Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 09. Dez. 2014 - 2 A 313/13

bei uns veröffentlicht am09.12.2014

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der nach seinen Angaben am … 1993 in Kirkuk geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er verließ am 19.9.2008 sein Heimatland und reiste am 4.10.2008 in Belgien ein. Dort stellte er insgesamt zwei Asylanträge, die abgelehnt wurden. Ferner stellte er auch in Finnland einen Asylantrag, der ohne Erfolg blieb; von dort wurde er nach Belgien zurückgeführt, ebenso von Schweden. Am 5.3.2010 reiste er aus Belgien kommend in Deutschland ein. Hier stellte er am 17.3.2010 einen Asylantrag, zu dessen Begründung er bei seiner Anhörung am selben Tag vortrug, er habe den Irak wegen der unsicheren Lage in Kirkuk verlassen.

Auf das Ersuchen der Beklagten vom 4.2.2011 erklärte sich Belgien am 16.2.2011 mit der Wiederaufnahme des Klägers einverstanden.

Mit Bescheid vom 28.2.2011 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fest, dass der Asylantrag unzulässig ist, und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.

Unter dem 14.4.2011 teilte das Landesverwaltungsamt – Zentrale Ausländerbehörde – dem Bundesamt mit, dass der Bruder H… des Klägers, der seit dem 30.11.2010 über eine Niederlassungserlaubnis verfüge, am 12.1.2011 zu dessen Vormund bestellt worden sei. Außerdem wurde um Mitteilung gebeten, ob angesichts dieser neueren Erkenntnisse an der Überstellung des Klägers im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Belgien festgehalten werde.

Daraufhin stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 29.4.2011 wiederum fest, dass der Asylantrag unzulässig ist, und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Belgien an. Im Bescheid ist unter anderem – wiederum - zur Begründung ausgeführt, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung auszuüben, nicht ersichtlich seien.

Am 23.5.2011 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.4.2011 erhoben. Auf den am selben Tag gestellten Eilrechtsschutz-Antrag des Klägers ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31.5.2011 – 2 L 458/11 – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten an und gab ihr auf, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass der Kläger vorläufig nicht nach Belgien abgeschoben werden dürfe.

Im Klageverfahren hat der Kläger schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 29.4.2011 zu verpflichten, für ihn ein Asylverfahren durchzuführen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 20.7.2012 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 29.4.2011 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid vom 29.4.2011 sei rechtswidrig. Die in Nr. 1 des Bescheides getroffene Feststellung beruhe auf § 27 a AsylVfG. Die Zuständigkeit Belgiens für den Asylantrag des Klägers ergebe sich aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung. Vorliegend sei der Kläger aus dem Irak kommend zunächst illegal in Belgien eingereist und habe dort einen Asylantrag gestellt. Daher habe sich Belgien auf das Übernahmeersuchen der Beklagten gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO zur Wiederaufnahme des Klägers und Bearbeitung seines Asylantrags bereit erklärt. Demgegenüber könne der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in seinem Fall gemäß Art. 6 Satz 1 oder Art. 7 Dublin II-VO Deutschland für die Prüfung seines Asylantrags zuständig sei. Art. 6 Satz 1 Dublin II-VO sei vorliegend nicht anwendbar, weil gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats von der Situation auszugehen sei, die zu dem Zeitpunkt gegeben sei, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stelle. Als der Kläger in Belgien seinen Asylantrag gestellt habe, sei der in der Bundesrepublik Deutschland lebende Bruder jedoch noch nicht zu seinem Vormund bestellt und damit kein Familienangehöriger im Sinne des Art. 6 Satz 1 Dublin II-VO gewesen. Daher sei nach Art. 6 Satz 2 Dublin II-VO der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt habe. Auch Art. 7 Dublin II-VO, der ebenfalls auf „Familienangehörige“ abstelle, sei daher nicht einschlägig. Der angefochtene Bescheid sei jedoch rechtswidrig, weil die Beklagte von dem in ihrem Ermessen stehenden Selbsteintrittsrecht fehlerhaft Gebrauch gemacht habe. Die Dublin II-VO sehe keine abschließende Festlegung der Zuständigkeit vor, sondern ermögliche trotz der nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln der Art. 6 - 14 gegebenen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats in Art. 3 Abs. 2 und Art. 15 jedem Mitgliedstaat die Übernahme der Zuständigkeit durch Ausübung des Selbsteintrittsrechts. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO könne jeder Mitgliedstaat abweichend von der in Art. 3 Abs. 1 enthaltenen Grundregelung einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig wäre. Zwar richte sich Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung nach seinem Wortlaut an die Mitgliedstaaten. Der Kläger könne sich aber gleichwohl hierauf berufen, da die Regelung nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden sei, sondern den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht verleihe. Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Verordnung sähen vor, dass die Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen, dem Antragsteller mitzuteilen und zu begründen sei. Somit sei auch die Ermessensentscheidung zur Nichtausübung des Selbsteintrittsrechts zu begründen. Als Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung sei mangels anderer Vorgaben deutsches Recht heranzuziehen. Daher habe die Behörde gemäß § 40 VwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Ob die Beklagte ihr Ermessen überhaupt ausgeübt habe, sei bereits zweifelhaft, da sie im Bescheid lediglich formelhaft ausgeführt habe, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die sie veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, lägen nicht vor. Der Bescheid sei aber jedenfalls ermessensfehlerhaft ergangen, weil sie den Gesichtspunkt der Familienzusammenführung bisher nicht ausreichend in ihre Erwägungen einbezogen habe. Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO, nach dessen Satz 1 jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergäben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammen führen könne, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Verordnung nicht zuständig sei, habe keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. So sei die Beklagte auf den ihr mitgeteilten Umstand, dass der im Bundesgebiet lebende Bruder des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei, zum Vormund für ihn bestellt worden sei und er sich ausweislich des Beschlusses des Familiengerichts seit längerem bemühe, den Kläger bei sich im Haushalt aufzunehmen und für diesen zu sorgen, mit keinem Wort eingegangen. Eine Auseinandersetzung mit diesen Umständen sei mit Blick auf Art. 15 Abs. 3 Dublin II-VO keineswegs entbehrlich gewesen. Danach sollten in den Fällen, in denen der Asylbewerber ein unbegleiteter Minderjähriger sei, der einen oder mehrere Familienangehörige habe, die sich in anderen Mitgliedstaaten aufhielten und ihn bei sich aufnehmen könnten, die Mitgliedstaaten nach Möglichkeit eine räumliche Annäherung dieses Minderjährigen an seinen bzw. seine Angehörigen vornehmen, es sei denn, dies liege nicht im Interesse des Minderjährigen. Da die Vormundschaft des Bruders und die enge Bindung des Klägers zu ihm bei der Entscheidung über dessen Überstellung nach Belgien völlig unberücksichtigt geblieben seien, habe die Beklagte von dem in ihrem Ermessen stehenden Selbsteintrittsrecht bisher fehlerhaft Gebrauch gemacht. Die bloße Erklärung der Beklagten im vorliegenden Prozess, den inzwischen volljährigen Kläger zurückführen zu wollen, stelle ebenfalls keine ordnungsgemäße Ermessensausübung dar. Stehe somit die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaats (Belgien) mangels ordnungsgemäßer Ermessensausübung noch nicht fest, sei auch der Anordnung der Abschiebung des Klägers nach Belgien die Grundlage entzogen. Ein Anspruch des Klägers auf eine Verpflichtung der Beklagten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und für ihn ein Asylverfahren durchzuführen, bestehe dagegen mangels einer Ermessensreduzierung auf Null nicht.

