Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Sept. 2011 - 2 A 10781/11

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2011:0927.2A10781.11.0A
27.09.2011

Auf die Berufung des Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2011 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der als Obermedizinalrat im Dienst des Beklagten steht, wendet sich gegen eine ihm nur beschränkt erteilte Genehmigung zur Ausübung von Nebentätigkeiten.

2

Dem Kläger wurden bis zum Jahre 2010 jeweils jährlich Genehmigungen zur Ausübung der nachfolgend beschriebenen Nebentätigkeiten gewährt:

3

1. Blutentnahmen für Vaterschaftsnachweise im Auftrag verschiedener Gerichte

2. Erstellung von Abfindungsgutachten für verschiedene Berufsgenossenschaften

3. Tätigkeit als Blutspendearzt für den DRK Blutspendedienst in Nordrhein-Westfalen

4. Erstellung von Pflegegutachten

4

a) im Auftrag des medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen in A.

b) im Auftrag der Firma M... GmbH in Köln

c) im Auftrag der Knappschaft-Bahn-See Sozialmedizinischer Dienst in S.

d) im Auftrag verschiedener Sozialgerichte

e) im Auftrag des Medizinischen Dienstes des Bundeseisenbahnvermögens in B.

5

5. Gutachten bzw. medizinische Empfehlungen (keine Therapie)

6. Arbeitsmedizinische Gutachten im Auftrage der Agentur für Arbeit in M.

7. Angelausbilder für den Verein Deutscher Sportfischer.

6

Im Jahre 2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass bei ihm durch die Erstellung von Pflegegutachten Interessenkollisionen auftreten könnten, etwa wenn das Gesundheitsamt diese Gutachten im Rahmen von eigenen Pflegeleistungen des Beklagen überprüfen müsse. Darüber hinaus könne für Betroffene, die der Kläger im Zusammenhang seiner Nebentätigkeit begutachte, der Eindruck entstehen, dass es sich um ein – für Außenstehende regelmäßig als neutral angesehenes – Gutachten des Gesundheitsamtes handele und nicht um ein Gutachten, welches von der Pflegeversicherung in Auftrag gegeben worden sei.

7

Die vom Kläger für das Jahr 2011 beantragte Genehmigung seiner bisherigen Nebentätigkeiten in dem oben beschriebenen Umfang erteilte der Beklagte daraufhin durch Bescheid vom 23. Dezember 2010 daraufhin nur noch mit der Maßgabe, dass Nebentätigkeiten nach Ziffern 4 und 5 lediglich außerhalb des Gebietes des Landkreises A. wahrgenommen werden dürften.

8

Den vom Kläger hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2011 zurück. Durch die Ausübung der Nebentätigkeit im Gebiet des Landkreises sei eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu befürchten, weil durch die räumliche Verkettung von Haupt- und Nebenamt der Anschein einer parteilichen Aufgabenwahrnehmung entstehen könne. Dies sei mit der Neutralitätspflicht des Gesundheitsamtes nicht vereinbar. So sei bereits von Dritten sei der Einwand erhoben worden, eine Objektivität des Gesundheitsamtes sei in Fällen der Vorbefassung des Klägers nicht mehr gewährleistet. Hinzu komme, dass eine Vorbefassung des Klägers seine Kollegen in die Gefahr der Befangenheit bringe, falls diese ein von ihm privat erstelltes Pflegegutachten in amtlicher Eigenschaft überprüfen müssten. Im Übrigen erscheine der von ihm angegebene Zeitansatz für seine Nebentätigkeit vor dem Hintergrund der Anzahl der in den letzten Jahren gefertigten Gutachten und der dabei erzielten Vergütung unrealistisch.

9

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides stellte der Kläger zunächst einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Hierzu führte er u. a. aus, die Beauftragung von Ärzten für eine Erstellung von Pflegegutachten sei für die Fa. M... ein „laufendes Geschäft“. Deshalb sei zu befürchten, dass er künftig nicht mehr beauftragt werde, wenn er auch nur kurze Zeit keine derartigen Gutachten mehr erstellen dürfe. Dem Antrag wurde erstinstanzlich entsprochen. Auf die Beschwerde des Beklagten änderte der Senat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab und lehnte den Eilantrag des Klägers mit Beschluss vom 12. Juli 2011 (Az.: 2 B 10642/11.OVG) ab.

