Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 26. Juli 2016 - 9 A 2141/13


Gericht
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Reihenhaus bebauten Grundstücks Gemarkung V. , Flur , Flurstück , mit der postalischen Bezeichnung R.------weg in P. .
3Der dem öffentlichen Verkehr gewidmete R.------weg verläuft mit seinem Hauptzug von der Kreuzung mit der C.---straße und der Straße Zum I. aus gesehen in südöstlicher Richtung. Das Grundstück der Kläger grenzt mit seinen beiden 8 m langen Schmalseiten an zwei jeweils etwa 45 m lange und 3 m breite, der Widmung nach dem Fußgängerverkehr vorbehaltene Stichwege an, die vom R.------weg abzweigen und von denen aus die nach Nordosten gestaffelten Baugrundstücke zugänglich sind; zum gartenseitig an das Grundstück der Kläger angrenzenden Stichweg besteht aufgrund einer ca. 1,20 m hohen Betonwand, die wegen eines Gefälles errichtet ist, allerdings kein Zugang. Die etwa 30 m lange Längsseite des Grundstücks verläuft parallel zum Hauptzug, an den es nicht unmittelbar angrenzt. Die Fahrbahn des R1.------wegs wird von der Beklagten gereinigt, wohingegen die Reinigung der Gehwege den Anliegern übertragen ist; Gleiches gilt für den Winterdienst.
4Zum 1. Januar 2013 änderte die Beklagte ihre Straßenreinigungs- und Gebührensatzung. Nach deren § 7 Abs. 3 Satz 1 ist als maßgebliche Frontlänge des Grundstücks nur die an den Hauptzug angrenzende bzw. dem Hauptzug zugewandte Seite zugrunde zu legen, wenn ein Grundstück über eine unselbstständige öffentliche Stichstraße oder einen unselbstständigen öffentlichen Stichweg erschlossen wird.
5Mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 11. Januar 2013 zog die Beklagte die Kläger für das Jahr 2013 u.a. zu Gebühren für die Straßenreinigung in Höhe von 26,40 Euro und für den Winterdienst in Höhe von 43,50 Euro (zusammen 69,90 Euro) heran, wobei sie nunmehr als Maßstab anders als in den Vorjahren nicht mehr eine Frontlänge von 8 m, sondern die Länge der dem Hauptzug zugewandten Längsseite von 30 m zugrundelegte.
6Dagegen haben die Kläger am 12. Februar 2013 Klage erhoben und zu deren Begründung vorgetragen: Die Finanzierung der Kosten für die Reinigung und Winterwartung eines Straßenabschnitts ohne Berücksichtigung der Anzahl der zu Gebühren veranlagten An- und Hinterlieger verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip. Im Übrigen bildeten Hauptzug und Stichweg hier eine Erschließungseinheit. Dem Gesetz nach dürfe in einem solchen Fall als Frontlänge nur die Seite der unmittelbaren Zugangsmöglichkeit zur Anwendung kommen. Es sei ermessensmissbräuchlich, nur für an Stichwegen gelegene Grundstücke zu regeln, dass diese mit ihrer dem Hauptzug zugewandten längeren Grundstücksseite veranlagt würden. Tatsächlich gebe es sowohl an Stichwegen als auch an den übrigen Straßen sowohl Grundstücke, die mit ihrer Schmalseite an diese grenzten oder ihr zugewandt seien, als auch Grundstücke, die mit ihrer Längsseite an diese grenzten oder ihr zugewandt seien. Durch die neue Satzungsregelung benachteilige die Beklagte die Eigentümer der an Stichwegen gelegenen Grundstücke im Vergleich zu den Eigentümern der an anderen Straßen gelegenen Grundstücke.
7Die Kläger haben beantragt,
8den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2013 aufzuheben, soweit sie mit diesem zu Gebühren für die Straßenreinigung und die Winterwartung auf der Grundlage von mehr als 8 Frontmetern herangezogen werden.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat darauf hingewiesen, dass die von ihr angewandte Satzungsregelung der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes (dort: § 6 Abs. 3 Satz 2) entspreche. Mit ihr werde eine Gleichbehandlung mit Anliegern privater unselbstständiger Stichwege erreicht, da bei diesen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nur die an den Hauptzug angrenzende bzw. zugewandte Seite als Frontlänge berücksichtigt werden dürfe.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil vom 2. August 2013, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen.
13Mit der vom Senat zugelassenen Berufung wenden sich die Kläger weiterhin gegen die Wirksamkeit der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 1 der Satzung. Sie sei willkürlich. Es gebe keine systematischen Merkmale von Grundstücken an Stichwegen, die sie von systematischen Merkmalen solcher an Hauptzügen unterschieden und die es plausibel erscheinen ließen, den streitigen Gebührenmaßstab anzulegen. Das Ziel einer Gleichbehandlung mit Anliegern privater Straßen könne die Regelung nicht rechtfertigen, weil nicht einzusehen sei, dass solche Grundstücke nicht auch mit den an den Privatweg angrenzenden Fronten veranlagt würden.
