Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 16. Jan. 2014 - 7 A 1776/13
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
3Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist nicht geeignet, die tragende Argumentation des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, das Vorhaben verstoße weder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme noch gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften des
4§ 6 BauO NRW oder des § 51 Abs. 7 BauO NRW.
5Der Einwand der Kläger, die erforderliche und vom Verwaltungsgericht unterlassene Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Grundstücke und deren Bebauung führe zur Annahme einer erdrückenden Wirkung, greift nicht durch.
6Im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände ist mit Blick auf Volumen, Stellung und Höhe des Vorhabens der Beigeladenen bzw. der Gebäude der Kläger keine „erdrückende Wirkung“ gegenüber dem Grundstück der Kläger anzunehmen. Eine solche Gesamtschau liegt der erstinstanzlichen Beurteilung zugrunde, in der auf die einschlägigen Grundsätze Bezug genommen wird.
7Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls ‑ und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 - 7 A 3199/08 -, BRS 76 Nr. 181 = BauR 2011, 248 und Beschlüsse vom 24. April 2012 - 7 B 242/12 -, und vom 6. Juni 2012 - 7 B 487/12 -.
9Eine solche Wirkung kann angesichts der Umstände des Einzelfalls nicht angenommen werden. Das Verwaltungsgericht ist nach erfolgter Ortsbesichtigung zutreffend davon ausgegangen, dass nach obigen Grundsätzen insbesondere mangels gravierender Höhen- und Breitenunterschiede zwischen dem geplanten Gebäude und dem Wohnhaus der Kläger die Annahme einer erdrückenden Wirkung offenkundig ausscheide. Dies gilt auch im Hinblick auf die sonstige Bebauungssituation des Grundstücks der Kläger in nördlicher, östlicher und südlicher Richtung. Im Norden grenzt das Grundstück an die S.---straße . Die gegenüber dem Grundstück der Kläger auf der nördlichen Seite der S.---straße befindliche Bebauung hält einen Abstand zum Gebäude der Kläger von ca. 12 m. Östlich des Grundstücks der Kläger beträgt der Abstand zum Nachbargebäude S.---straße 49 ca. 4,4 m. Südlich grenzt an das letzte Gebäude der Kläger der ca. 24 m lange und von Gebäuden freie Gartenbereich. Auch die Tatsache, dass die südlich an das Wohnhaus der Kläger angrenzenden Baulichkeiten eine geringere Höhe als dieses haben, führt zu keiner anderen Bewertung. Gerade im innerstädtischen Bereich ist eine unterschiedliche Bebauungshöhe im hinteren Grundstücksbereich nichts Ungewöhnliches. Aufgrund der durch die grenzständige Bebauung auf dem Grundstück der Kläger geprägten Grundstückssituation mussten diese auch mit einer entsprechenden Bebauung rechnen.
10Gegenüber den Klägern resultiert eine Rücksichtslosigkeit im Rechtssinne auch nicht aus der zu erwartenden Verschattung ihres Grundstücks. In einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet müssen Nachbarn hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 BauO NRW) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu einer gewissen Verschattung des eigenen Grundstücks bzw. von Wohnräumen kommt.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juni 2007 ‑ 7 A 3852/06 -, BRS 71 Nr. 127, und vom 9. Februar 2009 - 10 B 1713/08 -, BRS 74 Nr. 181.
12Hiervon ausgehend begründet der zu erwartende Schattenwurf kein Abwehrrecht gegen das streitige Bauvorhaben. Dass ein sehr schmal geschnittenes Grundstück ‑ wie das der Kläger - bei einer Verschattung durch Nachbargebäude relativ stark betroffen sein kann, beruht auf dem Grundstückszuschnitt und fällt grundsätzlich in die Risikosphäre des jeweiligen Eigentümers. Dass der nach Süden ausgerichtete Gartenbereich bereits am Nachmittag durch das Vorhaben unzumutbar verschattet werden könnte, ist angesichts der geringen Höhe der Tiefgarage nicht dargelegt. Ebenso ist angesichts der fehlenden Fensteröffnungen in der zum Grundstück der Beigeladenen ausgerichteten Giebelwand des Wohnhauses der Kläger nicht dargelegt, dass die Wohnräume der Kläger wegen des Vorhabens unzumutbar verdunkelt werden. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht festgestellt, dass der Lichteinfall in das nach Süden ausgerichtete Dachgeschossfenster nur für einen Teil des Tages beeinträchtigt wird und in den Morgen- und Mittagsstunden weiterhin eine Besonnung gegeben ist. Ebenso wenig führt die Beschränkung der freien Aussicht zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.
13Soweit die Kläger einen Verstoß gegen § 6 BauO NRW rügen, ist auch nach der von ihnen hierzu in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13. März 2009 - 10 A 1118/08 -, juris) die erstinstanzliche Wertung nicht zu beanstanden, dass eine hinreichende Anbausicherung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b) BauO NRW durch die grenzständige Bebauung auf dem Grundstück der Kläger vermittelt wird.
14Der Einwand der Kläger, die Nutzung der vier Tiefgaragenstellplätze beeinträchtige die ruhige Lage ihres Grundstückes massiv, begründet ebenfalls nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die Nutzung der vorgesehenen Tiefgarage zu unzumutbaren Störungen im Sinne von § 51 Abs. 7 BauO NRW,
15vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2011 ‑ 7 B 165/11 -, juris, und vom 17. Januar 2011 - 7 B 1506/10 -, juris,
16führen wird.
17Vorliegend befindet sich - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - die von der S.---straße abzweigende Tiefgaragenzufahrt an der vom Grundstück der Kläger abgewandten Westseite des Vorhabens. Das Gebäude der Beigeladenen schirmt somit die durch die Zu- und Abfahrten entstehenden Geräusche weitgehend ab. Dass die innerhalb der Tiefgarage stattfindenden Parkvorgänge zu unzumutbaren Beeinträchtigungen ihres Grundstücks führen könnten, haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt. Angesichts dieser Umstände rechtfertigt auch das Vorbringen der Kläger, dass ihre drei und fünf Jahre alten Kinder im „unmittelbaren Nahbereich zu den Tiefgaragenplätzen“ spielen, keine andere Beurteilung.
18Aus den vorstehenden Gründen liegen ebensowenig die von den Klägern des Weiteren behaupteten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren trägt diese selbst. Dies entspricht der Billigkeit, denn die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.