Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 05. Feb. 2019 - 4 A 274/19.A
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 22.11.2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
3Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.4.2018 – 4 A 869/16.A –, juris, Rn. 4 f., m. w. N.
4Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.4.2018 – 4 A 869/16.A –, juris, Rn. 6 f., m. w. N.
6Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die von den Klägern aufgeworfene Frage,
7ob Angehörigen der schiitischen Minderheit, welche bereits in Pakistan aufgrund ihrer schiitischen Glaubenszugehörigkeit bedroht wurden, im Falle einer Rückkehr nach Pakistan ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz droht,
8führt nicht zur Berufungszulassung. Die Kläger legen die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht schlüssig dar. Mit den Schilderungen zur Bedrohung vor der Ausreise aus Pakistan und zur fehlenden Existenzsicherungsmöglichkeit als Kosmetikverkäufer außerhalb von Karachi erschüttern sie nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, auch im Hinblick auf den subsidiären Schutz könnten die Kläger auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verwiesen werden. Sie könnten sich etwaigen Bedrohungen durch eine Flucht innerhalb Pakistans entziehen, der Kläger zu 1. sei auch in anderen Landesteilen Pakistans zur Sicherstellung des Lebensunterhalts seiner Familie in der Lage. Es besteht kein Anhalt dafür, dass schiitischen Rückkehrern nach Pakistan die Sicherstellung ihres Existenzminimums generell nicht möglich oder unzumutbar sein könnte. Insoweit benennen die Kläger bereits keine Erkenntnisquellen, aus denen sich eine generell fehlende Existenzsicherungsmöglichkeit für arbeitsfähige schiitische Rückkehrer ergeben könnte. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sondern obliegt aufgrund ihrer Darlegungslast gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG den Klägern, diejenigen Informationen aufzufinden und konkret zu benennen, die aus ihrer Sicht für die Beantwortung der von ihnen aufgeworfenen Frage von Bedeutung sind.
9Die von den Klägern der Sache nach geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind kein Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 AsylG. Andere Zulassungsgründe, insbesondere Verfahrensmängel, sind selbst sinngemäß nicht geltend gemacht. Dies gilt auch insoweit, als der Kläger die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zieht. Diese ist dem sachlichen Recht zuzuordnen und rechtfertigt von vornherein nicht die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.12.2018 ‒ 4 A 3890/18.A ‒, juris, Rn. 11 f., m. w. N.
11Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO und § 83b AsylG.
12Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 05. Feb. 2019 - 4 A 274/19.A
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 05. Feb. 2019 - 4 A 274/19.A
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 05. Feb. 2019 - 4 A 274/19.A zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 27.8.2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Minden wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
1Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
3Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.7.2018 – 4 A 2573/18.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.
4Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
5Vgl. OVG NRW, Beschuss vom 26.4.2018 – 4 A 869/16.A –, juris, Rn. 6 f., m. w. N.
6Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht.
7Der Kläger formuliert schon keine Rechts- oder Tatsachenfrage. Seinem Vorbringen zur Gefährdung durch einen Streit mit der Familie seines Onkels väterlicherseits ist auch sinngemäß keine fallübergreifende Frage zu entnehmen. Wenn man seinem Vorbringen zur von Mitgliedern der sunnitischen Mehrheit ausgehenden Gefährdung sinngemäß die Frage entnimmt, ob Schiiten in Pakistan einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, legt er deren grundsätzliche Bedeutung ebenfalls nicht dar. Es fehlt bereits an der fallbezogenen Auseinandersetzung mit den von Verwaltungsgericht Minden hierzu ausgewerteten Erkenntnisquellen. Der Kläger zeigt hinsichtlich dieser Frage auch sonst keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen, unter denen eine Gruppenverfolgung in Betracht kommt. Der Kläger legt auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür dar, dass diese Voraussetzungen in Bezug auf Schiiten in Pakistan erfüllt sein könnten. Für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
8Vgl. BVerwG, Urteile vom 18.7.2006 – 1 C 15.05 –, BVerwGE 126, 243 = juris, Rn. 20, und vom 21.4.2009 – 10 C 11.08 –, NVwZ 2009, 1237 = juris, Rn. 13.
9Für das Vorliegen einer solchen Verfolgungsdichte von Schiiten in Pakistan ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers Anhaltspunkte, noch liegt eine solche nach den Erkenntnissen des Senats vor.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.4.2018 – 4 A 869/16.A –, juris, Rn. 14 ff.
11Die vom Kläger der Sache nach geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind kein Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 AsylG. Andere Zulassungsgründe, insbesondere Verfahrensmängel, sind auch sinngemäß nicht geltend gemacht. Dies gilt auch insoweit, als der Kläger die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zieht. Diese ist dem sachlichen Recht zuzuordnen und rechtfertigt von vornherein nicht die Zulassung der Berufung.
12Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1.2.2010 – 10 B 21.09 u. a. –, juris, Rn. 13, m. w. N., und vom 2.11.1995 – 9 B 710.94 –, NVwZ-RR 1996, 359 = juris, Rn. 5.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.
14Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.