Auf den Zulassungsantrag der Beklagten vom 21.8.2012, mit dem eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob den Regelungen der Dublin II-VO drittschützender Charakter dergestalt zukomme, dass sich der einzelne Ausländer hierauf vor Gericht berufen könne, insbesondere ob mit dem Selbsteintrittsrecht der Vertragsstaaten auch ein genereller subjektiv-öffentlicher Anspruch für den einzelnen Ausländer verbunden sei, geltend gemacht wurde, hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29.4.2013 – 3 A 244/12 – die Berufung zugelassen.

Die Beklagte hat die Berufung zunächst durch Bezugnahme auf die Ausführungen in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, soweit sie für ihre Position sprechen, begründet. Im Übrigen hat sie ausgeführt, auch der Generalanwalt beim EuGH komme in seinem Schlussantrag in der Rs. C-4/11 zum Ergebnis, dass Asylbewerbern kein durchsetzbarer Anspruch gegen einen bestimmten Mitgliedstaat auf Prüfung ihres Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zustehe. Dies gelte selbst dann, wenn nicht unbekannt sein könne, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem nach der Dublin II-VO zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, der Antragsteller laufe tatsächlich Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4GrCharta ausgesetzt zu werden und unbeschadet der dann bestehenden Pflicht, im Rahmen der Anwendung von Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO die Überstellung von Asylbewerbern an diesen Mitgliedstaat auszusetzen. Dessen Position streite ebenfalls dafür, dass die Dublin II-VO generell bzw. jedenfalls Art. 3 Abs. 2 oder Art. 15 der Verordnung nicht mit einem subjektiv-öffentlichen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Selbsteintritt Deutschlands einhergingen, sich vielmehr aus der Verordnung für den einzelnen Ausländer überhaupt keine subjektiven und gerichtlich durchsetzbaren Rechte ableiten ließen. Sie, die Beklagte, vertrete die Auffassung, dass die Rechtsstellung des Einzelnen durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-VO im Einzelfall insoweit geschützt sein könne, als ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein müsse. Die in der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitsregeln seien an die Mitgliedstaaten adressiert und sähen für diese Rechte und Pflichten vor. Ein subjektives Recht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auf Übernahme der Durchführung des Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat bestehe daher grundsätzlich nicht. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens liege bislang nicht bei Deutschland, sondern bei Belgien. Einen hinreichenden Anlass für die angezeigte Ausübung des Rechts zum Selbsteintritt bestehe nicht, zumal insoweit keine Situation ersichtlich sei, die von etwaigen systemischen Mängeln des Asylverfahrens im zuständigen Staat gekennzeichnet werde. Der klägerische Einwand, dass, wenn den Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO nicht der Charakter eines subjektiv-öffentlichen Anspruchs zukomme, es an effektivem Rechtsschutz gegen fehlerhaftes Verwaltungshandeln fehle, greife zu kurz. Jedermann stehe ein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zu. Dieser Anspruch richte sich aber nur gegen Angriffe der öffentlichen Gewalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes, beziehe sich also auf die durch die nationale verfassungsgebundene deutsche öffentliche Gewalt. Vorliegend gehe es indes um eine Entscheidung zur Ausführung einer unionsrechtlichen bzw. zwischenstaatlichen Verordnung. Insoweit könnte bereits fraglich sein, ob bzw. inwieweit derlei im Rahmen der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit auf klageweise zu verfolgende und am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu bewertende Ansprüche führen könne bzw. solle, jedenfalls solange die Europäischen Gemeinschaften bzw. deren Institutionen wirksamen Schutz gewährleisteten. Unabhängig davon setzte der Anspruch effektiven Rechtsschutzes die Verletzung eigener Rechte voraus. Daher zeige sich die Herleitung eines subjektiv-öffentlichen Anspruchs mit dem Argument eines sonst fehlenden effektiven Rechtsschutzes als Zirkelschluss bzw. -begründung.

Letztlich gehe es dem Kläger um die Abwendung einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat. Zu einer etwaigen Gefährdung bzw. Rechtsgutbeeinträchtigung – im Zielstaat oder inlandsbezogen zum Beispiel mit Blick auf Art. 8 EMRK – würde es aber schon dann nicht mehr kommen können, wenn lediglich die Vollziehung der Rücküberstellung ausgesetzt würde. Deren Vollzug sei Aufgabe der Ausländerbehörde. Der insoweit sicherzustellende Rechtsschutz wäre schon im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens erreichbar und ließe sich somit auch diesem zuordnen. Eine solchermaßen differenzierende Zuordnung der unterschiedlichen Einwendungen sei der deutschen Rechtspraxis im Übrigen durchaus geläufig. Der EuGH habe mit der am 6.6.2013 getroffenen Entscheidung (Rs. C-648/11) kein subjektives Recht des Asylbewerbers in Frage gestellt, da hierüber weder zu entscheiden gewesen sei noch dieser Aspekt anderweitig Relevanz gehabt habe; es sei nämlich um die Klärung etwaiger Schadensersatzforderungen nach bereits ausgeübtem Selbsteintrittsrecht gegangen. Zu berücksichtigen bleibe, dass der EuGH in diesem Urteil zum Ergebnis gelangt sei, dass bei mehreren Asylanträgen eines unbegleiteten Minderjährigen der EU-Staat des letzten Asylantrags zuständig bzw. der zuständig sei, in dem sich der Asylbewerber aufhalte. Hieraus lasse sich für den vorliegend zu beurteilenden Einzelfall allerdings nichts entscheidend anderes herleiten, als es bislang mit der Berufung vertreten worden sei. Der EuGH habe dann - ganz unabhängig von der Frage des tatsächlichen Lebensalters des Klägers bei Antragstellung im Bundesgebiet – mit seiner Entscheidung vom 6.6.2013 klargestellt, dass auch einem Minderjährigen durch die Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin II-VO kein Anspruch verschafft werden solle, einen anderen Mitgliedstaat zur Prüfung eines Asylantrags zwingen zu können, nachdem ein Asylantrag in einem ersten Mitgliedstaat in der Sache zurückgewiesen worden sei. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.

