk nach Einschätzung des Beklagten und der Fachbehörde "eindeutig" in die Örtlichkeit übertragen ließen (S. 12, letzter Absatz des Urteilsabdrucks). Dass das Verwaltungsgericht der Auffassung des Klägers, die Abweichung zwischen katastermäßigem und örtlichem Grenzverlauf führe zu einer Fehlerhaftigkeit der Grenzfeststellung, nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (BVerwG, Beschl. v. 27.04.2012 – BVerwG 8 B 7.12 –, juris, RdNr. 2, m.w.N.).

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2.2. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger, das Verwaltungsgericht habe gegen die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend geltende Vorschrift des § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO verstoßen, weil das Urteil formelhafte Wendungen enthalte, die als Begründung nicht genügten.

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Nach der im Verwaltungsprozess maßgeblichen Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die mit § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO wortgleich ist, sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.Dies dient einerseits der Selbstkontrolle der Tatsacheninstanz, andererseits aber auch der Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung durch die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht. Der Begründungszwang ist zugleich ein rechtsstaatliches Korrelat zu der im Grundsatz freien Beweiswürdigung des Tatrichters. Aus diesem Grunde darf sich das Gericht insoweit nicht auf formelhafte Wendungen beschränken. Die Anforderungen an die Detailliertheit der Entscheidungsgründe dürfen in diesem Punkt aber auch nicht überspannt werden. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jeder Einzelheit des ihm unterbreiteten Prozessstoffs ausdrücklich zu befassen. Die Annahme, das Gericht habe in seiner Entscheidung gewichtige Tatsachen übergangen, muss deswegen im Einzelfall durch besondere Umstände deutlich werden (zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 01.12.1994 – BVerwG 3 B 66.94 –, juris, RdNr. 4, m.w.N.).

27

Gemessen daran lässt sich ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO hier nicht feststellen. Der Kläger legt im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge nicht dar, welche Wendungen er als formelhaft bzw. unzureichend ansieht. Seinem übrigen Vorbringen lässt sich zwar entnehmen, dass er die Begründung des erstinstanzlichen Urteils deshalb für unzureichend hält, weil sich das Verwaltungsgericht in weiten Teilen auf sachverständige Wertungen des Beklagten und die Widerspruchsbehörde gestützt hat. Eine unzulässige Beschränkung auf formelhafte Wendungen ist darin aber noch nicht zu erkennen, insbesondere weil die Wertung und Interpretation der Vermessungsbehörde – wie oben bereits dargelegt – lediglich daraufhin zu untersuchen sind, ob sie nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft erscheinen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt (S. 12, 2. Absatz des Urteilsabdrucks), der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung sowie schriftsätzlich, wie auch die Widerspruchsbehörde, ausführlich und nachvollziehbar dargetan, warum die im Liegenschaftskataster vorhandenen Vermessungszahlen und Unterlagen in sich widerspruchsfrei seien. Den Einwand des Klägers, dass die Grenze am äußeren Rand der Mauer und nicht 4 cm in der Mauer verlaufe, hat das Verwaltungsgericht – wie oben bereits ausgeführt – aufgegriffen und maßgeblich auf die Eindeutigkeit des Vermessungszahlenwerks abgestellt.

28

2.3. Das Verwaltungsgericht hat schließlich nicht deshalb gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es keinen Sachverständigenbeweis erhoben hat.

29

Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer nicht nur darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären; er muss auch darlegen, dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen; ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Beweisantrag genügt insoweit nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998 – BVerwG 6 B 67.98 –, juris, m.w.N; Beschl. d. Senats v. 08.12.2016 – 2 L 39/15 –, juris, RdNr. 39).

30

Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrages nicht. Der Kläger legt schon nicht dar, hinsichtlich welcher konkreten Tatsachen ein Aufklärungsbedarf bestanden hat. Er trägt lediglich vor, die Zuziehung eines unabhängigen Sachverständigen sei notwendig gewesen, um seine "gegensätzlichen Behauptungen" klären zu lassen. Soweit seinem Vorbringen zu entnehmen sein sollte, das Verwaltungsgericht hätte den Aufbau der Giebelmauer, insbesondere deren Stärke, und die Frage, auf welcher Seite sie senkrecht nach oben verläuft, aufklären müssen, wäre dem schon deshalb nicht zu folgen, weil diese Umstände nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, auf die es in diesem Zusammenhang allein ankommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.01.1980 – BVerwG 2 B 70.78 –, juris, RdNr. 5), nicht entscheidungserheblich sind. Die Vorinstanz hat vielmehr darauf abgestellt, dass das Vermessungszahlenwerk in sich widerspruchsfrei sei und nach der fachlichen Einschätzung des Beklagten und der Widerspruchsbehörde die Feststellung eines eindeutigen zahlenmäßig nachgewiesenen Grenzverlaufs zulasse. Unabhängig davon hat der Kläger nicht durch Stellung eines Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung auf eine weitere Aufklärung bestimmter Tatsachen hingewirkt. Dem Verwaltungsgericht musste sich von seinem Rechtsstandpunkt aus auch keine weitere Sachverhaltsermittlung aufdrängen.

31

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

32

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

33

Rechtsmittelbelehrung

34

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. November 2011 - 13 LA 81/11 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde beanstanden die Beschwerdeführer insbesondere, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil über ihre Klage gegen einen deichrechtlichen Planfeststellungsbeschluss abgelehnt hat.

A.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der an der Alten Aller gelegenen Flurstücke X, Y und Z, von denen eines mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebaut ist.

3

2. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz stellte mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 auf Antrag eines Deichverbands einen Plan für die Verbesserung der Deichsicherheit auf einem Streckenabschnitt von ungefähr 4 km fest. Der festgestellte Plan übernimmt auch einen Änderungsantrag des Deichverbands vom 7. Juli 2008. In diesem wird ausgeführt, für den Bereich der Flurstücke X, Y und Z habe der Antrag bisher die Herstellung einer neuen Hochwasserschutzmauer sowie die Anlage eines Deichverteidigungswegs zwischen der neuen Hochwassermauer und dem Wohngebäude der Beschwerdeführer auf dem Flurstück X vorgesehen. Aufgrund der doch nicht unerheblichen Vorteile eines grünen Deiches gegenüber einer Hochwasserschutzwand im Hinblick auf Sicherheit und Unterhaltungskosten habe die ursprüngliche Planung aus heutiger Sicht, nicht zuletzt auch aufgrund neuerer Vorgaben zur Finanzierung, einer neuen Bewertung bedurft. Im Ergebnis sei danach, soweit möglich, auch hier der grüne Deich zu realisieren. Der Bau des Deiches solle auf dem Flurstück Y erfolgen. Der dauerhaft in Anspruch genommene Flächenanteil dieses Flurstücks betrage 3.100 qm.

4

3. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführer gegen den Planfeststellungsbeschluss weitgehend ab.

5

Eine Verletzung des Abwägungsgebotes könnten die Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend machen. Der beklagte Landesbetrieb (im Folgenden: Beklagter) habe bei seiner Abwägungsentscheidung die Belange der Beschwerdeführer berücksichtigt. Das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Z werde im Umfang von 830 qm für den Neubau des Deichkörpers in Anspruch genommen. Eine Flächeninanspruchnahme sei bei der Entscheidung zugunsten des grünen Deiches in diesem Umfang geboten. Eine wesentliche Beeinträchtigung ihres verbleibenden Grundbesitzes ergebe sich daraus nicht, zumal auch bei einer Erhöhung der vorhandenen Flutschutzmauer, wie dies die Beschwerdeführer wünschten, Beeinträchtigungen ihres Grundbesitzes zu erwarten wären. Die Flächeninanspruchnahme sei dann allerdings geringer. Auch die Belange des Naturschutzes würden gewahrt. Denn der vorhandene Teich, der als Biotop einzustufen sei, werde an anderer Stelle neu hergestellt. Eine erhebliche Beeinträchtigung des vorhandenen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH-Gebiet) sei zudem durch die geplante Trassierung nicht zu erwarten. Dies wäre allenfalls bei einer Verlegung des Deiches in östlicher Richtung, also auf das Flurstück Y, der Fall. Dieses Flurstück werde aber durch die Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt, hiervon werde lediglich während der Bauzeit ein Arbeitsstreifen in Anspruch genommen.

6

4. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab.

7

Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sei nicht hinreichend dargetan und liege zudem nicht vor. Die Beschwerdeführer hätten die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Abwägungsgebot entspreche.

8

Die Beschwerdeführer seien durch die Deicherneuerungsmaßnahme unmittelbar in ihrem Eigentumsrecht betroffen. Sie hätten deshalb einen Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Abwägungskontrolle.

9

Das Abwägungsgebot habe in der Rechtsprechung zu der gerichtlichen Überprüfung von Planungsalternativen in Bezug auf abweichende Standorte beziehungsweise Trassen eine nähere Ausformung erfahren, die sich auch auf die Bestimmung einer Deichlinienführung für einen der Planfeststellung unterliegenden Deichbau übertragen ließe: Ernsthaft in Betracht kommende Alternativlösungen müssten bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die eigentliche planerische Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Alternativen unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Planfeststellungsbehörde handele nicht schon dann fehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls aus guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl seien erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen sei.

10

Einen derartigen Fehler hätten die Beschwerdeführer in ihrer Zulassungsbegründung nicht darzulegen vermocht.

11

So sei die dauerhafte Inanspruchnahme des im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Flurstücks Y durch die Erstellung eines grünen Deichs anstelle der Verstärkung und Erhöhung der alten Hochwasserschutzmauer Gegenstand der Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses gewesen. Der Änderungsantrag des Beigeladenen vom 7. Juli 2008 weise eindeutig darauf hin, dass alle beschriebenen Maßnahmen (Errichtung eines grünen Deiches anstelle einer Hochwasserschutzmauer) auf dem Flurstück Y zu realisieren seien. Der Änderungsantrag sei ebenso wie der zugehörige Lageplan Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses und damit Gegenstand der Abwägung geworden. Dass dieser Belang auch tatsächlich inhaltlich abgewogen worden sei, ergebe sich aus den Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses. Danach seien die Eigentumsbelange der Beschwerdeführer, die aufgrund der Vorgabe, dass ein grüner Deich errichtet werden müsse, betroffen würden, in die Abwägung eingestellt worden, hätten aber hinter die Belange des Hochwasserschutzes zurücktreten müssen. Einzig denkbare Alternative zur Verwirklichung des Hochwasserschutzes im Bereich des Wohnhauses der Beschwerdeführer sei die Herstellung eines grünen Deiches auf der Trasse des jetzigen Deiches. Dies hätte aber den Abriss dieses Wohnhauses zur Folge, was ungleich schwerer wiege als die Inanspruchnahme von Weideland.

12

Allerdings sei das Verwaltungsgericht offensichtlich irrig davon ausgegangen, das Flurstück Y werde nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens in Anspruch genommen. Dies sei jedoch für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ohne Bedeutung, da die dauerhafte teilweise Inanspruchnahme dieses Grundstücks - wie dargelegt - durch den Beklagten ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden sei, mithin kein Abwägungsfehler vorliege, der der Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht entgegenstünde.

13

Zu Recht habe das Verwaltungsgericht auch die Errichtung eines grünen Deiches vor dem Wohnhaus der Beschwerdeführer anstelle der ursprünglich geplanten Verstärkung und Erhöhung der vorhandenen Hochwasserschutzmauer als abwägungsfehlerfrei angesehen. Insoweit habe es zutreffend auf die Schwachstellen im Übergangsbereich einer Hochwasserschutzmauer zu dem sich anschließenden grünen Deich hingewiesen. Zu Recht habe es dabei auch darauf abgestellt, dass eine notfallmäßige Erhöhung durch Sandsäcke bei einem grünen Deich einfacher und sicherer zu bewerkstelligen sei, als dies bei einer Hochwasserschutzmauer der Fall wäre. Dies ergebe sich schon aufgrund der breiteren zur Verfügung stehenden Grundfläche und bedürfe keiner weiteren Erläuterung.

