Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 20. Mai 2014 - 1 A 458/13
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 32/12 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 6.597,45 EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer behaupteten fehlerhaften ärztlichen und pflegerischen Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. März 2011, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 15. März 2011, abgewiesen. Die Klägerin hat fristgerecht Berufung gegen das Urteil eingelegt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts vom 19. Mai 2011 hat sie die Berufung mit einem am 1. Juni 2011 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Zugleich hat sie fristgerecht Wie- dereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
- 2
- Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt die Klägerin vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe sich nach dem Absenden der Berufungsschrift die Handakte vorlegen lassen. Er habe auf einem gelben Merkzettel die Berufungsbegründungsfrist sowie die dazugehörige Vorfrist mit der Bitte um sofortige Eintragung notiert. Die Handakte mit dieser Weisung habe er einer Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten übergeben. Diese sei aufgrund einer schmerzhaften Sehnenscheidenentzündung sowie eines Streits mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten nicht so konzentriert gewesen wie gewohnt. Sie müsse beim Eintragen der Frist in die Maske des computergestützten Fristenkalenders des Prozessbevollmächtigten versehentlich "Abbrechen" statt "OK" angewählt haben. Daher sei die Frist nicht in den Fristenkalender eingetragen worden. In der Handakte habe die Mitarbeiterin dennoch ihr Namenskürzel hinter die Fristen gesetzt. Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags hat die Klägerin eidesstattliche Versicherungen des Klägervertreters und seiner Mitarbeiterin vorgelegt.
- 3
- Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Fristversäumnis ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden erfolgt sei. Der Vortrag der Klägerin vermöge ein Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten nicht auszuschließen. Die Fristenkontrolle im Wege der elektronischen Datenverarbeitung verlange spezielle Kontrollmaßnahmen, die gewährleisteten, dass eine fehlerhafte Eingabe rechtzeitig erkannt werde. Die Klägerin habe derartige Maßnahmen ihres Prozessbevollmächtigten nicht dargetan. Mit solchen Maßnahmen wäre aber der Fehler seiner Mitarbeiterin aufgefallen.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch im Übrigen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, nicht erfüllt sind.
- 5
- 1. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem rechtlichen Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02, NJW 2003, 437; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 5 mwN; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, juris Rn. 6).
- 6
- 2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde entspricht die angefochtene Entscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht bei Fristsachen nicht überspannt.
- 7
- a) Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt , alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815, 1816; vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, MDR 2010, 533 f.).
- 8
- Die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten darf nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert , ist darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Denn bei der Eingabe der Datensätze bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. März 1995 - VII ZB 3/95, NJW 1995, 1756, 1757; vom 20. Februar 1997 - IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583; vom 12. Dezember 2005 - II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500 Rn. 4; vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl., § 233 Rn. 126 "EDV", "Elektronischer Kalender"; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 16d, 44; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 64; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 21; Zöller /Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Fristenbehandlung"; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 37 "Fristeneinhaltung" unter g bb).
- 9
- b) Die Anforderungen des Berufungsgerichts an die Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten stehen in Einklang mit diesen Grundsätzen. Nach den - auf den Vortrag der Klägerin gestützten - Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht davon auszugehen, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine organisatorische Anweisung bestand, Eingaben in den EDV-Kalender zu kontrollieren. Daher hat das Berufungsgericht zu Recht ein Organisationsverschulden angenommen. Dieses war auch für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlich. Hätte die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte einen Kontrollausdruck fertigen müssen, so wäre ihr nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die fehlende Fristeneintragung in den EDVKalender aufgefallen. Die Kontrolle ihres Handaktenvermerks durch den Klägervertreter war hingegen nicht geeignet, Eingabefehler oder - versäumnisse aufzudecken.
- 10
- c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann die Klägerin sich nicht damit entlasten, dass ihr Prozessbevollmächtigter der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten eine konkrete Anweisung zur Eintragung der Fristen erteilt habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es zwar für den Ausschluss des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt , die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07, juris Rn. 7; vom 13. April 2010 - VI ZB 65/08, MDR 2010, 899; vom 20. September 2011 - VI ZB 23/11, VersR 2011, 1544 Rn. 8; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036 Rn. 6; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 25; Zöller/Greger , ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Büropersonal und -organisation").
- 11
- Eine konkrete Einzelanweisung entlastet den Rechtsanwalt aber dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036 Rn. 9; MünchKommZPO /Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 75; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 43; BeckOK ZPO/Wendtland, § 233 Rn. 28 [Stand: 1. Januar 2012]). So hebt beispielsweise die Weisung, die fertiggestellte und unterschriebene Berufungsbegründungsschrift an das Gericht per Telefax zu übersenden, nicht die Notwendigkeit auf, für eine Kontrolle der Durchführung der Übermittlung zu sorgen (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2006 - VI ZB 48/05, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 12; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 15 ff.; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn. 13; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 25; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Büropersonal und - organisation"; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 34 "Büroverschulden" unter e).