Eine durchgreifende Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 VwGO sei schließlich auch dann nicht gegeben, wenn nach erfolglosem Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat bei der Ablehnung, ein weiteres Verfahren im Bundesgebiet durchzuführen, sowie dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht weiter auf die Regelungen des § 71a AsylVfG eingegangen werde. Denn die im Streit stehenden Regelungen seien inhaltlich und im Ergebnis auf das gleiche Ziel gerichtet. Der Feststellung über die Unzulässigkeit des Asylantrags komme auch keine erkennbare Beschwer zu, die über diejenige einer Ablehnung im Sinne des § 71a AsylVfG hinausgehe, ein weiteres Asylverfahren im Bundesgebiet durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG nicht erfüllt seien. Mit der Einstufung als unzulässig seien insbesondere keine erstmaligen verfahrensrechtlichen Einschränkungen verbunden, wie sie die erfolglose Durchführung eines ersten Asylverfahrens auslöse. Denn diese Folge resultiere schon aufgrund eines in einem anderen Mitgliedstaat erfolglos durchgeführten Asylverfahrens. Für den Erlass einer Abschiebungsanordnung verweise § 71a Abs. 4 AsylVfG mit der entsprechenden Anwendung unter anderem der §§ 34-36 – d.h. auch des § 34a AsylVfG – ohnedies auf dieselbe in Anspruch zu nehmende Rechtsgrundlage.

Befragungen des Klägers zur Feststellung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaates stellten noch keinen Eintritt in das inhaltliche Prüfverfahren bzw. keine (faktische) Verfahrensübernahme dar, und zwar auch dann nicht, wenn der Asylsuchende (vorsorglich bereits) zu seinem etwaigen Asylbegehren befragt werde. Eine Befragung gehöre gemäß § 24 Abs. 1 AsylVfG zu den grundsätzlichen Pflichten der Beklagten nach Stellung eines Asylantrags – unabhängig von den erst noch festzustellenden Zuständigkeiten. Die Fristbestimmungen der Dublin II-VO seien nicht mit subjektiven Rechten des Ausländers verbunden. Im Übrigen habe Belgien gemäß Art. 16 Abs. 1e Dublin II-VO dem Ersuchen der Beklagten auf Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt. Für das Wiederaufnahmeverfahren bestünden gemäß Art. 20 Dublin II-VO für das Übernahmeersuchen keinerlei Fristvorgaben.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 20.7.2012 – 6 K 457/11 – die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor: Zu den Konsequenzen der - mit der Verneinung eines subjektiven Rechts verbundenen - Annahme, dass sich Betroffene auf die Rechtmäßigkeit des Behördenhandelns verlassen können sollten, ohne die Möglichkeit zu haben, fehlerhaftes Verwaltungshandeln zu rügen, werde auf ein aktuelles Überstellungsverfahren der Beklagten (Az: 5548 725-160 2) verwiesen. Würde man den Betroffenen ein subjektives Recht auf Überprüfung der Entscheidung der Beklagten und gegebenenfalls Gebrauchmachen vom Selbsteintrittsrecht absprechen, wären sie gegenüber evidenten, geradezu eklatanten Rechtsverstößen schutzlos gestellt. Der Generalanwalt habe in Rz. 47 seiner Schlussanträge vom 18.4.2013 (C-4/11) ausgeführt, dass er nur die Vorlagefrage unter den Gesichtspunkten untersucht habe, die für die Entscheidung des EuGH in Sachen N.S. maßgeblich gewesen seien. Um ein „Forum Shopping“ zu vermeiden, solle die Dublin II-VO dessen Meinung nach nur in außergewöhnlichen Situationen keine Anwendung finden. In der Entscheidung vom 6.6.2013 – Rs. C-648/11 - habe der EuGH zur Frage der Zulässigkeit einer Überstellung von Minderjährigen Stellung genommen. An keiner Stelle seiner Entscheidung habe er bezweifelt, dass die Betroffenen ein subjektives Recht auf Beachtung der Vorgaben der Dublin II-VO hätten und gerichtlich geltend machen könnten. Nach Ansicht des Klägers spreche deshalb alles dafür, dass der EuGH den Regelungen der Dublin II-VO auch individualschützende Wirkung beimesse. Wie sich Art. 8 VO 604/2013/EU (Dublin III-VO), wonach nunmehr ausdrücklich auch der Aufenthalt von Geschwistern eines unbegleiteten Minderjährigen im Bundesgebiet Zuständigkeit begründende Wirkung für die Durchführung des Asylverfahrens des Minderjährigen in Deutschland habe, entnehmen lasse, sei das europarechtliche Familienverständnis weit zu interpretieren und umfasse auch Geschwister. Daher sei die Tatsache, dass sich der Bruder des Klägers schon zum Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung des Klägers in Belgien im Bundesgebiet aufgehalten habe, bei der Prüfung eines Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO angemessen zu berücksichtigen. Im Übrigen habe die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht bereits konkludent durch seine - des Klägers - Anhörung zu seinen Verfolgungsgründen ausgeübt. Aufgrund von EURODAC-Treffern sei der Beklagten bekannt gewesen, dass er sich zuvor bereits in Belgien, Schweden und Finnland aufgehalten habe. Nachdem er u.a. zu seinem Aufenthalt in Belgien, Finnland und Schweden befragt worden sei, sei ihm bei seiner Anhörung erklärt worden, dass er nun zu seinem Verfolgungsschicksal und den Gründen für seinen Asylantrag angehört werde. Am Ende der Anhörung sei mitgeteilt worden, dass geprüft werde, ob er nach Belgien zurückkehren müsse, worauf er erklärt habe, dass er wiederkommen werde, wenn er nach Belgien abgeschoben werde. Ihn zu seinen Verfolgungsgründen anzuhören, habe in diesem Verfahrensstadium außer zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts keine Veranlassung bestanden. Für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts spreche ferner der Umstand, dass die Beklagte erst am 4.2.2011, also knapp ein Jahr nach der Anhörung, ein Übernahmeersuchen an die belgischen Behörden gerichtet habe. Bei einer Gesamtschau könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Anhörung zu den Verfolgungsgründen lediglich informatorischen Charakter gehabt habe. Ferner sei die Beklagte nach Art. 17 Abs. 1 Unterabschnitt 2 Dublin II-VO zuständig geworden, da sie die Dreimonatsfrist des Art. 17 Abs. 1 Unterabschnitt 1 Dublin II-VO nicht eingehalten habe. Zwischen Asylantragstellung in Deutschland und dem Übernahmegesuch hätten 11 Monate gelegen. Dies sei mit dem Grundgedanken der Dublin II-VO nicht zu vereinbaren.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 29.4.2011 im Ergebnis zu Recht aufgehoben, denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dies gilt zunächst für die in Nr. 1 des angegriffenen Bescheides getroffene, auf § 27a AsylVfG gestützte Feststellung der Beklagten, dass der - am 17.3.2010 in Deutschland gestellte - Asylantrag des Klägers unzulässig sei. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG sind vorliegend indes nicht erfüllt, da die Beklagte selbst insoweit zuständig (geworden) ist. Die Bestimmung der Zuständigkeit für die Prüfung des - erneuten - Asylbegehrens des Klägers richtet sich nach der Verordnung Nr. 343/2003/EG des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO)(Die am 19.7.2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin III-VO), findet nach ihrem Art. 49 Abs. 2 erst auf ab 1.1.2014 gestellte Asylanträge Anwendung.); als irakischer Staatsangehöriger ist der Kläger Drittstaatsangehöriger im Sinne der Verordnung. Nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO finden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats in der in Kapitel III genannten Rangfolge Anwendung. Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung wird bei der Bestimmung des nach den in Art. 6 bis 14 der Verordnung festgesetzten Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger bei Stellung seines – weiteren – Asylantrags in Deutschland noch minderjährig war. Zwar hatte er in Belgien, das er im Jahr 2008 als ersten Mitgliedstaat der EU betreten hatte, bei seiner Asylantragstellung als Geburtsjahr 1989 angegeben. Der Kläger hatte jedoch bei seiner Anhörung in Deutschland, bei der er vom Entscheider darauf angesprochen worden war, dass er einen „deutlich älteren Eindruck als das Geburtsjahr“ mache, diesen Eindruck mit seiner Größe und „sehr vielen Haaren“, weshalb er immer älter geschätzt werde, offensichtlich plausibel begründet, denn die Beklagte hat in der Folge – von einem erst in einem Schriftsatz im Berufungsverfahren enthaltenen, nur auf eben diese Anhörung hinweisenden Nebensatz („ganz unabhängig von der Frage des tatsächlichen Lebensalters des Klägers bei Antragstellung im Bundesgebiet“) abgesehen - die Richtigkeit seiner hier gemachten Angabe, er sei 1993 geboren, nicht mehr angezweifelt. Die Richtigkeit dieser Angabe wird auch durch die Tatsache, dass das Amtsgericht A-Stadt zunächst das Kreisjugendamt, das offensichtlich zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Minderjährigkeit seines Mündels hatte, und auf dessen Hinwirken am 12.1.2011 den in Neu-B-Stadt wohnenden Bruder des Klägers zu seinem Vormund bestellt hat, bestätigt.