10

Zwischenzeitlich hatte der Kläger bereits die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Erteilung einer unbeschränkten Nebentätigkeitsgenehmigung in der Hauptsache weiterverfolgt. Weder liege ein Widerstreit mit dienstlichen Pflichten vor noch entstehe bei seiner Tätigkeit der Anschein parteilicher Aufgabenwahrnehmung. Interessenkollisionen seien nicht zu befürchten, da sich die jeweiligen Tätigkeitsbereiche nicht überschnitten. Die von ihm mit seiner Nebentätigkeit erstellten Pflegegutachten legten ihn aufgrund des unterschiedlichen Untersuchungsgegenstandes auch nicht für die vom Gesundheitsamt zu erstellenden Überprüfungen für das Sozialamt fest, da diese eine andere Fragestellung hätten. Im Übrigen würde er einen Gutachtenauftrag des Sozialamtes an einen der Kollegen im Gesundheitsamt abgeben, falls es wegen seiner Vorbefassung im Rahmen der Nebentätigkeit zu einer „Doppelbegutachtung“ kommen würde. Seine Kollegen seien auch durchaus in der Lage, ihm zu widersprechen, falls sie mit dem Inhalt eines von ihm erstellten Privatgutachtens nicht einverstanden seien. Die Erstellung eines solchen Pflegegutachtens nehme schließlich durchschnittlich nicht mehr als ca. fünfzig Minuten in Anspruch.

11

Der Kläger hat beantragt,

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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 23. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2011 zu verpflichten, ihm die Nebentätigkeitsgenehmigung gemäß seinem Antrag vom 10. September 2010 ohne die Maßgabe zu erteilen, dass die Ausübung der Nebentätigkeiten zu Nrn. 4 und 5 nur für Personen mit einem Wohnort außerhalb des Landkreises A. erfolgen dürfe.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

15

Er hat seine Auffassung bekräftigt, nach der die vom Kläger privat erstellten Gutachten mit dienstlich wahrzunehmenden Aufgaben des Gesundheitsamtes kollidierten, das im Einzelfall im Auftrag des Sozialamtes für die Überprüfung von durch den Kläger erstellten Gutachten zuständig werden könne. Eine Vorbefassung des Klägers widerspreche im Übrigen der grundsätzlichen Neutralitätspflicht des Gesundheitsamtes und könne auch seine Kollegen in die Gefahr der Befangenheit bringen. Die Unparteilichkeit des Klägers sei bereits von Personen außerhalb der Verwaltung angezweifelt worden, unter anderem weil für diese nicht erkennbar gewesen sei, in welcher Eigenschaft er bei der Begutachtung von Pflegeversicherten aufgetreten sei. Seine private Gutachtertätigkeit erwecke auch den Schein des Eigennutzes und sei deshalb mit seiner Stellung als Amtsarzt nicht in Einklang zu bringen. Zuletzt sei die von ihm für die Erstellung der Gutachten angegebene Bearbeitungszeit nicht glaubhaft.

16

Durch Urteil vom 7. April 2011 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Vorinstanz sah keinen gesetzlichen Versagungsgrund als gegeben an und verwies zur weiteren Begründung im Wesentlichen auf die Gründe ihrer Eilentscheidung.

17

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Er ergänzt und vertieft seine bisherige Argumentation, nach der es bei Begutachtungen im Rahmen der beantragten Nebentätigkeit zu Kollisionen zwischen den Interessen der privat Versicherten und dem gesetzlichen Auftrag des Gesundheitsamtes kommen könne und eine weitere Befassung durch den Kläger zu einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen führe. Schließlich sei der vom Kläger angegebene zeitliche Umfang für die Erstellung eines privaten Pflegegutachtens nicht nachvollziehbar, da seine Begutachtungen im Hauptamt, die er zur Feststellung einer Arbeitsfähigkeit im Rahmen der Leistungen nach „Hartz IV“ vornehme, trotz des hierbei nur eingeschränkten Prüfungsumfanges erheblich mehr Zeit erforderten als er für die Privatgutachten angebe. Dies ergebe sich nicht nur aus einem Vergleich der im Gesundheitsamt erstellten „Hartz IV-Gutachten“, sondern auch aus der telefonischen Auskunft eines Vertragsarztes der Fa. M... GmbH, der für die Erstellung eines Pflegegutachtens eine zeitliche Beanspruchung von ca. 2 bis 2,5 Stunden angegeben habe.