14Die Kläger beantragen,
15das angefochtene Urteil zu ändern und den Grundbesitzabgabenbescheid vom 11. Januar 2013 aufzuheben, soweit sie zu Gebühren für die Straßenreinigung und die Winterwartung auf der Grundlage von mehr als 8 Frontmetern herangezogen werden.
16Die Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
20Entscheidungsgründe:
21Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid über Grundbesitzabgaben vom 11. Januar 2013 ist hinsichtlich der Festsetzung der Gebühren für Straßenreinigung und Winterwartung rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22Die Kläger sind zu Recht nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 1 StrReinG NRW i.V.m. den §§ 6 bis 9 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Gemeinde P. (StrReinGS) in der hier maßgeblichen Fassung vom 12. Dezember 2012 hinsichtlich der Reinigung und des Winterdienstes unter Zugrundelegung einer Grundstücksseite von 30 m herangezogen worden.
231. Die Voraussetzungen der Gebührenerhebung sind dem Grunde nach gegeben. Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das durch den R.------weg, eine durch die Beklagte gereinigte öffentliche Straße, erschlossen wird (§ 6 Satz 1 StrReinGS i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 StrReinG NRW).
24Straßen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 StrReinG NRW, die Erschließungsfunktion haben können, sind die in § 1 Abs. 1 StrReinG NRW genannten, nach Maßgabe des Straßenrechts öffentlichen Straßen. Ohne Bedeutung ist für die Erschließungsfunktion, welcher Verkehrsart die betreffende Verkehrsfläche dient. Es können Straßen für den Kraftfahrzeugverkehr, aber auch solche Verkehrsflächen sein, die ausschließlich dem Fußgänger- oder Radfahrverkehr vorbehalten sind.
25Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht ist allerdings nur die Reinigung einer Teilstrecke (Teilfläche) des gemeindlichen Straßen- und Wegenetzes, die nach der Typik ihrer räumlichen Ausdehnung (Länge bzw. Fläche) mehrere Grundstücke des ortslageüblichen Zuschnitts erschließt oder erschließen könnte und als solche eigenständig ist, weil sie äußerlich erkennbar von den nächstgelegenen öffentlichen Verkehrsflächen abgesetzt und nach Verkehrsfunktion, Ausstattung, räumlichem Umfang und Ausbau von einigem Gewicht ist.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2016 – 9 A 2906/12 -, NWVBl. 2016, 302, juris Rn. 26 ff., m.w.N.
27Erschlossen ist ein Grundstück im Sinne der genannten Vorschrift von dieser gereinigten Straße, wenn von ihr rechtlich und tatsächlich für Fahrzeuge oder aber auch nur fußläufig eine Zugangsmöglichkeit zu dem betreffenden Grundstück besteht, die die Möglichkeit einer innerhalb geschlossener Ortslagen üblichen und sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung eröffnet.
28St. Rspr., vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2016 – 9 A 2906/12 -, NWVBl. 2016, 302, juris Rn. 29 ff., m.w.N.
29Aus dem vorstehenden Begriffsverständnis folgt konkret, dass die Gemeinde zwar die Reinigung einzelner abgrenzbarer Teilflächen einer öffentlichen Straße auf die Anlieger übertragen (etwa X-Straße bis Hausnummer Y oder X-Straße bis zur Kreuzung mit der L-Straße) oder einzelne Teilabschnitte von der öffentlichen Reinigung ausnehmen (X-Straße mit Ausnahme der Stichstraßen zwischen Hausnummer A und B) kann. Folgerichtig kann sie aber für diejenigen Grundstücke, die von dem nicht öffentlichen gereinigten Teil der Straße erschlossen werden, keine Straßenreinigungsgebühren erheben.
30Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 1989- 9 A 1718/88 -, NWVBl. 1991, 156.
31Das Grundstück der Kläger wird in diesem Sinne vom R.------weg erschlossen. Dem steht nicht entgegen, dass es einen unmittelbaren Zugang nur zu dem von dem Hauptzug abzweigenden, nicht städtisch gereinigten Stichweg an seiner Schmalseite hat. Denn der Stichweg ist keine selbstständige Erschließungsstraße im straßenreinigungsrechtlichen Sinne, sondern bildet gemeinsam mit dem öffentlich gereinigten Hauptzug des R1.------wegs eine einheitliche Straße, deren Fahrbahn insgesamt durch die Beklagte gereinigt wird.
32Nach dem Gesamteindruck, der sich vor allem aus dem vorliegenden Kartenmaterial ergibt, kommt diesem, ebenso wie auch dem parallel an der hinteren Grundstücksgrenze verlaufenden Stichweg nach seiner Verkehrsfunktion, Ausstattung, räumlichen Umfang und Ausbauzustand nicht das nötige Gewicht zu, um ihm selbst eine eigenständige Erschließungsfunktion im Sinne des § 3 Abs. 1 StrReinG NRW zusprechen zu können.