Art. 6 Dublin II-VO, der sich mit unbegleiteten Minderjährigen befasst, enthält das erste der in Kapitel III der Verordnung festgelegten Kriterien. In diesem Artikel finden sich, wie der Generalanwalt in der Rechtssache C-648/11 in seinen Schlussanträgen(EuGH, Schlussanträge vom 21.2.2013 – C-648/11 -, RN 58,  juris) zu Recht ausgeführt hat, die einzigen Kriterien, die auf die Bestimmung des Mitgliedstaats anwendbar sind, der für die Prüfung eines von einem unbegleiteten Minderjährigen eingereichten Antrags zuständig ist; er stellt damit eine Art „speziellen Kodex“ für unbegleitete Minderjährige dar, in dem die Antworten auf alle Situationen, in denen sie sich befinden können, enthalten sein müssen.

Nach Art. 6 Abs. 1 Dublin II-VO ist, wenn es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Diese Vorschrift ist im Falle des unbegleiteten minderjährigen Klägers allerdings nicht einschlägig, da sein in Deutschland lebender Bruder im nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO maßgeblichen Zeitpunkt nicht Angehöriger im Sinne von Art. 2 lit. i iii Dublin II-VO war.

Vorliegend findet indes Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist, wenn kein Familienangehöriger anwesend ist, der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige „seinen Asylantrag gestellt“ hat, zuständig. Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung in der Rs. C-648/11(EuGH, Urteil vom 6.6.2013 – C-648/11 –, juris), in der es um die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für von unbegleiteten Minderjährigen in mehr als einem Mitgliedstaat gestellte Asylanträge ging, wobei allerdings über die zuerst gestellten Anträge noch nicht entschieden war, eingehend mit der Auslegung dieser Bestimmung befasst. Er hat insoweit ausgeführt, dass sich anhand des Wortlauts der Bestimmung nicht feststellen lasse, ob der fragliche Asylantrag der erste Asylantrag sei, den der betroffene Minderjährige in einem Mitgliedstaat gestellt habe, oder derjenige, den er zuletzt in einem anderen Mitgliedstaat gestellt habe. Er hat insofern hervorgehoben, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen seien, die mit der Regelung, zu der sie gehöre, verfolgt würden. Zum Zusammenhang von Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO hat der EuGH zum einen festgestellt, dass der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung gebrauchte Ausdruck „seinen Antrag zum ersten Mal … stellt“ in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung nicht wiederholt worden ist. Zum andern beziehe sich die letztgenannte Vorschrift auf den Mitgliedstaat, „in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat“, während Art. 13 der Verordnung ausdrücklich darauf hinweise, dass „der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig“ sei. Daraus schließt der EuGH, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er beabsichtigt hätte, in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung „dem ersten Mitgliedstaat“ die Zuständigkeit zuzuweisen, dies mit demselben Wortlaut wie in Art. 13 der Verordnung getan hätte. Daher könne der Ausdruck „der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat“ nicht als „der erste Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat“ verstanden werden. Zudem seien bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung auch sein Ziel, unbegleiteten Minderjährigen eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und das Hauptziel dieser Verordnung zu berücksichtigen, das nach den Erwägungsgründen 3 und 4 darin bestehe, einen effektiven Zugang zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers zu gewährleisten. Da unbegleitete Minderjährige aber eine Kategorie besonders gefährdeter Personen bildeten, sei es wichtig, dass sich das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nicht länger als unbedingt nötig hinziehe, was bedeute, dass unbegleitete Minderjährige grundsätzlich nicht in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen seien. Diese Erwägungen würden auch durch die aus dem 15. Erwägungsgrund ersichtlichen Erfordernisse bestätigt, nämlich insbesondere das in Art. 24 Abs. 2 derGrCharta verankerte Grundrecht, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein müsse. Daher habe, obwohl das Interesse des Minderjährigen nur in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung ausdrücklich erwähnt werde, Art. 24 Abs. 2 derGrCharta in Verbindung mit ihrem Art. 51 Abs. 1 zur Folge, dass bei jeder Entscheidung, die die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung erließen, das Wohl des Kindes ebenfalls eine vorrangige Erwägung sein müsse. Dies erfordere es grundsätzlich, Art. 6 Abs. 2 der Verordnung so auszulegen, dass er denjenigen Mitgliedstaat als zuständigen Staat bestimme, in dem sich der Minderjährige aufhalte, nachdem er dort einen Asylantrag gestellt habe. Im Interesse unbegleiteter Minderjähriger sei es wichtig, dass sich das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats nicht unsachgemäß in die Länge ziehe, sondern ihnen gemäß dem 4. Erwägungsgrund ein rascher Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft gewährleiste.