18

Der Beklagte beantragt,

19

unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 7. April 2011 die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er verteidigt das angefochtene Urteil und hält daran fest, dass durch seine Nebentätigkeit keine dienstlichen Interessen beeinträchtigt würden. Es bestehe insbesondere keine Verzahnung der Tätigkeitsbereiche, da er nicht in „derselben Angelegenheit“ wie das Gesundheitsamt des Beklagten tätig werde. Interessenkollisionen seien auch wegen des Grundsatzes des Nachranges der Sozialhilfe nicht zu erwarten. Zudem gehe es in seine Gutachten lediglich um die Frage der Einstufung, nicht aber um die Festlegung der sozialrechtlichen Pflegeleistungen. Selbst bei einer möglichen Einstufung der von ihm privat begutachteten Personen in die sog. Pflegestufe „Null“ habe das Sozialamt des Beklagten ohne Bindung an das Ergebnis seiner Begutachtung die freie Entscheidung, ob und in welchem Umfang es sozialhilferechtliche Leistungen erbringe. Eine für Außenstehende nicht erkennbare Vermengung von dienstlichen und außerdienstlichen Begutachtungen sei nicht zu befürchten, weil er sich zu Beginn der Nebentätigkeit den zu Begutachtenden vorstelle und ihnen gegenüber angebe, in welcher Funktion er tätig werde. Eine Interessenkollision sei auch nicht wegen einer Vorbefassung denkbar, weil er als Gutachter sowohl im Hauptamt als auch in seiner Nebentätigkeit allein der Wahrheit und dem Erkenntnisgewinn verpflichtet sei. Seine dienstliche Verwendung sei durch eine Vorbefassung mit der Angelegenheit im Rahmen der privaten Pflegekasse nicht erheblich eingeschränkt. Dies sei nach seiner Erinnerung in der Vergangenheit ohnehin nur insgesamt dreimal vorgekommen. Die vom Beklagten zugrunde gelegten Angaben für seine zeitliche Beanspruchung durch die Nebentätigkeit könnten in seinem Fall nicht herangezogen werden. Er brauche wegen stark rationalisierter Vorgehensweise (Verwendung von Textbausteinen etc.) erheblich weniger Zeit. Fahrtzeiten, die er für seine Besuche bei den Pflegebedürftigen in ihrer Wohnung oder einer Pflegeeinrichtung aufwende, seien bei der Ermittlung der zeitlichen Beanspruchung nicht einzurechnen.

23

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergeben sich aus den Schriftsätzen der Beteiligten, den beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten (1 Heft) sowie der Gerichtsakte in dem Verfahren 2 B 10642/11.OVG, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung hat Erfolg.

25

Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer uneingeschränkten Nebentätigkeitsgenehmigung. Die hierzu ergangenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

26

Der Beklagte hat dem Kläger die Genehmigung zur Erstellung von Pflegegutachten (Nrn. 4 und 5 seines Antrags vom 10. September 2010) zu Recht nur unter der Voraussetzung erteilt, dass diese Gutachtertätigkeit beschränkt auf Personen mit Wohnort außerhalb des räumlichen Zuständigkeitsbereiches des Landkreises A. ausgeübt wird. Denn durch die nicht im öffentlichen Interesse liegende Begutachtung von privat Versicherten im Gebiet des beklagten Landkreises können dienstliche Interessen im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Landesbeamtengesetz - LBG - beeinträchtigt werden. Dies hat der Senat im Einzelnen bereits in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 12. Juli 2011 (Az.: 2 B 10642/11.OVG) dargelegt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst verwiesen. Im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen des Beklagten ist ergänzend auszuführen:

27

Der Versagungsgrund der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen liegt vor, wenn durch die konkrete Ausübung der Nebentätigkeit eines Beamten die durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz) geschützten Interessen des öffentlichen Dienstes beeinträchtigt werden (vgl. BVerwGE 31, 241 [244]). Die vorliegend maßgebliche Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG listet hierzu, wie die Verwendung des Wortes „insbesondere“ deutlich macht, - nicht abschließend - verschiedene Versagungsgründe auf, bei deren Vorliegen der Dienstherr ohne Hinzutreten weiterer Gründe eine vom Beamten beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung ablehnen darf. Danach beeinträchtigt eine Nebentätigkeit, die nach Art und Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann (Nr. 1), die den Beamten in einen Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten bringen kann (Nr. 2), die in einer Angelegenheit ausgeübt wird, in der die Behörde, der der Beamte angehört, tätig wird oder tätig werden kann (Nr. 3), die die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten beeinflussen kann (Nr. 4) oder die zu einer wesentlichen Einschränkung der künftigen dienstlichen Verwendbarkeit des Beamten führen kann (Nr. 5) stets dienstliche Interessen. Ein Versagungsgrund liegt darüber hinaus auch dann vor, wenn sich die Nebentätigkeit wegen gewerbsmäßiger Dienst- oder Arbeitsleistung oder sonst nach Art, Umfang, Dauer oder Häufigkeit als Ausübung eines Zweitberufs darstellt (vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 LBG).

28

Nicht entschieden werden muss, ob die Nebentätigkeit nach ihrer Art und ihrem Umfang die Arbeitskraft des Klägers so stark in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LBG). Diese Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ist nach der Regelvermutung des § 73 Abs. 3 Satz 2 LBG schon dann gegeben, wenn die zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeit(en) einen Beamten mit mehr als einem Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beansprucht. Zwar erscheinen die vom Kläger in dem „Leistungsbuch“ (Anlage 6 zum Schriftsatz des Beklagten vom 5. August 2011, Bl. 105 GA) in Ansatz gebrachten Begutachtungszeiten nicht durchweg schlüssig, etwa bei den im Monat Januar 2010 durchgeführten drei Begutachtungen, für die der Kläger lediglich 159 Minuten aufgewendet, jedoch insgesamt 3.248,75 Euro erhalten haben will. Dies ist in Anbetracht der vom Kläger mitgeteilten Vergütungsstruktur der Fa. M..., die ausweislich seines Schreibens vom 16. April 2010 (Bl. 27 VA) zwischen 29,75 und 357 Euro liegt, nicht nachvollziehbar. Zum anderen sind die regelmäßig im Hause der Betroffenen bzw. in Pflegeheimen durchzuführenden Begutachtungen zwangsläufig mit – wegen des ländlichen Gepräges des Landkreises A. erheblichen – Fahrtzeiten verbunden. Entgegen der Auffassung des Klägers zählen diese Zeiten aber (wie bei Dienstreisen auch) zum zeitlichen Aufwand im Sinne des § 73 Abs. 3 Satz 2 LBG. Da sie von ihm in seiner Aufstellung nicht ausgewiesen sind, muss auch deshalb von einem wesentlich höheren zeitlichen Aufwand für seine im Einzugsbereich des Landkreises A. erfolgten Begutachtungen ausgegangen werden.

29

Ob damit insgesamt die Grenze des § 73 Abs. 3 Satz 2 LBG überschritten worden ist, braucht vorliegend jedoch nicht weiter ermittelt werden. Denn der vom Kläger begehrten Erteilung einer unbeschränkten Nebentätigkeitsgenehmigung stehen jedenfalls die – sich insofern überschneidenden – Versagungsgründe des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bis 4 LBG entgegen. Mit der Erstellung von Pflegegutachten über im Gebiet des Beklagten ansässige Personen nimmt der Kläger Angelegenheiten wahr, in denen seine Behörde, die Kreisverwaltung A., tätig wird bzw. werden kann (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LBG). Zugleich kann diese Befassung ihn als kommissarischen Leiter des Gesundheitsamtes in einen Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten bringen und damit seine Unparteilichkeit oder Unbefangenheit beeinflussen (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 4 LBG).