- 12
- Danach sind die Anforderungen der Rechtsprechung an die Führung eines EDV-Kalenders grundsätzlich auch zu beachten, wenn gemäß einer konkreten Einzelanweisung eine Eintragung in einen EDVKalender vorzunehmen ist. Im Streitfall musste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin also auch bei der vorgetragenen Weisung, die Fristen sofort einzutragen, für eine Kontrolle der Dateneingabe in den EDVKalender sorgen. Die fehlenden Kontrollmaßnahmen, die sein Organisationsverschulden begründen, sind daher unabhängig von dem Vorliegen der vorgetragenen Einzelanweisung für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlich geworden (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, juris Rn. 9). Das Berufungsgericht hat auch insoweit keinen entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin übergangen.
- 13
- d) Die angefochtene Entscheidung weicht nicht von dem vonder Rechtsbeschwerde angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. Februar 2011 (X ZR 111/10, juris) ab. Danach soll es zwar ausreichen , dass ein Rechtsanwalt nach der Versendung der Berufungsschrift in den Handakten die Berufungsbegründungsfrist und eine Vorfrist verfügt , die Akten der zuständigen Mitarbeiterin übergibt und diese mündlich anweist, die Fristen im Fristenkalender einzutragen; dem Rechtsanwalt soll kein Verschulden zur Last fallen, wenn es dann zu einer Fristversäumung infolge des Versagens der Mitarbeiterin aufgrund einer innerlich stark belastenden Ausnahmesituation kommt (juris Rn. 6). Der Be- schluss vom 21. Februar 2011 ist jedoch nicht auf den Streitfall übertragbar , weil er sich nicht zu den anwaltlichen Organisationspflichten beim Führen eines EDV-Kalenders verhält. Auf die Anforderungen der Rechtsprechung an die Führung eines solchen Kalenders kam es dort nicht an. Die Angestellte hatte nicht einen Eingabefehler begangen, sondern, statt die Frist zu notieren, die Akte ohne weiteres in die Ablage gegeben. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
LG Osnabrück, Entscheidung vom 09.03.2011 - 2 O 120/10 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 18.07.2011 - 5 U 57/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Streitwert: 2.094,31 €
Gründe:
- 1
- I. Das Amtsgericht Schöneberg hat den Beklagten durch Urteil vom 15. März 2004, mit dem ein am 14. Januar 2004 ergangenes Versäumnisurteil aufrecht erhalten wurde, verurteilt, an die Klägerin 2.094,31 € Schadensersatz nebst Zinsen zu zahlen, weil er als Geschäftsführer der P. GmbH die Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung der bei der Klägerin krankenversicherten Arbeitnehmer der GmbH für die Monate Oktober und November 2002 nicht an die Klägerin abgeführt hatte. Gegen das ihm am 14. April 2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28. Mai 2004 Berufung eingelegt und wegen der Versäumung der Berufungsfrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten. Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Beklagte die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und seine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen.
- 2
- II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
- 3
- 1. Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob ein anwaltliches Organisationsverschulden anzunehmen ist, wenn ein Rechtsanwalt einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet und die dort vorgenommenen Eintragungen nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker kontrolliert werden, sondern durch Schließen und Wiederaufrufen des Datenverarbeitungsprogramms.
- 4
- Diese Frage hat keine Grundsatzbedeutung, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits geklärt ist. Ein anwaltliches Organisationsverschulden ist danach darin zu sehen, dass Eingaben in den EDVKalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker kontrolliert werden (Beschl. v. 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, BB 1998, 2603 m.w.Nachw.; vgl. auch BFH, Beschl. v. 6. August 2001 - II R 77/99, BFH/NV 2002, 44). Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist nach der Senatsrechtsprechung erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDVProgramms , sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand zu erkennen und zu beseitigen, zumal der Ausdruck dem Schriftstück, das dem Anwalt vorzulegen ist, beigeheftet werden kann. Dass das Vorgehen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, lediglich das Programm zu schließen und sofort wieder aufzurufen, diesen Anforderungen nicht genügt, muss danach nicht ausdrücklich ausgesprochen werden.
- 5
- 2. Entgegen der Auffassung der Beschwerde liegt auch der Zulassungsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. ZPO nicht vor. Er setzte voraus, dass der Fall Veranlassung gäbe, Leitsätze für die Gesetzesauslegung aufzuzeigen, Gesetzeslücken zu schließen, oder dass die Fortentwicklung der Rechtspraxis eine Leitentscheidung geboten erscheinen ließe. Das ist ersichtlich nicht der Fall. Die Sache gibt - anders als die Beschwerde meint - auch keinen Anlass für eine Konkretisierung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die eindeutig ist und als Kontrollergebnis stets ein Schriftstück verlangt hat, nämlich entweder einen Ausdruck der Einzelvorgänge oder die Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Februar 1997 - IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; v. 23. März 1995 - VII ZB 3/95, WM 1995, 1448, 1449).
