Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 11. Aug. 2015 - 12 A 1350/14
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger im Schuljahr 2013/2014 Eingliederungshilfe in Gestalt eines Integrationshelfers zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen mit Ausnahme der Kosten des beigeladenen Landes, das seine Kosten selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der im Oktober 2002 geborene Kläger begehrt Eingliederungshilfe nach jugendhilferechtlichen Vorschriften in Form eines Integrationshelfers für den Besuch der Gesamtschule T. in N. .
3Bei der Einschulung des Klägers wurde im Rahmen eines Verfahrens nach der Ausbildungsverordnung zur sonderpädagogischen Förderung (AO-SF) sonderpädagogischer Förderbedarf in den Bereichen emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen festgestellt. Während der Grundschulzeit wurde der Antragsteller integrativ an einer Regelgrundschule beschult. Der Förderbedarf im Bereich Lernen wurde nach dem ersten Schuljahr aufgehoben.
4Im Jahr 2010 wurde ein Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ICD-10: F.90.0) durch die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des LVR-Klinikums F. diagnostiziert (Arztbrief vom 15. Januar 2010). Durch diese Klinik wurde unter dem 17. Mai 2013 dann eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10: F90.0) festgestellt. Nach weiteren durchgeführten Testungen wurden im Arztbericht der Klinik vom 29. August 2013 als Diagnosen eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10: F90.0), Verdacht auf eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung (ICD-10: F92.0) und Verdacht auf eine Zwangserkrankung, vorwiegend Zwangsgedanken (ICD-10: F42.0) angegeben.
5Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 legte das Schulamt für die Stadt N. fest, dass der Förderbedarf in dem Bereich emotionale und soziale Entwicklung auch nach dem Wechsel auf eine weiterführende Schule bestehen bleibe. Da die Eltern die Fortsetzung des gemeinsamen Unterrichts für den Kläger wünschten, wurde er der Gesamtschule T. zugewiesen und die Eltern aufgefordert, ihn dort anzumelden. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
6Mit Schreiben vom 17. Juni 2013 wandten sich die Eltern des Klägers an das Schulamt und beantragten, ihren Sohn im gemeinsamen Unterricht an der Hauptschule „Im I. “ zu beschulen. Zur Begründung erklärten sie, sie machten sich angesichts einer Verschlechterung der schulischen Leistungen große Sorgen, dass bei dem Kläger in Zukunft erneut ein Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt Lernen festgestellt werde, und befürchteten, dass er zur Förderschule Lernen wechseln müsse, falls seine Schwierigkeiten im Lernen wieder größer würden. Bei einer Beschulung auf der Hauptschule „Im I. “ könne er dort, falls erforderlich, in die integrative Lerngruppe wechseln, ohne einen Schulwechsel vornehmen zu müssen. Auch könne die langjährige Erfahrung dieser Schule im Umgang mit behinderten Kindern womöglich ganz verhindern, dass es zur Feststellung des Förderschwerpunktes Lernen komme.
7Mit Schreiben vom 9. Juli 2013 lehnte das Schulamt für die Stadt N. den Antrag auf eine Beschulung des Klägers an der Hauptschule „Im I. “ ab und führte zur Begründung aus:
8„In N. bestand in diesem Jahr die Problematik, eine Vielzahl von Schülern im Gemeinsamen Unterricht bzw. in integrativen Lerngruppen der Sekundarstufe 1 versorgen zu müssen. Um hier eine vor allem den Schülern gerecht werdende Lösung zu finden, haben wir in einer Regionalkonferenz mit Vertretern des Schulträgers und mit den Dezernenten aller Schulformen einige Grundsatzentscheidungen getroffen wie die von Ihnen zitierte Lösung, dass an Schulen, die eine zieldifferente Gruppe mit lernbehinderten Schülern aufmachen, nicht zusätzlich Kinder mit Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung zugewiesen werden. Besonders die Hauptschule im I. geht dabei an die Grenze der Belastbarkeit. Wir sind der Überzeugung, so für die bestmögliche Förderung der Kinder sorgen zu können.
9Ihren Sohn E. haben wir aus diesem Grund der Gesamtschule T. zugewiesen. Ich sehe momentan leider keine Möglichkeit, von dieser Entscheidung abzuweichen. Die Gruppe von Kindern mit Förderbedarf ist in der Gesamtschule T. relativ klein, so dass ich davon ausgehe, dass man dort auch auf eventuelle Lernschwierigkeiten Ihres Sohnes angemessen reagieren kann. Dagegen sind die Aufnahmekapazitäten der Hauptschule I. erschöpft.“
10Nach Schulbeginn am 3. September 2013 wurde der Kläger dadurch sonderpädagogisch gefördert, dass die in erster Instanz als Zeugin vernommene Sonderpädagogin L. , die der Gesamtschule mit acht Stunden wöchentlich zugeteilt war, den Kläger drei Stunden wöchentlich betreute, wobei sie wegen eines anderen zu fördernden Kindes insgesamt mindestens sechs Stunden pro Woche in der Klasse des Klägers verbrachte.
11Auf Anraten der Schule wandten sich die Eltern des Klägers am 7. September 2013 an die Beklagte und stellten dann am 29. September 2013 einen formellen Antrag auf Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form eines Integrationshelfers zur Schulbegleitung. Zur Begründung führten sie aus, der Kläger benötige aufgrund seiner ADHS-Erkrankung Hilfe und Unterstützung im Schulalltag. Es falle ihm schwer, sich in der Schule zu konzentrieren und zu organisieren. In manchen Situationen fühle er sich überfordert und stelle die Arbeit ein. Er versuche wiederholt, sich über festgesetzte Regeln hinwegzusetzen, die Einhaltung von Regeln falle ihm schwer. Von einer kontinuierlichen Begleitung im Unterricht versprächen sie sich eine Verbesserung des Verhaltens sowie die Fähigkeit, die alltäglichen Aufgaben in der Schule mit der notwendigen Ruhe und Aufmerksamkeit erledigen zu können. Aktuell mache er eine Ergotherapie, außerdem werde er voraussichtlich im Dezember 2013 eine Verhaltenstherapie beginnen.
12In dem von der Beklagten daraufhin angeforderten Bericht der Gesamtschule T. vom 4. Oktober 2013 wurde zunächst angegeben, dass die Leistungen des Klägers in den meisten Fächern schwach seien, auch wenn eine Bewertung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorgenommen werden könne. Die Zuverlässigkeit des Klägers bei den Hausaufgaben wurde mit „mittel“ bewertet, die Konzentrationsfähigkeit, der Umgang mit Misserfolgen, das Zutrauen zur eigenen Leistungsfähigkeit, das Durchhaltevermögen, die Leistungsbereitschaft, die aktive Beteiligung am Unterricht, das Konfliktverhalten, der Umgang mit Regeln und die Integration in die Klasse wurden als „gering“ eingestuft. Weiter wurde dargelegt, dass bereits die Grundschule im 2. Halbjahr der Klasse 4 einen deutlichen Leistungsabfall verbunden mit zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kläger registriert habe und als Ursache die Angst vor der neuen Schulsituation gesehen worden sei. Zum Arbeits- und Sozialverhalten wurde ausgeführt:
13„E. hat erhebliche Schwierigkeiten, sich im großen System der Gesamtschule zu Recht zu finden. Er zeigt häufige Leistungsverweigerung in fast allen Fächern, arbeitet nur lustbetont und versucht regelmäßig, sich sämtlichen Anforderungen zu entziehen (‚Ich habe keine Lust‘, ‚Ich bin müde‘, ‚Ich hasse Mathe/Deutsch‘, ‚Ich habe Kopfschmerzen‘, etc.). E. verfügt nur über eine geringe Konzentrationsphase und baut im Laufe des Tages merklich ab. Hilfen nimmt er nur gelegentlich an und lässt sich trotz persönlicher Zuwendung häufig nicht zum Arbeiten motivieren. Eine Akzeptanz von Regeln im Schul- und Unterrichtsalltag, die seinen aktuellen Bedürfnissen widersprechen, zeigt E. nicht. Er diskutiert Regeln und deren Konsequenzen, ist wenig einsichtig und versucht, sich den Konsequenzen zu entziehen und eigene Maßstäbe zu setzen. Wenn andere Kinder etwas falsch machen, weist er energisch auf den Regelbruch hin. Seine Frustrationstoleranz ist sehr gering. E. kann seine Bedürfnisse nur schwer kontrollieren, ist sehr ungeduldig und schnell beleidigt, wenn er warten muss oder seinem Wunsch nicht nachgekommen wird. Werden ihm hier Grenzen gesetzt, reagiert er meistens mit Wutausbrüchen oder Weinkrämpfen. Oft ist er auch zutiefst verzweifelt, wenn er aufgrund eines kleineren Konflikts nicht nach Hause gehen darf. Häufig läuft er dann weg oder lässt sich nicht dazu bewegen, mit dem Lehrer zu kommen. An den Tagen, in denen keine Doppelbesetzung durch die Sonderpädagogin stattfindet, die sich in solchen Fällen um E. kümmert, können die Lehrer E. dann nicht mehr beaufsichtigen. Durch permanentes Reden, Rufen in die Klasse, häufiges Aufstehen, lautstarke Konflikte mit Mitschülern sowie Auseinandersetzungen mit Lehrern stört E. auch den Unterricht massiv. Für seine Mitschüler ist Dustins Verhalten nur schwer zu ertragen. Dass er aufgrund seines besonderen Förderbedarfs eine Sonderrolle in der Klasse hat (hohe Lehreraufmerksamkeit, Auszeit-Regel, Aufgabenreduzierung, etc.) ist für sie nicht nachvollziehbar.