Der EuGH hat in der genannten Entscheidung auch die Fälle in den Blick genommen, in denen der Asylantrag eines unbegleiteten Minderjährigen schon im ersten Mitgliedstaat in der Sache zurückgewiesen wurde. Hierzu hat er ausgeführt, dass mit der von ihm vorgenommenen Auslegung des Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO keineswegs zugelassen werde, dass ein solcher unbegleiteter Minderjähriger nach der Zurückweisung seines Asylantrags anschließend einen anderen Mitgliedstaat zur Prüfung eines – weiteren - Asylantrags zwingen könnte. Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG („Verfahrens-RL“) hätten die Mitgliedstaaten „zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Asylantrag nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nicht geprüft wird“, die Mitgliedstaaten die Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers nämlich nicht zu prüfen, wenn ein Antrag insbesondere deshalb als unzulässig betrachtet werde, weil der Asylbewerber nach einer gegen ihn ergangenen rechtskräftigen Entscheidung einen „identischen Antrag“ gestellt habe.

Aus diesen Ausführungen des EuGH in Verbindung mit den Darlegungen zu Art. 25 Abs. 1 und 2 f der Verfahrens-RL ergibt sich zunächst, dass - jedenfalls - ein weiterer „nicht identischer“ Asylantrag – trotz der Ablehnung des früher gestellten Asylantrags – ebenfalls Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO unterfällt. Dies überzeugt in der Sache schon deshalb, weil die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nicht von Zufälligkeiten wie der Größe des zeitlichen Abstands zwischen den Antragstellungen und der von der erstbefassten Behörde im Einzelfall für die Entscheidung benötigten Zeit abhängen kann; zudem liegt es wie bei einem ersten Asylantrag im vorrangig zu wahrenden Interesse eines unbegleiteten Minderjährigen, dass sich auch hier das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nicht unsachgemäß in die Länge zieht und sein weiterer „nicht identischer“ Asylantrag möglichst rasch einer inhaltlichen Prüfung zugeführt wird. Die Interessenlage des besonders schutzbedürftigen unbegleiteten Minderjährigen entspricht auch nach einer Ablehnung des früher gestellten Asylantrags durch einen anderen Mitgliedstaat in diesen Fällen der von Minderjährigen, deren früherer Antrag noch nicht entschieden wurde. Wie der Generalanwalt in der Rechtssache C-648/11 – fallbezogen hinsichtlich der Letztgenannten - in seinen Schlussanträgen eingehend und überzeugend begründet hat, dürfen „diesen Asylbewerbern aus zeitlichen Gründen und unter Berücksichtigung der besten Behandlung, die Minderjährigen gewährt werden muss, keine Ortswechsel zugemutet werden (…), die nicht unvermeidlich sind“; dabei begegne die durch diese Auslegung eventuell entstehende Gefahr einer Art von „forum shopping“ der hinreichenden Rechtfertigung, dass dem Interesse des Minderjährigen, dem nach Art. 24 Abs. 2 derGrCharta „vorrangige Erwägung“ zukommen müsse, nur auf diese Art und Weise gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden könne.(EuGH, Schlussanträge vom 21.2.2013 – C-648/11 -, RN 73 ff.,  juris)

Nichts anderes kann unter Berücksichtigung der Interessenlage der minderjährigen Antragsteller für „identische Asylanträge“ im Sinne des Art. 24 derGrCharta hinsichtlich der Bestimmung des für deren Behandlung zuständigen Mitgliedstaats gelten. Insbesondere können die Ausführungen des EuGH in der vorgenannten Entscheidung zu Art. 25 Abs. 1 der Verfahrens-RL nach Überzeugung des Senats nicht als Hinweis auf eine diesbezügliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO verstanden werden.(So aber VG Aachen, Beschluss vom 3.4.2014 – 7 L 165/14.A -, juris; VG München, Beschluss vom 23.4.2014 – M 21 S 14.30537 -, juris) Dies ergibt sich schon daraus, dass die Bestimmung der Zuständigkeit sich ausschließlich nach der gemäß ihrem Art. 29 in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Dublin II-VO, die das Dubliner Übereinkommen ersetzt hat (Art. 24 Abs. 1 Dublin II-VO), richtet(Vgl. Hailbronner, AuslR, § 27a AsylVfG, 2010, RN 4 ff.) und die an die Mitgliedstaaten gerichtete Verfahrens-RL (vgl. Art. 46), die im Rang unter der Verordnung steht, schon von daher keinen Einfluss auf die Zuständigkeitsbestimmung haben kann. Art. 25 Verfahrens-RL räumt den Mitgliedstaaten folglich nur bei der Ausgestaltung ihres Asylverfahrens unter Wahrung der durch die unmittelbar anwendbare Dublin II-VO vorzunehmenden Zuständigkeitsbestimmung zusätzlich u.a. die Befugnis ein, einen Antrag auf internationalen Schutz nach vorausgegangener rechtskräftiger Entscheidung über einen identischen Antrag als unzulässig zu behandeln. Insofern kann, wie der EuGH ausgeführt hat, kein unbegleiteter Minderjähriger einen (zuständigen) Mitgliedstaat zwingen, seinen erneuten identischen Asylantrag in der Sache zu prüfen.

Hiervon ausgehend ist daher festzustellen, dass Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO Deutschland zum zuständigen Mitgliedstaat bestimmt, in dem sich der – damals noch minderjährige unbegleitete - Kläger aufhält, seitdem er hier am 17.3.2010 einen Asylantrag gestellt hat.

Dass sich Belgien auf die Anfrage der Beklagten am 16.2.2011 mit der Wiederaufnahme des Klägers einverstanden erklärt hat, hat nicht zu einem Zuständigkeitsübergang auf diesen anderen Mitgliedstaat geführt.

Die Dublin II-VO, deren allgemeine Zuständigkeitskriterien jedenfalls zum überwiegenden Teil ein „Verursacherprinzip“ widerspiegeln und daran anknüpfen, welcher Mitgliedstaat der Antragstellung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gewissermaßen am Nächsten steht und welchem Staat die Antragstellung billigerweise zugerechnet werden soll,(GK-AsylVfG, § 27a, RN 64 zu Dublin III-VO) enthält über die grundlegenden Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates in Kapitel III hinaus zwar weitere Regelungen etwa in Kapitel V, das sich mit der Abwicklung von Aufnahme und Wiederaufnahme befasst. So enthalten sowohl Art. 19 Abs. 4 als auch Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO Regelungen, die für den Fall nicht fristgerechter Überstellung eines Asylbewerbers im Rahmen eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens einen Übergang der Zuständigkeit vom ersuchten auf den ersuchenden Mitgliedstaat vorsehen und damit der „zeitnahen Abwicklung des zuvor gefundenen Konsenses“ dienen(GK-AsylVfG, § 27a, RN 171 zu Dublin III-VO). Dafür, dass die Zuständigkeit auf einen ersuchten unzuständigen Mitgliedstaat durch die bloße Annahme des Wiederaufnahmegesuchs überginge, lässt sich der Dublin II-VO indes nichts entnehmen.

Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs der Beklagten durch Belgien kann auch nicht in eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch diesen Mitgliedstaat gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO umgedeutet werden.(Vgl. zu einer entsprechenden Umdeutung VG Mainz, Beschluss vom 16.4.2004 – 7 L 312/04.Mz -, juris; GK-AsylVfG, § 27a, RN 174 zu Dublin III-VO) Dabei kann dahinstehen, ob das in das Ermessen des Mitgliedstaats gestellte Selbsteintrittsrecht an keinerlei tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft ist(GK-AsylVfG, § 27a, RN 174 zu Dublin III-VO) oder – woran es vorliegend fehlte - voraussetzt, dass der zu prüfende Asylantrag bei dem eintretenden Mitgliedstaat selbst gestellt wird(Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 27a, RN 57: territorialer Kontakt zum Mitgliedstaat erforderlich). Abgesehen davon, dass beide Staaten zweifellos von der Einleitung des Wiederaufnahme-Vorgangs Abstand genommen hätten, wenn sie die originäre Zuständigkeit der Beklagten erkannt hätten, scheidet eine Umdeutung der von Belgien erteilten Zustimmung in eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts aber auch deshalb aus, weil darin eine Missachtung des gerade mit den Regelungen des Art. 6 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 3 Dublin II-VO verfolgten Interesses des unbegleiteten Minderjährigen und ein Verstoß gegen das insbesondere durch Art. 24 Abs. 2GrCharta geschützte Kindeswohl gelegen hätte. Denn der Kläger hielt sich zu diesem Zeitpunkt nicht nur schon länger als 11 Monate in Deutschland auf, sondern er hatte auch regelmäßig Kontakt mit seinem zwischenzeitlich hier aufenthaltsberechtigten und zu seinem Vormund bestellten Bruder, der ihn in den eigenen Haushalt aufnehmen wollte.

Somit ist festzustellen, dass die Beklagte für die Prüfung des weiteren Asylantrags des Klägers zuständig und der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines feststellenden Teils, des Grundverwaltungsakts, rechtswidrig ist.

Gleiches gilt auch hinsichtlich der in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids enthaltenen, einen belastenden Verwaltungsakt darstellenden Abschiebungsanordnung nach Belgien Da Belgien für die Durchführung des Asylverfahrens hinsichtlich des in Deutschland gestellten weiteren Asylantrags des minderjährigen, unbegleiteten Klägers nicht zuständig war, durfte dessen Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in diesen Staat nicht angeordnet werden.

Durch die beiden angefochtenen rechtswidrigen Entscheidungen ist der Kläger auch in seinen ihm als unbegleitetem Minderjährigen zustehenden subjektiven Rechten aus Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO, Art. 24 Abs. 2GrCharta verletzt worden.

Die Berufung der Beklagten ist daher unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Gründe

Die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassene und auch ansonsten zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 29.4.2011 im Ergebnis zu Recht aufgehoben, denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dies gilt zunächst für die in Nr. 1 des angegriffenen Bescheides getroffene, auf § 27a AsylVfG gestützte Feststellung der Beklagten, dass der - am 17.3.2010 in Deutschland gestellte - Asylantrag des Klägers unzulässig sei. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG sind vorliegend indes nicht erfüllt, da die Beklagte selbst insoweit zuständig (geworden) ist. Die Bestimmung der Zuständigkeit für die Prüfung des - erneuten - Asylbegehrens des Klägers richtet sich nach der Verordnung Nr. 343/2003/EG des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO)(Die am 19.7.2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin III-VO), findet nach ihrem Art. 49 Abs. 2 erst auf ab 1.1.2014 gestellte Asylanträge Anwendung.); als irakischer Staatsangehöriger ist der Kläger Drittstaatsangehöriger im Sinne der Verordnung. Nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO finden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats in der in Kapitel III genannten Rangfolge Anwendung. Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung wird bei der Bestimmung des nach den in Art. 6 bis 14 der Verordnung festgesetzten Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger bei Stellung seines – weiteren – Asylantrags in Deutschland noch minderjährig war. Zwar hatte er in Belgien, das er im Jahr 2008 als ersten Mitgliedstaat der EU betreten hatte, bei seiner Asylantragstellung als Geburtsjahr 1989 angegeben. Der Kläger hatte jedoch bei seiner Anhörung in Deutschland, bei der er vom Entscheider darauf angesprochen worden war, dass er einen „deutlich älteren Eindruck als das Geburtsjahr“ mache, diesen Eindruck mit seiner Größe und „sehr vielen Haaren“, weshalb er immer älter geschätzt werde, offensichtlich plausibel begründet, denn die Beklagte hat in der Folge – von einem erst in einem Schriftsatz im Berufungsverfahren enthaltenen, nur auf eben diese Anhörung hinweisenden Nebensatz („ganz unabhängig von der Frage des tatsächlichen Lebensalters des Klägers bei Antragstellung im Bundesgebiet“) abgesehen - die Richtigkeit seiner hier gemachten Angabe, er sei 1993 geboren, nicht mehr angezweifelt. Die Richtigkeit dieser Angabe wird auch durch die Tatsache, dass das Amtsgericht A-Stadt zunächst das Kreisjugendamt, das offensichtlich zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Minderjährigkeit seines Mündels hatte, und auf dessen Hinwirken am 12.1.2011 den in Neu-B-Stadt wohnenden Bruder des Klägers zu seinem Vormund bestellt hat, bestätigt.

Art. 6 Dublin II-VO, der sich mit unbegleiteten Minderjährigen befasst, enthält das erste der in Kapitel III der Verordnung festgelegten Kriterien. In diesem Artikel finden sich, wie der Generalanwalt in der Rechtssache C-648/11 in seinen Schlussanträgen(EuGH, Schlussanträge vom 21.2.2013 – C-648/11 -, RN 58,  juris) zu Recht ausgeführt hat, die einzigen Kriterien, die auf die Bestimmung des Mitgliedstaats anwendbar sind, der für die Prüfung eines von einem unbegleiteten Minderjährigen eingereichten Antrags zuständig ist; er stellt damit eine Art „speziellen Kodex“ für unbegleitete Minderjährige dar, in dem die Antworten auf alle Situationen, in denen sie sich befinden können, enthalten sein müssen.

Nach Art. 6 Abs. 1 Dublin II-VO ist, wenn es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Diese Vorschrift ist im Falle des unbegleiteten minderjährigen Klägers allerdings nicht einschlägig, da sein in Deutschland lebender Bruder im nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO maßgeblichen Zeitpunkt nicht Angehöriger im Sinne von Art. 2 lit. i iii Dublin II-VO war.