Gehrlein Reichart
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 15.03.2004 - 6 C 483/03 -
LG Berlin, Entscheidung vom 08.10.2004 - 24 S 9/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 60.000 €
Gründe:
- 1
- I. Die beiden, von verschiedenen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beklagten wurden vom Landgericht als Gesamtschuldner zur Zahlung von 60.000 € verurteilt. Das Urteil wurde den jeweiligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24. Oktober 2011 zugestellt. Hiergegen wendeten sich die Beklagten mit ihren Berufungen, für deren Begründung der Beklagte zu 2 mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12. Dezember 2011 Fristver- längerung „um einen Monat, also bis zum 24.01.2012“ und der Beklagte zu 1 mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16. Dezember 2011 Frist- verlängerung „um einen Monat bis zum 24.01.2012“ beantragten. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden des Berufungsgerichts vom 14. Dezember 2011, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 zugestellt am 19. Dezember 2011, wurde die Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten zu 2 bis zum 24. Januar 2012 verlängert. Mit weiterer Verfügung vom 21. Dezember 2011 wurde die Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten zu 1 bis 27. Januar 2012 verlängert. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 wurde mit beglaubigter Abschrift dieser Verfügung, die bei ihm am 23. Dezember 2011 einging , davon unterrichtet. Beide Beklagte haben ihre Berufung mit am 27. Januar 2012 per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet.
- 2
- Mit Verfügung vom 3. Februar 2012 erteilte der Berichterstatter dem Beklagten zu 2 den Hinweis, dass seine Berufungsbegründung nach Ablauf der nur bis zum 24. Januar 2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Am 16. Februar 2012 hat der Beklagte zu 2 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen :
- 3
- Zunächst habe die für das Fristenwesen verantwortliche Rechtsanwaltsfachangestellte D. die bis zum 24. Januar 2012 verlängerte Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist in den elektronischen Fristenkalender eingetragen. Nach Unterrichtung über die dem Beklagten zu 1 bis zum 27. Januar 2012 verlängerte Berufungsbegründungsfrist sei die stellvertretende Fristensekretärin S. davon ausgegangen, dass es sich um eine auch für den Beklagten zu 2 verlängerte Frist gehandelt habe und habe diese Frist nebst Vorfrist auch für den Beklagten zu 2 vermerkt. Zu der gleichen Annahme sei die Fristensekretärin D. bei Überprüfung der Fristen nach ihrer Urlaubsabwesenheit am 17. Januar 2012 gekommen, als sie zum Ablauf der korrekten Vorfrist festgestellt habe, dass zwei Berufungsbegründungsfristen eingetragen gewesen seien. Sie habe sich auf die Rechtsanwaltsfachangestellte S. verlassen und ohne weitere Prüfung angenommen, dass die später endende Frist die endgültige Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten zu 2 gewesen sei, und habe die Vorfrist und die Frist vom 24. Januar 2012 im elektronischen Fris- tenkalender auf „erledigt“ gesetzt. Weshalb seinem Prozessbevollmächtigten die Akte entgegen der bestehenden allgemeinen Weisung nicht zur Vorfrist am 20. Januar 2012, sondern erst am 26. Januar 2012 vorgelegt worden sei, lasse sich nicht mehr feststellen.
- 4
- Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten zu 2 auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
- 5
- II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Sie ist aber unbegründet, weil der Beklagte zu 2 nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 7
- Der Beklagte zu 2 habe nicht glaubhaft gemacht, dass sein Prozessbevollmächtigter durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle sichergestellt habe, nach einem Fristverlängerungsantrag die verlängerte Frist nicht zu versäumen. Nach dessen Angaben werde bei Fristverlängerungsanträgen die beantragte, vorläufige Frist nicht in den Fristenkalender eingetragen. Damit fehle eine von der Rechtsprechung geforderte zusätzliche Fristsicherung. Das Versäumnis sei kausal geworden. Bei korrekter Handhabung wären bereits keine zwei verschiedenen Fristenden eingetragen worden, weil für den 27. Januar 2012 kein noch offener Fristverlängerungsantrag vermerkt gewesen wäre.
- 8
- Offen bleibe auch, welche organisatorischen Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 für den ohnehin als ungewöhnlich zu bezeichnenden und daher erhöhte Aufmerksamkeit und Sorgfalt erfordernden Fall der Feststellung der Eintragung zweier Fristen für einen Vorgang getroffen hätte und wie er für diesen Fall eine Fristenkontrolle und Fristenwahrung sichergestellt habe, die verlässlich nur durch Beiziehung der den Vorgang betreffenden Akten zu leisten sei.
- 9
- 2. Der Beklagte zu 2 hat die verlängerte Frist zur Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 2 ZPO versäumt. Die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist begann gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des Urteils des Landgerichts am 24. Oktober 2011. Ohne Verlängerung wäre die Berufungsbegründungsfrist daher gemäß § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 27. Dezember 2011, einem Dienstag, abgelaufen. Nach Verlängerung durch den Vorsitzenden gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO lief sie am 24. Januar 2012 ab. Innerhalb dieser Frist ist keine Berufungsbegründung eingegangen.