14Im Sozialgefüge der Klasse ist E. ebenfalls überfordert. Er findet schlecht Anschluss an die neuen Mitschüler, hat häufig Konflikte, fühlt sich sehr schnell provoziert und sieht sich selbst als Mobbingopfer. Eigenes Fehlverhalten erkennt E. nicht; er beharrt darauf, dass die anderen Schüler etwas falsch gemacht haben und eine Strafe bekommen sollen. Übungen des sozialen Lernens in der Gruppe ist er nicht gewachsen. In Situationen, in denen er emotional ausgeglichen ist, kann er sich Mitschülern jedoch auch sehr einfühlsam gegenüber zeigen und über einen begrenzten Zeitraum freundlichen Kontakt zu ihnen haben.“
15Abschließend kommt die Schule zu dem Ergebnis, dass es dem Kläger ohne intensive Hilfe nicht gelingen könne, die vielfältigen Anforderungen des Schulalltags an der Gesamtschule zu bewältigen, was sich nachteilig auf seine gesamte Entwicklung auswirke. Er benötige solch enge und strukturierte, individuelle Begleitung, dass sie sowohl von den Klassen- und Fachlehrern als auch von der Sonderpädagogin, die nur 8 Stunden pro Woche an der Schule tätig sei, nicht geleistet werden könne. Ohne einen Integrationshelfer sei E. unter den gegebenen Bedingungen an der Gesamtschule T. ansonsten nicht adäquat zu beschulen.
16Die Sonderpädagogin L. wandte sich mit einer E-Mail am 17. November 2013 noch einmal an die Beklagte und legte dar, dass die schulische Situation für den Kläger nach wie vor extrem schwierig sei. Neben der Überforderung im Unterricht hinsichtlich Konzentration und Leistungsanforderungen, die regelmäßig zu Diskussionen mit den Lehrern führten, sei er vor allem ständig in massive Konflikte mit anderen Schülern verwickelt und erfordere ein Maß an Lehrerzuwendung, das nicht leistbar sei. Er habe aus diesem Grund vom Technikunterricht ausgeschlossen werden müssen, bis er eine Unterrichtsbegleitung habe. Da hier mit verschiedenen Werkzeugen gearbeitet werde, könne die Kollegin die Klasse nicht unbeaufsichtigt lassen, wenn der Kläger aufgrund von Konflikten mit anderen Schülern aneinander gerate oder den Raum verlasse. Ein Unterrichtsausschluss auch von anderen Fächern (z.B. Kunst) sei unter den Kollegen derzeit im Gespräch. Ebenso stelle sich die Frage, ob er täglich nur kurzbeschult werden könne, da durch sein Verhalten nicht nur die Klassensituation extrem beeinträchtigt werde, sondern auch er selbst sehr unter der Situation leide. Es gehe ihm derzeit an der Schule nicht gut, auch wenn es gute Stunden und Tage gebe. Es sei jedoch die Summe und Häufigkeit der verschiedenen Schwierigkeiten, die unter dem Strich weder für ihn noch für die Klasse tragbar sei.
17Bei einem Hausbesuch der Mitarbeiterin des Jugendamtes der Beklagten erklärten die Eltern, die Kläger habe seine Aktivität im Handballverein inzwischen eingestellt. Auch die Mitgliedschaft im Turnverein sowie im Leichtathletikverein sei aufgegeben worden. Insgesamt sei sein Kontakt zu anderen Kindern extrem schwierig, auch weil der Kläger ganz andere Interessen habe als andere Kinder in seinem Umfeld. Wenn er Gefallen an einem Thema gefunden habe, könne er sich sehr intensiv damit beschäftigen. Es falle ihm sehr schwer, sich einzufügen, insgesamt fordere er eine sehr hohe Aufmerksamkeit ein. Er benötige keine besondere Motivation, um zur Schule zu gehen. In der Klasse sei er jedoch nicht integriert, er habe das Gefühl, gemobbt zu werden. Der Kläger selbst gab an, er gehe nicht gern zur Schule und möge die Schule nicht. Dort werde er gemobbt, beleidigt und getreten. Zu ihm sei eigentlich keiner nett. Die Hausaufgaben seien ihm zu schwer, er brauche sehr lange dafür.
18Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers für den Schulbesuch ab. Beim Kläger lägen zwar die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII vor, er sei von einer seelischen Behinderung bedroht. Dies beruhe auf seiner unrealistischen Beurteilung von Situationen, insbesondere in der Schule. Diesem Bedarf werde jedoch bereits außerschulisch mit therapeutischen Maßnahmen begegnet. Die Unterstützung durch einen Integrationshelfer sei jedoch abzulehnen, weil dieser keinen positiven Einfluss auf die soziale Integration des Klägers nehmen könne. Er werde bereits im Bereich emotionale und soziale Entwicklung integrativ beschult. Darüber hinaus wiesen seine schulischen Leistungen ein derart geringes Niveau auf, dass aus der Sicht der Fachkräfte die derzeitige Schulform eine Überforderung darstelle. Es werde ein zeitnaher Wechsel auf eine Förderschule empfohlen, um dem Bedarf des Klägers adäquat zu begegnen.
19Der Kläger hat am 27. Januar 2014 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, dass sich im Schulalltag gezeigt habe, dass er an der Gesamtschule nicht ohne einen Integrationshelfer den Alltag meistern könne. Er könne zwar grundsätzlich den Schulstoff bewältigen, vermöge jedoch aufgrund seiner Erkrankung nicht lange genug stillzusitzen, sich auf Aufgabenstellungen zu konzentrieren, sich den Mobbingangriffen von Mitschülern während der Pausen zu widersetzen und entsprechend den Anforderungen im Klassenverband mitzuarbeiten.
20Außer beim Technikunterricht unterliege er auch Einschränkungen im Sportunterricht. So müsse er den Unterricht vorzeitig verlassen, damit er sich allein in der Umkleide umziehen könne, da er anderenfalls erheblichen Übergriffen ausgesetzt sei. Beim Wechsel zwischen Unterrichtsräumen oder Schulgebäuden habe er ebenfalls bereits sehr schlechte Erfahrungen mit Mitschülern gemacht. Er warte deshalb vor dem Schulgebäude, um mit dem jeweiligen Fachlehrer in das andere Gebäude zu gehen. Er habe große Angst davor, dass in der neuen Schule Gruppenarbeit oder Projektarbeiten angeordnet werden. Das habe schon in der Grundschule Ärger gegeben, obwohl der dortige Lehrer immer darauf geachtet habe, dass er eingebunden werde. Er habe immer Schwierigkeiten, Kinder zu finden, die bereit seien, überhaupt mit ihm zu arbeiten. Jetzt habe er außerdem Angst davor, dass kein Erwachsener ihn in eine Gruppe einteile und er ausgegrenzt werde.
21In der Klasse habe er bisher keinen Anschluss gefunden. In den Pausen werde er regelmäßig von anderen Schülern provoziert. Aufgrund eines zufälligen Besuchs in der Schule hätten die Eltern festgestellt, dass er seine Pausen im Büro neben dem der Schulsozialarbeiterin verbringe, damit er in Ruhe frühstücken könne und nicht den Angriffen anderer ausgesetzt sei.
22Seine Eltern hätten sich für ihn ja auch eine andere Schule gewünscht. An der Gesamtschule habe man ihnen den Eindruck vermittelt, dass man Problemkinder wie ihn dort nicht schätze und daher alles in die Wege leite, damit er die Schule wechseln müsse. Vor diesem Hintergrund und mangels einer Alternative – zumindest im Regelschulbereich – hätten dann seine Eltern für ihn den Integrationshelfer beantragt, da es letztlich nicht an den Leistungen der Lehrkräfte, sondern an einer Ansprechperson für ihn fehle, die auf seine besonderen Bedürfnisse eingehe.
23Wegen der Hänseleien seiner Klassenkameraden habe er in der letzten Zeit sehr zugenommen, da er fast nur noch allein zu Hause sei und den Kummer regelrecht in sich hineinfresse. Er sei verzweifelt und habe immer mehr Angst, überhaupt in die Schule zu gehen. Mit einem Erwachsenen an seiner Seite könne er wieder ruhiger und selbstsicherer agieren. Es sei ein typisches Tätigkeitsfeld für einen Integrationshelfer, sich vermittelnd und begleitend neben den Betroffenen zu stellen und ihm so die Möglichkeit zu geben, den Kontakt zu anderen auf der Basis dieser Vermittlungen neu zu gestalten. Letztlich sähen sich die Mitschüler, die ihn immer wieder hänselten, ärgerten und mobbten, durch das Verhalten der Schule bzw. des Lehrpersonals bekräftigt, die ihn von vielen Bereichen ausschlössen, obwohl er über eine normale Intelligenz verfüge und durchaus in der Lage sei, den schulischen Anforderungen zu genügen. Er stehe wegen der Aktionen seiner Mitschüler aber inzwischen so unter Druck, dass er nicht sein Potential ausschöpfen könne. Sein Hauptaugenmerk sei derzeit darauf gerichtet, nicht Opfer von Übergriffen anderer zu werden, nicht aus dem Unterricht ausgeschlossen zu sein und die Pausenzeit nicht auf einem Stuhl bei dem Sozialarbeiter der Schule zu verbringen.
24Soweit die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid die Empfehlung abgebe, dass er eine Förderschule besuchen solle, erschließe sich nicht, woraus dies abgeleitet werde. Die Lehrer der Grundschule, die ihn immerhin vier Jahre lang begleitet hätten, hätten ein anderes Urteil abgegeben. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang eine IQ-Testung der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie Dr. I1. und Dr. I2. aus N. vom 14. Februar 2014 vorgelegt, wonach er im HAWIK-IV Test einen Intelligenzquotienten von 95 erreichte.
25Der Kläger hat beantragt,
26die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. Dezember 2013 zu verpflichten, ihm entsprechend seinem Antrag Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII für den Einsatz bzw. durch den Einsatz eines Integrationshelfers für das Schuljahr 2013/2014 zu bewilligen.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hat vorgetragen, dass es dem Kläger selbstverständlich frei stehe, trotz der anderslautenden Empfehlung der Schule für eine Förderschule mit den Förderschwerpunkten „Lernen“ sowie „emotionale und soziale Entwicklung“ weiterhin eine integrative Schule zu besuchen. Entscheidend sei jedoch, dass die beantragte Unterstützung durch den Integrationshelfer im schulischen Kontext abzulehnen sei, weil ein Integrationshelfer keinen positiven Einfluss auf die soziale Integration des Klägers nehmen könne. Bei dem Antragsteller sei neben einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung vor allem eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung vorwiegend in Form von Zwangsgedanken diagnostiziert. Im Verlauf der integrativen Beschulung habe sich gezeigt, dass der Kläger einen kleineren Klassenverband mit dem Förderschwerpunkt „emotionale und soziale Entwicklung“ benötige. Zudem wiesen die schulischen Leistungen des Klägers derart große Defizite auf, dass aus Sicht der Fachkräfte die derzeitige Schulform eine Überforderung darstelle. Beide Problembereiche könnten nicht durch einen Integrationshelfer gelöst werden. Weder könne dieser den Bedarf des Klägers nach einem kleineren Klassenverband erfüllen noch könne es Aufgabe eines Integrationshelfers sein, das problematische Sozialverhalten des Klägers zu therapieren.