II.

14

1. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Planfeststellungsbeschluss, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht. Sie rügen eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 GG und machen unter anderem geltend, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze ihr Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, weil er die Anforderungen an die Darlegung der verschiedenen Zulassungsgründe überspanne.

15

Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hätten sie aufgezeigt, dass sich eine erhebliche Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Urteils schlüssig in Frage stellen lasse. Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil davon aus, dass das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Y nicht auf Dauer, sondern lediglich für die Bauzeit in geringem Umfang beeinträchtigt werde. Mit der Feststellung dieser Tatsache gehe das Verwaltungsgericht außerdem davon aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des sich dort befindenden FFH-Gebiets nicht zu erwarten sei. Sie hätten dargelegt, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts 3.100 qm des Flurstücks Y dauerhaft in Anspruch genommen werden sollten. Insoweit stimmten die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss überein.

16

Diese Fehleinschätzung sei für das Urteil des Verwaltungsgerichts auch erheblich, denn sie betreffe die Art und Weise sowie den Umfang der Inanspruchnahme ihres Grundeigentums, darüber hinaus aber auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von ihnen rügefähige Frage der Vereinbarkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses mit (europäischem) Naturschutzrecht. Erheblich sei sie auch insofern, als das Verwaltungsgericht auf die Feststellung seine Überprüfung der dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Abwägung stütze und hiernach in dem Urteil zu dem Schluss komme, die Beklagte habe ihre Belange hinreichend berücksichtigt.

17

Die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts habe das Oberverwaltungsgericht im Grunde zwar auch erkannt, die "irrige" Annahme des Verwaltungsgerichts zu der Inanspruchnahme des Flurstücks Y jedoch als für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils unbedeutend angesehen. Die angebliche Ergebnisrichtigkeit des Urteils begründe das Oberverwaltungsgericht damit, dass die Planfeststellungsbehörde die Inanspruchnahme des Flurstücks Y ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt habe. Mit dieser Würdigung greife das Oberverwaltungsgericht aber dem eigentlichen Berufungsverfahren vor. Unabhängig davon seien erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dargetan, wenn sich aus dem Vorbringen ergebe, dass das Urteil auf der fehlerhaften Annahme von in Anspruch genommenen Flächen fuße, denn es sei Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu prüfen, ob die Belange tatsächlich ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden seien.

18

2. Die Niedersächsische Landesregierung sowie der Beklagte und der im Ausgangsverfahren beigeladene Deichverband hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten der Ausgangsverfahren sind beigezogen.

B.

19

Die Verfassungsbeschwerde hat hinsichtlich des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Erfolg.

I.

20

Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet, ist sie zulässig (1.) und begründet (2.). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er ist aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

21

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben haben. Dies war weder zur Erschöpfung des Rechtswegs (a) noch wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (b) geboten.

22

a) aa) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; 126, 1 <17>). Erheben Beschwerdeführer in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10).

23

Wird die Rüge einer Gehörsverletzung hingegen weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst wirksam im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge einer Gehörsverletzung wieder zurückgenommen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rechtswegerschöpfung nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab. Wurde ein Anhörungsrügeverfahren vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführt, mit der Verfassungsbeschwerde aber kein Gehörsverstoß gerügt - etwa weil sich die Beschwerdeführer insoweit von den Gründen des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses haben überzeugen lassen -, zählt dieses Anhörungsrügeverfahren, wenn es nicht offensichtlich aussichtslos war, gleichwohl zum Rechtsweg und wirkt damit fristbestimmend für die Verfassungsbeschwerde.

24

bb) Die Beschwerdeführer machen mit ihrer Verfassungsbeschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend.

25

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde enthält allerdings Ausführungen, die - isoliert betrachtet - als Rügen einer Gehörsverletzung gedeutet werden könnten. So beanstanden die Beschwerdeführer unter anderem, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe. Dieses Vorbringen kann bei sachdienlicher Auslegung nicht als Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG verstanden werden. Es dient im Zusammenhang der Verfassungsbeschwerde eindeutig dem Ziel zu begründen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie den der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache verkannt habe. Dass die Beschwerdeführer ungeachtet dessen mit diesen Ausführungen gleichwohl der Sache nach einen Gehörsverstoß rügen wollen, kann nach dem Grundsatz wohlwollender Auslegung prozessualer Anträge im Sinne des erkennbaren Rechtsschutzanliegens auch deshalb nicht angenommen werden, weil ihrem Vorbringen ansonsten ein Verständnis unterlegt würde, das mangels Erhebung einer Anhörungsrüge zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde führen würde.

26

b) Die Erhebung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO war hier auch nicht mit Rücksicht auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde geboten.

27

aa) Dieser in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz verlangt, dass Beschwerdeführer alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Das kann auch bedeuten, dass Beschwerdeführer zur Wahrung des Subsidiaritätsgebots gehalten sind, im fachgerichtlichen Verfahren eine Gehörsverletzung mit den gegebenen Rechtsbehelfen, insbesondere mit einer Anhörungsrüge, selbst dann anzugreifen, wenn sie im Rahmen der ihnen insoweit zustehenden Dispositionsfreiheit mit der Verfassungsbeschwerde zwar keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen wollen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), durch den fachgerichtlichen Rechtsbehelf aber die Möglichkeit wahren, dass bei Erfolg der Gehörsverletzungsrüge in den vor den Fachgerichten gegebenenfalls erneut durchzuführenden Verfahrensschritten auch andere Grundrechtsverletzungen, durch die sie sich beschwert fühlen, beseitigt werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Denn die Dispositionsfreiheit der Beschwerdeführer enthebt sie nicht ohne Weiteres der Beachtung des Subsidiaritätsgebotes; als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist dieses der Verfügungsmacht der Beschwerdeführer entzogen.

28

Die Verweisung auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit einer anderweitigen prozessualen Möglichkeit zur Abhilfe (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07,1 BvR 1569/08 -, NJW 2012, S. 3081 <3082 [Tz. 45]>). Zur Vermeidung der Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, bei der sie sich nicht auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG berufen, müssen Beschwerdeführer daher aus Gründen der Subsidiarität eine Anhörungsrüge oder den sonst gegen eine Gehörsverletzung gegebenen Rechtsbehelf nur dann ergreifen, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt und zu erwarten wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer bereits im gerichtlichen Verfahren einen entsprechenden Rechtsbehelf ergreifen würden.

29

Das Subsidiaritätsgebot greift danach in den hier in Rede stehenden Fällen insbesondere dann, wenn auf der Hand liegt, dass mit dem Beschwerdevorbringen der Sache nach ein Gehörsverstoß gerügt wird, die Beschwerdeführer aber ersichtlich mit Rücksicht darauf, dass kein Anhörungsrügeverfahren durchgeführt wurde, ausschließlich die Verletzung eines anderen Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts geltend machen, das durch ein solches Vorgehen des Gerichts gleichfalls verletzt sein kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris).

30

Die Möglichkeit, über eine erfolgreiche Anhörungsrüge die Beseitigung anderweitiger Grundrechtsverletzungen zu erreichen, besteht im Übrigen von vornherein nur in dem Umfang, als diese denselben Streitgegenstand betreffen wie die geltend gemachte Gehörsverletzung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Nur insoweit kann aus dem Subsidiaritätsgrundsatz die Obliegenheit der Erhebung einer Anhörungsrüge auch für den Fall abgeleitet werden, dass mit der Verfassungsbeschwerde kein Gehörsverstoß gerügt wird.

31

bb) Gemessen hieran verletzt es nicht den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass die Beschwerdeführer es unterlassen haben, eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Ablehnung der Zulassung der Berufung zu erheben.

32

Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung des FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe, ist schon zweifelhaft, ob dieser Vortrag, selbst wenn er in der Sache zuträfe, überhaupt geeignet ist, eine Gehörsverletzung zu begründen. Wird bestimmter Vortrag in einer gerichtlichen Entscheidung nicht erwähnt, lässt dies nämlich nur unter besonderen Umständen den Rückschluss auf die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens zu (vgl. BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Das hier in Frage stehende, für die Geltendmachung einer Gehörsverletzung eher unspezifische Vorbringen der Beschwerdeführer ist zudem eindeutig und sinnvoll in die Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eingebunden, die sich gegen die Verneinung des Berufungszulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache richtet. Es gibt insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer damit lediglich eine Versäumung der Anhörungsrüge umgehen wollten. Sie müssen sich daher nicht entgegenhalten lassen, dass die Erhebung einer Anhörungsrüge nahe gelegen hätte und zu erwarten gewesen wäre, dass ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter eine Anhörungsrüge erhoben hätte.

33

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

34

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

35

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

36

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies ist den Beschwerdeführern gelungen. Sie haben aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht in einem für ihr Grundeigentum und damit für die Entscheidung wesentlichen Punkt von falschen Annahmen über die Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss ausgegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

37

Das Urteil des Verwaltungsgerichts geht von der Annahme aus, das im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Flurstück Y werde durch die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt; vielmehr werde lediglich während der Bauzeit ein Streifen dieses Flurstücks in Anspruch genommen.

38

Die Beschwerdeführer haben in der Begründung ihres Zulassungsantrags geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bereits im Änderungsantrag vom 7. Juli 2008 ausdrücklich von der Notwendigkeit der dauerhaften Inanspruchnahme von 3.100 qm des Flurstücks Y die Rede sei. Dementsprechend sei auch die Festsetzung im Planfeststellungsbeschluss erfolgt. Der Planfeststellungsbeschluss enthalte keine gerechte Abwägung ihrer Belange.

39

Das Oberverwaltungsgericht hat erkannt, dass das Verwaltungsgericht "offensichtlich irrig" von einer nur vorübergehenden Inanspruchnahme des Flurstücks Y nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens ausgegangen ist. Dennoch hat es sich nicht dazu veranlasst gesehen, die Berufung aufgrund einer unzutreffenden Annahme der tatsächlichen Betroffenheit der Beschwerdeführer zuzulassen. Es hat vielmehr im Berufungszulassungsverfahren eine eigene Prüfung der fachplanerischen Abwägungsentscheidung vorgenommen und dabei das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig befunden. Damit hat es in verfassungswidriger Weise Teile der dem Berufungsverfahren vorbehaltenen Sachprüfung in das Berufungszulassungsverfahren vorverlagert.

40

Zwar begegnet es keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere entscheidungstragende Gründe abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

41

Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kontrolle der fachplanerischen Abwägungsentscheidung in einem für die Beschwerdeführer entscheidenden Punkt durch eine eigene Kontrolle ersetzt. Ob das Deichbauvorhaben die Eigentumsrechte der Beschwerdeführer gemessen an den damit verfolgten Zielen und den in Frage kommenden Vorhabenalternativen - hier insbesondere der von den Beschwerdeführern statt des Deichneubaus verlangten Ertüchtigung der Hochwasserschutzwand - unverhältnismäßig beeinträchtigt, hängt unter anderem maßgeblich von der mit den festgestellten Maßnahmen einhergehenden Eigentumsbelastung für die Beschwerdeführer ab. Dass es insofern für die Abwägungsentscheidung von erheblichem Gewicht ist, ob das Flurstück Y nur vorübergehend während der Bauzeit als Arbeitsstreifen oder dauerhaft in dem doch beträchtlichen Umfang von 3.100 qm in Anspruch genommen wird, liegt auf der Hand. Es war dem Oberverwaltungsgericht bei Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes verwehrt, im Berufungszulassungsverfahren, das insbesondere mangels eines förmlichen Beweisaufnahmeverfahrens den Beteiligten von vornherein weniger Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tatsachenfeststellung einräumt als das Hauptsacheverfahren, diese Frage der Abgewogenheit des Planfeststellungsbeschlusses abweichend vom Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden.