- 10
- 3. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist erforderlich, weil der angefochtene Beschluss den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch des Beklagten zu 2 auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.103 Abs. 1 GG) verletzt, soweit er auf das Fehlen einer Anweisung gestützt ist, bei Stellung eines Fristverlängerungsantrags das beantragte Fristende in den Fristenkalender einzutragen.
- 11
- Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Beantragt der Prozessbevollmächtigte eine Fristverlängerung, so muss das bean- tragte Fristende bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im Fristenkalender eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig, spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt werden kann (BGH, Beschluss vom 22. März 2011 - II ZB 19/09, NJW 2011, 1598 Rn. 12; Beschluss vom 28. Mai 2013 - VI ZB 6/13, NJW 2013, 2821 Rn. 9).
- 12
- Diesen Anforderungen entsprach die Organisation des Fristenwesens in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 nicht. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gab es in der Kanzlei keine Anweisung, das beantragte Fristende bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags in den Fristenkalender einzutragen.
- 13
- Dieses Versäumnis ist aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden (vgl. zur Kausalität BGH, Beschluss vom 22. März 2011 - II ZB 19/09, NJW 2011, 1598 Rn. 14; Beschluss vom 28. Mai 2013 - VI ZB 6/13, NJW 2013, 2821 Rn. 10). Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht die Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Beklagte zu 2 hat im Wiedereinsetzungsverfahren dargelegt, dass die Kanzleiangestellte Sch. angenommen habe, die Frist sei „ohne einen Antrag von uns“ verlängert worden, sie sei davon ausgegangen, dass die „weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist … auch uns betraf“.
- 14
- Ging die Kanzleiangestellte indes davon aus, dass der Verlängerung ein Antrag nicht vorausgegangen war, war das Fehlen einer Anweisung bei Stellung eines Fristverlängerungsantrags das beantragte Fristende in den Fristenkalender einzutragen, für die Fristversäumung nicht ursächlich, so dass die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf dem Gehörsverstoß beruht. Die Verletzung des Anspruchs des Beklagten zu 2 auf Gewährung rechtlichen Gehörs führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unabhängig davon, ob sie sich auf das Ergebnis auswirkt (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08, NJW 2009, 1083 Rn. 13).
- 15
- 4. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass den Beklagten zu 2 ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten trifft.
- 16
- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bleibt ein Rechtsanwalt auch bei solchen Fristen, die er nicht selbst zu berechnen hat, verpflichtet , durch allgemeine Anweisungen sicherzustellen, dass sein Büropersonal nicht eigenmächtig im Fristenkalender eingetragene Fristen ändert oder löscht. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine außergewöhnliche Verfahrensgestaltung Anlass zur Prüfung gibt, ob die bereits eingetragenen Fristen maßgeblich bleiben oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1989 - IVb ZB 73/89, VersR 1989, 1316; Beschluss vom 17. April 1991 - XII ZB 40/91, VersR 1991, 1309, 1310; Beschluss vom 8. Februar 1996 - IX ZB 95/95, NJW 1996, 1349, 1350; Beschluss vom 8. März 2004 - II ZB 21/03, NJOZ 2004, 1185, 1187; Beschluss vom 20. September 2007 - I ZB 108/05, AnwBl 2007, 869 Rn. 5).
- 17
- b) Gegen diese Sorgfaltspflicht hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 verstoßen. In dem vom Personal des Prozessbevollmächtigten angenommenen Geschehensablauf lag eine außergewöhnliche Verfahrensgestaltung , die besonderen Anlass zur Prüfung gab, ob die bereits eingetragenen Fristen maßgeblich bleiben oder nicht. Denn es widerspricht der gängigen Gerichtspraxis , dass eine bereits verlängerte Berufungsbegründungsfrist wenige Tage nach ihrer Verlängerung ohne Antrag um lediglich drei weitere Tage erneut verlängert wird. Nach Darstellung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 hat die Rechtsanwaltsfachangestellte S. dennoch der zunächst richtig notierten verlängerten Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist eine neue falsche Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist hinzugefügt; in der Folge hat sich die Büroangestellte D. ohne weitere Prüfung auf die falsch eingetragene neue Frist verlassen und die richtige Frist nebst Vorfrist eigenmächtig gelöscht. Dass sie dadurch gegen eine in der Kanzlei bestehende organisatorische Anweisung verstoßen hätte, wonach Fristen nicht eigenmächtig abgeändert werden dürfen, insbesondere bei einer außergewöhnlichen Verfahrensgestaltung vor der Änderung der Frist mit dem Rechtsanwalt Rücksprache zu nehmen ist, ergibt sich aus dem Wiedereinsetzungsvorbringen nicht. Das Fehlen einer solchen allgemeinen Anweisung begründet das Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2007 - I ZB 108/05, AnwBl 2007, 869 Rn. 5).