30Das beigeladene Land hat keinen Antrag gestellt.
31Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2014 Beweis erhoben durch die Vernehmung der an der Schule eingesetzten Sonderpädagogin L. . Für den Inhalt ihrer Aussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
32Mit angefochtenem Urteil vom 29. April 2014 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII vor, der Anspruch scheitere jedoch an dem in § 10 Abs. 1 SGB VIII normierten Vorrang der Schule. Aus dieser Vorschrift folge ein Nachrang der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gegenüber den von der Schule zu erbringenden Leistungen. Erst wenn die Beschulung des Kindes oder Jugendlichen im öffentlichen Schulsystem scheitere oder unmöglich sei, seien die Voraussetzungen für den nachrangigen Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII gegeben. Im vorliegenden Fall sei von einer vorrangigen Verpflichtung des öffentlichen Schulwesens für eine ordnungsgemäße Beschulung des Klägers auszugehen. Dabei sei zum einen maßgeblich, dass der Kläger – wie das Schulamt in dem Bescheid vom 9. Juli 2013 noch einmal klargestellt habe – der Gesamtschule T. wegen seines sonderpädagogischen Förderbedarfs zugewiesen worden sei und deshalb nicht ohne weiteres auf eine andere Schule wechseln könne, ohne dass ein entsprechender Änderungsbescheid des Schulamtes vorläge. Zum anderen beruhe die Feststellung des sonderpädagogischen Bedarfes gerade auf der beim Kläger diagnostizierten seelischen Behinderung. Das Jugendamt und in der Folge auch das Gericht seien daher an diese Entscheidung des Schulamtes gebunden. Der Kläger sei trotz der an dieser Schule auftretenden Probleme darauf zu verweisen, die erzieherischen Leistungen der Gesamtschule T. in Anspruch zu nehmen.
33Nach § 19 Abs. 1 SchulG NRW würden Schülerinnen und Schüler, die wegen ihrer seelischen Behinderung nicht am Unterricht einer allgemeinen Schule teilnehmen könnten, nach ihrem individuellen Bedarf sonderpädagogisch gefördert. Dies gelte auch, wenn – wie im vorliegenden Fall - die Eltern einen gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf wünschten. Denn nach § 20 Abs. 7 SchulG NRW könne die Schulaufsichtsbehörde gemeinsamen Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an einer allgemeinen Schule einrichten, wenn die Schule dafür personell und sächlich ausgestattet sei.
34Soweit die Schule nunmehr gegenüber den Eltern und der Beklagten darlege, der Kläger sei gerade wegen seiner seelischen Behinderung, die Anlass für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs gewesen sei, nur mit einer Integrationshilfe ordnungsgemäß zu beschulen, sei dem nicht zu folgen. Zwar habe auch die Zeugin L. in der mündlichen Verhandlung bekundet, die Struktur an der Gesamtschule T. sei nicht geeignet, für den Kläger eine ordnungsgemäße Beschulung bereit zu stellen. Eine den Behinderungen des Klägers angemessene Struktur an der Schule führe nach Auffassung der Zeugin dazu, dass er dort eine pädagogische 1:1-Betreuung benötige.
35Allerdings resultiere daraus noch kein Anspruch auf die Stellung eines Integrationshelfers durch das Jugendamt der Beklagten. Denn es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger vom Schulamt dieser Schule ausdrücklich wegen des Förderbedarfs zugewiesen worden sei und die Eltern daran gehindert worden seien, den Kläger an einer - ihrer Auffassung nach strukturell besser geeigneten - Schule anzumelden. Als das Schulamt für die Stadt N. den Kläger der Gesamtschule T. zugewiesen habe, sei diese Entscheidung in Kenntnis des sonderpädagogischen Bedarfs des Kindes und der Ausstattung der betreffenden Schule sowohl in struktureller als auch in pädagogischer Hinsicht ergangen. Sollte die Schule bzw. ihre Ausstattung mit pädagogischem Personal für den besonderen pädagogischen Bedarf des Klägers unzureichend sein, stelle dies im Hinblick auf den Anspruch des Klägers auf eine seinen individuellen Voraussetzungen angepasste Schulbildung keinen Grund dar, vom in § 10 Abs. 1 SGB VIII normierten Nachrang der Jugendhilfe abzurücken. Vielmehr sei es dann Aufgabe des beigeladenen Landes und des Schulträgers, eine der Schulpflicht des Klägers entsprechende angemessene Beschulung, die auch die Verpflichtungen aus der Behindertenrechtskonvention (vgl. § 24 BRK) berücksichtige, entweder durch die Wahl einer geeigneten Schule oder durch eine in pädagogischer Hinsicht angemessene personelle und bauliche Ausstattung der zugewiesenen Schule zu gewährleisten. Im Übrigen erscheine es weder pädagogisch noch rechtlich vertretbar, den Kläger durch die Zuweisung zu einer bestimmten Schule mit einem längeren Schulweg zu belasten, wenn diese Schule dann nicht in der Lage sei, seine behinderungsbedingten Ansprüche auf eine ordnungsgemäße Beschulung zu befriedigen.
36Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass § 8 der Verordnung zu § 93 Abs. 2 SchulG festlege, die Lehrer-Schüler-Relation betrage an Schulen mit dem Förderschwerpunkt emotionale Entwicklung 1 : 7,83. Der Auffassung des Vertreters des beigeladenen Landes in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe nur in diesem Umfang einen Anspruch auf besondere Förderung, der im vorliegenden Fall durch die für den Kläger und einen weiteren Mitschüler mit acht Wochenstunden abgeordnete Sonderpädagogin erfüllt werde, könne nicht gefolgt werden. Dabei könne dahinstehen, ob die in der Verordnung genannten Durchschnittswerte für die Lehrer-Schüler-Relation von 1 : 7,83 überhaupt anspruchsgerecht seien und dies durch empirische Studien untermauert werden könne. Jedenfalls begrenze ein festgelegter Durchschnittswert den individuellen Anspruch auf pädagogische Förderung nicht, sondern dieser Anspruch müsse – wenn, wie im vorliegenden Fall, die Förderung nur über umfassende Betreuung sichergestellt werden könne – dem Gesetz entsprechend erfüllt werden. § 93 SchulG regele nur die Personalkosten der Schulen, nicht aber die Ansprüche der einzelnen Schüler auf Unterricht. Wenn die Durchschnittswerte der Verordnung zu § 93 SchulG zugrunde gelegt würden, führe dies bei einer Zuweisung von nur zwei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu einer bestimmten Regelschule mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer nicht-bedarfsgerechten Ausstattung dieser Schule mit sonderpädagogischem Personal. Denn es liege in der Natur von Durchschnittswerten, dass sie eine größere Bandbreite von Einzelwerten abdeckten. Bei einer größeren Schülerzahl mit sonderpädagogischem Bedarf an einer Förderschule möge sich das ausgleichen, bei nur zwei Schülern sei dies eben nicht wahrscheinlich. Da §§ 2 Abs. 4, 19 Abs. 1 SchulG aber einen Anspruch auf individuelle Förderung gewährleisteten, sei das beigeladene Land bei der Zuweisung des Schülers zu einer bestimmten Schule verpflichtet, durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Verteilung der Sonderpädagogen auf die Schulen so zu gestalten, dass dieser Bedarf auch befriedigt werden könne.
37Dabei sei im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass die Eltern des Klägers schon unmittelbar nach dem Wechsel zur Gesamtschule T. von der Schule aufgefordert worden seien, bei der Beklagten einen Antrag auf einen Integrationshelfer zu stellen. Wenn die Schule nach nur vier Unterrichtstagen die Eltern zu einem derartigen Antrag auffordere, lasse dies nur den Schluss zu, dass das beigeladene Land offenbar von Anfang an beabsichtigt habe, die Beschulung des Klägers und den damit einhergehenden sonderpädagogischen Bedarf nicht mit eigenen Mitteln zu bewerkstelligen, sondern darauf gesetzt habe, dass das Jugendamt der Beklagten das notwendige pädagogische Personal dafür zur Verfügung stelle. Es sei aber nicht Aufgabe der Jugendhilfe, die von vornherein unzureichende Ausstattung der Schule und damit sehenden Auges in Kauf genommene Schwierigkeiten bei der Beschulung des Klägers mit pädagogischem Personal auszugleichen.
38Der gesetzlich festgelegte Nachrang der Jugendhilfe gegenüber den schulischen Verpflichtungen des beigeladenen Landes würde so faktisch unterlaufen, denn der festgestellte sonderpädagogische Bedarf des Klägers beruhe auf dem gleichen Umstand, nämlich seiner seelischen Behinderung, die auch Grundlage eines jugendhilferechtlichen Anspruchs wäre. Soweit die Eltern befürchteten, dass so auch die integrative Beschulung des Klägers effektiv unmöglich gemacht werden solle, ergebe sich daraus ebenfalls noch kein Anspruch auf Jugendhilfe. Der Kläger sei vielmehr darauf zu verweisen, seine Rechte gegenüber der Schule bzw. dem Schulamt durchzusetzen. Da der Bescheid vom 9. Juli 2013 nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen sei, sei dies zur Zeit noch rechtlich möglich. Es sei zudem nicht rechtlich aussichtslos, einen Anspruch auf eine bedarfsgerechte Ausstattung der Schule mit sonderpädagogischem Personal geltend zu machen.
39Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor, dass er zur Teilnahme am Unterricht ohne die Begleitung eines Integrationshelfers nicht in der Lage sei. Er leide nach wie vor unter der Schulsituation, dem Mobbing anderer Schüler und seiner eigenen Unzulänglichkeit, den Anforderungen der Lehrer ohne Unterstützung zu folgen. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es hier nicht um die Entscheidung politischer Verantwortlichkeiten und finanzieller Belastungen des Schulträgers oder der Beklagten gehe, sondern um ein behindertes Kind, das schnell und umfassend seinen Anspruch auf Eingliederungshilfe durchsetzen müsse.
40Es sei zutreffend, dass er sehr unruhig sei und sich schlecht konzentrieren könne. Dennoch würde er, so die Prognose der Fachleute, dem Schulstoff folgen können, wenn er die beantragte Begleitung hätte. Er benötige daher den Integrationshelfer zur Seite, der ihn an die Erledigung der Aufgaben erinnere, die Aufgabenstellung noch einmal im einzelnen mit ihm bespreche und durchgehe, darüber hinaus aber auch die Begleitung während der Unterrichtsstunden und in den Pausenzeiten sicherstelle. Er sei in den Schulalltag nicht ausreichend integriert. Dies würde durch die Begleitung eines Integrationshelfers voraussichtlich deutlich verbessert werden können, weil der Integrationshelfer ihm zur Seite stehen, ihn unterstützen könne, wenn er angemessen auf seine Mitschüler zugehe und reagiere, andererseits aber auch Mitschüler davon abhalten könne, ihn tätlich anzugehen und zu beschimpfen. Die typische Aufgabe des Integrationshelfers sei die Vermittlung zwischen den Fronten. Der Integrationshelfer könne daher nicht nur in den Schulstunden begleitend und als Hilfestellung fungieren, wenn er, der Kläger, mangels Konzentrationsfähigkeit dem Unterricht nicht zu folgen vermöge, er könne darüber hinaus auch in den Pausenzeiten seine, des Klägers, sozialen Kompetenzen fördern und stabilisieren. Der Integrationshelfer habe im vorliegenden Fall die Aufgabe, ihn während der Unterrichtszeiten hinsichtlich seiner unzureichenden Konzentration und Aufmerksamkeit zu unterstützen, um sich den Aufgabenstellungen der Lehrer widmen zu können. Er müsse ihm helfen, seinen Arbeitsplatz zu organisieren und ihn animieren, Informationen von der Tafel abzuschreiben, Aufgabenstellungen zu erfüllen, in Kleingruppen zu arbeiten und sich den Anforderungen des Lehrpersonals zu stellen. Bei all diesen Aufgaben handle es sich nicht um den Kernbereich der Aufgaben eines Lehrers. Die Sonderpädagogin, die in der Klasse stundenweise eingesetzt werde, könne nicht für seine ausreichende Integration in den Klassenverband Sorge tragen. Dies scheitere bereits an der zeitlichen Beschränkung ihrer Anwesenheit in seiner Klasse. Der erfolgreiche Schulbesuch sei nur durch eine 1-zu-1 - Betreuung während des Unterrichts und der Pausen möglich.
41Die Beklagte müsse einem verhaltensauffälligen Schüler einen Integrationshelfer zur Begleitung während des Schulunterrichts zur Verfügung stellen. Den Streit um die Kosten für Inklusion und die Umsetzung und Besetzung entsprechender Planstellen dürfe nicht auf Kosten der Kinder geführt werden. Organisatorische Mängel und unzureichende Personalausstattung der Schulen führten zu einer massiven Benachteiligung der behinderten Kinder, die sich hiergegen nicht zur Wehr setzen könnten. Diese Benachteiligung sei vorrangig zu beseitigen. Wenn dies zu finanziellen Belastungen der Gemeinden als Träger der Sozial- und Jugendhilfe führe, sei dies das geringere Übel, geholfen werde müsse in erster Linie den behinderten Kindern und Jugendlichen. Tatsächlich habe die Schule eine ausreichende sonderpädagogische Förderung in Form einer 1-zu-1-Betreuung während des gesamten Zeitraumes des Schuljahres nicht umsetzen können.
42Er, der Kläger, sei im Hinblick auf seine Schulpflicht auch weiterhin zur Schule gegangen. Aus dem Jahresendzeugnis der 5. Klasse ergebe sich, dass er kognitiv durchaus in der Lage sei, den Anforderungen der Schule zu folgen. (Nach dem vorgelegten Zeugnis hat der Kläger ein „gut“, acht „befriedigend“ und zwei „ausreichend“ erhalten.) Nach der Gerichtsverhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe sich zunächst das Verhalten der Sonderpädagogin, aber auch des Verhalten der der Klassenlehrer und anderer Fachlehrer geändert. Man habe deutlich mehr Aufmerksamkeit auf ihn gelegt, ihm geholfen und ihn unterstützt. Die so fast in jeder Stunde bestehende umfangreichere Betreuung und Berücksichtigung seiner Besonderheiten habe dazu geführt, dass er im Sommer ein eigentlich recht gutes Jahresendzeugnis gehabt habe. Seit dem 2. November 2014 sei die Sonderpädagogin aber nicht mehr in der Schule vor Ort. Derzeit werde er überhaupt nicht sonderpädagogisch betreut. Zwischenzeitlich schreibe er deutlich schlechtere Arbeiten, finde sich im Schulalltag nach wie vor nicht zurecht, habe Schwierigkeiten, sich in den Pausenzeiten und in den Stunden alleine und ohne entsprechende Anleitung eines Integrationshelfers zu bewähren. Die Umsetzung der Teilnahme am Unterricht und der Bewältigung der Pausenzeit werde ihm völlig unnötig erschwert. Ein Folgeantrag sei gestellt und im Hinblick auf das vorliegende Verfahren zurückgestellt worden. Weiter trägt der Kläger umfangreich zur Situation im Schuljahr 2014/2015 vor.
43Der Kläger beantragt,
44das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihm im Schuljahr 2013/2014 Eingliederungshilfe in Gestalt eines Integrationshelfers zu gewähren.
45Die Beklagte beantragt,
46die Berufung zurückzuweisen.
47Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt vor, dass das Verwaltungsgericht zu Recht dem Anspruch des Klägers den Nachrang der Kinder- und Jugendhilfe gemäß § 10 Abs. 1 SGB VIII entgegen gehalten habe. Die dem Bedarf des Klägers gerecht werdenden Maßnahmen gehörten zum Kernbereich der sonderpädagogischen Aufgaben der Schule. Dass der Kläger nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Schulträger bzw. das Schulamt verwiesen werden könne, da er seine Rechte erst noch durchsetzen und das Risiko eines Scheiterns tragen müsste, vermöge nicht zu überzeugen. Auch in dem vorliegenden Verfahren müsse der Kläger seine Rechte durchsetzen und trage das Prozessrisiko. Ebenso gut hätte er stattdessen das beigeladene Land verklagen können. Sie, die Beklagte, habe von Beginn an darauf hingewiesen, dass die vom Kläger geltend gemachte Hilfe nicht Aufgabe eines aus Mitteln der Jugendhilfe finanzierten Integrationshelfers sei, sondern durch den Schulträger sichergestellt werden müsse. Ein Rechtssatz, demzufolge die Jugendhilfe immer dann einzuspringen habe, wenn der Anspruchsinhaber seine Ansprüche gegenüber dem eigentlich Verpflichteten noch geltend machen müsse, existiere nicht.
48Eine Verweisung auf das öffentliche Schulsystem solle nur dann zulässig sein, wenn nach den konkreten Umstanden des Einzelfalls eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung stehe. Im vorliegenden Fall habe aber gerade das beigeladene Land durch die Entscheidung, den Kläger an einer Schule zu beschulen, die den sonderpädagogischen Bedarf des Klägers aufgrund ihrer mangelnden personellen Ausstattung nicht decken könne, dafür gesorgt, dass dort eine bedarfsgerechte Hilfe nicht möglich sei. Dass sich das beigeladene Land auf diese Weise den berechtigten Ansprüchen des Klägers entziehe, könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Anderenfalls könnte der Schulträger Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf stets bewusst an eine Schule mit mangelnder Personaldecke verweisen und so die Ansprüche auf eine bedarfsangemessene Beschulung auf die Jugendhilfe abwälzen. Da sowohl die Ausstattung der Schulen mit Sonderpädagogen als auch die Zuweisung der Schüler an eine bestimmte Schule in der Hand des Schulträgers lägen, könnte sich der Schulträger so jeglicher Ansprüche und seiner Verpflichtung, bedarfsdeckendes Personal einzusetzen, zu Lasten der Jugendhilfe entledigen.
49Soweit der Kläger ausführe, dass gerade der Wegfall der Sonderpädagogin nach den Herbstferien 2014 für ihn problematisch sei, zeige dies, dass nur die Ausstattung mit ausreichendem sonderpädagogischen Personal die Schwierigkeiten des Klägers beheben könne bzw. gerade das Fehlen ausreichender Sonderpädagogen die Situation des Klägers verschärfe. Die Stellung dieses Personals sei allein Aufgabe und Pflicht des beigeladenen Landes und könne nicht durch den Einsatz eines Integrationshelfers kompensiert werden. Der Kläger verkenne, dass die Entscheidung, auf welche Schule der Kläger verwiesen worden sei, nicht durch die Beklagte, sondern das Schulamt des beigeladenen Landes getroffen worden sei, folgerichtig müsse auch dieses sicherstellen, dass an der betreffenden Schule ausreichendes Personal zur Deckung des (sonder-) pädagogischen Bedarfs vorhanden sei. Der Kläger weise zu Recht auf seinen Anspruch auf integrative Beschulung hin; es sei ihm zuzumuten, diesen Anspruch gegen das beigeladene Land geltend zu machen.
50Das beigeladene Land stellt keinen Antrag.
