Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 19. Feb. 2015 - 1 LB 5/14

ECLI: ECLI:DE:OVGSH:2015:0219.1LB5.14.0A
published on 19/02/2015 00:00
Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 19. Feb. 2015 - 1 LB 5/14
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Tenor

Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger erstreben einen positiven Bauvorbescheid zur Erweiterung der Bebauung ihres Grundstücks ... (Flurstücke ... und ... der Flur ..., Gemarkung ...) mit einem Wintergarten. Das nicht beplante Grundstück liegt in der Büsumer Fußgängerzone; es wird für ein Restaurant und ein Ladengeschäft („...“) genutzt.

2

Am 06.04.2011 stellten die Kläger eine Bauvoranfrage zur Erweiterung der Laden- und Restaurantfläche um einen Wintergartenanbau mit Balkonverbreiterung (von 0,6 m auf 1,2 m) im ersten Obergeschoss. Der Anbau sollte vor der gesamten Gebäudefront in einer Tiefe von 2,5 m errichtet werden. Für das Restaurant waren keine zusätzlichen Sitzplätze vorgesehen, da die bisher auf der Terrasse angebotenen Plätze im geplanten Wintergarten untergebracht werden sollten.

3

Am 12.04.2011 beschloss die Beigeladene eine „Ortsgestaltungssatzung“ (OGS), die für bauliche Anlagen in ... gilt, die „nicht durch einen Bebauungsplan erfasst sind und sich im Ortskern befinden“ (§ 1); der Ortskern ist in einer Anlage zur Satzung kartographisch dargestellt. Die Satzung enthält in den §§3-23 allgemeine bauliche Anforderungen, um „die Eigenart des Ortsbildes und der einzelnen Bauten“ zu sichern und zu fördern (§ 2 Abs. 2 OGS). In der Satzung heißt es u. a.:

4

§ 9 Bauflucht

5
(1) Bauflucht ist eine Linie, die sich zwischen zwei an der derselben Straßenseite in der Reihe aufeinander folgenden Gebäuden ergibt, wenn diese geradlinig in Höhe Oberkante Verkehrsfläche verbunden werden oder wenn die Flucht des einen Gebäudes in Richtung des anderen verlängert wird.
6
(2) ...
7
(3) Die Bauflucht ist über die gesamte Fassadenbreite und -höhe einzuhalten.
8
(4) Zur Wahrung des geschlossenen Raumes der öffentlichen Verkehrsflächen müssen neu zu errichtende Gebäude die Baufluchten einhalten; ausgenommen davon sind die Gliederungselemente Fassade und Erker sowie die o. g. Balkone und Dämmmaßnahmen.
9

§ 20 Bauliche Erweiterungen

10
(1) Anbauten an der öffentlichen Verkehrsfläche dürfen nicht über die Bauflucht der Nachbargebäude hinausreichen und müssen in der Gestaltung dem Hauptgebäude entsprechen.
11
(2) -(3) ...
12

Die Satzung ist nach Ausfertigung am 13.05.2011 in Kraft getreten.

13

Die Beigeladene nahm mit Schreiben vom 26.05.2011 zu der Voranfrage der Kläger Stellung. Sie erteilte ihr Einvernehmen, da dem Vorhaben keine „Versagungsgründe“ nach §§ 31 - 35 BauGB entgegenstünden, wies jedoch auf ihre Ortsgestaltungssatzung hin. Dagegen werde verstoßen, weil der Wintergartenvorbau ca. 2,5 m in den öffentlichen Verkehrsraum hineinrage und damit die Bauflucht nicht eingehalten werde.

14

Der Beklagte hörte die Kläger zur Absicht einer Ablehnung der Voranfrage an und lehnte deren Erteilung mit Bescheid vom 29. Juni 2011 ab, da das Vorhaben der Kläger die Bauflucht nicht einhalte und sei damit gem. §§ 9, 20 OGS unzulässig sei.

15

Nach erfolglosem Widerspruch haben die Kläger dagegen Klage erhoben und geltend gemacht, der beantragte Vorbescheid gelte aus Fristgründen als erteilt. Die Ortsgestaltungssatzung der Beigeladenen sei zu spät erlassen worden und sei zudem unwirksam.