- 18
- c) Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang kein Verfahrensgrundrecht des Beklagten zu 2 verletzt. Die Rechtsbeschwerde verweist darauf, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 erklärt habe, seine Angestellte habe anordnungswidrig gehandelt, weil es nach der Kanzleiorganisation bei Feststellung der Eintragung zweier unterschiedlicher Fristen für denselben Vorgang „geboten gewesen wäre, die Akten zu konsultieren, die Parteibezeichnungen zu prüfen , unseren Fristverlängerungsantrag zu Rate zu ziehen, bei Gericht anzurufen oder die Akte dem Sachbearbeiter vorzulegen.“
- 19
- Mit dem Vorbringen, die angeführten Maßnahmen seien nach der Kanz- leiorganisation „geboten gewesen“, hat der Beklagte zu 2 nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten eine allgemeine Weisung besteht, Fristen nicht eigenmächtig zu ändern oder zu löschen und wie insbesondere bei außergewöhnlichen Verfahrensgestaltungen zu verfahren ist, etwa wenn wie im vorliegenden Fall entdeckt wird, das zwei unterschiedliche Fristen für dasselbe Ereignis eingetragen worden sind. Die vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 zur Darlegung seiner organisatorischen Vorkehrungen zur Fristenkontrolle vorgelegte Aufgabenbeschreibung enthält weder eine solche allgemeine Weisung noch findet sich unter AB 11 (Fristenverwaltung) eine Regelung, die Vorgaben für den Fall macht, dass die Eintragung zweier verschiedener Fristen für dasselbe Ereignis entdeckt wird.
- 20
- Das Berufungsgericht hat daher keine Erklärungen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 zu den kanzleiinternen AB 11-Regelungen dazu, wie mit mehreren Fristen umzugehen ist, unberücksichtigt gelassen. In der von der Rechtsbeschwerde angeführten Nummer 3 dieser Regelungen geht es um eine „Genaue Kontrolle, wenn mehrere Fristen zu notieren sind!“. Mit der Frage, was zu tun ist, wenn versehentlich mehrere Fristen für dasselbe Ereignis notiert worden sind, befassen sich die Aufgabenbeschreibungen weder an dieser noch an einer anderen Stelle.
- 21
- d) Dass zudem zur Vorfrist am 20. Januar 2012 die Akte dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 nicht vorgelegt wurde, lässt die Kausalität seines Organisationsverschuldens nicht entfallen. Durch den weiteren Fehler ist sein Verschuldensbeitrag für die Versäumung der Frist, der im Fehlen einer Sicherung vor einer eigenmächtigen Abänderung der eingetragenen Berufungs- begründungsfrist besteht, nicht vollständig entfallen. Die Verantwortung eines Prozessbevollmächtigten für den verspäteten Eingang eines Schriftsatzes wird nicht dadurch beseitigt, dass nachfolgend seine Mitarbeiter gegen ihre Pflichten verstoßen und so zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels mit beitragen. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden, wenn neben den vom Prozessbevollmächtigten verschuldeten Umständen andere von ihm nicht verschuldete mitgewirkt haben. Für die Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Fristversäumung, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt, genügt Mitursächlichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2011 - IV ZB 2/11, NJOZ 2012, 932 Rn. 14 mwN). Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
LG Detmold, Entscheidung vom 20.10.2011 - 9 O 236/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 30.03.2012 - I-11 U 103/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: 7.700 DM
Gründe:
I.
Durch Urteil des Landgerichts vom 6. Juli 1999 ist die auf Beseitigung verschiedener Gebäude und Anlagen gerichtete Klage teilweise abgewiesen worden. Gegen dieses dem Kläger am 8. Juli 1999 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 9. August 1999, am selben Tage , einem Montag, bei Gericht eingegangen, Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet. Hierauf am 10. September 1999 vom Oberlandesgericht aufmerksam gemacht, hat er mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 23. September 1999, am selben Tage bei Gericht eingegangen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet.Zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht: Die Berufungsbegründungsfrist vom 9. September 1999 und die Vorfrist zum 2. September 1999 seien ordnungsgemäß in einem EDV-Fristenkalender notiert worden. Die mit der Überwachung der Fristen betraute Sekretärin des sachbearbeitenden Rechtsanwalts habe am 2. September 1999 festgestellt, daß die Handakte in Bearbeitung gewesen sei, da die Gerichtsakten eingegangen und zu kopieren gewesen seien. Sie habe dies auf der Fristenliste notiert. Die Akte habe sodann dem Anwalt vorgelegt werden sollen. In der Fristenliste vom 9. September 1999 sei die Frist dann nicht mehr verzeichnet gewesen, weil sie in der Datenverarbeitung mit einem Erledigungsvermerk versehen gewesen sei. Wie es hierzu gekommen sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Nach der für die Behandlung von Fristen getroffenen schriftlich niedergelegten Verfahrensanweisung durften Fristen mit einem Erledigungsvermerk nur dann versehen werden, wenn das Belegexemplar des fristwahrenden Schriftstücks von der Empfangsstelle quittiert, der Handakte zugeordnet worden sei oder der Empfänger am Tage des Fristablaufs den Zugang telefonisch bestätigt habe. Bei durch Telefax übermittelten Schreiben müsse das Übertragungsprotokoll auf vollständige und ordnungsgemäße Übertragung überprüft werden, bevor der Erledigungsvermerk in der Datenverarbeitung angebracht werden dürfe. Im konkreten Fall müsse die Sekretärin gegen diese Grundsätze verstoßen haben.