51Das Ministerium für Schule und Wissenschaft als Vertreter des beigeladenen Landes bejaht einen Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Gestalt eines Integrationshelfers. Der Anspruch scheitere nicht am Nachrang der Jugendhilfe. Dieser könnte nur greifen, soweit diesbezüglich eine anderweitige rechtliche Verpflichtung bestehe, die zu verneinen sei. Das nordrhein-westfälische Schulrecht enthalte keine Anspruchsgrundlage gegen die Schulverwaltung auf Bereitstellung eines Integrationshelfers für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen. So bestimme § 92 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW ausdrücklich, dass die Kosten für die individuelle Betreuung und Begleitung einer Schülerin oder eines Schülers, durch die die Teilnahme am Unterricht in der allgemeinen Schule, der Förderschule oder der Schule für Kranke erst ermöglicht wird, ausdrücklich nicht zu den Schulkosten im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW gehören. Aufgrund dieser Bestimmung könne der Nachranggrundsatz außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit in Nordrhein-Westfalen nicht zum Tragen kommen.
52Entgegen der Ausführungen des Verwaltungsgerichts gebe es kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine bestimmte Lehrerausstattung und damit auf eine bestimmte Ausstattung der Schule mit sonderpädagogischem Personal. Der Anwendungsbereich für eine Geschäftsführung ohne Auftrag und hieraus folgende mögliche Erstattungsansprüche gegen das Land könnten aufgrund des oben Ausgeführten nicht gesehen werden. Das Unterstützungssystem für Schülerinnen und Schüler mit einer bestehenden oder einer drohenden Behinderung bestehe zum einen stets aus pädagogischen Maßnahmen in Verantwortung und Durchführung der Schulen - gegebenenfalls auch durch sonderpädagogische Maßnahmen -, zum anderen gegebenenfalls aus Eingliederungshilfeleistungen durch die zuständigen Träger der Sozial- und Jugendhilfe, wie zum Beispiel in Form von Integrationshilfen. Diese hätten im Rahmen der Umsetzung inklusiver Beschulung in Schulen eine große Bedeutung. Die wesentlichen Zielsetzungen dieser Integrationshilfen seien die individuelle Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in lebenspraktischen Bereichen sowie bei der Bewältigung der schulischen Anforderungen. Im Schuljahr 2014/2015 seien im Übrigen drei Lehrkräfte für Sonderpädagogik im Umfang von insgesamt 34 Wochenstunden an die Gesamtschule T. abgeordnet worden; sieben Stunden seien auf die Klasse des Klägers entfallen.
53Die Gesamtschule T. legt einen im Rahmen eines Folgeantrags des Klägers abgegebenen Schulbericht vor, der im wesentlichen die Angaben aus dem Bericht vom 4. Oktober 2013 wiederholt.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe:
56Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage des Klägers ist zulässig und begründet.
57Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass sich die im angegriffenen Bescheid vom 19. Dezember 2013 ausgesprochene Ablehnung des Integrationshelfers durch Zeitablauf erledigt hat. Wie sich bereits aus dem Klageantrag ergibt, ist streitgegenständlicher Anspruchszeitraum das Schuljahr 2013/2014 gewesen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass bei einem Rechtsstreit um die Gewährung von Jugendhilfe ebenso wie im Bereich der Sozialhilfe ein Hilfeanspruch grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Jugendhilfe den Hilfefall geregelt hat.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 - 5 C 30.93 -, juris, m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, juris.
59Das ist regelmäßig der Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung, eine - gegebenenfalls im Wege der Auslegung zu ermittelnde - Bewilligung (oder Ablehnung) für längere Zeitabschnitte ist aber nicht ausgeschlossen, sondern im Interesse der Effektivität der Hilfegewährung in besonders gelagerten Fällen unter Umständen sogar angezeigt.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 - 5 C 30.93 -, juris, Beschluss vom 17. Juni 1996 - 5 B 222.95 -, juris.
61Dabei liegt es nahe, die Zeitabschnitte, die zu einer weiteren Prüfung des Hilfebedarfs Anlass geben können und deshalb den Regelungszeitraum einer Bescheidung naturgemäß begrenzen, bei Hilfen, die - wie hier - mit der Schulbildung im Zusammenhang stehen, nach Schuljahren zu bestimmen.
62Vgl. etwa BayVGH, Urteil vom 18. Februar 2008
63- 12 B 06.1846 -, juris, m.w.N.
64Die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage ist damit unzulässig geworden, da eine Verpflichtung der Beklagten, für einen vergangenen Zeitraum, hier das Schuljahr 2013/2014, Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zu bewilligen, ins Leere liefe.
65Die Klage ist jedoch als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
66Vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 auf Verpflichtungsklagen etwa BVerwG, Urteile vom 25. August 1993 - 6 C 7.93 -, juris, und vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 -, juris.
67Das erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Diese ist zu bejahen, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. In Anbetracht des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist dabei nicht die Prognose erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden, wie dies vor Erledigung des Verwaltungsakts der Fall war. Für das Feststellungsinteresse ist vielmehr entscheidend, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 -, juris.
69Dies ist hier der Fall. Es besteht die hinreichend konkrete Gefahr, dass die Beklagte auch zukünftige Anträge des Klägers auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Gestalt eines Integrationshelfers für den Schulbesuch mit dem Verweis auf den Nachrang der Jugendhilfe nach § 10 Abs. 1 SGB VIII ablehnen wird. Dass sich die Situation des Klägers derart verändert hätte, dass einer zukünftigen Entscheidung etwa für das Schuljahr 2015/2016 wesentlich veränderte Umstände zugrunde liegen würden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
70Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2013 war rechtswidrig und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
71Der Kläger hatte im Anspruchszeitraum, dem Schuljahr 2013/2014, einen Anspruch auf die begehrte Eingliederungshilfe in Gestalt einen Integrationshelfers für den Schulbesuch.
72Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
731. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
742. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
75Im streitgegenständlichen Zeitraum lag eine Abweichung der seelischen Gesundheit des Klägers vom alterstypischen Zustand vor. Bereits im Jahr 2010 war beim Kläger ein Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ICD-10 F.90.0) durch die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des LVR-Klinikums F. diagnostiziert worden (Arztbrief vom 15. Januar 2010). Durch diese Klinik wurde unter dem 17. Mai 2013 dann eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10: F90.0) diagnostiziert. Nach weiteren durchgeführten Testungen wurden im Arztbericht der Klinik vom 29. August 2013 als Diagnosen eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (ICD-10: F90.0), Verdacht auf eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung (ICD-10: F92.0) und Verdacht auf eine Zwangserkrankung, vorwiegend Zwangsgedanken (ICD-10: F42.0) angegeben. Ungeachtet der Frage, ob eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung bereits eine Abweichung der seelischen Gesundheit bedeutet,
76vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris,
77ist bei einer Gesamtschau der Erkrankungen, die nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) zu den „Psychischen und Verhaltensstörungen“ gehören, jedenfalls vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII auszugehen.
78Durch dieses Krankheitsbild war im Anspruchszeitraum auch die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Die Einschätzung, ob eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, fällt in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
79Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 2011
80- 12 A 1168/11 -, juris, und vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris, jew. m.w.N.
81Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
82Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014
83- 12 A 659/14 -, juris; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m.w.N.
84Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
85Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, juris, vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, juris, und vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris, jew. m.w.N.
86Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris, m.w.N.
88Hiervon ausgehend lag im Anspruchszeitraum beim Kläger eine Teilhabebeeinträchtigung vor. Nach den Angaben im Schulbericht vom 4. Oktober 2013 zeigte der Kläger häufige Leistungsverweigerung in fast allen Fächern, arbeitete nur lustbetont und versuchte regelmäßig, sich sämtlichen Anforderungen zu entziehen, verfügte nur über eine geringe Konzentrationsphase und baute im Laufe des Tages merklich ab. Er hatte Schwierigkeiten, die Regeln im Schul- und Unterrichtsalltag zu akzeptieren und konnte seine Bedürfnisse nur schwer kontrollieren, reagierte auf Grenzziehungen mit Wutausbrüchen oder Weinkrämpfen und lief in solchen Situationen häufig weg. Durch permanentes Reden, Rufen in die Klasse, häufiges Aufstehen, lautstarke Konflikte mit Mitschülern sowie Auseinandersetzungen mit Lehrern störte er den Unterricht massiv. Im Sozialgefüge der Klasse war der Kläger ebenfalls überfordert, fand schlecht Anschluss, hatte häufig Konflikte, fühlte sich sehr schnell provoziert und sah sich selbst als Mobbingopfer. Nach eigenen, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch die Zeugin L. bestätigten Angaben, verbrachte er die Pausen allein innerhalb des Schulgebäudes. Vom Werkunterricht war er ausgeschlossen. Die Schwierigkeiten des Klägers sowohl im Bereich des Unterrichts als auch im Umgang mit seinen Klassenkameraden erreichten mithin ein Maß, das über Schulprobleme, die auch andere Schüler nach dem Übergang - wie hier - auf eine weiterführende Schule haben können, erheblich hinausreichte.
89Dabei spricht auch alles dafür, dass die von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ("und daher ihre Teilhabe... beeinträchtigt ist") vorausgesetzte kausale Verknüpfung zwischen seelischer Störung und Teilhabebeeinträchtigung gegeben ist; die psychischen Störungen des Klägers erscheinen jedenfalls als wesentliche Ursache der beschriebenen Problematik; andere Ursachen sind nicht ersichtlich, wobei es auch unschädlich wäre, wenn die störungsbedingten Probleme durch andere Faktoren verstärkt würden.
90Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2014
91- 12 B 870/14 -, juris.
92Bei der beantragten Eingliederungshilfe handelte es sich auch um eine geeignete und notwendige Hilfeleistung.
93Ein schulischer Integrationshelfer kann grundsätzlich eine Maßnahme i.S.d. § 35a SGB VIII sein. Nach § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Leistungen nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 sowie den §§ 54, 56 und 57 SGB XII, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden. Dementsprechend erhalten nach § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII seelisch behinderte Kinder Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII kann auf § 12 EinglHVO zurückgegriffen werden. § 12 EinglHVO nennt zwar nur noch Maßnahmen zugunsten körperlich oder geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, die Regelung enthält jedoch eine allgemeine Konkretisierung des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII. Mit diesem Inhalt ist sie kraft der Verweisung des § 35a Abs. 3 SGB VIII auch für seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen entsprechend anwendbar. Nach § 12 Nr. 1 EinglHVO gehören zu den Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII auch heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dies schließt alle Leistungen ein, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Eingliederung zu erreichen, d.h. die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mindern. Die Zurverfügungstellung einer Schulbegleitung bzw. Integrationshilfe fällt dabei unter den in § 12 Nr. 1 EinglHVO verwandten Begriff der "sonstige(n) Maßnahmen" zugunsten behinderter Kinder.
94Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, juris.
95Die begehrte Eingliederungshilfe in Gestalt eines Integrationshelfers für den Schulbesuch war auch im vorliegenden Einzelfall eine geeignete und notwendige Maßnahme. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Maßnahme der Jugendhilfe handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses. Dieses Ergebnis erhebt nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit, muss jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Dem Träger der Jugendhilfe steht ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden.
96Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 1999 - 5 C 24.98 -, juris, und vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Januar 2014 - 12 A 2470/13 -, juris, vom 22. Januar 2015 - 12 B 1483/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 28. Oktober 2014 - 12 ZB 13.2025 -, juris.
97Ein Anspruch auf die jeweils begehrte Hilfemaßnahme kommt daher nur in Betracht, wenn sich der Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der Hilfe auf eine oder mehrere gleichermaßen geeignete und notwendige Maßnahmen verengt hat - wobei das Wahlrecht des Hilfeempfängers nach § 36 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB VIII begrenzt sein kann - oder wenn die Antragstellerin sich die begehrte Maßnahme zulässigerweise selbst beschaffen darf.
98Vgl. BayVGH, Beschluss vom 31. März 2004 - 12 CE 03.3431 -, juris.
99Eine derartige Verengung des Beurteilungsspielraums lag hier vor. Die begehrte Hilfe durch einen Integrationshelfer war geeignet und notwendig, um dem Bedarf des Klägers abzuhelfen. Wie sich aus den Ausführungen des Klägers und der Schule im Verfahren ergibt, hatte der Kläger zum einen erhebliche Schwierigkeiten, im Unterricht, den er sehr häufig störte, angemessen mitzuarbeiten, zum anderen hatte er häufig Konflikte mit seinen Mitschülern und wurde in Pausen und bei anderen Gelegenheiten von diesen getrennt. Angesichts dessen bestand ein Bedarf des Klägers nach einer Betreuung durch einen Integrationshelfer. Dieser hätte etwa im Unterricht dem Kläger Unterstützung bieten können durch Motivierung zur Aufgabenerledigung, Hilfe bei Konzentrationsschwächen und Ablenkungen und Verhinderung von Störaktionen des Klägers sowie ggf. Vermittlung zwischen Kläger und Lehrkräften. Auch hätte ein Integrationshelfer die Teilhabe des Klägers im Hinblick auf die Integration in den Klassenverband fördern können. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 19. Dezember 2013 angegeben hat, ein Integrationshelfer könne keinen positiven Einfluss auf die soziale Integration des Klägers nehmen, bleibt diese Behauptung unbegründet und nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist anzunehmen, dass ein Integrationshelfer etwa auch Konfliktsituationen in den Pausen hätte verhindern oder jedenfalls entschärfen können, was die regelmäßige Trennung des Klägers von den Mitschülern in den Pausen und teilweise im Unterricht hätte vermeidbar machen können. Die Begleitung und Vermittlung in Konfliktsituationen hätte zudem auch die Interaktion des Klägers mit seinen Mitschülern verbessern und so zu seiner Integration in den Klassenverband beitragen können. Andere ebenso geeignete Hilfemaßnahmen sind nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 19. Dezember 2013 den Wechsel auf eine Förderschule empfohlen hat, handelt es sich hierbei um eine schulische, nicht um eine Jugendhilfemaßnahme. Der Verweis auf einen derartigen Wechsel konnte dem Anspruch des Klägers auf einen schulischen Integrationshelfer bereits deshalb nicht entgegen gehalten werden, weil der Förderort des Klägers mit Bescheid des Schulamtes vom 5. Februar 2013 nach § 19 Abs. 2 SchulG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung vom 5. Februar 2005 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 14 AO-SF in der damals geltenden Fassung vom 29. April 2005 (a.F.) verbindlich bestimmt worden und eine Änderung dieser Bestimmung - etwa im Wege eines Verfahrens nach § 15 Abs. 2 AO-SF a.F. - nicht ersichtlich war.
100Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2014 - 12 B 1249/14-, juris; siehe auch BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -, juris; Frese/Riehle, Behindertenrecht 2015, 106 (111).
101Die Frage, ob der Besuch einer bestimmten Schule die für ein behindertes Kind angemessene Schulbildung vermittelt, hat nicht der Träger der Eingliederungshilfe zu beurteilen; er ist daher auch mit dem Einwand ausgeschlossen, dass eine für den Regelschulbesuch erforderliche Schulbegleitung bei Besuch einer Förderschule entbehrlich würde.
102Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -, juris, und vom 26. Oktober 2007 - 5 C 35.06 -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2015 – L 2 SO 3641/13 -, juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 26. April 2012 – L 4 SO 297/11 B -, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. November 2010 - L 8 SO 193/08 -, juris.
103Der Kläger ist auch nicht auf Ansprüche gegenüber dem (Regel-)Schulsystem zu verweisen.
104Eine Spezialität in dem Sinne, dass eine schulische Förderleistung einschlägig ist, die einen Anspruch auf jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe ausschließen könnte, liegt nicht vor. Insbesondere ist die begehrte Eingliederungshilfe nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kernbereich der pädagogischen Arbeit des Lehrpersonals in der Schule betroffen gewesen wäre.
105Zum Kernbereich gehören dabei alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll.
106Vgl. BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 3. Juni 2013 - L 7 SO 1931/13 ER-B -, juris, und vom 18. Februar 2015 – L 2 SO 3641/13 -, juris.
107Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit ist dementsprechend nicht betroffen, wenn die als Leistung der Eingliederungshilfe begehrte Maßnahme lediglich dazu dienen soll, die eigentliche Arbeit der Lehrer abzusichern und mit die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, den erfolgreichen Schulbesuch zu ermöglichen.
108Siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
109- 5 C 21.11 -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2015 - L 2 SO 3641/13 -, juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 26. April 2012 - L 4 SO 297/11 B -, juris; DIJuF, Rechtsgutachten vom 6. August 2014, JAmt 2014, 452; Dillmann/ Wildanger, BehindertenR 2014, 113, 153 (156 f.).
110Bei dieser Absicherung der Arbeit des Lehrers werden naturgemäß auch (sonder-)pädagogische Aufgaben durch den Integrationshelfer zu übernehmen sein, etwa wenn es darum geht, die Konzentration auf den Unterricht sicherzustellen. Diese Aufgaben betreffen aber jedenfalls dann nicht den Kernbereich des pädagogischen Handelns des Lehrers, wenn die Vorgabe der Lerninhalte in der Hand des Lehrers bleibt und sich die Betreuungsleistungen des Integrationshelfers im Unterricht auf unterstützende Tätigkeiten bei der Umsetzung der Arbeitsaufträge des Lehrers beschränken.
111Vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - L 9 SO 429/13 B ER -, juris, und vom 28. April 2014 - L 12 SO 82/14 B -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 3. Juni 2013 - L 7 SO 1931/13 ER-B -, juris, und vom 18. Februar 2015 - L 2 SO 3641/13 -, juris.
112Ein Handeln im pädagogischen Kernbereich ist hingegen anzunehmen, wenn der Integrationshelfer sich nicht auf die unterstützende Umsetzung der vom Lehrpersonal vorgegebenen Arbeits- und Lernaufträge beschränkt, sondern die Wissensvermittlung und ihre Einübung selbst vornimmt.
113Vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28. April 2014 - L 12 SO 82/14 B -, juris.
114Nach diesen Grundsätzen betrafen die vom Kläger begehrten Unterstützungsleistungen durch einen Integrationshelfer nicht den Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrkräfte. Dies war zum einen eindeutig der Fall bei der Begleitung des Klägers in den Pausen und beim Wechsel zwischen den Unterrichtsräumen. Aber auch die Hilfeleistungen im Unterricht fielen nicht in den oben dargestellten Kernbereich. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die vom Integrationshelfer zu übernehmenden Aufgaben die Vermittlung der Lerninhalte an den Kläger umfassen sollten. Vielmehr ging es darum, dass die Schulbegleitung in erster Linie den Kläger im Unterricht zu Aufmerksamkeit und konzentrierter Aufgabenerledigung an- und von Störungen abhalten und damit die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrer absichern und mit die Rahmenbedingungen dafür schaffen sollte, dem Kläger erst den erfolgreichen Besuch der Schule zu ermöglichen.
115Dieser Beurteilung steht auch nicht die Aussage der in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts als Zeugin vernommenen Sonderpädagogin L. entgegen. Diese hat ausgeführt, dass der Kläger eine engmaschige Betreuung benötige und ein „immenser pädagogischer Betreuungsbedarf“ bestehe. Beim Kläger gebe es Konflikte auf allen Ebenen. Er sei sehr auf sich fixiert, es gebe Probleme, wenn nicht alles so laufe, wie er sich denke. Kontakte zu anderen Kindern seien problematisch, er reagiere diesen gegenüber oft völlig inadäquat Er werde auch geärgert, was in den Pausen durch die Schulsozialarbeiterin und die aufsichtführenden Lehrer nicht zu unterbinden gewesen sei. Im Werk- und Kunstunterricht habe das Problem bestanden, dass es einerseits zu Weinkrämpfen, andererseits zu Wutausbrüchen bis zum Weglaufen gekommen sei. Der Kläger sei auch auf andere Kinder losgegangen. Aufgrund der im Unterricht benutzten Werkzeuge erfordere der Unterricht eine besondere Aufmerksamkeit der Lehrerin, die so nicht der Situation mit dem Kläger gerecht werden könne. Eine Integrationshilfe könne die Situation deutlich entlasten, insbesondere im Sinne einer Krisenintervention. Ein nichtausgebildeter Integrationshelfer würde zwar eine Entspannung bedeuten, den Kläger allerdings nicht weiterbringen, da es an der pädagogischen Arbeit fehlen würde.