16

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19. März 2014 abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, eine durch Fristablauf bewirkte Vorbescheidserteilung liege nicht vor. Das Vorhaben der Kläger widerspreche § 20 OGS, da es die maßgebliche Bauflucht um 2,5 m überschreite. Die genannte Vorschrift sei zu berücksichtigen, da sie im - maßgeblichen - Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung in Kraft gewesen sei. Die Gestaltungsvorschrift sei auch wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt und innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Ermächtigung.

17

Auf den Antrag der Kläger hat der Senat durch Beschluss vom 06. August 2014 die Berufung gegen das o. a. Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

18

Die Kläger sind der Ansicht, die Ortsgestaltungssatzung der Beigeladenen überschreite die Grenzen des gemeindlichen Regelungsspielraums. Die Gemeinden dürften im Gewand bauordnungsrechtlicher Gestaltungsvorschriften keine bodenrechtlichen Regelungen treffen. Die Ermächtigung des § 84 LBO werde nicht eingehalten. Die Ortsgestaltungssatzung sei insgesamt unwirksam und könne auch nicht teilweise aufrechterhalten werden. Der Geltungsbereich der Ortsgestaltungssatzung sei nicht hinreichend bestimmt geregelt: Da von ihrem Geltungsbereich Bebauungsplan-Gebiete ausgenommen seien, müsse bekannt sein, welche Bebauungspläne bestünden. Soweit die Satzung nicht nur für bauliche Anlagen, sondern auch „für andere bauliche Anlagen und Einrichtungen" Anforderungen enthalte, fehle ihr eine Rechtsgrundlage. Die in der Satzung bestimmten Beschränkungen beträfen nicht nur die äußere Gestaltung, sondern - weitergehend - die Bebaubarkeit der Grundstücke; dies könne - wenn überhaupt - nur durch einen Bebauungsplan festgelegt werden. Bauflucht, Bauhöhe, Fassadenbreite und -höhe seien keine Fragen der äußeren Gestaltung baulicher Anlagen, sondern Beschränkungen der Bebaubarkeit. Diese seien gravierend.

19

Die Kläger beantragen,

20

das angefochtene Urteil zu ändern, den negativen Vorbescheid vom 29. Juni 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den beantragten Vorbescheid zu erlassen.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Er hält die Ortsgestaltungssatzung der Beigeladenen für rechtmäßig. Die Regelung zur „Bauflucht“ betreffe nicht unmittelbar die überbaubare Grundstücksfläche, sondern das Verhältnis eines Gebäudes zu Nachbargebäuden im Hinblick auf das Erscheinungsbild der Straße. Der Beigeladenen gehe es mit ihrer Satzungsregelung nicht um eine Regelung der überbaubaren Grundstücksfläche, sondern um die Gestaltung des Straßen- und Ortsbildes. Aus der Zielsetzung, dass die Gebäude zu den öffentlichen Verkehrsflächen einen geschlossenen Raum wahren sollen, ergäben sich nur mittelbar und einzelfallbezogen Konsequenzen für einzelne Grundstücke, wenn die Bauflucht nicht gewahrt werde.

24

Die - durch Beschluss vom 10.11.2014 beigeladene - Gemeinde Büsum hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze - nebst Anlagen - sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

I. Die zugelassene Berufung ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 VwGO begründet worden.

27

II. Die Berufung ist unbegründet.

28

1. Soweit die Kläger - auch - im Berufungsverfahren an ihrer Ansicht festhalten, der begehrte Bauvorbescheid gelte infolge Fristablaufs (§§ 66 Abs. 3, 69 Abs. 6 LBO SH) „fiktiv“ als erteilt, ist dem nicht zu folgen. Der Senat folgt den überzeugenden Gründen des Urteils des Verwaltungsgerichts (S. 9 des Urt.-Abdr.) und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 130 b Satz 2 VwGO), zumal sich das Berufungsvorbringen der Kläger zu dieser Frage in der Wiederholung der erstinstanzlichen Argumente erschöpft.

29

2. Die Kläger können die Erteilung des begehrten Vorbescheides nicht beanspruchen. Ihrem Vorhaben stehen - durchgreifend - bauplanungsrechtliche Vorschriften entgegen.