Durch Beschluß vom 24. November 1999 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 28. Dezember 1999 zugestellten Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nach § 233 ZPO setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus , daß die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Fristversäumung beruht auf einem Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.Dem Kläger ist zuzugeben, daß die schriftlichen Anweisungen, nach denen die Sekretärin im Büro seines Prozeßbevollmächtigten bei der Behandlung von Fristensachen zu verfahren hatte, geeignet sind sicherzustellen, daß die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist. Damit genügt der Anwalt aber noch nicht seiner Organisationspflicht. Er muß vielmehr auch Vorkehrungen dagegen treffen, daß durch versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender Fristen versäumt werden (BGH, Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, BGHR ZPO § 233, Ausgangskontrolle 5; Beschl. v. 10. Juli 1997, IX ZB 57/97, NJW 1997, 3177, 3178, jew. m.w.N.). Dazu gehört eine Anordnung , durch die gewährleistet wird, daß am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH, Beschl. v. 2. Dezember 1996, II ZB 19/96, NJW-RR 1997, 562). Nur so kann festgestellt werden, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht.
Eine solche Kontrolle sehen die Büroanweisungen nicht vor. Sie wäre nach der von der Sekretärin in ihrer eidesstattlichen Versicherung geschilderten Verfahrensweise auch erfolglos, da die Fristen, wenn sie in der Datenverarbeitung als erledigt eingetragen worden sind, in der entsprechenden Fristenliste des Tages des Fristablaufs nicht mehr auftauchen. Damit kann eine versehentlich als erledigt vermerkte Frist als solche später nicht mehr erkannt werden. Anders als bei einem manuell geführten Fristenkalender, aus dem die Frist, auch wenn sie gestrichen ist, noch ersichtlich und bei der Endkontrolle überprüfbar ist, besteht bei der elektronischen Kalenderführung, wie sie hier ausgestaltet ist, eine vermeidbare Unsicherheit. Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf aber keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1998, II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt 10.213,90 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Centermanagement-Vertrag auf Zahlung restlicher Vergütung in Anspruch und hat vor dem Landgericht am 12. September 2012 ein überwiegend klagestattgebendes Urteil erwirkt. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 14. September 2012 zugestellt worden. Nach Einlegung der Berufung am 4. Oktober 2012 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. November 2012, (als Original) eingegangen beim Berufungsgericht am 16. November 2012, um (erstmalige) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14. Dezember 2012 nachgesucht. Mit Schriftsatz vom 15. November 2012, eingegangen per Telefax am selben Tage, hat sie hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diesem Antrag beigefügt war die nicht unterschriebene Kopie eines Schriftsatzes vom 14. November 2012, mit dem die Prozessbevollmächtigten der Beklagten um eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14. Dezember 2012 gebeten hatten. Mit Eingang vom 5. Dezember 2012 hat sie ihre Berufung begründet.