30

Wie die Formulierung des Gesetzes aufzeigt („kann“), greift das hierin enthaltene umfassende Verbot der Nebentätigkeit in Angelegenheiten im Tätigkeitsbereich der eigenen Behörde stark generalisierend ein und geht damit über das Vorfeld möglicher Interessenkonflikte oder auch nur ihres Anscheins hinaus. Diese Typisierung und Generalisierung geht zwar sehr weit, bleibt aber angesichts der besonderen Bedeutung einer ungeteilten und zweifelsfreien Loyalität der Beamten noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1990, Dok.Ber. 1990, 100; OVG RP, Urteil vom 2. April 1993, AS 26, 87; OVG NRW, Urteil vom 13. Oktober 1992, ZBR 1993, 339; Geis in: Fürst, GKÖD, Stand September 2011 § 65 BBG Rn. 47).

31

Eine „Besorgnis“ der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen im nebentätigkeitsrechtlichen Sinne ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berechtigt, wenn bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen wahrscheinlich ist, wenn mit anderen Worten ein vernünftiger Grund für die Annahme besteht, dass eine solche Beeinträchtigung voraussichtlich eintreten wird. Auch wenn die bloße – nicht auszuschließende – Möglichkeit, d. h. eine fernliegende Gefahr der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen, nicht ausreicht, so muss andererseits eine solche Beeinträchtigung nicht in absehbarer Zeit in hohem Maße wahrscheinlich sein (vgl. BVerwGE 40, 11 [16]; 60, 254 [257]). Das ist hier der Fall.

32

Ähnlich wie die Pflegeversicherungen, für die der Kläger privat tätig ist, erbringt auch der Beklagte als Sozialhilfeträger in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich Leistungen zur Pflege bei Krankheit oder Behinderung. Seine Aufgaben sind insoweit eng mit denjenigen der Pflegeversicherer verzahnt. Letztere stellen eine Grundsicherung im Bereich der Pflege bereit, welche der Beklagte als Träger der Sozialhilfe im Bedarfsfalle zu ergänzen oder sogar zu ersetzen hat. Es kann daher vorkommen, dass – neben der Pflegeversicherung – auch der Beklagte die Pflegebedürftigkeit einer Person oder jedenfalls eng damit zusammenhängende Fragen zu prüfen hat. Dies birgt die Gefahr von „Doppelbegutachtungen“ durch den Kläger, wenn dieser zuvor in demselben Fall bereits für die Pflegeversicherung tätig war. Außerdem kann hierdurch leicht der Anschein einer Vermengung von dienstlichen und außerdienstlichen Pflichten erweckt werden. Bei den Betroffenen, die mit den Unterschieden zwischen Pflegeversicherung und Sozialhilfe häufig nicht oder nicht hinreichend vertraut sind, kann der Eindruck entstehen, der Kläger werde auch im Rahmen seiner Nebentätigkeit als Amtsarzt für den Beklagten tätig. Eine entsprechende Klarstellung durch den Kläger in der Begutachtungssituation vermag hieran nicht in jedem Fall etwas zu ändern. Dies steht im Widerspruch zu § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LBG, der möglichen oder auch nur anscheinenden Interessenkonflikten bereits im Vorfeld entgegenwirken soll (vgl. hierzu im Einzelnen den Senatsbeschluss vom 11. Juli 2011, a.a.O.).

33

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegen halten, die Tätigkeitsbereiche des Beklagten und der Pflegeversicherungen seien im hier betroffenen Bereich durch § 62 SGB XII hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt bzw. wegen des Grundsatzes des Nachranges der Sozialhilfe könne keine doppelte Befassung entstehen. Zwar vermindert die in § 62 SGB XII angeordnete Bindung des Sozialhilfeträgers an Entscheidungen der Pflegekasse die Gefahr von „Doppelbegutachtungen“ durch den Kläger, weil sie den Beklagten in ihrem Geltungsbereich von eigenen Ermittlungen zum Ausmaß der Pflegebedürftigkeit entbindet. Beseitigen kann sie diese Gefahr jedoch nicht. Denn die Bindungswirkung des § 62 SGB XII ist lückenhaft. Sie tritt erst ein, wenn die Entscheidung der Pflegekasse bestandskräftig ist. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Beklagte als Sozialhilfeträger verpflichtet sein, zusätzliche eigene Ermittlungen zum Ausmaß der Pflegebedürftigkeit anzustellen. Gleiches gilt, wenn Änderungen des Pflegebedarfs eingetreten sind und die Pflegekasse nicht umgehend neu entscheidet.