30

Das Grundstück der Kläger liegt in einem nicht beplanten Bereich, der nach § 34 BauGB zu beurteilen ist. Nach den der Voranfrage beigefügten (Kataster-)Karten „ragen“ die den Kläger gehörenden Flurstücke ... und ... in die „Trasse“ der ... hinein. Im Hinblick darauf, dass die - bisher nicht bebaute - Fläche dieser Flurstücke mit dem Wintergarten bebaut werden soll, fügt sich das Vorhaben nach der überbaubaren Fläche i. S. d. § 34 BauGB nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Es überschreitet eine faktische vordere Baugrenze. Das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB enthält insoweit eine Inhalts-und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) mit der Folge, dass die die vor dieser Baugrenze gelegene Grundstücksfläche der Kläger nicht mit Hauptanlagen überbaubar ist.

31

Die überbaubare Grundstücksfläche wird (auch) im unbeplanten Innenbereich entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO durch faktische Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt. Dabei kommt es nicht auf die (Flurstücks-) Grenzen des Baugrundstücks an (vgl. VGH München, Urt. v. 07.03.2011, 1 B 10.3042; OVG Bautzen, Beschl. v. 29.12.2010, 1 A 710/09; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.03.2013, Az. OVG 10 B 4.12). Die Annahme einer faktischen Baugrenze setzt voraus, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte Situation bestehen. Dafür ist maßgeblich, ob die Bebauung wie auch die übrige Bebauung einen bestimmten Abstand zur Straßengrenze einhält (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.12.2014, 10 N 47.14, Juris; BVerwG, Beschl. v. 28.09.1988, 4 B 175.88, NVwZ 1989, 354).

32

Die an der ... - im Bereich der für das Grundstück der Kläger maßgeblichen Umgebung - vorhandene Bebauung verläuft straßenseitig entlang einer faktischen vorderen Baugrenze (2.1). Die vorgesehene Bebauung mit einem Wintergarten stellt eine „Hauptnutzung dar, die sich „vor“ dieser faktischen Baugrenze nicht einfügt (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO; 2.2).

33

2.1 Aus der in der Umgebung vorhandenen Bebauung ergibt sich eine faktische vordere Baugrenze.

34

Als maßgebliche Umgebung ist hier die Bebauung an der Südostseite der ... zwischen den Straßen . und . anzusehen. Sowohl die aus den vorgelegten (Katas- ter-)Karten, die den baulichen Bestand in dem fraglichen Bereich darstellen, als auch aus den - in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten Fotoaufnahmen ergibt sich, dass die Gebäude entlang der . im Wesentlichen in einer „Reihe“ errichtet worden sind. Dabei ist auf die Außenwände der Gebäude abzustellen; Bauteile, die „auf“ den Außenwänden angebracht worden sind (z. B. Werbeanlagen, Vordächer) sind unerheblich. Das Gleiche gilt für „Versprünge“ zwischen einzelnen Gebäuden, die nach Katasterkarten bzw. Fotoaufnahmen nur in einem sehr geringfügigen Ausmaß anzutreffen (so dass sie mit dem bloßen Auge z. T. kaum erkennbar sind. Allein die Bebauung des Eckgrundstücks ... / ... - am Ende der o. g. maßgeblichen Umgebung - zeigt einen deutlicheren „Versprung“, der allerdings durch die leichte Krümmung des Straßenverlaufs und die Einmündung der Straße ... bedingt ist.

35

Indem der vorgesehene Wintergarten die faktische Baugrenze überschreitet, fügt er sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht ein. Die Zulassung der Überschreitung der faktischen vorderen Baugrenze würde zu städtebaulich unerwünschten Spannungen führen. Kein anderer Baukörper „ragt" so weit in den bisher nicht bebauten Bereich an der ... hinein. Das Vorhaben der Klägerin wäre insoweit vorbildlos und könnte nachfolgende vergleichbare Bauwünsche stimulieren, etwa auf dem in der Nähe gelegenen Flurstück ..., aber auch in der Weise, dass die vor der faktischen Baugrenze liegenden (schmalen) Grundstücksstreifen für Werbeanlagen genutzt werden könnten.