42

Da das Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ablehnen konnte, beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf diesem Verfassungsverstoß. Ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts darüber hinaus auch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, kann dahinstehen.

II.

43

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landesbetriebs wendet, bedarf es keiner Entscheidung. Durch die Aufhebung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet und dadurch eine erneute fachgerichtliche Aufarbeitung des Ausgangsfalls möglich (vgl. BVerfGE 129, 1 <37>).

C.

44

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

45

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

I. Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, Juris RdNr. 15). Das ist vorliegend nicht der Fall.

3

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Grenzfeststellung und Abmarkung des Beklagten sei rechtmäßig. Dieser habe den durchgängigen geradlinigen Grenzverlauf zwischen den Flurstücken 14/6 und 14/7 zu dem Flurstück 14/121 so in die Örtlichkeit übertragen, wie es sich aus dem öffentlichen Zahlenwerk, insbesondere dem maßgeblichen Fortführungsriss vom 15.03.1982, ergebe. Weitere oder andere Grenzpunkte seien im öffentlichen Nachweis nicht vorhanden. Der festgestellte Grenzverlauf entspreche dem aus dem Fortführungsriss aus dem Jahr 1982. Auch die Flächengrößen von ca. 191 m² stimmten überein. Der Umstand, dass der Kläger mit Kunststoff verkappte Eisenrohre in der Nähe der Grenzen vermute, wovon eines auch tatsächlich gefunden worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte nachvollziehbar dargelegt habe, dass sich die vom Kläger behaupteten „Grenzpunkte“ nicht aus dem öffentlichen Vermessungszahlenwerk ergäben. Der Einwand des Klägers, die Grenzfeststellung müsse deshalb unrichtig sein, weil die festgestellte Grenze nicht mit dem vom Voreigentümer errichteten Zaun übereinstimme und er gut 200 m² und nicht 191 m² erworben habe, greife ebenfalls nicht durch, denn es sei das öffentliche Zahlenwerk maßgeblich, wie es sich aus den öffentlichen Vermessungsunterlagen ergebe. Eine spätere öffentlich-rechtliche Flurstückszerlegung in Form eines Dreiecks, das der vom Kläger vorgestellten Fläche aus dem Zaunverlauf entspreche, sei im öffentlichen Katasternachweis nicht vorhanden.

4

Die vom Kläger hiergegen erhobenen Einwände vermögen die Richtigkeit der Entscheidung nicht in Frage zu stellen.

5

1. Gemäß § 16 Abs. 1 VermGeoG LSA wird der örtliche Verlauf der im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Flurstücksgrenzen auf Antrag oder von Amts wegen festgestellt (Grenzfeststellung). Sachlicher Inhalt der Feststellung ist allgemein die verbindliche Aussage einer befugten Vermessungsstelle über die Lage der nachgewiesenen Flurstücksgrenzen in der Örtlichkeit. Für den Normalfall der sog. Positiventscheidung ist es die verbindliche Erklärung der Übereinstimmung zwischen der örtlich ermittelten Grenze und ihrem Nachweis im Liegenschaftskataster. Durch die behördliche, förmliche Feststellung wird das Ergebnis der Grenzermittlung amtlich bestätigt und damit verbindlich. Sie drückt die behördliche Gewissheit der erklärten Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild (Liegenschaftskatasternachweis) und dem reproduzierten Flurstücksurbild (Örtlichkeit) aus (OVG LSA, Beschl. v. 04.08.2011 - 2 L 105/10 -, Juris RdNr. 3; Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2002, § 16 VermKatG LSA Anm. 5.1.5.1). Dementsprechend ist eine Grenzfeststellung nur dann rechtswidrig, wenn eine andere als die im Liegenschaftskataster nachgewiesene Flurstücksgrenze festgestellt worden ist (OVG LSA, Beschl. v. 27.01.2004 - 2 L 495/03 -, Juris RdNr. 4; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 23.04.2003 - 8 LA 53/03 -, Juris RdNr. 4; SächsOVG, Beschl. v. 03.02.2010 - 1 A 767/08 -, Juris RdNr. 6), wenn also bei der Grenzermittlung ein Vermessungsfehler unterlaufen ist (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 05.12.2003 - 2 O 403/02 -, Juris RdNr. 10). Ohne Belang ist demgegenüber, ob der im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenzverlauf zutreffend ist, d.h. der Eigentumsgrenze entspricht (OVG LSA, Beschl. v. 27.01.2004 - 2 L 495/03 - a.a.O. RdNr. 5; NdsOVG, Beschl. v. 23.04.2003 - 8 LA 53/03 - a.a.O. RdNr. 5; SächsOVG, Beschl. v. 03.02.2010 - 1 A 767/08 - a.a.O. RdNr. 7; Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 VermKatG LSA Anm. 5.1.3.1). Bei der Grenzfeststellung ist dabei das Gebot der Katastermäßigkeit zu beachten. Hiernach ist die Vermessungsstelle bei der Grenzermittlung an den Inhalt des Liegenschaftskatasters gebunden mit der Folge, dass nur katastermäßige Nachweise statthaft sind, während andere, katasterfremde Unterlagen und sonstige Beweismittel außer Betracht bleiben müssen (OVG LSA, Beschl. v. 24.04.1994 - 1 M 18/14 -, Juris RdNr. 7; Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 VermKatG LSA Anm. 5.1.4.1). Ein Verstoß gegen das Gebot der Katastermäßigkeit führt zur Rechtswidrigkeit der Grenzfeststellung. Das ist der Fall, wenn bei der Grenzfeststellung nicht der im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenzverlauf, sondern liegenschaftskatasterfremde Erkenntnisquellen zugrunde gelegt werden (Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 VermKatG LSA Anm. 5.5.6). Bei der Grenzermittlung ist die dem Nachweis entsprechende Lage der Grenzpunkte, die den linienhaften Grenzverlauf konkretisieren, anhand der maßgeblichen Vermessungsunterlagen (Vermessungszahlen, ggf. graphische Bestimmungselemente) vermessungstechnisch in der Örtlichkeit zu bestimmen, mit der Örtlichkeit zu vergleichen und sachverständig zu werten (Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 VermKatG LSA Anm. 4.1.2). Die Positiventscheidung „Grenzfeststellung“ ist möglich, wenn das Liegenschaftskataster eine zuverlässige und widerspruchsfreie Grenzaussage erlaubt und das geometrische Abbild des Flurstücks sich den örtlichen Gegebenheiten eindeutig zuordnen lässt (Kummer/Möllering, a.a.O., § 16 VermKatG LSA Anm. 5.2.2.1).

6

Hiernach ist die mit dem Bescheid des Beklagten vom 15.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt vom 17.04.2012 bekanntgegebene Grenzfeststellung rechtlich nicht zu beanstanden. Ihr Inhalt ergibt sich aus der Niederschrift über den Grenztermin vom 12.11.2010 und beruht auf den Messungen des Beklagten vom 05., 08. und 13.10.2010. Ihr Ergebnis, insbesondere die Lage der Grenzpunkte 50497 und 50498, die den Grenzverlauf des Flurstücks 14/7 gegenüber dem Flurstück 14/121 kennzeichnen, entspricht den Nachweisen im Liegenschaftskataster. Maßgeblich ist insoweit der Fortführungsriss vom 15.03.1982 (BA A Bl. 30). Damals wurde das Flurstück 14/7 erstmals vermessen. Im Zuge dieser Vermessung wurden die Koordinaten der Grenzpunkte 4, 5, 6 und 7 berechnet. Die Punkte wurden mit Eisenrohren vermarkt. Im Zuge einer nachfolgenden Vermessung vom 19.12.1992 erhielten die Grenzpunkte 5 und 6 zunächst die Nummern 1032 und 1033 (BA A Bl. 23) und später die Nummern 961 und 962 (BA A Bl. 16). Die Grenzpunkte 4 und 7 erhielten im Zuge einer Vermessung vom 23.06.1995 die Nummern 50497 und 50498 (BA A Bl. 15). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Grenzpunkte des Flurstücks 14/7, insbesondere die Grenzpunkte 50497 und 50498 (vormals 4 und 7), fehlerhaft vermessen hat, sind nicht ersichtlich. Nach den Angaben in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts entspricht das Vermessungsergebnis des Beklagten den amtlichen Vermessungszahlen. Dem ist der Kläger auch in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung nicht entgegengetreten. In seinem Schreiben vom 01.03.2011 hat der Beklagte nachvollziehbar erläutert, dass er die Grenzpunkte 3 - 7 ausgehend von den vorgefundenen Grenzpunkten 8, 9 und B aus dem Fortführungsriss von 1982 anhand der Maße und der rechten Winkel eindeutig habe wiederherstellen und gegenseitig kontrollieren können. Eine Wiederherstellung insbesondere der hier streitgegenständlichen Grenzpunkte 50497 und 50498 (vormals 4 und 7) war auch notwendig, denn nach den Erläuterungen des Beklagten in seinem Schreiben vom 25.11.2010 wurden die Eisenrohre, mit denen diese Punkte nach dem Fortführungsriss vom 15.03.1982 vermarkt worden waren, auf dem Grundstück des Klägers nicht gefunden. Dies wurde im Hinblick auf den Grenzpunkt 50498 (vormals 7) in der Niederschrift über den Grenztermin vom 12.11.2010 auch durch den Hinweis vermerkt, dass im Grenzpunkt A (gemeint ist der Grenzpunkt 50498) das Eisenrohr fehle. Das Vermessungsergebnis des Beklagten ist auch plausibel. Insbesondere entspricht der geradlinige Verlauf der Grenzlinien der Flurstücke 14/6 und 14/7 zu dem Flurstück 14/121 und der parallele Verlauf dieser Grenzlinien zu den Grenzen dieser Flurstücke zu den Flurstücken 14/46 und 14/45 der Darstellung in dem Fortführungsriss vom 15.03.1982.

7

Ohne Erfolg wendet der Kläger hiergegen ein, das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass der Vermessungsingenieur L. im Jahr 1992 erneut Vermessungs- und Grenzpunkte eingebracht bzw. die vorhandenen bestätigt habe, was sich zweifelsfrei aus dessen als K 11 vorgelegtem Schreiben vom 05.09.2011 ergebe. Dieser Einwand greift nicht durch. Zunächst ergibt sich aus den Akten, dass die hier streitgegenständlichen Grenzpunkte 50497 und 50498 (vormals 4 und 7) lediglich Gegenstand der Vermessung vom 15.03.1982 waren und im Dezember 1992 nicht erneut vermessen bzw. vermarkt wurden. Ob sich aus dem vom Kläger erwähnten Schreiben vom 05.09.2011 etwas anderes ergibt, kann nicht beurteilt werden, da sich dieses Schreiben weder bei den Akten befindet noch als „K 11“ vorgelegt wurde. Unabhängig davon ist das Verwaltungsgericht der Sache nach davon ausgegangen, dass die in dem Fortführungsriss vom 15.03.1982 erwähnten Eisenrohre, mit denen insbesondere die Grenzpunkte 50497 und 50498 (vormals 4 und 7) vermarkt wurden, bei den Vermessungsarbeiten des Beklagten im Oktober 2010 in der Örtlichkeit nicht mehr vorhanden waren. Dies ergibt sich aus der Bemerkung des Verwaltungsgerichts, das vom Kläger gefundene Eisenrohr bzw. die von ihm angesprochenen „Grenzpunkte“ ergäben sich nicht aus dem öffentlichen Zahlenwerk. Damit bringt das Verwaltungsgericht zum Ausdruck, dass es sich bei den vom Kläger bezeichneten Eisenrohren bzw. „Grenzpunkten“ nicht um die in dem Fortführungsriss vom 15.03.1982 erwähnten Rohre, sondern um katasterfremde Beweismittel handelt, die außer Betracht zu lassen sind. Damit trägt das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dem Gebot der Katastermäßigkeit Rechnung.