116Gerade in dieser Aussage zeigt sich deutlich, dass der Kläger Unterstützung durch den Integrationshelfer gerade nicht in den Bereichen der Vermittlung des Lehrstoffes und dessen Einübung benötigte, der Kernbereich der pädagogischen Arbeit des Lehrpersonals also nicht betroffen war.
117Ein Anspruch des Klägers auf einen Integrationshelfer zur Schulbegleitung war im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht wegen des Nachrangs der Jugendhilfe ausgeschlossen.
118Nach § 10 Abs. 1 SGB VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch dieses Buch nicht berührt. Darin ist der Grundsatz vom Nachrang der Jugendhilfe bzw. die allgemeine Subsidiarität jugendhilferechtlicher Leistungen gegenüber denen anderer Sozialleistungsträger und der Schulen verankert.
119Dieser Grundsatz kommt auch in der Formulierung des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 SGB XII zum Ausdruck, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, juris, m.w.N.
121Ob ein Nachrang des Jugendhilferechts – wie vom beigeladenen Land angenommen – bereits angesichts der Vorschrift des § 92 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW ausscheidet, nach der Kosten für die individuelle Betreuung und Begleitung einer Schülerin oder eines Schülers, durch die die Teilnahme am Unterricht in der allgemeinen Schule, der Förderschule oder der Schule für Kranke erst ermöglicht wird, nicht zu den Schulkosten gehören,
122vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2008 - 12 B 319/08 -, juris,
123kann offen bleiben. Es genügt jedenfalls für die Nachrangigkeit der Jugendhilfe nicht, dass eine anderweitige Verpflichtung überhaupt besteht. Vielmehr muss sich ein Kläger in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann auf das öffentliche Schulsystem verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht, d. h. präsent ist,
124vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; siehe auch HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris,
125beziehungsweise eine Verpflichtung des Schulsystems rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist.
126Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, juris.
127Andernfalls würde die Frage, ob der Schulträger hier zur Stellung eines auf die speziellen Bedürfnisse des Klägers zugeschnittenen Integrationshelfers verpflichtet ist, auf dem Rücken des seelisch behinderten Kindes ausgetragen.
128Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2011
129- 12 B 1182/11 -, juris.
130Vorliegend ist zum einen nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage der Kläger von der Schulverwaltung die Stellung eines Integrationshelfers verlangen sollte.
131Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2011
132– 12 B 1182/11 –, Rn. 18, juris.
133Der Kläger kann zum anderen nicht darauf verwiesen werden, dass die erforderliche Betreuung durch die sonderpädagogische Fachkraft zu leisten gewesen wäre. Diese stand im Anspruchszeitraum nicht bedarfsdeckend zur Verfügung, und es ist nicht ersichtlich, dass diese durch das Schulsystem rechtzeitig zu realisieren gewesen wäre. Im Schuljahr 2013/2014 war die Sonderpädagogin L. lediglich für acht Wochenstunden an der Gesamtschule des Klägers eingesetzt, von denen drei Stunden auf den Kläger und drei weitere auf ein anderes zu förderndes Kind in seiner Klasse entfielen. Angesichts dieser zeitlichen Beschränkung drängt sich auf, dass der Bedarf des Klägers, der nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen im Verfahren eine intensive Betreuung im Unterricht, möglichst 1:1, sowie Begleitung in den Pausen benötigte, nicht gedeckt wurde. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass der Kläger angibt, dass sich nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht das Verhalten der Sonderpädagogin, der Klassenlehrer und anderer Fachlehrer geändert habe, man ihm mehr geholfen und ihn unterstützt habe, so dass er ein „recht gutes“ Zeugnis bekommen habe. Zum einen betraf eine derartige Veränderung der Unterrichtssituation lediglich den Zeitraum vom 29. April 2014 bis zum Ferienbeginn am 7. Juli 2014, mithin einen Bruchteil des am 3. September 2013 begonnenen Schuljahres, zum anderen ist nicht ersichtlich, dass der gesamte Bedarf des Klägers hierdurch gedeckt worden wäre. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass sich die Situation hinsichtlich der fehlenden Integration des Klägers in den Klassenverband geändert hätte, etwa die Pausensituation verbessert und der Vereinzelung des Klägers entgegen gewirkt worden wäre. Angesichts der oben dargestellten Grundsätze reichte es demgegenüber für den Nachrang der Jugendhilfe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht aus, dass es rechtlich nicht aussichtslos gewesen sei, einen Anspruch auf eine bedarfsgerechte Ausstattung der Schule mit sonderpädagogischem Personal geltend zu machen.
134Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes für erstattungsfähig zu erklären, weil es keinen Antrag gestellt und sich damit nicht selbst am Kostenrisiko beteiligt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
135Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
136Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 11. Aug. 2015 - 12 A 1350/14
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(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen 11 K 1327/14 beim Verwal-tungsgericht Arnsberg anhängigen Hauptsacheverfahren Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form einer ABA-Therapie in dem aus dem Antrag der Mutter des Antragstellers vom 24. Oktober 2013 hervorgehenden Umfang zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, weil der Antragsteller mit seinem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung zugrundezulegenden Beschwerdevorbringen glaubhaft gemacht hat, dass die erneute Aufnahme einer bereits in der Vergangenheit mit Mitteln der Jugendhilfe finanzierten ABA (Applied Behavior Analysis)-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII bedarfsgerecht und unaufschiebbar ist.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies erfordert die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
4Wird mit der begehrten Regelung die Hauptsache vorweggenommen, gelten gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüs-se vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010
6- 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
7Überdies kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014
9- 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014
10- 12 B 1478/13 -, juris, vom 14. Juni 2012
11- 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011
12- 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010
13- 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
14Diese Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache liegen in beiderlei Hinsicht vor, soweit der Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer ABA-Therapie begehrt.
15Der Senat sieht es als hochgradig wahrscheinlich an, dass der Antragsteller die Bewilligung dieser Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII beanspruchen kann.
16Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
171. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
182. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
19Bei kumulativem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
20Nach Lage der Akten spricht zunächst deutlich Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller - unbeschadet der Frage des Vorliegens weiterer Diagnosen - jedenfalls am Asperger-Syndrom und damit an einer seelischen Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet. Das Asperger-Syndrom ist erstmals offenbar in 2005 und sodann über etliche Jahre hin mehrfach wiederholt für den Antragsteller fachärztlich diagnostiziert worden, so in der jüngeren Vergangenheit durch das Klinikum der K. X. H. -Universität G. (vgl. die Berichte vom 22. Dezember 2011 und vom 5. Juni 2012), den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013) und das krankenhaus I. (vgl. den Entlassungsbrief vom 12. September 2013 und den Bericht vom 10. Dezember 2013). Demgegenüber fällt bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht entscheidend ins Gewicht, dass die vereinzelt gebliebene - und mittlerweile auch schon vier Jahre zurückliegende - fachärztliche Einschätzung der Kinder- und Jugendklinik E. zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, zumal die seinerzeit durchgeführte Diagnostik zum Teil durchaus Hinweise auf das Vorliegen einer Störung aus dem Autismusspektrum erbracht hatte (vgl. S. 6 f. des Befundberichts vom 24. September 2010). Substantielle Einwendungen gegen die mutmaßliche Richtigkeit der Asperger-Diagnose, die - wie dargelegt - wiederholt bestätigt worden ist, hat der Antragsgegner nicht erhoben. Die vormals in dem unter dem Aktenzeichen F vor dem Amtsgericht M. geführten familiengerichtlichen Verfahren - allerdings ohne Darlegung eigener medizinischer Beurteilungskompetenz - artikulierten Bedenken des Antragsgegners gegen die Aussagekraft der aus den Jahren 2005/2006 stammenden ärztlichen Unterlagen (vgl. seine Stellungnahme vom 25. September 2012) sind schon angesichts der o. a. jüngeren Erkenntnisse als überholt anzusehen.
21Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist auch von einer durch die seelische Erkrankung hervorgerufenen Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers auszugehen.
22Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, an die § 35a Abs. 1 SGB VIII anknüpft, ist gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind oder den Jugendlichen betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Schule/Ausbildung und Freizeit (Freundes- bzw. Bekanntenkreis), wobei eine Störung der Teilhabe bereits dann vorliegt, wenn sich die Störung in einem der Lebensbereiche auswirkt.
23Vgl. ThürOVG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 3 EO 136/09 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. Juli 2012 - 12 ZB 11.1742 -, juris, und Urteil vom 23. Februar 2011 - 12 B 10.1331 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 7 K 623/12 -, juris; v. Koppenfels-Spies, jurisPK-SGB VIII, 1. Auflage 2014, § 35a Rn. 37; Wiesner, in: ders., SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 35a Rn. 19; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 11; Vondung, in: LPK-SGB VIII, 5. Auflage 2014, § 35a Rn. 19; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand VI/14, § 35a Rn. 29; Kunkel, JAmt 2007, 17 (18).
24Eine (zu erwartende) Beeinträchtigung der Teilhabe setzt voraus, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris.
26Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
27Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34, 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
28Dieser muss, weil er möglichst den gesamten Hilfebedarf abzudecken hat, der durch eine seelische Behinderung hervorgerufen wird, alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick nehmen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
30- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris.
31Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
33Ausgehend von diesen Grundsätzen spricht viel dafür, dass der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers zu Unrecht ausgeschlossen hat. Eine solche Beeinträchtigung, die beim Asperger-Autismus aufgrund des spezifischen Profils dieser seelischen Störung ohnehin nahe liegt,
34vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2013 - 7 B 11154/12 -, JAmt 2013, 213, juris,
35dürfte jedenfalls im Lebensbereich der Familie bestehen, mit dem sich der Antragsgegner in seinem Ablehnungsbescheid vom 17. April 2014 nicht konkret befasst hat.