36

2.2 Der Wintergartenanbau ist eine „Hauptnutzung“ i. S. d. § 23 Abs. 3 BauNVO und nicht etwa (nur) eine Nebenanlage. Das ergibt sich - ohne Weiteres - daraus, dass durch den Wintergartenanbau die Nutzfläche des bisherigen Gebäudes erweitert werden soll. Nach den der Voranfrage beigefügten Zeichnung soll die in dem geplanten Wintergarten entstehende Fläche der bisher vorhandenen Gewerbefläche im Restaurant bzw. „...“ zuwachsen. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats: Ein Wintergarten, der an (innerhalb des Gebäudes) vorhandene Nutzräume angebaut wird, ist nicht als eine außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche zulässige Nebenanlage anzusehen, sondern Teil des Hauptgebäudes (Urt. des Senats v. 23.09.2010, 1 LB 3/10, n. v.).

37

Ein „Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigen Ausmaß“ kann nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zugelassen werden. Diese - auch bei einer „faktischen“ Baugrenze anwendbare - Vorschrift hilft den Klägern indes nicht weiter, weil es vorliegend nicht nur ein „Gebäudeteil“ die faktische Baugrenze überschreitet, sondern die komplette baulichen Anlage. Der Wintergartenanbau soll die gesamte Breite des vorhandenen Gebäudes der Kläger abdecken, dessen umbaute Nutzfläche erweitern und im ersten Obergeschoss eine zusätzliche Balkonfläche schaffen. Die Außenwand des Gebäudes wird damit nach „vorn“ verschoben. Eine solche Fallgestaltung wird von § 23 Abs. 3 S. 2 BauNVO nicht mehr abgedeckt (vgl. Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn u. a., a.a.O., § 23 BauNVO Rn. 40 m. w. N.).

38

2.3 Das Vorhaben der Kläger ist danach bereits nach § 34 Abs. 1 BauGB unzulässig, weil es sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1998, 4 B 29/98, NVwZ-RR 1999, 364 - zum Fall einer hinter die faktische vordere Baulinie zurückspringenden Bebauung; vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn u. a., BauGB, Kommentar, Stand 2014, § 34 BauGB Rn. 47).

39

3. In der mündlichen Verhandlung ist auch die Frage erörtert worden, ob dem Anbau der Kläger auch der Umstand entgegensteht, dass die dafür vorgesehene Fläche nach den bei den Akten befindlichen Fotos (Beiakte A, Bl. 11, 37) zur Straßenfläche der ... gehört. Die Beigeladene hat dazu in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass die . vor ihrem Umbau zur Fußgängerzone Teil der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße B 203 war; sie ist später zur Gemeindestraße abgestuft worden. Dies sowie der derzeitige Ausbauzustand sprechen dafür, dass die einheitlich gepflasterte Verkehrsfläche - insgesamt - als öffentliche Straßenfläche gewidmet ist. Diese Widmung würde auch das Privateigentum der Kläger an dem Flurstück ... überlagern (vgl. §§ 6 Abs. 1, 18 Abs. 1 StrWG SH); eine Bebaubarkeit dieser Fläche wäre nur zulässig, wenn eine dem entsprechende Sondernutzungserlaubnis (§ 21 Abs. 1 StrWG SH) vorläge, was - ersichtlich - nicht der Fall ist. Eine genauere Klärung - insbesondere - der straßenrechtlichen Widmung und der damit zusammenhängenden „Historie“ konnte unterbleiben, da dem Vorhaben der Kläger bereits bauplanungsrechtlichen Hindernisse entgegenstehen (s. o. 2.).

40

4. Die - weitere - Frage, ob - auch - die Bestimmungen der Ortsgestaltungssatzung (OGS) der Beigeladenen einer positiven Beantwortung der Bauvoranfrage entgegenstehen, kann nach den Ausführungen zu 2. ebenfalls offen bleiben.

41

Der Senat merkt dazu an, dass den - allgemeinen - Einwänden der Kläger gegen den Geltungsbereich der OGS und gegen einzelne (für den vorliegenden Fall nicht relevante) Bestimmungen der Satzung nicht zu folgen ist.