- 2
- Die Beklagte hat zu ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen: Das Fristverlängerungsgesuch sei am 14. November 2012 um 16.28 Uhr durch die in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten tätige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte F. M. erstellt und sodann dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt Fr. P. vorgelegt, von diesem gegen 16.50 Uhr unterzeichnet und wieder an Frau M. zur Übersendung an das Berufungsgericht per Telefax übergeben worden. Frau M. habe die Akte mit dem unterschriebenen Fristverlängerungsantrag der Auszubildenden T. R. übergeben und diese angewiesen, die Faxübersendung vorzunehmen. Nachdem Frau R. - aus dem separaten Faxraum zurückgekehrt sei, habe sich Frau M. bei ihr erkundigt, ob die Faxe durchgegangen seien, was Frau R. bejaht habe. Von einer weiteren Überprüfung habe Frau M. abgesehen. Frau R. habe den Schriftsatz sodann in den Postausgangskorb für die Gerichtspost gelegt. Ohne weitere Kontrolle habe Frau M. die Änderung beziehungsweise Erledigung der Fristen im elektronischen Fristenkalender und im Handkalender veranlasst. Rechtsanwalt P. habe gegen 19.00 Uhr die Fristenkalender kontrolliert und festgestellt, dass alle notierten Fristen als erledigt gekennzeichnet gewesen seien. Erst am folgenden Tage habe sich gezeigt, dass ein Faxprotokoll nicht vorhanden und der Fristverlängerungsantrag nicht gefaxt worden sei. Frau M. sei seit acht Jahren in der Kanzlei angestellt. Ihre Tätigkeit habe bis dahin nie zu Fristversäumnissen geführt. Die regelmäßige Kontrolle ihrer Arbeit habe keine Beanstandungen ergeben. Die Rechtsanwaltsangestellten seien angewiesen, die ausgehenden Faxe anhand des Faxprotokolls zu überprüfen, die erfolgte Prüfung auf dem Protokoll zu vermerken und erst dann die Frist im Kalender als erledigt zu kennzeichnen. Von den Auszubildenden hätten sie sich die Faxprotokolle vorlegen zu lassen und diese zu kontrollieren, bevor die Frist als erledigt gekennzeichnet werde. Hierbei habe es in der Vergangenheit, auch bei regelmäßigen Überprüfungen der ausgegangenen Faxschreiben, keinerlei Grund zur Beanstandung durch die Rechtsanwälte gegeben. Grundsätzlich strichen nur die ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten die im Kalender notierten Fristen. Diese überprüften auch die korrekte Übermittlung von Telefaxsendungen , die die Auszubildenden oder sie selbst versandt hätten. Dieses Vorgehen sei seit Jahren eingeübt und werde durch die Rechtsanwälte regelmäßig kontrolliert, ohne dass sich in der Vergangenheit Beanstandungen ergeben hätten.
- 3
- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Berufungsbegründungsfrist ohne Verschulden versäumt worden sei. Die Versäumung der Rechtsmittelfrist beruhe auf einem der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten. Die Organisation der Versendung fristwahrender Schriftsätze in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten sei generell unzureichend gewesen. Diese Tätigkeit dürfe Auszubildenden nur dann überlassen werden, wenn diese mit einer solchen Tätigkeit vertraut seien und regelmäßige Kontrollen keine Beanstandungen ergeben hätten. Diesen Erfordernissen sei nicht genügt worden, wie sich daran zeige, dass die Auszubildende R, eine Kopie des Fristverlängerungsgesuchs und nicht dessen Original übermittelt habe.
- 4
- Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
- 5
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
- 6
- 1. Die Berufungsbegründungsfrist ist nicht schuldlos versäumt worden.
- 7
- a) Wie aus dem Vorbringen der Beklagten ersichtlich wird und das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, ist der Einsatz von Auszubildenden bei der Faxübermittlung fristgebundener Schriftsätze in der Kanzlei der Rechtsanwälte der Beklagten ausdrücklich vorgesehen. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax einem Auszubildenden nur dann überlassen werden darf, wenn dieser mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und eine regelmäßige Kontrolle seiner Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 mwN und vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519, 1520 Rn. 11). Allgemein muss der Rechtsanwalt eine wirksame Ausgangskontrolle sicherstellen, indem er seine Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdru- cken zu lassen, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (s. etwa BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
- 8
- b) Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nicht auszuräumen vermocht.
- 9
- aa) Abzustellen ist insoweit zunächst allein auf diejenigen Angaben, die die Beklagte in ihrem Wiedereinsetzungsantrag mitgeteilt hat. Denn die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen müssen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich bereits im Wiedereinsetzungsantrag enthalten sein; jedenfalls sind sie innerhalb der für die Wiedereinsetzung geltenden Frist nach § 234 Abs. 1 ZPO vorzubringen. Zulässig ist nur die Ergänzung von fristgerecht gemachten, aber erkennbar unklaren oder unvollständigen Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war (s. zu alldem etwa Senatsbeschlüsse vom 24. Juni 2010 - III ZB 63/09, BeckRS 2010, 16574 Rn. 14 mwN und vom 20. Dezember 2012 - III ZB 47/12, BeckRS 2013, 02649 Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 aaO S. 369 und vom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10, NJW 2011, 458, 460 Rn. 17).
- 10
- bb) In dem Wiedereinsetzungsantrag finden sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Angaben zum Ausbildungsstand, zur Zuverlässigkeit und zur Befähigung der Auszubildenden R. . Ebenso fehlen Angaben dazu, welche allgemeinen Anweisungen zum Einsatz von Auszubildenden bei der Faxübermittlung fristgebundener Schriftsätze in der betreffenden Anwaltskanzlei bestanden haben. Damit war organisatorisch insbesondere nicht ausgeschlossen, dass unerfahrene oder unzuverlässige Auszubildende mit der Aufgabe der Faxübermittlung betraut werden. Dass die Auszubildenden die Faxprotokolle den ausgebildeten Fachangestellten zur Kontrolle vorlegen müssen , bevor die Frist als erledigt gekennzeichnet werden darf, macht Regelungen über die Voraussetzungen für den Einsatz von Auszubildenden mit Rücksicht auf deren Zuverlässigkeit und Erfahrungsstand nicht entbehrlich. So kann es etwa bei der Erledigung mehrerer Faxaufträge durch unerfahrene Auszubildende leicht dazu kommen, dass Faxprotokolle verwechselt, falsch zugeordnet oder missdeutet werden oder ihr Fehlen übersehen wird oder dass es eigenmächtig zur Eintragung der Fristerledigung im Kalender kommt. Dies macht jedenfalls in der ersten Zeit ihrer Ausbildung eine weitergehende Überwachung dieser Auszubildenden erforderlich, wenn man sie zur Faxübermittlung einsetzt. Ihnen fehlt in diesem Stadium typischerweise die nötige Erfahrung im Umgang mit dem anwaltlichen Schriftverkehr und ein Bewusstsein für die Bedeutung und den Nachweis der Wahrung von Fristen.