Vorliegend findet indes Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist, wenn kein Familienangehöriger anwesend ist, der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige „seinen Asylantrag gestellt“ hat, zuständig. Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung in der Rs. C-648/11(EuGH, Urteil vom 6.6.2013 – C-648/11 –, juris), in der es um die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für von unbegleiteten Minderjährigen in mehr als einem Mitgliedstaat gestellte Asylanträge ging, wobei allerdings über die zuerst gestellten Anträge noch nicht entschieden war, eingehend mit der Auslegung dieser Bestimmung befasst. Er hat insoweit ausgeführt, dass sich anhand des Wortlauts der Bestimmung nicht feststellen lasse, ob der fragliche Asylantrag der erste Asylantrag sei, den der betroffene Minderjährige in einem Mitgliedstaat gestellt habe, oder derjenige, den er zuletzt in einem anderen Mitgliedstaat gestellt habe. Er hat insofern hervorgehoben, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen seien, die mit der Regelung, zu der sie gehöre, verfolgt würden. Zum Zusammenhang von Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO hat der EuGH zum einen festgestellt, dass der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung gebrauchte Ausdruck „seinen Antrag zum ersten Mal … stellt“ in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung nicht wiederholt worden ist. Zum andern beziehe sich die letztgenannte Vorschrift auf den Mitgliedstaat, „in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat“, während Art. 13 der Verordnung ausdrücklich darauf hinweise, dass „der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig“ sei. Daraus schließt der EuGH, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er beabsichtigt hätte, in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung „dem ersten Mitgliedstaat“ die Zuständigkeit zuzuweisen, dies mit demselben Wortlaut wie in Art. 13 der Verordnung getan hätte. Daher könne der Ausdruck „der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat“ nicht als „der erste Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat“ verstanden werden. Zudem seien bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung auch sein Ziel, unbegleiteten Minderjährigen eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und das Hauptziel dieser Verordnung zu berücksichtigen, das nach den Erwägungsgründen 3 und 4 darin bestehe, einen effektiven Zugang zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers zu gewährleisten. Da unbegleitete Minderjährige aber eine Kategorie besonders gefährdeter Personen bildeten, sei es wichtig, dass sich das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nicht länger als unbedingt nötig hinziehe, was bedeute, dass unbegleitete Minderjährige grundsätzlich nicht in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen seien. Diese Erwägungen würden auch durch die aus dem 15. Erwägungsgrund ersichtlichen Erfordernisse bestätigt, nämlich insbesondere das in Art. 24 Abs. 2 derGrCharta verankerte Grundrecht, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein müsse. Daher habe, obwohl das Interesse des Minderjährigen nur in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung ausdrücklich erwähnt werde, Art. 24 Abs. 2 derGrCharta in Verbindung mit ihrem Art. 51 Abs. 1 zur Folge, dass bei jeder Entscheidung, die die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung erließen, das Wohl des Kindes ebenfalls eine vorrangige Erwägung sein müsse. Dies erfordere es grundsätzlich, Art. 6 Abs. 2 der Verordnung so auszulegen, dass er denjenigen Mitgliedstaat als zuständigen Staat bestimme, in dem sich der Minderjährige aufhalte, nachdem er dort einen Asylantrag gestellt habe. Im Interesse unbegleiteter Minderjähriger sei es wichtig, dass sich das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats nicht unsachgemäß in die Länge ziehe, sondern ihnen gemäß dem 4. Erwägungsgrund ein rascher Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft gewährleiste.

Der EuGH hat in der genannten Entscheidung auch die Fälle in den Blick genommen, in denen der Asylantrag eines unbegleiteten Minderjährigen schon im ersten Mitgliedstaat in der Sache zurückgewiesen wurde. Hierzu hat er ausgeführt, dass mit der von ihm vorgenommenen Auslegung des Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO keineswegs zugelassen werde, dass ein solcher unbegleiteter Minderjähriger nach der Zurückweisung seines Asylantrags anschließend einen anderen Mitgliedstaat zur Prüfung eines – weiteren - Asylantrags zwingen könnte. Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG („Verfahrens-RL“) hätten die Mitgliedstaaten „zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Asylantrag nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 nicht geprüft wird“, die Mitgliedstaaten die Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers nämlich nicht zu prüfen, wenn ein Antrag insbesondere deshalb als unzulässig betrachtet werde, weil der Asylbewerber nach einer gegen ihn ergangenen rechtskräftigen Entscheidung einen „identischen Antrag“ gestellt habe.

Aus diesen Ausführungen des EuGH in Verbindung mit den Darlegungen zu Art. 25 Abs. 1 und 2 f der Verfahrens-RL ergibt sich zunächst, dass - jedenfalls - ein weiterer „nicht identischer“ Asylantrag – trotz der Ablehnung des früher gestellten Asylantrags – ebenfalls Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO unterfällt. Dies überzeugt in der Sache schon deshalb, weil die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nicht von Zufälligkeiten wie der Größe des zeitlichen Abstands zwischen den Antragstellungen und der von der erstbefassten Behörde im Einzelfall für die Entscheidung benötigten Zeit abhängen kann; zudem liegt es wie bei einem ersten Asylantrag im vorrangig zu wahrenden Interesse eines unbegleiteten Minderjährigen, dass sich auch hier das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nicht unsachgemäß in die Länge zieht und sein weiterer „nicht identischer“ Asylantrag möglichst rasch einer inhaltlichen Prüfung zugeführt wird. Die Interessenlage des besonders schutzbedürftigen unbegleiteten Minderjährigen entspricht auch nach einer Ablehnung des früher gestellten Asylantrags durch einen anderen Mitgliedstaat in diesen Fällen der von Minderjährigen, deren früherer Antrag noch nicht entschieden wurde. Wie der Generalanwalt in der Rechtssache C-648/11 – fallbezogen hinsichtlich der Letztgenannten - in seinen Schlussanträgen eingehend und überzeugend begründet hat, dürfen „diesen Asylbewerbern aus zeitlichen Gründen und unter Berücksichtigung der besten Behandlung, die Minderjährigen gewährt werden muss, keine Ortswechsel zugemutet werden (…), die nicht unvermeidlich sind“; dabei begegne die durch diese Auslegung eventuell entstehende Gefahr einer Art von „forum shopping“ der hinreichenden Rechtfertigung, dass dem Interesse des Minderjährigen, dem nach Art. 24 Abs. 2 derGrCharta „vorrangige Erwägung“ zukommen müsse, nur auf diese Art und Weise gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden könne.(EuGH, Schlussanträge vom 21.2.2013 – C-648/11 -, RN 73 ff.,  juris)