8

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Eisenrohre, mit denen die Grenzpunkte 50497 und 50498 (vormals 4 und 7) vermarkt wurden, seien im Zeitpunkt der Vermessung durch den Beklagten im Oktober 2010 noch in der Örtlichkeit vorhanden gewesen und hätten von diesem und dem Verwaltungsgericht berücksichtigt werden müssen. Für das Vorhandensein der im Fortführungsriss vom 15.03.1982 erwähnten Eisenrohre insbesondere in den Grenzpunkten 50497 und 50498 (vormals 4 und 7) im Zeitpunkt der Vermessung durch den Beklagten gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte. Der Beklagte hat in seinen Schreiben vom 25.11.2010 und 20.06.2011 angegeben, diese Rohre seien bei der Vermessung am 05.10.2010 gesucht, aber nicht gefunden worden. Das tatsächlich gefundene Eisenrohr mit Plastkappe habe sich ca. 29 cm nordwestlich des berechneten und in der Niederschrift über den Grenztermin vom 12.11.2010 mit „A“ bezeichneten Grenzpunkt befunden, so dass er es verworfen habe, da es im Kataster nicht nachgewiesen sei und dessen Anerkennung eine Verlagerung der Grundstücksgrenze zu Ungunsten des Klägers bedeutet hätte. Vor diesem Hintergrund versteht der Senat die Antragsbegründung dahin, dass der Kläger nicht geltend machen will, der Grenzpunkt 50498 (vormals 7) befinde sich an der Stelle, an der am 05.10.2010 dieses Eisenrohr mit Plastkappe gefunden wurde. Auch aus den von den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 11.04.2011 an den Beklagten übersandten Lichtbildern (BA A Bl. 50), auf denen in den Boden eingelassene Eisenrohre im Bereich des Zaunes zu sehen sind, folgt nichts anderes. Bei diesen Rohren handelt es sich ersichtlich nicht um die im Fortführungsriss vom 15.03.1982 erwähnten Eisenrohre in den Grenzpunkten 50497 und 50498 (vormals 4 und 7), sondern, wie der Beklagte in seinem Schreiben vom 20.06.2011 nachvollziehbar ausführt, um in der Örtlichkeit zwar vorhandene, aber nicht im Kataster nachgewiesene Marken, auf die nach dem Gebot der Katastermäßigkeit nicht abgestellt werden kann.

9

Nicht zum Erfolg führt auch der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht nehme unrichtig an, der Beklagte habe den exakten Grenzverlauf durchgängig und geradlinig in die Örtlichkeit übertragen, da allein aus dem Umstand, dass eine Grenze über bestimmte Grenzpunkte geradlinig verlaufe, nicht geschlossen werden könne, dass „die Grenze auch tatsächlich geradlinig und vorliegend sogar im parallelen Sinne verläuft“. Abgesehen davon, dass dieser Einwand nicht ganz nachvollziehbar ist, kann der hiermit wohl geäußerten Kritik am geradlinigen Verlauf der Flurstücksgrenzen der Flurstücke 14/6 und 14/7 gegenüber dem Flurstück 14/121 auch in der Sache nicht gefolgt werden. Im Gegenteil ist das Vermessungsergebnis des Beklagten gerade deshalb plausibel, weil der geradlinige Verlauf der Grenzlinien der Flurstücke 14/6 und 14/7 zu dem Flurstück 14/121 und der parallele Verlauf dieser Grenzlinien zu den Grenzen der Flurstücke 14/46 und 14/45 der Darstellung in dem Fortführungsriss vom 15.03.1982 entspricht.

10

2. Auch die mit dem Bescheid des Beklagten vom 15.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt vom 17.04.2012 bekanntgegebene Abmarkung ist rechtmäßig, weil die festgestellte Grenze abgemarkt worden ist (§ 16 Abs. 2 VermGeoG LSA).

11

II. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, denn solche wurden vom Kläger entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht dargelegt.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Gründe

1

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

3

Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ-RR 2011, 546, m.w.N.). Ist das angegriffene Urteil auf voneinander unabhängige und damit den Urteilsausspruch selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, so setzt der Erfolg des Zulassungsantrags voraus, dass sämtliche Begründungsteile je für sich die Zulassung rechtfertigen; liegt für den anderen Begründungsteil kein Zulassungsgrund vor, muss die Zulassung daran scheitern, dass die angegriffene Begründung hinweggedacht werden kann, ohne dass sich am Ausgang des Rechtsmittelverfahrens etwas ändert (vgl. zur Zulassung der Revision: BVerwG, Beschl. v. 07.06.2000 – 9 B 262/00 –, Juris).

4

Allerdings müssen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt. Das Oberverwaltungsgericht kann im Zulassungsverfahren dann auf andere Gründe abstellen, aus denen das angefochtene Urteil im Ergebnis richtig ist, wenn diese Gründe ohne weiteres auf der Hand liegen, ihre Heranziehung also nicht über den Aufwand hinausgeht, der in einem Zulassungsverfahren mit Blick auf dessen Zweck vernünftigerweise zu leisten ist. Der Rechtsmittelführer ist in diesem Fall rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 – 7 AV 4.03 –, DVBl 2004, 838).

5

Hiernach kommt eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in Betracht, da sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Ergebnis als offensichtlich richtig erweist. Der Kläger ist hierzu gehört worden.

6

1.1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dem nachträglich zur Genehmigung gestellten Anbau eines Windfangs an das bestehende Wohngebäude des Klägers stünden öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen. Das Vorhaben dürfte zwar – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht deshalb planungsrechtlich unzulässig sein, weil es sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen nicht in die nähere Umgebung einfüge. Denn nach den vorgelegten Plänen und des bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindrucks fehle es in der P-Straße zwischen G-Straße und H-Straße und damit in der maßgeblichen näheren Umgebung an einer einheitlichen, zu beachtenden Baulinie. Der Anbau verstoße aber gegen Vorschriften über Abstandsflächen. Es halte den in § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 BauO LSA vorgegebenen Mindestabstand von 3 m zur südlichen Grundstücksgrenze nicht ein. § 6 Abs. 1 Salz 3 BauO LSA sei nicht anwendbar, weil sich der Anbau außerhalb der Flächen befinde, in denen nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden dürfe. Die nähere Umgebung werde hier durch die Bebauung der P-Straße zwischen G-Straße und H-Straße gebildet. Hier fänden sich überwiegend aus Reihenhäusern bestehende Häusergruppen. Der Anbau des Klägers überschreite aber den Rahmen, den die Umgebungsbebauung vorgebe, und würde dazu führen, dass auch eine vergleichbare Bebauung der umliegenden Grundstücke nach § 34 BauGB zu genehmigen wäre. Damit wäre eine die bisherige Situation verändernde Verdichtung der straßenseitigen Grundstücksflächen nicht zu verhindern. Die Bemessung der Abstandsflächen könne auch nicht nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 oder 2 BauO LSA außer Betracht bleiben.

7

Dem hält der Kläger entgegen, die P-Straße sei zwischen G-Straße und H-Straße durch keine einheitliche Bauflucht geprägt. In dieser näheren Umgebung stünden die Reihenhäuser vielmehr in sehr unterschiedlichen Abständen zur Straße. Auch hätten in südlicher Richtung die „Nachbarn Nr. 1 und Nr. 2“ keinen Vorgarten sondern Stellplätze; Der „Nachbar Nr. 3“ habe eine Einfahrt im Vorgartenbereich angelegt. Ab dem „Nachbarn Nr. 4“ seien keine Vorgarten mehr vorhanden, vielmehr reiche dort die Bebauung bis an die Straße heran. Obwohl auch das Verwaltungsgericht eine einheitliche Baulinie nicht habe feststellen können, sei es zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der streitige Anbau nicht in die nähere Umgebung einfüge, ohne dies allerdings näher zu begründen und auf die konkrete Bebauung in der näheren Umgebung, insbesondere auf den Grundstücken der „Nachbarn Nr. 1 bis 4“ einzugehen. Weitere Häuser in der P-Straße seien mit Eingangsüberdachungen versehen. In der Straße „Frohe Zukunft“ befänden sich gleichartige Reihenhäuser mit ähnlichen Windfängen. Mit diesen Einwänden vermag der Kläger im Ergebnis nicht durchzudringen.

8

Nach der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 12.11.2010 – 2 M 142/10 –, BauR 2011, 667, m.w.N.) dürfen im unbeplanten Innenbereich nach Planungsrecht Gebäude ohne Grenzabstand errichtet werden, wenn sich die Grenzbebauung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB insbesondere hinsichtlich der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ist die Eigenart der näheren Umgebung – wie hier – durch eine Bebauung mit aus mehreren Reihenhäusern bestehenden Häusergruppen geprägt, ist zwar innerhalb der jeweiligen Hausgruppe in der geschlossenen Bauweise zu bauen; die Geschlossenheit strahlt allerdings nicht auf die (gesamten) unbebauten Flächen vor und hinter den Gebäudefronten aus. Dort steuern auch die Kriterien über das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubaren Grundstücksflächen den Bereich, der einer grenzständigen Bebauung offensteht; dies gilt auch für Hausgruppen. Für die Zulässigkeit eines Anbaus an ein grenzständig errichtetes Wohngebäude, der nicht die „Privilegierung“ des § 6 Abs. 6 BauO LSA genießt, kommt es daher maßgeblich darauf an, ob der Anbau in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche den Rahmen nicht überschreitet, den die Umgebungsbebauung vorgibt.

9

Der streitige Anbau fügt sich indes nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da er den von ihr vorgegebenen Rahmen überschreitet.

10

Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und andererseits sich diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.05.1978 – IV C 9.77 –, BVerwGE 55, 369; Urt. v. 03.04.1981 – 4 C 61.78 –, BVerwGE 62, 151). Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (BVerwG, Beschl. v. 06.11.1997 – 4 B 172.97 –, ZfBR 1998, 164). Bei der überbaubaren Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel (deutlich) enger zu begrenzen als bei der Art der baulichen Nutzung, weil die Prägung, die von der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen maßgeblichen Stellung der Gebäude auf den Grundstücken ausgeht, im Allgemeinen (deutlich) weniger weit reicht als die Wirkungen der Art der baulichen Nutzung (BayVGH, Urt. v. 07.03.2011 – 1 B 10.3042 –, Juris; SächsOVG, Beschl. v. 29.12.2010 – 1 A 710/09 –, Juris; OVG NW, Urt. v. 09.09.2010 – 2 A 508/09 –, Juris; VGH BW, Beschl. v. 15.12.2005 – 5 S 1847/05 –, VBlBW 2006, 191). Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass nur wenige, unter Umständen sogar nur zwei Grundstücke den maßgeblichen Rahmen bilden (vgl. BayVGH Urt. v. 07.03.2011, a.a.O.). Gerade auch die Einheitlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit der Bebauung kann ein Kriterium für die Abgrenzung der näheren Umgebung sein; insoweit kann die Umgebung nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils in sich einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinander grenzen (OVG NW, Urt. v. 18.11.2004 – 7 A 2726/03 –, ÖffBauR 2005, 64). Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion; umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen (BVerwG, Beschl. v. 28.08.2003 – 4 B 74.03 –, Juris). Weist die Bebauung in einem Straßenabschnitt, der lang genug ist, um hinsichtlich der Überbaubarkeit von Vorgartenflächen einen eigenen als Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblichen Bereich zu bilden, eine einheitliche Struktur auf, zählt nur dieser Abschnitt zur „näheren Umgebung“ der in diesem Straßenabschnitt gelegenen Grundstücke (BayVGH, Beschl. v. 25.04.2005 – 1 CS 04.3461 – Juris, RdNr. 20; OVG NW, Urt. v. 19.06.2008 – 7 A 2053/07 –, BauR 2008, 1853, RdNr. 23 in Juris).