33Vgl. zur Eigenständigkeit eines öffentlichen Fußwegs OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 1989 - 9 A 1718/88 -, NWVBl. 1991, 156.
34Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass beide Stichwege weniger als 50 m lang sind, gerade verlaufen und infolge des Ausbauendes an ihren Nordseiten keine Verbindungsfunktion zu anderen privaten oder öffentlichen Straßen haben. Insofern erscheinen sie lediglich als Anhängsel und damit Bestandteil des Hauptzugs. Im Übrigen gibt der vorliegende Fall keinen Anlass zu einer weiteren Klärung, unter welchen Voraussetzungen ein öffentlich gewidmeter Fußweg im straßenreinigungsgebührenrechtlichen Sinne, der sich jedenfalls von dem straßenrechtlichen Begriffsverständnis in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StrWG NRW unterscheidet, als selbstständig anzusehen ist.
35Vgl. zur Unterbrechung des Erschließungszusammenhangs zu einer gereinigten öffentlichen Straße durch selbstständige private Zuwegungen: OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2016 – 9 A 2906/12 -, NWVBl. 2016, 302.
362. Die Gebührenfestsetzung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die insoweit maßgeblichen Regelungen der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Beklagten, die an eine Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes anknüpfen, sind jedenfalls für die hier in Rede stehende Fallgestaltung und unter Berücksichtigung der konkreten Situation in P. mit höherrangigem Recht vereinbar. Der festgesetzte Betrag ist auf dieser Grundlage zutreffend berechnet worden.
37a) § 7 Abs. 1 StrReinGS bestimmt als Ausgangsmaßstab für die Bemessung der Straßenreinigungsgebühr die Seiten des Grundstücks entlang der gereinigten Straße, durch die es erschlossen ist (Frontlängen nach Berechnungsmetern) und die nach Straßenart bestimmte Reinigungsklasse gemäß dem anliegenden Straßenverzeichnis. Nach Maßgabe von § 7 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 StrReinGS gelten als Frontlängen die an den Straßenverlauf angrenzenden sowie diesem zugewandten Seiten. Dabei sind zugewandte Fronten die Seiten und Abschnitte der Grundstücksbegrenzungslinie, die in gleichem Abstand oder in einem Winkel von weniger als 45 Grad zur Straßengrenze verlaufen. Danach zu berücksichtigende angrenzende und zugewandte Fronten sind zu addieren. § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS lautet: „Wird ein Grundstück über eine unselbstständige öffentliche Stichstraße oder einen unselbstständigen öffentlichen Stichweg erschlossen, ist nur die an den Hauptzug angrenzende bzw. dem Hauptzug zugewandte Seite zugrunde zu legen.“ Weitere, hier nicht einschlägige Modifikationen des Frontmetermaßstabs finden sich in § 7 Abs. 3 Sätze 3 und 4 StrReinGS für Wendehämmer, mehrfach erschlossene Grundstücke sowie abgeschrägte und abgerundete Grundstücksgrenzen.
38b) In Anwendung von § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS hat die Beklagte der Gebührenbemessung zu Recht eine Frontlänge von 30 m zugrundegelegt.
39Der modifizierte Frontmetermaßstab, wie er in den Regelungen des § 7 Abs. 1 und 2 StrReinGS zum Ausdruck kommt, ist als zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Bemessung der Straßenreinigungsgebühr anerkannt.
40St. Rspr., vgl. OVG NRW, Urteile vom 31. August 1989 – 9 A 469/87 –, OVGE 41, 224, und vom 23. Juli 2014 - 9 A 2119/12 -, NWVBl. 2015, 77.
41Die ausreichende sachliche Beziehung des Grundstücks zur Straße, die gereinigt wird, stellt grundsätzlich das "Angrenzen" an die Straße her, das in der Regel die Möglichkeit zur verkehrlichen und sonstigen Nutzung der Straße mit sich bringt. Dabei ist die als Bemessungsgrundlage gewählte Frontlänge der Anliegergrundstücke kein Kriterium, das die gebührenpflichtige "Kehrfläche" beschreibt, sondern dient als grundstücksbezogener Wahrscheinlichkeitsmaßstab lediglich der Bemessung des Vorteils eines Grundstücks aus der Reinigung der Straße, durch die es erschlossen wird. Die für das Gemeindegebiet ermittelten Frontmeter sind die Maßstabseinheiten, durch die die ansetzbaren Gesamtkosten der städtischen Straßenreinigung unter Berücksichtigung der jeweiligen Reinigungsklasse geteilt werden. Im Rahmen des ihm eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums kann der kommunale Satzungsgeber dem Umstand, dass die Leistungsfähigkeit des reinen Frontmetermaßstabs gerade bei Hinterliegergrundstücken auf Grenzen stößt, durch Modifikationen in Gestalt des sog. fiktiven Frontmetermaßstabes wie insbesondere des Projektionsverfahrens Rechnung tragen.
42Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2002– 9 B 16.02 -, NVwZ-RR 2002, 599.
43Die in § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung normierte Sonderregelung für „unselbstständige Stichstraßen und unselbstständige Stichwege“ ist der systematischen Stellung nach eher als weitere Modifikation des Frontmetermaßstabs zu verstehen. Sie entspricht für sich genommen § 6 Abs. 3 Satz 2 der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes NRW aus dem Jahr 2006, auch wenn sie - anders als dort - in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Anordnung steht, dass angrenzende und zugewandte Fronten zu addieren sind. Sie ist allerdings überwiegend rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Soweit sich die Regelung jedoch auf – hier allein in Rede stehende - Stichwege bezieht, hält sie einer rechtlichen Überprüfung jedenfalls dann Stand, wenn und solange – wie hier in P. – die Reinigung sämtlicher Gehwege in der Gemeinde den Anliegern übertragen ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
44§ 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS ist hinsichtlich der dort verwendeten Tatbestandsmerkmale Erschließung durch „eine unselbstständige öffentliche Stichstraße“ bzw. „einen unselbstständigen öffentlichen Stichweg“ auslegungsbedürftig, aber – noch – hinreichend bestimmt. Der Senat geht von folgendem Regelungsinhalt aus:
45Das Begriffspaar Straße/Weg, das anders als die Kategorien Fahrbahn und Gehweg nicht dem Straßenreinigungsgesetz NRW entnommen ist und auch kein Vorbild im Straßenrecht hat, weil nach § 2 Abs. 1 StrWG NRW Straßen in gleicher Weise wie Wege öffentliche Straßen sein können, soll dem umgangssprachlichen Wortsinn nach offensichtlich zwischen mit (Kraft-)Fahrzeugen befahrbaren „Straßen“ und bloßen (Rad-/Fuß-)Wegen differenzieren. Dabei drängt sich auf, dass mit Befahrbarkeit diejenige im Rechtssinne gemeint ist, d.h. die entsprechende Festlegung der Nutzungsart nach Maßgabe der straßenrechtlichen Widmung (vgl. § 6 Abs. 3 StrWG NRW). Die Kennzeichnung als Stichstraße bzw. Stichweg soll ersichtlich deutlich machen, dass diesen Verkehrsflächen keine Verbindungsfunktion zukommen darf, es sich also um Sackgassen handelt.
46Die Bestimmung des normativen Kriteriums „Unselbstständigkeit“, das nicht weiter definiert ist, aber schon der Fassung der Vorschrift nach in einem sachlichen Bezug zur Erschließung des Grundstücks steht, lässt sich allenfalls anhand der Fallgestaltungen vornehmen, unter denen die Unselbstständigkeit eines öffentlichen Weges als straßenreinigungsrechtliche Kategorie relevant sein kann. Unselbstständig sind Stichwege demnach dann, wenn ihnen nach Maßgabe der o.g. Kriterien keine eigenständige Erschließungsfunktion zukommt und sie deshalb bloß Abschnitte bzw. Teile derselben Straße im straßenreinigungsrechtlichen Sinne sind.
47Dies vorausgeschickt ist bei der rechtlichen Würdigung des § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS zwischen (befahrbaren) Stichstraßen (dazu aa) und (fußläufig begehbaren) Stichwegen (dazu bb) zu unterscheiden:
48aa) (1) Die Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal „unselbstständig“ ergibt in Bezug auf öffentlich gewidmete und nicht durch die Gemeinde gereinigte Stichstraßen bereits keinen Sinn.
49Nach den vorstehenden Ausführungen dürfen Grundstücke, die an dem Abschnitt einer Straße liegen, dessen Reinigung auf die Anlieger übertragen ist, schon dem Grunde nach nicht zu Straßenreinigungsgebühren für diese Straße herangezogen werden. Im straßenreinigungsrechtlichen Zusammenhang ist allein maßgeblich, ob der das Grundstück erschließende Abschnitt der öffentlichen Straße gereinigt wird. Auf eine Differenzierung nach den Merkmalen „selbstständig“ bzw. „unselbstständig“ kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Wenn die Stichstraße nicht von der Gemeinde gereinigt wird, besteht keine Gebührenpflicht. Wird die Stichstraße aber von der Gemeinde gereinigt, begründet das Angrenzen an die Stichstraße die Gebührenpflicht. Das an einen solchen Straßenabschnitt angrenzende Grundstück kann von vornherein nicht - ggf. zusätzlich - als vermeintlicher Hinterlieger zu einem anderen, gereinigten Teil oder Abschnitt der öffentlichen Straße veranlagt werden. Bereits aus diesem Grund trifft es für diese Fallgestaltung zu, dass ein Grundstück nicht zugleich Anlieger (auch sog. Vorderlieger) zu der einen Straße (hier: Straßenabschnitt) und Hinterlieger zu einer anderen Straße (hier: Abschnitt derselben Straße) sein kann.