- 11
- Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegt keine hinreichend konkrete anwaltliche Einzelanweisung vor, die das Fehlen allgemeiner organisatorischer Regelungen ausgleichen könnte. Der Vortrag der Beklagten hat sich hierzu darin erschöpft, dass Rechtsanwalt P. das Fristverlängerungsgesuch nach Unterzeichnung "an Frau M. zur Übersendung an das Kammergericht per Fax" übergeben habe. Eine Einzelweisung, die - wie hier - lediglich darin besteht, den fristgebundenen Schriftsatz per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu übersenden, regelt nur die Art und Weise sowie den Adressaten der Übermittlung. Sie macht eine organisatorische Regelung zur Kontrolle der Faxübermittlung und zur Einschaltung von Auszubildenden weder entbehrlich noch setzt sie eine hierzu bestehende - unvollständige oder sonst mangelhafte - organisatorische Regelung außer Kraft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 aaO; vom 4. Juli 2006 - VI ZB 48/05, BeckRS 2006, 08980 Rn. 5 und vom 21. Oktober 2010 aaO S. 459 Rn. 9 f; s. auch BGH, Beschluss vom 26. Juni 2012 - VI ZB 12/12, NJW 2012, 3309, 3310 Rn. 8). Sie schließt - wie auch im vorliegenden Fall - insbesondere nicht aus, dass die Faxübermittlung ohne hinreichende Kontrolle einem unerfahrenen Auszubildenden übertragen wird.
- 12
- cc) Auf die von der Rechtsbeschwerde beanstandeten Ausführungen des Berufungsgerichts, die organisatorischen Unzulänglichkeiten in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zeigten sich daran, dass die Auszubildende R. eine (nicht unterzeichnete) Kopie des Fristverlängerungsgesuchs und nicht dessen Original übermittelt habe und mit der Aufgabe der Faxübermittlung somit sichtlich überfordert gewesen sei, kommt es hiernach nicht entscheidungserheblich an. Zutreffend weist die Beklagte freilich darauf hin, dass sich für ein solches Geschehen - nämlich die Übersendung einer (nicht unterzeichneten ) "Kopie" als "Original" - bei genauerer Betrachtung des Akteninhalts kein tragfähiger Hinweis findet. Hiervon bleibt jedoch unberührt, dass es an Angaben zu den erforderlichen allgemeinen Regelungen über den Einsatz von Auszubildenden bei der Faxübermittlung fristgebundener Schriftsätze und zum Ausbildungsstand, zur Zuverlässigkeit und zur Befähigung der Auszubildenden R. gefehlt hat.
- 13
- dd) Soweit die Beklagte in ihrer Rechtsbeschwerdebegründung - ohne die gebotene Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, § 294 ZPO) - mitteilt, dass es in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten organisatorisch vorgesehen sei, dass ohne Vorliegen einer Direktanweisung Auszubildende (erst) ab dem zweiten Ausbildungsjahr fristwahrende Schriftsätze unter Aufsicht der Fachangestellten versenden, dass die Fachangestellte M. nach dem Inhalt der ihr erteilten Direktanweisung persönlich zur Erledigung des Faxversands gehalten gewesen sei und dass sich die Auszubildende R. bereits am Ende ihres zweiten Ausbildungsjahres befunden habe, kann sie - abgesehen davon, dass konkrete Angaben zur persönlichen Zuverlässigkeit von Frau R. auch weiterhin fehlen - mit diesem neuen Vortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr gehört werden. Das Berufungsgericht hat insoweit auch keine Hinweispflichten versäumt, weil ein erfahrener Rechtsanwalt selbst wissen muss, welche Anforderungen für die Darlegung einer konkreten Einzelanweisung und die Einschaltung von Auszubildenden bei der Faxübermittlung fristgebundener Schriftsätze zu beachten und welche Tatsachen hierzu im Wiedereinsetzungsgesuch vorzutragen sowie glaubhaft zu machen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 aaO).
- 14
- 2. Nach alldem hat das Berufungsgericht der Beklagten zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Herrmann Seiters Tombrink Remmert Reiter
LG Berlin, Entscheidung vom 12.09.2012 - 23 O 397/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.01.2013 - 23 U 214/12 -
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.