11

Gemessen daran gehört nicht die gesamte Bebauung in der P-Straße in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche zur „näheren Umgebung“ des Baugrundstücks, sondern nur die Bebauung an der westlichen Straßenseite in dem Abschnitt, in welchen die vier Reihenhausgruppen in einem Abstand von ca. 6 m zur Straße errichtet sind. Die Bebauung in diesem Abschnitt weist in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche eine einheitliche Struktur dergestalt auf, dass Vorgärten vorhanden sind, die vor der Errichtung des streitigen Windfangs durch den Kläger von einer Bebauung mit Hauptgebäuden oder Anbauten frei gehalten wurden. Dieser Abschnitt der P-Straße hat mit einer Länge von ca. 140 m auch in Anbetracht der geringen Grundstücksbreiten das erforderliche Gewicht, um hinsichtlich der Überbaubarkeit von Vorgartenflächen einen eigenen als Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblichen Bereich zu bilden.

12

Der hiergegen vorgebrachte Einwand des Klägers, diese Betrachtungsweise würde dazu führen, dass die baulichen Vorgaben durch die zu entscheidende Behörde enger gezogen werden könnten als bei Vorliegen eines Bebauungsplans, greift nicht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Gemeinde in einem Bebauungsplan Baugrenzen oder Baulinien nicht beschränkt auf einige Reihenhausgruppen festsetzen könnte. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 16 Abs. 5 BauNVO können im Bebauungsplan auch Baulinien und Baugrenzen für Teile des Baugebiets, für einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile und für Teile baulicher Anlagen unterschiedlich festgesetzt werden.

13

Der streitige Anbau überschreitet den Rahmen, der die in diesem Abschnitt vorhandene Bebauung bildet, da die übrigen Wohngebäude in diesem Bereich die vorgegebene faktische Baulinie einhalten. Die benachbarten Stellplätze sind insoweit ohne Belang. Den nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen Rahmen bilden in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche nur die in der näheren Umgebung vorhandenen Hauptgebäude (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.1997, a.a.O.). Stellplätze sind hingegen Anlagen, die nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche zugelassen werden können, soweit sie nach Landesrecht (wie etwa nach § 6 BauO LSA) in den Abstandsflächen zulässig sind (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, § 23 RdNr. 21), und die dem entsprechend auch im nicht beplanten Innenbereich nach § 34 BauGB außerhalb der durch faktische Baugrenzen markierten überbaubaren Grundstücksfläche nicht generell unzulässig sind (vgl. OVG NW, Urt. v. 19.06.2008, a.a.O.). Die § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zugrunde liegende städtebauliche Bewertung zeigt, dass bei der Frage, ob sich ein Vorhaben hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt, zwischen Hauptgebäuden und untergeordneten Nebenanlagen sowie den in Abstandsflächen zulässigen bzw. zulassungsfähigen Anlagen unterschieden werden muss (vgl. BayVGH, Beschl. v. 25.04.2005 – 1 CS 04.3461 –, Juris). Auch die gemäß § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO bauplanerisch zugelassenen baulichen Anlagen, die nach landesrechtlichem Bauordnungsrecht in den Abstandsflächen zugelassen werden können, sind regelhaft von untergeordneter Bedeutung (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001 – 4 C 1.01 –, NVwZ 2002, 90).

14

1.2. Damit kann offen bleiben, ob das Vorhaben des Klägers – wie das Verwaltungsgericht weiter angenommen hat – auch gegen das im Begriff des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt.

15

2. Auch liegen die von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht vor.

16

2.1. Das Verwaltungsgericht hat insbesondere den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt.

17

Der Kläger beanstandet, die Vorinstanz habe Sachvortrag nicht berücksichtigt. Er habe mehrfach vorgetragen, dass die Bebauung in der P-Straße uneinheitlich sei und für jedes Nachbargrundstück im Umkreis seines Grundstücks konkret dargestellt, wo und wie sich eine Bebauung unter Berücksichtigung der Abstandsflächen befinde. Weiterhin sei in der mündlichen Verhandlung am 11.03.2011 vor Ort sowie im Schriftsatz vom 24.03.2011 vorgetragen worden, dass die Nachbarn das Gebot der Rücksichtnahme durch Anbauten auf der Westseite im Garten verletzt hätten. Dennoch befinde sich dieser konkrete Sachverhalt im angefochtenen Urteil nicht wieder. Insbesondere die Entfernungen würden bei dem angeblichen Verstoß gegen Abstandsflächen und der angeblichen Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme argumentativ nicht herangezogen. Damit ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht dargetan.

18

Der Senat hat wiederholt entschieden (vgl. z. B. Beschl. v. 09.08.2011 – 2 L 11/10 –, Juris), schon einfaches Verfahrensrecht (§§ 108 Abs. 1 Satz 2; 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) verlange nicht, dass sich die Entscheidungsgründe mit jeder Einzelheit des Vorbringens befassten; es genüge die Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet dem Gericht gleichfalls nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschl. v. 17.11.1992 – 1 BvR 168,1509/89, 638,639/90 –, BVerfGE 87, 363 [392 f]). Art. 103 Abs. 1 GG fordert allein, dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91 –, BVerfGE 86, 133 [145]), und ist erst verletzt, wenn das Gericht gegen diesen Grundsatz erkennbar verstoßen hat. Das Bundesverfassungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass ein Gericht dem Verfassungsgebot entsprochen hat (BVerfG, Beschl v. 19.05.1992 u. v. 17.11.1992, a.a.O.). Als Indiz für die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst anzusehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage von zentraler Bedeutung nicht eingegangen ist, sofern das Vorbringen vom Gericht nicht für unerheblich oder offensichtlich unsubstanziiert gehalten wird (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992, a.a.O.). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs schützt auch nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag der Beteiligten nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.08.2004 – 1 BvR 1557/01 –, NVwZ 2005, 81, m. w. Nachw.).

19

Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht feststellen. Das Verwaltungsgericht hat zunächst im Tatbestand des angefochtenen Urteils das Vorbringen des Klägers zur Uneinheitlichkeit der Bebauung in der P-Straße dargestellt (S. 3 f. des Urteilsabdrucks). In den Entscheidungsgründen (vgl. Seite 6 des Urteilsabdrucks) hat es weiter ausgeführt, sowohl nach den vorgelegten Plänen als auch nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck fehle es in der P-Straße zwischen G-Straße und H-Straße an einer einheitlichen, zu beachtenden Baulinie mit der Folge, dass sich der streitige Anbau hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen dürfte. Es hat damit das diesbezügliche Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und bei der Frage des Einfügens im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in Erwägung gezogen. Weshalb das Verwaltungsgericht bei der Frage, ob nach planungsrechtlichen Grundsätzen an die Grenze gebaut werden darf, zu der (gegenteiligen) Einschätzung gelangt ist, dass der Anbau den vorgegebenen Rahmen überschreite, lässt sich dem angefochtenen Urteil zwar nicht entnehmen, sodass die insoweit vorgenommene Würdigung Zweifeln unterliegt. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, das Verwaltungsgericht habe den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers außer Betracht gelassen.

20

Auf den Vortrag des Klägers u. a. im Schriftsatz vom 24.03.2011, es sei „eine Sichtung des Grundstücks zum Garten in Richtung Westen und der Grenzbebauung des Nachbarn in Richtung Süden vorgenommen und ein Anbau mit der entsprechenden Schatten bildenden größeren Beeinträchtigung in Augenschein genommen worden“, ist das Verwaltungsgericht am Ende der Entscheidungsgründe (beginnend auf S. 10 unten des Urteilsabdrucks) eingegangen. Es hat insoweit ausgeführt, ob etwa der im rückwärtigen Grundstücksbereich vorhandene Anbau (Wintergärten) auf dem südlich angrenzenden Grundstück oder andere Anbauten rechtmäßig seien oder – wie der Kläger geltend mache – sogar größere Beeinträchtigungen durch Schattenbildung hervorriefen, könne offen bleiben; auch wenn die Beklagte diese – zu Unrecht – genehmigt hätte, könne der Kläger daraus für sich keinen Anspruch herleiten, weil er sich insoweit nicht mit Erfolg auf eine sog. Gleichbehandlung im Unrecht berufen könne. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht das Vorhandensein von Anbauten auf den südlichen Nachbargrundstücken nicht die aus Sicht des Klägers richtige Bedeutung beigemessen hat, kann – wie bereits dargelegt – nicht zu einer Verletzung rechtlichen Gehörs führen.

21

2.2. Der Kläger rügt weiter, im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2011, das als Gedächtnisprotokoll erstellt worden sei, seien nicht sämtliche zu Protokoll gegebenen Erklärungen berücksichtigt worden. In seiner Protokollrüge vom 24.03.2011 habe er um die Aufnahme verschiedener Feststellungen und Erklärungen gebeten, die die örtlichen Gegebenheiten des Baugrundstücks und der näheren Umgebung zum Gegenstand haben. Hätte das Verwaltungsgericht diese Erklärungen aufgenommen, hätte es diese im Urteil verwerten müssen und wäre ebenfalls zu einer anderen Bewertung des Gebots der Einhaltung der Abstandsflächen, der einheitlichen Bebauung und des Gebots der Rücksichtnahme gekommen. Dieses Vorbringen, mit dem der Kläger einen Verstoß gegen das Gebot der richtigen und vollständigen Protokollierung des Ergebnisses eines Augenscheins (§ 160 Abs. 3 Nr. 4, 164 ZPO) rügt, rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.

22

2.2.1. Soweit der Kläger vorträgt, im Ortstermin habe das Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass „zum Sachverhalt“ nur der Sichtbereich der P-Straße von G.- bis H-Straße, nicht jedoch die Siedlung und die angrenzenden Straßen mit ähnlicher Bebauung berücksichtigt würden, handelt es sich schon um keinen Vorgang, der gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 ZPO im Protokoll festzuhalten war. Soweit die Einzelrichterin in der mündlichen Verhandlung eine solche Aussage getroffen haben sollte, hätte sie damit zum Ausdruck gebracht, welche Bereiche nach ihrer (vorläufigen) Einschätzung zur „näheren Umgebung“ des Baugrundstücks im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB gehören. Eine solche Bewertung gehört indes nicht mehr zum „Ergebnis des Augenscheins“ im Sinne des § 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO). „Ergebnis des Augenscheins“ in diesem Sinne sind die unmittelbaren Wahrnehmungen des Richters, nicht ihre zusammenfassende Bewertung (vgl. OVG NW, Beschl. v. 24.06.1998 – 10 E 413/98 –, Juris, RdNr. 60).

23

2.2.2. Der Kläger vermisst ferner Feststellungen des Gerichts darüber, dass sich auf den beiden benachbarten Grundstücken in südlicher Richtung keine Vorgärten (mehr), sondern Stellplätze befinden, dass über den Vorgarten des weiter südlich liegenden Grundstücks eine Einfahrt verläuft und auf dem sich daran anschließende Grundstück das Wohngebäude bis an die Straße (bzw. den Gehweg) herangebaut ist. Er beanstandet weiter, es sei festgestellt worden, dass weder in südlicher noch in nördlicher Richtung eine Baulinie noch ein gleiches Erscheinungsbild vor Ort erkennbar sei. Damit ist kein Verfahrensmangel dargetan, auch wenn das Verwaltungsgericht durch die unterlassene Aufnahme entsprechender Feststellungen in das Protokoll gegen § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO verstoßen haben sollte.

24

Verstöße gegen die Protokollierungsvorschriften gemäß § 105 VwGO i.V.m. §§ 159 ff. ZPO begründen nur dann einen Verfahrensmangel, wenn das angefochtene Urteil auf der Unrichtigkeit des Protokolls beruht. Dies ist der Fall, wenn bei der Einhaltung der nicht beachteten Vorschrift Umstände hervorgetreten wären, die zu anderen tatsächlichen Feststellungen oder zu einer anderen Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts hätten führen können. Macht der Rechtsmittelführer geltend, das Protokoll sei unrichtig oder unvollständig, so muss er darlegen, aus welchen Gründen sich dieser Fehler auf das Urteil ausgewirkt haben kann. Er muss aufzeigen, welche konkrete Tatsachenfeststellung oder Beweiswürdigung des Gerichts von der unrichtigen oder unvollständigen Protokollierung beeinflusst ist (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 06.08.2009 – 2 B 45.09 –, NVwZ 2010, 257, m.w.N.).