50(2) Die § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS zu entnehmende Regelung, dass bei von einer gereinigten Stichstraße unmittelbar erschlossenen Grundstücken nicht auf die an die Stichstraße angrenzende, sondern ersatzweise an auf die dem Hauptzug zugewandte Seite abgestellt wird, ist unwirksam, weil der Satzungsgeber damit die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschreitet.
51Das Straßenreinigungsgesetz NRW enthält zwar keine ausdrücklichen Anforderungen an den Gebührenmaßstab, sondern verweist allgemein auf das Kommunalabgabengesetz und damit insbesondere auf die Bemessung nach dem Maß der Inanspruchnahme (§ 6 Abs. 3 KAG); allerdings ergibt sich aus § 3 Abs. 1 StrReinG NRW, dass der Maßstab eine Grundstücksbezogenheit als Anknüpfungspunkt der Vorteilsbeziehung aufweisen muss, die Aufschluss darüber gibt, welcher anteilige Vorteil dem jeweiligen Grundstück aus der Sauberhaltung der Erschließungsstraße erwächst. Wegen der Besonderheiten des Straßenreinigungsrechts kommt insoweit zudem nur ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der aber einen Bezug zur ersparten Reinigungsleistung durch den Eigentümer selbst haben muss, in Betracht. Im Rahmen dieser Grenzen hat der Satzungsgeber bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabs einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Der Maßstab darf allerdings nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Inanspruchnahme stehen, d.h. das Äquivalenzprinzip nicht verletzen, und muss im Übrigen dem Gleichheitsgebot genügen.
52Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 26. November 1980 – 2 A 1912/80 –, KStZ 1981, 150, und vom 31. August 1989 – 9 A 469/87 -, OVGE 41, 224; Schmidt, StGR 1992, 293, 300 f.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 15. März 2002– 9 B 16.02 -, NVwZ-RR 2002, 599, juris Rn. 5.
53Hinzunehmen sind aus Gründen der Praktikabilität auch Unterschiede infolge der Anwendung des Maßstabs, die objektiv nicht mit einem höheren Maß der Inanspruchnahme zu erklären sind, sondern an den Zufälligkeiten der Lage und des Zuschnitts der Grundstücke liegen (Lagegunst bzw. Lageungunst). Die sich daraus ergebenden Unzulänglichkeiten sind dem Frontmetermaßstab immanent und wegen der notwendigen Pauschalierung und Typisierung des Gebührenmaßstabes als Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Ermöglichung einer praktikablen Gebührenerhebung hinzunehmen. Die Gemeinden sind daher nicht verpflichtet, einen insofern möglichst gerechten Maßstab zu wählen.
54Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2002– 9 B 16.02 -, NVwZ-RR 2002, 599, juris Rn. 7.
55Sie sind aber auch nicht gehindert, modifizierende Regelungen zu finden, die solche Unregelmäßigkeiten des Maßstabs ausgleichen sollen; denn der weite Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers besteht im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich auch in Bezug darauf, welche Fälle gleich und welche ungleich behandelt werden sollen.
56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1981– 8 B 10.81 -, NJW 1981, 2314.
57Insbesondere bestehen keine Ansprüche einzelner Gebührenschuldner auf Beibehaltung von Ungerechtigkeiten des Frontmetermaßstabs, die sich für diese begünstigend auswirken.
58Der Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers ist aber mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG überschritten, wenn eine Ungleichbehandlung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist. Auch bei der Ausgestaltung des Frontmetermaßstabs ist demgemäß darauf zu achten, dass die Grenzen der Folgerichtigkeit bzw. der Systemgerechtigkeit nicht überschritten werden. Modifizierungen des Maßstabs müssen daher mit dem System des Frontmetermaßstabs vereinbar sein.
59Das ist hier nicht der Fall, soweit nach § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS ein an eine gereinigte öffentliche Stichstraße angrenzendes Grundstück nicht nach der Länge der an die Straße angrenzenden Seite, sondern ohne sachliche Rechtfertigung ersatzweise nach der Länge der dem Hauptzug zugewandten Seite veranlagt werden soll.
60Das System des Frontmetermaßstabs besteht in der Anknüpfung an die Länge der Grundstücksseite, die entlang der erschließenden Straße verläuft. Die Bildung fiktiver Frontlängen bei (Teil-)Hinterliegergrundstücken ist auf dieser Grundlage zulässig, soweit sie methodisch der hypothetischen Schaffung eines Angrenzerverhältnisses bzw. dessen Vervollständigung bei nur leicht von der Straßengrenze wegverspringenden Grundstücksbegrenzungslinien durch eine Parallelverschiebung bzw. Projektion der Grundstücksgrenzen an die Straße dient, um sie für die Veranlagung mit Grundstücken gleichzustellen, die mit einer vollen Grundstücksseite „entlang der Straße“ verlaufen. Es geht hierbei darum, eine ungefähre Vergleichbarkeit der Hinterlieger- mit den Anliegergrundstücken herzustellen, wenn gar keine reale Straßenfrontlänge existiert oder diese kein optimales Bemessungskriterium abgibt.