34

Hinzu kommt, was der Senat gleichfalls bereits dargelegt hat (vgl. nochmals den Senatsbeschluss vom 11. Juli 2011, a.a.O.), der von vornherein beschränkte Anwendungsbereich des § 62 SGB XII, der nur die Entscheidungen gesetzlicher Pflegekassen, nicht aber solche privater Pflegeversicherungen erfasst. Bei Privatversicherten dürfte der Beklagte daher in aller Regel zu eigenen (zusätzlichen) Ermittlungen berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet sein, so dass auch hier „Doppelbegutachtungen“ durch den Kläger nicht auszuschließen sind.

35

Einer Nebentätigkeitsgenehmigung ohne Beschränkung auf Personen außerhalb des Landkreises A. steht zudem der Versagungsgrund des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LBG entgegen. Denn die Begutachtung von Personen mit Wohnsitz im Landkreis ist geeignet, den Kläger in einen Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten zu bringen und hierdurch seine Unparteilichkeit und Unbefangenheit zu beeinflussen. Durch seine für private Pflegeversicherungen erstatteten Gutachten nimmt der Kläger nicht selten die Entscheidung vorweg, ob die Pflegeversicherungen oder der Beklagte die Kosten der Pflege zu tragen haben: Ordnet er die zu begutachtende Person in die Pflegestufe „Eins“ oder höher ein, so hat die Pflegeversicherung einen Großteil der Pflegekosten zu zahlen. Kommt er hingegen zu dem Ergebnis, dass noch keine erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegt (sog. Pflegestufe „Null“), so fallen die Kosten unter Umständen dem Beklagten als Sozialhilfeträger zur Last. Dass der Kläger bei dieser Sachlage in einen Konflikt mit seinen Dienstpflichten, namentlich mit seiner Loyalitätspflicht gegenüber dem Beklagten geraten kann, liegt auf der Hand, zumal ihm nicht in jedem Fall verborgen bleiben wird, ob der Betroffene sozialhilfeberechtigt ist. Der Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe steht dieser Einschätzung nicht entgegen, weil auch dieser „Nachrang“ eine spätere Befassung des Gesundheitsamtes mit der Pflegebedürftigkeit einer vom Kläger zuvor im Rahmen seiner Nebentätigkeit begutachteten Person nicht ausschließt. Ohne Bedeutung ist des Weiteren, ob es sich um die Frage der Einstufung in die Pflegestufen oder um die Festlegung von Pflegeleistungen handelt. In dem einen wie dem anderen Fall sind der Kläger und damit das Gesundheitsamt mit „derselben“ Angelegenheit, nämlich der fachlichen bzw. medizinischen Beurteilung des Gesundheitszustandes einer pflegebedürftigen Person befasst.

36

Eine Genehmigung für die Begutachtung von Personen mit Wohnort im Gebiet des Beklagten war dem Kläger in diesem Zusammenhang auch deshalb zu versagen, weil dies gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 LBG zu einer wesentlichen Einschränkung seiner künftigen dienstlichen Verwendbarkeit führen kann. Wie bereits ausgeführt, kann es dazu kommen, dass der Kläger ein und dieselbe Person zunächst in seiner Nebentätigkeit und sodann dienstlich zu begutachten hat. Hierbei kann für den Betroffenen und für außenstehende Dritte der Eindruck entstehen, der Kläger sei aufgrund der ersten Begutachtung nicht mehr unvoreingenommen. Wenn der Kläger demgegenüber vorträgt, er würde Gutachten für das Sozialamt im Falle einer möglichen Doppelbefassung an einen Kollegen weitergeben, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Versagungsgrund des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 LBG kann hierdurch nicht relativiert werden. Der Dienstherr muss nicht hinnehmen, dass die dienstliche Verwendbarkeit eines Beamten durch dessen Nebentätigkeiten beeinträchtigt wird. Eine derartige Beeinträchtigung liegt – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht erst dann vor, wenn er aufgrund seiner Vorbefassung nicht mehr versetzt oder abgeordnet werden könnte. Es reicht vielmehr schon jede Einschränkung in der dienstlichen Verwendbarkeit des Klägers, die mit den Anforderungen seines Hauptamtes kollidiert.