25

Im konkreten Fall ist indessen nicht ersichtlich, dass die der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen oder die Beweiswürdigung von der geltend gemachten Unvollständigkeit des Protokolls beeinflusst sind. Wie oben bereits ausgeführt, ist das Verwaltungsgericht bei der Frage des „Einfügens“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (S. 6 des Urteilsabdrucks) davon ausgegangen, dass sowohl nach den vorgelegten Plänen als auch nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck es in der P-Straße zwischen G-Straße und H-Straße an einer einheitlichen zu beachtenden Baulinie fehle mit der Folge, dass sich der streitige Anbau hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen dürfte. Es hat damit die vom Kläger im Protokoll vermissten Feststellungen zu Uneinheitlichkeit der Bebauung in der P-Straße zusammenfassend wiedergegeben und diese tatsächlichen Feststellungen bei der Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Anbaus nach § 34 Abs. 1 BauGB zugunsten des Klägers gewürdigt. Zwar ist das Verwaltungsgericht bei der Frage, ob gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA nach planungsrechtlichen Grundsätzen an die Grenze gebaut werden darf, zu der (gegenteiligen) Einschätzung gelangt, nämlich dass der Anbau den von der Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmen überschreite. Es ist aber nicht erkennbar, dass bei der vom Kläger gewünschten Protokollierung der örtlichen Gegebenheiten Umstände hätten hervortreten können, die die unterschiedliche Würdigung der baulichen Verhältnisse bei Anwendung der planungsrechtlichen Bestimmung des § 34 Abs. 1 BauGB einerseits und der bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 3 BauGB andererseits vermieden hätten.

26

2.2.3. Ein in der mündlichen Verhandlung gegebener Hinweis des Klägers darauf, dass „entgegen der Behauptung der Beklagten“ ein Vorgarten vorhanden sei und nicht das, was lediglich „erhalten geblieben sei“, ist keine Erklärung, die nach § 160 ZPO protokolliert werden muss.

27

2.2.4. Der Vortrag des Klägers, es sei eine Sichtung des Grundstücks zum Garten in Richtung Westen und der Grenzbebauung des Nachbarn in Richtung Süden vorgenommen und (dabei) ein Anbau mit der entsprechenden Schatten bildenden größeren Beeinträchtigung in Augenschein genommen worden, betrifft die Frage, ob der streitige Anbau das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Da das Verwaltungsgericht angenommen hat, es komme nicht darauf an, ob solche Anbauten in den rückwärtigen Grundstücksteilen rechtmäßig errichtet seien und sogar größere Beeinträchtigungen durch Schattenbildung hervorriefen, ist nicht ersichtlich, inwieweit eine Protokollierung der „Sichtung“ der baulichen Verhältnisse in den rückwärtigen Grundstücksteilen zu einer für den Kläger günstigeren Würdigung hätte führen können. Im Übrigen kann das angefochtene Urteil auf einer fehlenden Protokollierung dieser „Sichtung“ auch deshalb nicht beruhen, weil das Verwaltungsgericht das Urteil nicht allein auf eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, sondern – selbständig tragend – auch auf eine Verletzung der Vorschriften über Abstandsflächen gestützt hat.

28

3. Die Rechtssache weist schließlich keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

29

Besondere Schwierigkeiten liegen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 27.12.2006 – 2 L 66/05 –, Juris) vor bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache, im Tatsächlichen besonders bei wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen, wenn der Sachverhalt schwierig zu überschauen oder zu ermitteln ist, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen.

30

Der Senat vermag nicht zu erkennen, woraus sich die vom Kläger angeführte „Kompliziertheit der baurechtlichen Materie“ ergeben soll. Dies lässt sich nicht mit dem bloßen Hinweis darauf begründen, dass das Verwaltungsgericht andere Gründe für die baurechtliche Unzulässigkeit des Windfangs angeführt hat als die Beklagte. Auch mit dem Vortrag, das Verwaltungsgericht sei auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen und habe entscheidungserhebliche Rechtsfragen unzutreffend beantwortet, sind keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache dargetan. Damit ließen sich allenfalls ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder ggf. ein Verfahrensmangel in Gestalt einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) begründen, die allerdings aus den oben dargestellten Gründen nicht vorliegen.

31

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die ihm mit Bescheid der Beklagten vom 24.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landkreises W. vom 16.11.2012 auferlegte Pflicht, den Gehweg und das Gerinne vor seinem Grundstück in D-Stadt, OT (N.), L-Straße 1 und 3 im Bereich der L-Straße und der E-Straße spätestens eine Woche nach Bestandskraft der Verfügung und danach einmal im Kalendermonat von Schmutz, Glas, Laub und sonstigen Verunreinigungen und Unkraut selbst zu reinigen oder durch eine geeignete Person oder einen Dienstleister reinigen zu lassen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung wurde dem Kläger die Ersatzvornahme angedroht, deren Kosten - ohne die zunächst ebenfalls angeordnete Straßenreinigung des Seitenstreifens - auf monatlich 71,40 Euro beziffert wurde.

2

Der Kläger hat im Klageverfahren die Unbestimmtheit der Straßenreinigungssatzung der Beklagten geltend gemacht und vorgetragen, die Satzung verstoße gegen § 50 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA, weil die maßgeblichen Satzungsbestimmungen, vor allem die §§ 2 Abs. 1a), 3 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 bis 7, 5 der Straßenreinigungssatzung des Beklagten, ausschließlich eine Auslegung dahingehend zuließen, dass dem Kläger eine Reinigungspflicht für sämtliche öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortschaft obliege. Zudem enthalte die Satzung keine Ausnahmeregelung im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA, obwohl ihm die Reinigungspflicht nicht zuzumuten sei. Bei der zu reinigenden Straße handele es sich nämlich um eine Hauptverkehrs- und Hauptdurchgangsstraße, die auch am Wochenende und an Feiertagen in hohem Maße - auch von Traktoren und LKW - in beiden Richtungen frequentiert werde, so dass die Reinigung des Gerinnes mit einer konkreten Gefahr für Leben, Körper und Gesundheit verbunden sei, weil die zudem schwer einsehbare Fahrbahn betreten werden müsse.

3

Das Verwaltungsgericht Halle hat die Klage mit Urteil vom 20.02.2015 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Straßenreinigungssatzung sei nicht wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam; insbesondere regele sie entgegen der Auffassung des Klägers nicht den Umfang der jeweiligen persönlichen Reinigungspflicht der Eigentümer, Besitzer bzw. sonstigen dinglich Berechtigten der im Gemeindegebiet vorhandenen Grundstücke, sondern diejenige der Gemeinde, die durch § 1 der Straßenreinigungssatzung auf diesen Personenkreis übertragen werde. Eine Auslegung der Satzung dahingehend, dass jeder Grundstückseigentümer persönlich zur Reinigung der gesamten Stadt verpflichtet sei, sei vom Standpunkt eines verständigen objektiven Betrachters lebensfremd. Auch der Kläger habe im Verwaltungsverfahren ein anderes Verständnis des Satzungsinhalts zum Ausdruck gebracht. Schließlich ergebe sich aus der Grundstückssituation nicht die von dem Kläger vorgetragene Unzumutbarkeit der Straßenreinigung; insbesondere bedürfe es zur Reinigung des Gerinnes nicht zwingend des Betretens der Fahrbahn. Die Aufnahme einer Ausnahmeregelung in der Satzung sei im Übrigen nicht zwingend vorgeschrieben.

II.

4

A. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

5

I. Der Antrag ist nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger sich nach Beendigung des Mandatsverhältnisses mit seinem früheren Prozessbevollmächtigten nicht mehr gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vor dem Oberverwaltungsgericht vertreten lässt. Ist ein Beteiligter in einem zulässigerweise eingeleiteten Verfahren später nicht mehr in einer den Anforderungen des § 67 VwGO gerecht werdenden Weise vertreten, so kann dennoch eine Sachentscheidung ergehen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 15.07.2008 - 5 LA 207/05 -, juris RdNr. 1 m. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 67 RdNr. 4).

6

Für Zustellungen oder Mitteilungen im Sinne des § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO gilt im Übrigen, dass diese weiterhin an den für den Rechtszug ursprünglich bestellten Prozessbevollmächtigten zu bewirken sind. Diese Empfangszuständigkeit endet in Anwaltsprozessen nicht bereits mit der Niederlegung des Mandats, sondern erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts (§ 173 VwGO i. V. m. § 87 Abs. 1 ZPO). Bis ein neuer Prozessbevollmächtigter bestellt ist, haben im Anwaltsprozess Zustellungen zwingend an den bisherigen Prozessbevollmächtigten zu erfolgen (BGH, Beschl. v. 25.02.2011 - VIII ZR 27/10 -, juris RdNr. 5). Da der Kläger im Zulassungsverfahren keinen neuen Prozessbevollmächtigten bestellt hat, haben die Zustellungen daher auch weiterhin an den bisherigen Prozessbevollmächtigten des Klägers zu erfolgen.

7

II. Die Berufung ist nicht wegen der von dem Kläger geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

8

Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn eine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Rechts- oder Tatsachenfrage muss für eine Vielzahl, jedenfalls Mehrzahl von Verfahren bedeutsam sein; jedoch reicht allein der Umstand nicht aus, dass der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein könnte oder sich vergleichbare Fragen in einer unbestimmten Vielzahl ähnlicher Verfahren stellen (OVG LSA, Beschl. v. 04.04.2003 - 2 L 99/03 -; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 132 RdNr. 12). Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer konkret auf die Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.06.2006 – 5 B 99.05 –, nach juris, m.w.N.).

9

Diese Anforderungen an eine hinreichende Darlegung erfüllt der Vortrag des Klägers nicht; denn er hat weder unter Buchst. a) noch unter Buchst. b) seiner Zulassungsbegründung Fragen ausformuliert, sondern schlicht mit Blick auf § 50 Abs. 1 Nr. 3 Sätze 1 und 2 StrG LSA seine rechtlichen Bedenken gegen die in der Straßenreinigungssatzung des Beklagten vom 27.10.2011 (StrRS) geregelte Übertragung der Verpflichtung zur Reinigung der öffentlichen Straßen gemäß § 47 Abs. 1 bis 3 StrG LSA und die Inanspruchnahme der Hinterlieger, Nießbraucher, Erbbauberechtigten, Wohnungsberechtigten und Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsberechtigten ohne nähere Erläuterung vorgetragen. Abgesehen davon lässt sich seinem gesamten Vortrag auch der Sache nach keine Frage entnehmen, die im obigen Sinne klärungsbedürftig wäre.

10

III. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen ebenfalls nicht.

11

Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546 [547], m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

12

Das Verwaltungsgericht hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Straßenreinigungssatzung der Beklagten vom 27.10.2011 keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliege, insbesondere nicht wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam sei.

13

Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Straßenreinigungssatzung ist § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 StrG LSA. Danach können die Gemeinden durch Satzung die nach § 47 geregelte Verpflichtung zum Reinigen und zum Winterdienst den Eigentümern oder Besitzern der durch öffentliche Straßen erschlossenen Grundstücke auferlegen oder sie zu den entsprechenden Kosten heranziehen. § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA bestimmt darüber hinaus, dass die Reinigungspflichten nicht auferlegt werden können, wenn diese den Eigentümern wegen der Verkehrsverhältnisse nicht zuzumuten sind.