61BVerwG, Beschluss vom 15. März 2002– 9 B 16.02 -, NVwZ 2002, 599, juris Rn. 7.
62Es ist jedoch nicht Sinn der Bildung fiktiver Frontlängen, Grundstücke, die bereits mit einer Grundstücksseite – ggf. sogar vollständig - angrenzen und deshalb bereits Anliegergrundstücke sind, dergestalt „optimiert“ an die Besonderheiten von Straßenverläufen anzupassen, dass sie mit möglichst vielen oder möglichst langen Grundstücksseiten an die Straße angrenzen. Vielmehr ist bei der Handhabung des Frontmetermaßstabs der Grundsatz zu beachten, dass die Lagegunst bzw. Lageungunst des Grundstücks auch für den Satzungsgeber grundsätzlich hinzunehmen sind und im Rahmen der Heranziehung nach fiktiven Frontlängen nur insoweit davon abgewichen werden darf, als es zur Begründung bzw. „Komplettierung“ eines typischen Anliegerverhältnisses erforderlich ist. Deshalb bestimmt die Seite des Grundstücks, die an die gereinigte Straße angrenzt, zugleich den Straßenabschnitt, zu dem das Grundstück ggf. nach § 7 Abs. 2 StrReinGS mit (weiteren) zugewandten Fronten als (Teil-)Hinterliegergrundstück herangezogen wird. Zu anderen Teilen bzw. Abschnitten der Erschließungsstraße kann es grundsätzlich nicht gleichzeitig (Voll-)Hinterlieger sein. Dies ist im Fall von unselbstständigen Teilen einer Erschließungsanlage nicht anders als bei einem abknickenden bzw. gewundenen Straßenverlauf.
63Vgl. aber zum Sonderfall einer Ecklage zwischen zwei Straßenabschnitten OVG NRW, Urteil vom 28. September 1989 – 9 A 1974/87 -, NVwZ-RR 1990, 508 und im Übrigen zur sog. Doppelerschließung OVG NRW, Urteil vom 23. Juli 2014– 9 A 2119/12 -, NWVBl. 2015, 77.
64Die hier in Rede stehende Modifizierung des Frontmetermaßstabs durch § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS geht über die bloße Anknüpfung an die Lage(un-)gunst der Grundstücke hinaus, da nicht bloß eine ungefähre Vergleichbarkeit der Hinterlieger- mit den Anliegergrundstücken hergestellt wird, sondern trotz einer realen Straßenfrontlänge eine fiktives Angrenzerverhältnis unterstellt wird.
65Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, der die darin liegende Abweichung vom System des Frontmetermaßstabs hinreichend rechtfertigt. Eine solche sachliche Rechtfertigung eines Ersatzmaßstabs kann nicht in der alleinigen Überlegung bestehen, dass in bestimmten Sondersituationen Grundstücke „trotz deutlich längerer Seitenlängen vielfach und typischerweise über eine nur kurze gemeinsame Grenze“ mit der Straße verfügen. Denn damit würde nicht hinreichend beachtet, dass auch der Satzungsgeber die Lagegunst von nur wenig angrenzenden Grundstücken grundsätzlich hinzunehmen hat, etwa im Fall von nur mit der Schmalseite angrenzenden Reihenhausgrundstücken. Dies gilt für Anlieger- wie für Hinterliegergrundstücke.
66Vgl. auch OVG NRW Urteil vom 15. Dezember 1995 – 9 A 3499/95 -, ZKF 1996, 181.
67Das Ziel einer Maximierung von Frontmeterzahlen ist jedenfalls allein kein Grund, auf eine fiktive Frontlänge anstelle einer an die Straße angrenzenden Grundstücksseite abzustellen.
68Noch weniger kann im Übrigen hier der von der Beklagten angeführte Grund erheblich sein, die Anlieger öffentlicher Stichstraßen mit denjenigen gleichzustellen, die an private (unselbstständige, den Erschließungszusammenhang nicht unterbrechende) Zuwegungen angrenzen, weil Letztere stets nur mit der dem Hauptzug zugewandten Seite veranlagt werden. Hierdurch werden schon nicht gleichgelagerte Sachverhalte ungleich behandelt. Denn die Nichtberücksichtigung der Anliegersituation bei Privatwegen beruht darauf, dass sie überhaupt nicht eine öffentliche Straße angrenzen. Der modifizierte Frontmetermaßstab muss daher auf eine Lage entlang der gereinigten Straße abstellen und nicht vorrangig darauf, wie die räumliche Beziehung zwischen Hinterliegergrundstück und gereinigter Straße hergestellt wird.
69OVG NRW, Urteil vom 26. November 1980– 2 A 1912/80 -, KStZ 1981, 150.