37

Schließlich spricht auch viel dafür, dass sich die Erstellung von Pflegegutachten, die ausweislich des vom Kläger vorgelegten „Leistungsbuches“ ganz überwiegend für die Fa. M... GmbH erfolgt, nach ihrer Häufigkeit und der erzielten Vergütung als Ausübung eines Zweitberufs darstellt. Dies würde nach § 73 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 LBG einen weiteren Versagungsgrund darstellen. Indiziell ist hierfür bereits die Einlassung des Klägers in seinem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Dort begründete er die Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Gestattung seiner bisherigen Nebentätigkeit unter anderem mit dem Hinweis, die Beauftragung von Ärzten für die Erstellung von Pflegegutachten sei für seine Auftraggeberin – und damit auch für ihn – „ein laufendes Geschäft“ (vgl. Schriftsatz vom 18. Januar 2011, Bl. 5 der Gerichtsakte in dem Verfahren 2 B 10642/11.OVG). Hierdurch wird deutlich, dass es sich bei der Nebentätigkeit des Klägers um eine „gewerbsmäßige Dienstleistung“ im Sinne von § 73 Abs. 3 Satz 1 LBG handelt. Diese stellt sich zudem nicht nur nach ihrer danach offenbar werdenden Art, sondern – vor allem – auch aufgrund ihres Umfanges und ihrer Regelmäßigkeit mit rund 280 Gutachten, die über das gesamte Kalenderjahr verteilt erstellt werden, als Zweitberuf dar. Hinzu kommt die vom Kläger hierdurch erzielte Vergütung in Höhe von jährlich rund 48.000 Euro (in den Jahren 2009 und 2010), die in ihrer Gesamtheit an die von ihm im Hauptamt als Obermedizinalrat erzielten Bruttobezüge heranreicht (vgl. hierzu im Einzelnen das „Leistungsbuch“ des Klägers, Anlage 6 zum Schriftsatz des Beklagten vom 5. August 2011, Bl. 105 GA). Da – wie vorstehend dargestellt – aber bereits mehrere andere Versagungsgründe des § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG vorliegen, kann letztlich offen bleiben, ob eine Nebentätigkeit in dem vorstehend beschriebenen Umfang in wirtschaftlicher Hinsicht als Ausübung eines Zweitberufs anzusehen ist.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

39

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708, 709 Zivilprozessordnung.

40

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe in der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz genannten Art nicht vorliegen.

41

Beschluss

42

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und Nr. 10.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) auf 23.000 Euro festgesetzt. Maßgeblich hierfür ist der Jahresbetrag der bei Wegfall der angefochtenen Begrenzung erzielten Einkünfte aus der Nebentätigkeit (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 2. März 2011).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Landbeschaffungsgesetz - LBG | § 73


Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 65 Befreiung von Amtshandlungen


(1) Beamtinnen und Beamte sind von Amtshandlungen zu befreien, die sich gegen sie selbst oder Angehörige richten würden, zu deren Gunsten ihnen wegen familienrechtlicher Beziehungen im Strafverfahren das Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. (2) Ges

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Die Ermittlung des Pflegegrades erfolgt durch ein Begutachtungsinstrument nach Maßgabe des § 15 des Elften Buches. Die auf Grund des § 16 des Elften Buches erlassene Verordnung sowie die auf Grund des § 17 des Elften Buches erlassenen Richtlinien der

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

(1) Beamtinnen und Beamte sind von Amtshandlungen zu befreien, die sich gegen sie selbst oder Angehörige richten würden, zu deren Gunsten ihnen wegen familienrechtlicher Beziehungen im Strafverfahren das Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.

(2) Gesetzliche Vorschriften, nach denen Beamtinnen oder Beamte von einzelnen Amtshandlungen ausgeschlossen sind, bleiben unberührt.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Die Ermittlung des Pflegegrades erfolgt durch ein Begutachtungsinstrument nach Maßgabe des § 15 des Elften Buches. Die auf Grund des § 16 des Elften Buches erlassene Verordnung sowie die auf Grund des § 17 des Elften Buches erlassenen Richtlinien der Pflegekassen finden entsprechende Anwendung.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.