14

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Straßenreinigungssatzung der Beklagten den Anforderungen an das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot gerecht wird; insbesondere hat es zutreffend erkannt, dass dem Verständnis des Klägers vom Regelungsgehalt des § 2 Abs. 1a) StrRS nicht gefolgt werden könne. Aus der Formulierung des § 1 Abs. 1 StrRS, insbesondere der Regelung über die Gesamtschuldnerschaft (Satz 2), werde hinreichend deutlich, dass sich die übertragene Reinigungspflicht auf das erschlossene Grundstück und damit auf die konkrete Straße beziehe, an die dieses angeschlossen sei, und nicht auf "alle öffentlichen Straßen" innerhalb der geschlossenen Ortslage.

15

Ohne Erfolg wendet der Kläger dagegen ein, die Straßenreinigungssatzung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgericht wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam, weil die Satzung nicht regele, wer welche Straßenteile/-abschnitte zu reinigen habe, d. h. an welcher Stelle die Reinigungspflicht beginne und wo diese ende. Ein Bezug von Grundstück und Straße sei - anders als bei der Regelung über den Winterdienst (§ 6 Abs. 2 bis 5 und § 7 StrRS) - nicht gegeben. Auch durch eine Gesamtschau der Satzung lasse sich für den einzelnen Betroffenen die vermutlich beabsichtigte Regelung zur Übertragung der Reinigungspflicht nicht hinreichend erkennen. Hinreichend erkennbar sei lediglich die Verpflichtung, innerhalb der geschlossenen Ortslage alle öffentlichen Straßen, dabei alle Geh- und Radwege, Gerinne, Rand- und Seitenstreifen, Parkbuchten und Versickerungsmulden reinigen zu müssen, mindestens einmal monatlich und bei Bedarf zusätzlich sowie bei besonderen Anlässen. Aus dem Wortlaut der §§ 1 und 2 StrRS ergebe sich also eine "gesamtschuldnerische" Verpflichtung des Klägers, die ihn treffe, weil er "Eigentümer" eines "erschlossenen Grundstückes "sei, innerhalb der geschlossenen Ortslage alle öffentlichen Straßen (§ 3 StrG LSA) reinigen zu müssen (§§ 2 Abs. 2a, 3 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 bis 7, 5 der Satzung, welche dem Wortlaut nach nicht einmal auf das Gemeindegebiet der Beklagten begrenzt sei.).

16

Unabhängig davon, dass der Kläger sich in seinem Vortrag schon nicht substantiiert mit den gerichtlichen Darlegungen in den Entscheidungsgründen (vgl. S. 6 UA) auseinander setzt, sondern lediglich seine eigene Auffassung ergebnisbezogen neben die ausführliche rechtliche Subsumtion des Erstgerichts stellt, kann er mit seinen Einwänden nicht gehört werden.

17

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt zwar, dass Ermächtigungen zur Vornahme belastender Verwaltungsakte nach Inhalt, Gegenstand und Ausmaß hinreichend bestimmt und widerspruchsfrei sind, dass sie ihren Regelungsgehalt nicht verschleiern und für Adressaten sowie rechtsanwendende Instanzen auch in ihrem Zusammenwirken verständlich sind und praktikable Merkmale enthalten, so dass die Eingriffe messbar und für den Betroffenen voraussehbar und berechenbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 - 2 BvL 4/56 u. a. -, BVerfGE 8, 274 [325] = juris). Gleiches gilt für die Auferlegung von Handlungspflichten. Der Bürger muss in der Lage sein, eindeutig und ohne Zweifel zu erkennen, welche konkreten Handlungen von ihm gefordert werden. Diesen Anforderungen wird die Straßenreinigungssatzung der Beklagten allerdings gerecht; denn durch die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 StrRS "Die Verpflichtung zur Reinigung wird…auf die: a) Eigentümer… der durch öffentliche Straßen, Wege oder Plätze erschlossenen und bebauten oder unbebauten Grundstücke als Verpflichtete übertragen" wird hinreichend deutlich, dass sich die Reinigungspflicht der Eigentümer und der übrigen Verpflichteten nur auf den Teil der öffentlichen Straßen, Wege oder Plätze bezieht, der das bebaute oder unbebaute Grundstück erschließt; insoweit ist die der Regelung zugrunde liegende Intention des Satzungsgebers ohne weiteres erkennbar.

18

Aber selbst wenn mit dem Kläger davon auszugehen wäre, dass die Straßenreinigungssatzung der Beklagten aufgrund des Fehlens einer Detailregelung zum Umfang der Reinigungspflicht ein anderes Verständnis zuließe, hätte das Gericht die Auslegung zu wählen, die bei verfassungskonformer Auslegung Bestand haben kann. Die vom Kläger gewählte Auslegung, dass er gesamtschuldnerisch für sämtliche Straßen im Gemeindegebiet straßenreinigungspflichtig ist, wäre aber im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und den mit der Straßenreinigung verbundenen Vorteil für die Grundstückseigentümer bedenklich.

19

Das Angrenzen des Anliegergrundstücks an die Straße vermittelt in aller Regel Vorteile, die in einer wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung des Grundstücks liegen, z. B. durch die erlaubnisfreie Schaffung von Zugängen oder Zufahrten (§ 22 StrG LSA). Die Auferlegung von Reinigungspflichten für die vor dem Grundstück verlaufende Straße wird deshalb, auch wenn sie unter Umständen mit finanziellen Belastungen für die Reinigungs- und Sicherungskosten einhergeht, durch den Grundsatz der Vorteilsausgleichung gedeckt (BVerwG, Urt. v. 07.04.1989 - BVerwG 8 C 90.87 -, juris Rn. 16). Zudem verbietet es der Gleichheitssatz aus Art. 3 GG, die Anlieger ohne Einschränkung oder Ausgleich der vollen Straßenreinigungspflicht zu unterwerfen, wenn und soweit die Straßenreinigung dem Allgemeininteresse an sauberen Straßen dient (BVerwG, a. a. O.). Die Straßenreinigung muss nämlich objektiv im besonderen Interesse der Grundstückseigentümer liegen und sich für sie in Bezug auf die Möglichkeit der wirtschaftlichen und verkehrlichen Nutzung der Grundstücke vorteilhaft auswirken. Straßenreinigungsrechtlich erschlossen sind deshalb nur solche Grundstücke, deren Eigentümer von der Straßenreinigung innerhalb der geschlossenen Ortslage einen speziellen Vorteil haben. Dieses besondere Interesse besteht in der Regel nur hinsichtlich solcher Straßen oder Straßenbestandteile, die das an die öffentliche Straße angrenzende Grundstück erschließen. Eine Satzungsbestimmung, die die Reinigungspflicht der Anlieger auf sämtliche öffentliche Straßen im Gemeindegebiet erstreckt, kommt schon deswegen nicht in Betracht.

20

Zwar sind, worauf der Kläger zu Recht hinweist, durch die in § 9 Abs. 1 StrRS enthaltene Ordnungsvorschrift, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig (a) entgegen den §§ 4 und 5 der Reinigungspflicht der Straßen nicht oder nicht vollständig nachkommt oder (b) entgegen den §§ 6 und 7 der Beseitigung von Schnee, Schnee- und Eisglätte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nachkommt, erhöhte Anforderungen an die normative Klarheit von Vorschriften zu stellen. Vorliegend sind aber - wie oben ausgeführt - die Vorschriften in der Straßenreinigungssatzung der Beklagten verfassungskonform nur dahingehend auszulegen, dass der Umfang der Reinigungspflicht sich auf den Teil der Straße bezieht, der das jeweilige Grundstück erschließt, so dass auch im Hinblick auf die Ordnungsvorschrift des § 9 Abs. 1 StrRS keine Verletzung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots erkennbar ist.

21

Gleiches gilt, soweit der Kläger die mangelnde Bestimmtheit der für die Schneeräumung und Beseitigung von Schnee- und Eisglätte geltenden, für den hier zu entscheidenden Fall allerdings nicht maßgeblichen Vorschriften (§§ 6, 7 StrRS) rügen will; denn im Hinblick auf die oben aufgezeigten Grundsätze sind auch diese Normen nur dahingehend zu verstehen, dass sich der Winterdienst auf den gesamten Gehweg bzw. das in den §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 2 näher bezeichnete Teilstück des Gehwegs vor dem Grundstück der Reinigungsverpflichteten bezieht.

22

2. Die Straßenreinigungssatzung der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb insgesamt unwirksam, weil sie keine Ausnahmeregelung im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA dahingehend beinhaltet, dass die Reinigungspflichten nicht auferlegt werden können, wenn sie den Eigentümern wegen der Verkehrsverhältnisse nicht zuzumuten sind.

23

Das Verwaltungsgericht führt dazu unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 12.08.1999 - 1 C 10016/99 -, VersR 2001, 476) aus, dass das Fehlen einer diesbezüglichen Ausnahmeregelung die Wirksamkeit der Straßenreinigungssatzung nicht in Frage stelle. Vielmehr bringe der Satzungsgeber dadurch inzident zum Ausdruck, dass er die Straßenreinigung in dem den Pflichtigen satzungsgemäß auferlegten Umfang für zumutbar erachte. Sollte die Verkehrssituation in konkreten Einzelfällen die Zumutbarkeit der Reinigung einzelner Teilflächen entfallen lassen, dürfte das Fehlen einer Ausnahmeregelung überdies allenfalls die Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Ordnungsverfügung in Frage stellen, nicht jedoch die Unwirksamkeit der Satzung insgesamt nach sich ziehen. In Betracht käme lediglich eine Teilnichtigkeit bezüglich der Verpflichtung, die betroffenen Straßen(bestandteile) zu reinigen.

24

Unabhängig davon, dass der Kläger sich schon nicht substantiiert mit dieser Argumentation auseinander setzt, ist gegen die Annahme der Vorinstanz nichts zu erinnern; insbesondere schreibt der Wortlaut des § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA nicht ausdrücklich vor, dass in die Satzung stets eine Ausnahmeregelung zur Zumutbarkeit der Reinigungspflicht aufzunehmen ist. § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 StrG LSA bestimmt vielmehr nur, dass die Gemeinden durch Satzung die nach § 47 StrG LSA geregelte Verpflichtung zum Reinigen und zum Winterdienst den Eigentümern oder Besitzern auferlegen können. Kann ein Anlieger im Einzelfall eine durch die Verkehrsverhältnisse vor seinem Grundstück bedingte Unzumutbarkeit der Straßenreinigung nachweisen, macht dies nicht die Satzung insgesamt unwirksam, sondern es ist § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA unmittelbar heranzuziehen.

25

3. Die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die tragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts zur Frage der verkehrsbedingten Unzumutbarkeit der Reinigung des Gerinnes im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA verhelfen dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg.

26

Gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA können die Reinigungspflichten nicht auferlegt werden, wenn sie den Eigentümern wegen der Verkehrsverhältnisse nicht zuzumuten sind. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Straßenanlieger die Reinigungsverpflichtung wegen der Verkehrsverhältnisse nur unter Gefahren für Leib und Leben erfüllen könnten. Indes erschöpft sich die Frage nach der Zulässigkeit der Übertragung nicht in einer Prüfung der Verkehrsverhältnisse. Sie findet ihre Grenze (allgemein) dort, wo die Erfüllung der Reinigungspflichten mit überobligationsmäßigen, unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden und deshalb dem Anlieger nicht zuzumuten ist. Insofern ist die gesetzliche Regelung in § 50 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 StrG LSA Ausdruck eines weitergehenden Rechtsgedankens, der allgemeine Geltung beanspruchen kann und besagt, dass die Erfüllung einer Verpflichtung dann nicht mehr verlangt werden kann, wenn der Verpflichtete dadurch zu Opfern genötigt würde, die über die seiner Verpflichtung nach ihrem Sinne innewohnende Belastungsgrenze hinausgehen (Beschl. d. Senats vom 21.06.2016 - 2 L 77/14 -, juris RdNr. 47; vgl. zur entsprechenden Regelung in § 52 Abs. 4 Satz 3 NStrG: NdsOVG, Urt. v. 14.02.2007 - 12 KN 399/05 -, juris RdNr. 20 m.w.N.). Die besondere Erwähnung der Zumutbarkeit unter verkehrlichen Gesichtspunkten als Begrenzung der Übertragungsmöglichkeit der Reinigung auf die Anlieger lässt als Zweck der gesetzlichen Regelung erkennen, eine Überbürdung der Anlieger mit Pflichten zu vermeiden, die keine Entsprechung mit den gewöhnlichen Vorteilen haben, die die Straße ihnen aufgrund ihrer Erschließungsfunktion bietet (Beschl. d. Senats vom 21.06.2016, a. a. O.; OVG NW, Urt. v. 18.11.1996 - 9 A 5984/94 -, juris RdNr. 12).