70Nichts anderes gilt im Übrigen, wenn man in der hier in Rede stehenden Regelung nicht eine weitere Modifizierung des Frontmetermaßstabs, sondern eine den Gebührenpflichtigen begünstigende Regelung sieht, die die Summierung zugewandter Seiten einschränken soll. Ein solches Verständnis liegt offensichtlich der der hier in Rede stehenden Vorschrift zugrundeliegenden Regelung in der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes NRW aus dem Jahr 2006 zugrunde (dort § 6 Abs. 3 Satz 2). Dies ergibt sich zum einen aus der anderen systematischen Stellung, die unmittelbar an die Regelung zur Addition der zu berücksichtigen Frontseiten (§ 6 Abs. 3 Satz 1) anknüpft. Zum anderen folgt es aus den diesbezüglichen Erläuterungen, in denen es heißt: „Bei öffentlichen Stichstraßen und –wegen, die lediglich ein unselbstständiges Anhängsel des Hauptzuges sind, würde in der Praxis eine Addition der Frontlängen als ungerecht empfunden, so dass für ‚unselbstständige öffentliche Stichwege und –straßen‘ eine Ausnahmeregelung aufgenommen wurde“. Jedoch trifft bereits – wie oben dargelegt - die dieser Sichtweise zugrundeliegende Prämisse nicht zu, dass zusätzlich zu den durch das Angrenzen bestimmten Straßenabschnitt auch die weiteren Abschnitten zugewandten Grundstücksseiten zur Bestimmung der maßgeblichen Frontlänge berücksichtigt und addiert werden dürfen. Da das gerade nicht der Fall ist, darf die Gebührenbemessung auch nicht auf solche Seiten „beschränkt“ werden.
71bb) Die vorstehenden Erwägungen gelten allerdings nicht in gleicher Weise für den hier einschlägigen zweiten Anwendungsfall des § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS. Wird ein Grundstück von einem unselbstständigen öffentlichen Stichweg (Fußweg) erschlossen und steht allein die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren hinsichtlich der Fahrbahn des Hauptzugs in Rede, lässt sich die Berücksichtigung eines Ersatzmaßstabs sachlich rechtfertigen und ist auch sonst keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt.
72Zwar entspricht es dem System des Frontmetermaßstabs, wenn auch in einer solchen Konstellation für die Gebührenbemessung auf diejenige Grundstücksseite abgestellt wird, die entlang des Stichwegs verläuft. Weil der vom Hauptzug abzweigende, dem öffentlichen Verkehr gewidmete unselbstständige Stichweg wie der Hauptzug gleichwertiger Teil der zu reinigenden Straße ist, ist es grundsätzlich folgerichtig, auf diese Seite und nicht auf die dem Hauptzug zugewandte Seite abzustellen. Insofern bestimmt der Stichweg das Angrenzerverhältnis zur gesamten erschließenden Straße.
73So schon Schmidt, StGR 1992, 293, 301.
74Enthält die Gebührensatzung hinsichtlich der Gebührenbemessung keine Modifizierung des Frontmetermaßstabs des Inhalts wie in § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS, dann ist demgemäß als Frontlänge allein die an den Stichweg angrenzende bzw. diesem zugewandte Seite anzusehen.
75Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. August 1995 – 9 A 147/93 – n.v. und vom 18. März 1996– 9 A 3703/93 – n.v.
76Auch in diesem Fall ist das so unmittelbar von einer öffentlichen Straße erschlossene Grundstück nicht zugleich Hinterlieger zu einem anderen Abschnitt derselben öffentlichen Straße.
77Die für diesen Fall in § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS geregelte Modifizierung des Frontmetermaßstabs erweist sich indessen noch als systemgerecht und überschreitet nicht die dem Satzungsgeber gesetzten Grenzen. Die hiermit in Bezug auf die unselbstständigen Stichwege gefundene Lösung ist sachlich gerechtfertigt, weil mit dem Abstellen auf die dem Hauptzug zugewandte Seite der straßenreinigungsrelevante Vorteil wirklichkeitsnäher erfasst wird, den alle Grundstückseigentümer von der Reinigung der sie erschließenden Straße insgesamt haben.
78Dabei ist zu berücksichtigen, dass das System des Frontmetermaßstabs typischerweise auf eine in sich nicht weiter nach Fahrbahn und Gehweg differenzierte Erschließungsstraße bezogen ist, welche auch in dem gesamten Angrenzerverlauf gereinigt wird. Insoweit hat er regelmäßig zum Inhalt, dass die ermittelte Frontlänge, selbst wenn in sie zum Teil im Hinterland liegende Längen einbezogen werden, die konkrete Beziehung zu dem Reinigungsvorteil, den das Grundstück hat, ausdrückt. Weicht die Erschließungssituation wie vorliegend hiervon ab, weil der an das Grundstück angrenzende Straßenabschnitt gerade nicht gereinigt wird, steht es dem Satzungsgeber mit Blick auf sein weites Ermessen grundsätzlich frei, eine Modifizierung des Frontmetermaßstabs zu wählen, die den tatsächlichen Reinigungsvorteil stärker berücksichtigt. Auf diese Weise kann auch eine Gleichbehandlung mit den übrigen Anliegern der einheitlichen Erschließungsstraße erreicht werden, deren Grundstücke nicht durch Stichwege erschlossen werden, und die dem für alle gleichen, auf die Fahrbahn begrenzten Reinigungsvorteil entsprechend von vornherein mit der dem gereinigten Hauptzug zugewandten Seite veranlagt werden.