Nichts anderes kann unter Berücksichtigung der Interessenlage der minderjährigen Antragsteller für „identische Asylanträge“ im Sinne des Art. 24 derGrCharta hinsichtlich der Bestimmung des für deren Behandlung zuständigen Mitgliedstaats gelten. Insbesondere können die Ausführungen des EuGH in der vorgenannten Entscheidung zu Art. 25 Abs. 1 der Verfahrens-RL nach Überzeugung des Senats nicht als Hinweis auf eine diesbezügliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO verstanden werden.(So aber VG Aachen, Beschluss vom 3.4.2014 – 7 L 165/14.A -, juris; VG München, Beschluss vom 23.4.2014 – M 21 S 14.30537 -, juris) Dies ergibt sich schon daraus, dass die Bestimmung der Zuständigkeit sich ausschließlich nach der gemäß ihrem Art. 29 in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Dublin II-VO, die das Dubliner Übereinkommen ersetzt hat (Art. 24 Abs. 1 Dublin II-VO), richtet(Vgl. Hailbronner, AuslR, § 27a AsylVfG, 2010, RN 4 ff.) und die an die Mitgliedstaaten gerichtete Verfahrens-RL (vgl. Art. 46), die im Rang unter der Verordnung steht, schon von daher keinen Einfluss auf die Zuständigkeitsbestimmung haben kann. Art. 25 Verfahrens-RL räumt den Mitgliedstaaten folglich nur bei der Ausgestaltung ihres Asylverfahrens unter Wahrung der durch die unmittelbar anwendbare Dublin II-VO vorzunehmenden Zuständigkeitsbestimmung zusätzlich u.a. die Befugnis ein, einen Antrag auf internationalen Schutz nach vorausgegangener rechtskräftiger Entscheidung über einen identischen Antrag als unzulässig zu behandeln. Insofern kann, wie der EuGH ausgeführt hat, kein unbegleiteter Minderjähriger einen (zuständigen) Mitgliedstaat zwingen, seinen erneuten identischen Asylantrag in der Sache zu prüfen.

Hiervon ausgehend ist daher festzustellen, dass Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO Deutschland zum zuständigen Mitgliedstaat bestimmt, in dem sich der – damals noch minderjährige unbegleitete - Kläger aufhält, seitdem er hier am 17.3.2010 einen Asylantrag gestellt hat.

Dass sich Belgien auf die Anfrage der Beklagten am 16.2.2011 mit der Wiederaufnahme des Klägers einverstanden erklärt hat, hat nicht zu einem Zuständigkeitsübergang auf diesen anderen Mitgliedstaat geführt.

Die Dublin II-VO, deren allgemeine Zuständigkeitskriterien jedenfalls zum überwiegenden Teil ein „Verursacherprinzip“ widerspiegeln und daran anknüpfen, welcher Mitgliedstaat der Antragstellung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gewissermaßen am Nächsten steht und welchem Staat die Antragstellung billigerweise zugerechnet werden soll,(GK-AsylVfG, § 27a, RN 64 zu Dublin III-VO) enthält über die grundlegenden Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates in Kapitel III hinaus zwar weitere Regelungen etwa in Kapitel V, das sich mit der Abwicklung von Aufnahme und Wiederaufnahme befasst. So enthalten sowohl Art. 19 Abs. 4 als auch Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO Regelungen, die für den Fall nicht fristgerechter Überstellung eines Asylbewerbers im Rahmen eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens einen Übergang der Zuständigkeit vom ersuchten auf den ersuchenden Mitgliedstaat vorsehen und damit der „zeitnahen Abwicklung des zuvor gefundenen Konsenses“ dienen(GK-AsylVfG, § 27a, RN 171 zu Dublin III-VO). Dafür, dass die Zuständigkeit auf einen ersuchten unzuständigen Mitgliedstaat durch die bloße Annahme des Wiederaufnahmegesuchs überginge, lässt sich der Dublin II-VO indes nichts entnehmen.

Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs der Beklagten durch Belgien kann auch nicht in eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch diesen Mitgliedstaat gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO umgedeutet werden.(Vgl. zu einer entsprechenden Umdeutung VG Mainz, Beschluss vom 16.4.2004 – 7 L 312/04.Mz -, juris; GK-AsylVfG, § 27a, RN 174 zu Dublin III-VO) Dabei kann dahinstehen, ob das in das Ermessen des Mitgliedstaats gestellte Selbsteintrittsrecht an keinerlei tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft ist(GK-AsylVfG, § 27a, RN 174 zu Dublin III-VO) oder – woran es vorliegend fehlte - voraussetzt, dass der zu prüfende Asylantrag bei dem eintretenden Mitgliedstaat selbst gestellt wird(Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 27a, RN 57: territorialer Kontakt zum Mitgliedstaat erforderlich). Abgesehen davon, dass beide Staaten zweifellos von der Einleitung des Wiederaufnahme-Vorgangs Abstand genommen hätten, wenn sie die originäre Zuständigkeit der Beklagten erkannt hätten, scheidet eine Umdeutung der von Belgien erteilten Zustimmung in eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts aber auch deshalb aus, weil darin eine Missachtung des gerade mit den Regelungen des Art. 6 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 3 Dublin II-VO verfolgten Interesses des unbegleiteten Minderjährigen und ein Verstoß gegen das insbesondere durch Art. 24 Abs. 2GrCharta geschützte Kindeswohl gelegen hätte. Denn der Kläger hielt sich zu diesem Zeitpunkt nicht nur schon länger als 11 Monate in Deutschland auf, sondern er hatte auch regelmäßig Kontakt mit seinem zwischenzeitlich hier aufenthaltsberechtigten und zu seinem Vormund bestellten Bruder, der ihn in den eigenen Haushalt aufnehmen wollte.

Somit ist festzustellen, dass die Beklagte für die Prüfung des weiteren Asylantrags des Klägers zuständig und der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines feststellenden Teils, des Grundverwaltungsakts, rechtswidrig ist.

Gleiches gilt auch hinsichtlich der in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids enthaltenen, einen belastenden Verwaltungsakt darstellenden Abschiebungsanordnung nach Belgien Da Belgien für die Durchführung des Asylverfahrens hinsichtlich des in Deutschland gestellten weiteren Asylantrags des minderjährigen, unbegleiteten Klägers nicht zuständig war, durfte dessen Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in diesen Staat nicht angeordnet werden.

Durch die beiden angefochtenen rechtswidrigen Entscheidungen ist der Kläger auch in seinen ihm als unbegleitetem Minderjährigen zustehenden subjektiven Rechten aus Art. 6 Abs. 2 Dublin II-VO, Art. 24 Abs. 2GrCharta verletzt worden.

Die Berufung der Beklagten ist daher unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 09. Dez. 2014 - 2 A 313/13

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 40 Ermessen


Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 09. Dez. 2014 - 2 A 313/13 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 03. Apr. 2014 - 7 L 165/14.A

bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

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Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2014 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar

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Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 7 K 421/14.A gegen den Bescheid vom 30. Januar 2014 wird abgelehnt.

     Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 7 K 421/14.A gegen den Bescheid vom 30. Januar 2014 wird abgelehnt.

     Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.