42

Der örtliche Geltungsbereich ist in § 1 OGS sowie durch die der Satzung beigefügten Pläne hinreichend bestimmt, da - letztlich - keine Zweifel am räumlichen Geltungsbereich der Satzung bestehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.02.1994, 4 NB 44.93, Juris). Soweit vom Geltungsbereich beplante Bereiche ausgenommen sind, steht dies der hinreichenden Bestimmtheit der OGS nicht entgegen, denn es genügt, wenn sich der maßgebliche Geltungsbereich im Zeitpunkt der Rechtsanwendung zweifelsfrei bestimmen lässt. Dies ist der Fall, da im Zeitpunkt der Rechtsanwendung ohne weiteres feststellbar ist, ob ein Bebauungsplan für das jeweils konkrete Gebiet besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.1994, 4 C 2.94, BVerwGE 96, 110 ff.).

43

Die in den §§ 10-12, 22, 23 OGS enthaltenen Bestimmungen über die farbliche Gestaltung von Dächern, über Farben und Arten von Ziegeln, die Form und Farbe von Dachaufbauten, die Gliederung von Fassaden und die farbliche Gestaltung von Vordächern und Wetterschutzelementen, die Montage von Antennen auf Dächern sowie zu Abstellplätzen für Müllbehälter und zu Werbeanlagen sind - inhaltlich - typische gestalterische Vorschriften, die sich im Rahmen der gesetzlichen (Satzungs-) Ermächtigung nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LBO SH halten, da sie die Gestaltung des Ortsbildes regeln, ohne - zugleich - bodenrechtliche Vorgaben zu setzen (vgl. Urt. des Senats v. 27.09.1996, 1 K 13/93, Juris [Rn. 50 ff.], BVerwG, Beschl. v. 10.07.1997, 4 NB 15.97, NVwZ-RR 1998, 486).

44

Die - weitere - Frage, ob auch die in §§ 9, 20 OGS enthaltenen Bestimmungen zur „Bauflucht“ den Rahmen derbauordnungsrechtlichten Ermächtigungsgrundlage in § 84 Abs. 1 LBO SH überschreiten, wollen der Beklagte und die Beigeladene bejahen, weil damit die „Wahrung des geschlossenen Raumes der öffentlichen Verkehrsflächen“ erreicht werden soll (§ 9 Abs. 4 OGS), was auf eine gestalterische Regelungsabsicht hindeute. Demgegenüber verweisen die Kläger darauf, dass damit - zugleich - eine Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen (§ 23 BauNVO) bewirkt werde, was nur durchbauplanungsrechtliche Vorschriften möglich sei.

45

In der Rechtsprechung ist - im Grundsatz - geklärt, dass es den Gemeinden verwehrt ist, im Gewand von örtlichen Bauvorschriften städtebauliche Planung zu betreiben (BVerwG, Beschl. v. 31.05.2005, 4 B 14.05, BauR 2005, 1768). Das ist - etwa - der Fall, wenn erweiterte Abstandsflächen „gestalterisch“ vorgeschrieben werden (vgl. dazu VGH München, Urt. v. 30.05.2003, 2 BV 02.689, BayVBl. 2004, 369). Will eine Gemeinde bestimmte Flächen von einer Bebauung freihalten, sind (auch) dafür planungsrechtliche Instrumente nutzbar; dem Urteil des VGH München vom 12.12.2012 (2 B 11.2230, BayVBl. 2012, 699 ff. [bei Juris Rn. 15]) zufolge ist eine diesbezügliche Regelung durch eine Ortsgestaltungssatzung nicht zulässig.

46

Ob die in §§ 9, 20 OGS enthaltenen Bestimmungen zur „Bauflucht“ die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 84 Abs. 1 LBO SH überschreiten, bedarf im vorliegenden Fall im Hinblick auf die dem Vorhaben der Kläger entgegenstehenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften (s. o. 2.) keiner abschließenden Entscheidung. Das Gleiche gilt für die Frage, ob einer ortsgestalterischen Regelung ein schlüssiges örtliches Konzept zugrunde liegen muss.

47

5. Die zugelassene Berufung ist nach den oben zu 2. genannten Gründen zurückzuweisen.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie keine Anträge gestellt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

49

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus§167VwG() i.V.m. §§ 708 Nr. 10,711 ZPO.

50

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.

51

Beschluss

52

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf
6.000,00 Euro
 festgesetzt.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
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published on 23/09/2010 00:00

Tenor Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – Einzelrichterin der 2. Kammer – vom 15. Mai 2009 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des gesamten
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Annotations

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.