79Diese Wirkung, dass das Abstellen auf den Hauptzug vorteilsgerechter ist, gilt jedoch nur, wenn allein die Reinigung der Fahrbahn des Hauptzugs Gegenstand der Gebührenbemessung ist. Das setzt allerdings gegebenenfalls einen differenzierten Gebührensatz voraus, der zwischen der Fahrbahnreinigung und der Gehwegreinigung differenziert. Denn wird auch der Stichweg durch die Gemeinde gereinigt, kann nach den zuvor dargestellten Grundsätzen allein der Grundstücksverlauf entlang des Stichwegs im Rahmen des Frontmetermaßstabs zugrundegelegt werden. Ist seine Reinigung hingegen den Anliegern übertragen, können diese von vornherein hinsichtlich des Hauptzugs nur noch für die Reinigung der Fahrbahn in Anspruch genommen werden.
80Im vorliegenden Fall dient der nach § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS bemessene Gebührensatz allerdings schon deshalb allein der Abgeltung des aus der Reinigung der Fahrbahn des Hauptzugs herrührenden Vorteils, weil die Beklagte nach Maßgabe des Straßenverzeichnisses nach § 2 Abs. 1 StrReinGS den Anwohnern die Reinigung der Gehwege flächendeckend, d.h. für alle Straßen im Gemeindegebiet übertragen hat. Die Gebührensätze nach § 7 Abs. 4 und 5 StrReinGS beziehen sich daher ausschließlich auf die Reinigung bzw. Winterwartung der Fahrbahnen.
81cc) Ist nach alledem die Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS, soweit sie sich auf Stichstraßen bezieht, rechtsfehlerhaft, bewirkt dies weder die Gesamtnichtigkeit der Satzung noch die Nichtigkeit der hier für den Fall einer Erschließung über einen öffentlichen Stichweg einschlägigen Teilregelung in § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS.
82Die Frage, ob eine Teil- oder Gesamtnichtigkeit der Satzung vorliegt, bemisst sich unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB danach, ob - erstens - die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob - zweitens - hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann.
83Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2008– 9 B 40.08 -, NVwZ 2009, 255.
84Bei § 7 Abs. 3 Satz 1 StrReinGS handelt es sich um eine von der allgemeinen Regelung in § 7 Abs. 2 StrReinGS abweichende, einen Sonderfall regelnde Bestimmung. Fällt diese speziellere Modifikation des Frontmetermaßstabs weg, kann ohne weiteres wieder auf die allgemeinere und nach wie vor insoweit sinnvolle Regelung in § 7 Abs. 2 StrReinGS zurückgegriffen werden. Die Teilnichtigkeit der auf „unselbstständige Stichstraßen“ bezogenen Regelung führt auch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn bei Stichstraßen und Stichwegen handelt es sich gerade nicht um gleichgelagerte Fälle. Die Aufrechterhaltung entspricht auch ersichtlich dem hypothetischen Willen des Normgebers, weil dies insoweit nichts anderes bedeutet als die Wiederherstellung des Rechtszustands vor der Einfügung der streitigen Regelung. Es kann nicht angenommen werden, der Satzungsgeber habe die unveränderte Anwendung des § 7 Abs. 2 StrReinGS auf die Fälle der (gereinigten) Stichstraßen unbedingt ausschließen wollen; vielmehr war es angesichts der Übernahme der Empfehlungen des Städte- und Gemeindebundes sein offensichtliches, wenn auch verfehltes Ziel, die allgemeinere Regelung bloß zu „verbessern“. Im Übrigen kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es dem Willen des Satzungsgebers entspricht, die von ihm gefundene Regelung in dem weitest möglichen Umfang aufrechtzuerhalten.
85c) Die Höhe der festgesetzten Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren entspricht den Regelungen in den §§ 7 f. StrReinGS. Insbesondere hat die Beklagte der Gebührenbemessung nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht die dem Hauptzug zugewandte Seite mit einer Frontmeterlänge von 30 m zugrundegelegt und auf diese die in § 7 Abs. 4 StrReinGS geregelten Gebührensätze angewendet. Weitere Mängel der Satzung, insbesondere mit Blick auf § 6 Abs. 2 KAG, sind nicht gerügt und drängen sich auch nicht auf. Danach ist die Gebühr gegenüber den Klägern, die nach § 8 Abs. 1 StrReinGS als Grundstückseigentümer gesamtschuldnerisch gebührenpflichtig sind, für das Jahr 2013 zutreffend mit 69,90 Euro berechnet worden.
863. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
87Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
88Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
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Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.