27

Das Verwaltungsgericht ist unter Anwendung dieser Grundsätze und Auswertung der tatsächlichen Gegebenheiten anhand von Lichtbildern und einer Filmaufnahme des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, dass die erforderlichen Reinigungsarbeiten auch im Gerinne im Wesentlichen vom Bordstein aus und damit ohne Gefahr für Leib oder Leben vorgenommen werden könnten. Um Schmutz, Glas und Laub zusammenzukehren, müsse die zu reinigende Person sich nicht im Bereich der Fahrbahn aufhalten. Auch das Aufnehmen des zusammengekehrten Unrates sei vom Fahrzeugverkehr unbeeinflusst z. B. in der Zufahrt des klägerischen Grundstücks möglich. Die Beseitigung von Gras und Unkraut, das ganz überwiegend nur aus Ritzen und Rissen an der Bordsteinkante und der Fußwegpflasterung wuchere, sei dem Verpflichteten grundsätzlich zumutbar, zumal der aus den Fotos ersichtliche Grad des Bewuchses offensichtlich auf die seit längerer Zeit unterbliebenen Reinigungsmaßnahmen zurückzuführen sein dürfte. Angesichts der aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlichen Beschaffenheit von Gehweg und Gerinne sei der Einwand des Klägers, zur Ausführung der Reinigung des Gerinnes sei es erforderlich, sich mit dem Oberkörper im Fahrbahnbereich aufzuhalten, nicht nachvollziehbar. Die fehlende Einsehbarkeit betreffe lediglich das Gerinne im Kurvenbereich. Jedoch ließen die von beiden Beteiligten gefertigten Lichtbilder und eine vom Kläger zu den Akten gereichte Filmaufnahme erkennen, dass es sich bei dem fraglichen Straßenabschnitt, der nur mit der innerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h befahren werden dürfe, jedenfalls zu bestimmten Zeiten um einen Straßenabschnitt mit äußerst geringem Verkehrsaufkommen handele, der die Unkrautbeseitigung unproblematisch auch im Kurvenbereich zulasse. Zudem seien sich nähernde Fahrzeuge akustisch wahrnehmbar.

28

Mit seinem Vorbringen auf den Seiten 8-10 des Zulassungsantrags wendet sich der Kläger gegen diese vom Verwaltungsgericht im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) anhand von Lichtbildern und des Vortrags der Beteiligten vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Die bloße Möglichkeit einer abweichenden Bewertung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme stellt jedoch die Richtigkeit der Entscheidung noch nicht in Frage. Eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt insoweit nur in Betracht, wenn das Gericht von objektiv unzutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgegangen ist oder wenn die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was z. B. bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (vgl. BayVGH, Beschl.v. 24.03.2015 - 4 ZB 15.266 -, juris RdNr. 13; BVerwG, Beschl. v. 29.07.2015 - BVerwG 5 B 36.14 -, juris RdNr. 13 jeweils m.w.N.). Dass derartige Mängel der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung hier vorliegen, zeigt der Kläger in seiner Antragsbegründung nicht auf.

29

3.1. Inwieweit die nach Auffassung des Klägers notwendige intensive Reinigung des Gerinnestreifens der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Reinigung sei vom Bordstein aus möglich, entgegensteht, legt die Zulassungsschrift schon nicht dar.

30

Auch dem weiteren Vortrag des Klägers lässt sich nicht entnehmen, inwieweit der Grad der Verschmutzung und der Aufwand der Reinigung es notwendig machen, die Fahrbahn zu betreten. Ausweislich der vorliegenden Lichtbilder (Beiakte B) befindet sich das Unkraut im Gerinne an der Bordsteinkante, so dass die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, zur manuellen Unkrautbeseitigung genüge es, wenn der Betreffende sich seitlich zur Fahrbahn mit Kopf und Körper vollständig auf dem Gehweg platziere und mit einem Arm das Gerinne entkraute, sachgerecht erscheint. Vor diesem Hintergrund mussten sich dem Verwaltungsgericht auch keine weiteren Ermittlungen zum Grad der Verschmutzung (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aufdrängen. Mit seinem schlichten Hinweis, das Gericht habe sich keinen eigenen Eindruck verschafft oder aktuelle Lichtbilder beschafft, stellt der Kläger die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht substantiiert in Frage.

31

3.2. Ohne Erfolg tritt der Kläger der Annahme des Verwaltungsgerichts, auch das Aufnehmen des zusammengekehrten Unrates sei vom Fahrzeugverkehr unbeeinflusst z. B. in der Zufahrt des klägerischen Grundstücks möglich, mit dem Hinweis entgegen, im Verlauf des Gerinnes befänden sich 6 Gullys, so dass Kehricht auch im Hinblick auf den erheblichen Grad der Verschmutzung keinesfalls durch das Gerinne bis in die Grundstückseinfahrt hineingefegt werden könne, ohne dabei die Fahrbahn zu benutzen. Denn dieses wenig substantiierte Vorbringen zeigt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der gesammelte Unrat auch vom Bordstein aus zusammengefegt und aufgenommen werden kann, nicht die Sachwidrigkeit der vorinstanzlichen Bewertung auf, dass die zu reinigende Person sich nicht im Bereich der Fahrbahn aufhalten muss. Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Aufnahme des Unrats im Bereich der Grundstückseinfahrt lediglich beispielhaft genannt, insgesamt aber die Notwendigkeit des Betretens der Fahrbahn durch den Reinigungsverpflichteten aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ausgeschlossen. Dass diese Einschätzung gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, legt der Kläger nicht dar.

32

3.3. Nicht durchgreifend ist auch der Einwand des Klägers, die Reinigung des Gerinnes sei stets mit einer Gefahr für Leib und Leben verbunden, weil zumindest seitlich ein Arm in den Bereich oberhalb des Gerinnes und damit der Fahrbahn gehalten und dem fließenden Verkehr ausgesetzt werde; denn das Verwaltungsgericht hat die Unzumutbarkeit der Reinigungsarbeiten maßgeblich mit der Begründung verneint, bei dem fraglichen Straßenabschnitt handele es sich jedenfalls zu bestimmten Zeiten um einen Straßenabschnitt mit äußerst geringem Verkehrsaufkommen, so dass es dem Verpflichteten frei stehe, einen Zeitpunkt auszuwählen, zu dem das ohnehin mäßige Verkehrsaufkommen insgesamt und insbesondere hinsichtlich des landwirtschaftlichen Verkehrs bzw. des Transportverkehrs mit LKW am geringsten sei.

33

Dem tritt der Kläger mit dem Einwand entgegen, von ihm als Anlieger könne nicht verlangt werden, etwaige Lücken im Verkehrsstrom abzuwarten, um seinen Reinigungspflichten nachzukommen. Auch damit ist weder eine Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen aufgezeigt noch legt der Kläger dar, das Verwaltungsgericht sei aktenwidrig von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder habe eine sachwidrige oder willkürliche Beweiswürdigung vorgenommen; insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum von einem Anlieger wie dem Kläger die von dem Verwaltungsgericht vorgeschlagene Verfahrensweise bei der Reinigung des Gerinnes nicht verlangt werden kann. Auf die Frage, ob von den Anliegern verlangt werden könne, etwaige Hinweise auf Reinigungsarbeiten an den fließenden Verkehr richten zu müssen, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen nicht entscheidungserheblich abgestellt.

34

Auch mit seinem Vorbringen, ein einziges Luftbild könne nicht den fließenden Verkehr oder dessen Intensität aufzeigen, womöglich seien Fahrzeuge und Personen aus Datenschutzgründen retuschiert, und die gefertigten Lichtbilder dokumentierten nicht das Verkehrsaufkommen und seien zu diesem Zweck auch nicht aufgenommen worden, zeigt der Kläger keine Mängel der Beweiswürdigung auf, sondern setzt der Beweiswürdigung schlicht seine eigene Deutung entgegen, ohne sich näher mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen oder gar zum Beweis des Gegenteils aktuelle Lichtbilder oder Filmaufnahmen vorzulegen.

35

3.4. Ernstliche Zweifel kann der Kläger auch nicht mit seiner Behauptung begründen, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Würdigung des Sachverhalts und der Beweisaufnahme nicht genügend dem Umstand Rechnung getragen, dass beispielsweise Fahrräder und Elektrofahrzeuge akustisch nicht wahrnehmbar seien. Selbst bei einer akustischen Wahrnehmung des Verkehrs wäre die auf dem Gehweg kniende Person erheblichen Gefahren für Leib oder Leben ausgesetzt, da diese nicht rechtzeitig den Gefahrenbereich verlassen könne, zumal die häufig dort aufkommenden landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen mit den Reifen unmittelbar am Bordstein entlang durch den Bereich des Gerinnes rollen und mit deren Aufbauten in den Bereich oberhalb des Gehwegs hineinragen und die kniende Person unweigerlich erfassen würden.

36

Gemessen an den vorgenannten Maßstäben stellt der Kläger die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit diesen Behauptungen schon deswegen nicht in Frage, weil das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt hat, dass der Kläger durch die Wahl eines bestimmten Zeitpunkts dem Verkehrsaufkommen Rechnung tragen könne. Dass dem Verwaltungsgericht bei dieser Einschätzung einer der vorgenannten schweren Fehler der Beweiswürdigung unterlaufen ist, zeigt die Zulassungsbegründung mit ihrem Hinweis, das Verkehrsaufkommen sei bei einer Ortsdurchgehung einer Kreisstraße zeitlich nicht im Voraus einschätzbar, nicht substantiiert auf.

37

3.5. Gleiches gilt im Übrigen für den Einwand des Klägers auf Seite 11 der Zulassungsschrift, für ihn sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, er habe den Gehweg nicht gereinigt, im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder nicht nachzuvollziehen. Hiermit sind schwere Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch die Vorinstanz nicht dargelegt.

38

III. Schließlich rechtfertigt sich die Zulassung der Berufung nicht wegen des gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Gestalt einer Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend gemachten Verfahrensmangels; denn mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht sei ohne Grund den diesbezüglichen Beweisantritten der Zeugenvernehmung und Inaugenscheinnahme nicht gefolgt, kann der Kläger nicht gehört werden.

39

Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer nicht nur darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären; er muss auch darlegen, dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998 - BVerwG 6 B 67.98 -, juris, m. w. Nachw.). Daran fehlt es hier. In der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2015 hat der Kläger keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Beweisantrag genügt insoweit nicht (BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998, a. a. O.; Beschl. v. 06.03.1995 - BVerwG 6 B 81.94 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265; OVG LSA, Beschl. v. 06.08.2001 - A 2 S 362/99 –). Die Darlegungen in der Zulassungsschrift ergeben auch nicht, welche Beweiserhebungen sich dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen.

40

IV. Soweit der Kläger am Ende der Zulassungsbegründung pauschal auf seine Darlegungen und Beweisantritte in erster Instanz verweist, genügt ein derart allgemeiner Vortrag schon formal nicht den Anforderungen an das Gebot der Darlegung eines Berufungszulassungsgrundes gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.

41

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

42

C. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.

43

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.