36Dass der Antragsteller ein beträchtliches Aggressions- und Konfliktpotential aufweist, welches sich in auffälliger Weise im familiärem Umfeld gegenüber dem jüngeren Bruder D. und der Mutter Bahn bricht und eine adäquate Teilnahme am Familienleben massiv beeinträchtigt, ist aus einer Vielzahl von ärztlichen und pädagogischen Stellungnahmen in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners abzuleiten. Hervorzuheben sind in diesem Kontext die folgenden Passagen:
37- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2010: „Seit einiger Zeit ist aber vermehrt erkennbar, dass K1. zunehmend provokativ und abwehrendes Verhalten zeigt - sowohl seinem Bruder als auch seiner Mutter gegenüber.“ - „Die familiäre Situation ist weiterhin sehr angespannt. … Beide Kinder provozieren sich gegenseitig immer stärker, so dass bereits kleinere Situationen zur Eskalation führen können. Diese gegenseitige Abwehr führt häufig zu extremen Krisen.“
38- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2011:„K1. lebt seit Mai 2010 wieder bei seiner Mutter und seinem Bruder. Seitdem zeigt K1. zunehmend mehr Auffälligkeiten, vor allem durch seinen starken Macht- und Kontrollzwang. Er versucht immer wieder mit allem Mitteln die Oberhand zu behalten und vor allem gegenüber D. sich mit seinen Bedürfnissen durchzusetzen. Zunehmend gestaltete sich das Zusammenleben vor allem mit seinem Bruder sehr schwierig und ist kaum noch händelbar. … Jedoch ist er noch nicht dazu in der Lage, sich im normalen Familienleben zu integrieren und sich an familiäre Regeln und Grenzen zu halten. Außerhalb der Familie zeigt K1. wenig negatives Verhalten.“ - „Dies zeigt wieder sehr deutlich, dass er in belastenden oder überfordernden Situationen seine ‚Wut‘ gegen ihm vertraute Personen richtet. K1. hat gelernt, diese Situationen bewusst zu steuern, so dass er außerhalb der Familie nicht in negative Verhaltensweisen fällt. … Seine stark impulsgesteuerten Reaktionen (Schreien, Beschimpfen, Schlagen, etc.) kann und muss er schließlich im gewohnten, vertrauten Umfeld entladen, da er dem Druck nicht gewachsen ist.“ - „Insgesamt ist die familiäre Situation weiterhin sehr angespannt.“ - „Bereits im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass gemeinsame Zeiten (z. B. bei den Mahlzeiten) der Kinder in der Regel zur Eskalation führten. Häufig endeten gegenseitige Provokationen im gegenseitigen ‚Zerstören‘“.
39- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 22. Dezember 2011: „Im Vordergrund der Schwierigkeiten, die die Mutter schildert, steht weiterhin das sehr aggressive Verhalten zuhause, das offensichtlich schon im Vorschulalter zu einer stationären kinderpsychiatrischen Behandlung geführt hat. … Durch die Trennungssituation und den Sorgerechtsstreit mit dem Vater sowie auch den offensichtlichen Wegfall von externen Hilfen ist die Situation akut erneut eskaliert. … Im weiteren Verlauf verschlechterte sich das Verhalten von K1. zuhause, indem er sowohl die Mutter als auch den Bruder aggressiv anging, so dass eine zeitnahe Aufnahme auf die Kinderstation in unserer Klinik geplant wurde.“
40- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 5. Juni 2012: „K1. kommt mit seiner Mutter zur elektiven Aufnahme auf unsere Kinderstation. Es gebe zu Hause heftige aggressive Impulsdurchbrüche gegenüber dem jüngeren Bruder D. . Auslöser seien meist Kleinigkeiten. Seit D. Geburt seien die Impulsdurchbrüche ein Problem, jedoch hätten diese in den letzten Wochen zugenommen und auch eine andere Qualität erreicht. Zuletzt habe K1. dabei in einem Erregungszustand durch eine verschlossene Tür eine Heckenschere gerammt.“ - „Nachdem auf Station insgesamt wenig Problemverhalten - gerade auch in der Interaktion mit dem Bruder - beobachtet werden konnte, sehen wir die bestehenden Schwierigkeiten zu Hause vermutlich mit durch die familiäre Dynamik verstärkt, d. h. K1. scheint zu Hause zum einen auf den Bruder fokussiert zu sein, zum anderen spielt sicher auch die Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung des Bruders eine Rolle sowie die psychische Belastung der Mutter durch die Konflikte der Geschwister untereinander und den Scheidungskrieg mit gerichtlichen Auseinandersetzungen.“
41- Stellungnahme des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. vom 13. März 2013: „Die Mutter stellte K1. gemeinsam mit einer ABA-Co-Therapeutin zur weiteren Behandlung vor. K1. sei zu Hause vor allem zu seinem jüngeren Bruder D. extrem aggressiv, bereits aus Nichtigkeiten oder Handbewegungen entstünde Streit, wobei K1. seinen Bruder dann trete, schlage, von mehreren Erwachsenen habe festgehalten werden müssen. Er habe Einrichtungsgegenstände zerstört, müsse letztlich wegen dieser Konfliktsituation, unter welcher der Bruder massiv leide, ständig betreut und beaufsichtigt werden. Außerhalb der Familie könne er sich besser anpassen, …“ - „Psychopathologischer Befund: … Er (K1. ) konnte äußern, in dem Gespräch zu sein, ‚weil ich mich streite‘, auf Nachfrage gab er massive aggressive Übergriffe auf seinen jüngeren Bruder zu, konnte jedoch keine Ursache dafür nennen.“
42- Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013: „Die Mutter beschreibt, dass K1. nur im häuslichen Kontext oft sehr aggressiv-impulsiv reagiere. Seine impulsiven Reaktionen seien nicht immer vorhersehbar, teilweise raste er unberechenbar aus. Danach tue ihm sein Verhalten sehr leid. Zu diesen Impulsdurchbrüchen komme es, wenn er sich durch seinen jüngeren Bruder provoziert fühle, oder die Mutter Anforderungen oder Grenzsetzungen an ihn stelle. In anderen Kontexten wie Schule oder dem Fußballverein könne er sich gut kontrollieren, dort habe er gelernt, sich sehr gut anzupassen. K1. selbst beschreibt, dass er dort keine Wut verspüre. Zwischen den Geschwistern sei es auch zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen; als K1. erfahren habe, dass er hier aufgenommen werde, habe er regelrecht gewütet, Gegenstände zerstört und seine Mutter körperlich attackiert.“
43Das so gezeichnete Bild wird nicht durchgreifend dadurch in Frage gestellt, dass es maßgeblich auch auf Schilderungen der Mutter des Antragstellers zurückgeht. Deren Angaben erscheinen glaubhaft und werden nicht zuletzt durch die vorstehend zitierten Einlassungen der von der Lebenshilfe NRW eingesetzten Sozialpädagogischen Familienhilfe gestützt, die über einen eigenen profunden Einblick in die familiären Verhältnisse verfügte. Zweifel an der Richtigkeit des aus mütterlicher Perspektive beschriebenen Sachverhalts werden auch in den diversen ärztlichen Unterlagen nicht geäußert, wobei davon auszugehen ist, dass das Fachpersonal aus seinen praktischen Erfahrungen heraus durchaus in der Lage ist, Übertreibungstendenzen zu erkennen. Soweit das Jugendamt des Antragsgegners in seiner Stellungnahme an das Amtsgericht M. vom 25. September 2012 demgegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, die „Schilderungen über das aggressive Verhalten von K1. bzw. über die Geschwisterrivalität wirken überzogen“, ist keine konkrete Grundlage für diese Einschätzung aufgezeigt worden.
44Weiterhin ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII („und daher ihre Teilhabe … beeinträchtigt ist“) vorausgesetzte kausale Verknüpfung zwischen seelischer Störung und Teilhabebeeinträchtigung gegeben ist. Das Asperger-Syndrom des Antragstellers erscheint jedenfalls als wesentliche Ursache der beschriebenen Problematik, selbst wenn diese durch andere Faktoren (z. B. die Trennung und Scheidung der Eltern und die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung des Bruders) verstärkt wird. Dafür spricht schon der Umstand, dass die spezifisch auf Autismus zugeschnittene ABA-Therapie in dem Entlassungsbrief des Gemeinschaftskrankenhauses I. vom 12. Sep-tember 2013 als probates Mittel herausgestellt wurde, um den „familiären Krisensituationen“ zu begegnen (vgl. S. 4); auf gleicher Linie ist auch von dem Facharzt Dr. T. eine „Fortführung der erfolgreichen ABA-Therapie im häuslichen Umfeld“ für erforderlich erachtet worden (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013, S. 5).
45Vor diesem Hintergrund dürfte es an dem - aller Voraussicht nach bestehenden - Eingliederungsbedarf des Antragstellers und dessen Genese vorbei gehen, wenn der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung vom 8. August 2014 ausführt, die Einrichtung einer - hier mit Bescheid vom 17. April 2014 bewilligten - Sozialpädagogischen Familienhilfe sei die geeignete Hilfeform für die „häuslichen Erziehungsprobleme der Familie I1. “. Indem der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers wohl verkannt und seine Hilfeplanung auf Hilfe zur Erziehung eingeengt hat, deutet alles darauf hin, dass eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation verfehlt wurde.
46Es spricht auch nichts Greifbares gegen die Eignung und Erforderlichkeit der ABA-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe. Dass die Therapie bereits in der Vergangenheit mit Blick auf die Bedarfslage des Antragstellers erfolgreich gewirkt hat, wie aus diversen Berichten und Stellungnahmen hervorgeht, ist vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden; insofern erscheint auch unzweifelhaft, dass eine Neuaufnahme dieser Therapie aller Voraussicht nach den gleichen Positiveffekt haben wird. Andere, weniger aufwendige, aber gleichermaßen wirkungsvolle Maßnahmen sind nicht erkennbar. Der Senat geht davon aus, dass der entsprechend früherer Praxis beantragte Therapieumfang nicht unterschritten werden kann, ohne den gewünschten und zu erwartenden Erfolg zu gefährden, zumal andere Anbieter nach der Einführungsphase höhere Stundenkontingente ansetzen (vgl. Institut für Autismusforschung Hans E. Kehrer, Bremer Elterntrainingsprogramm, S. 7; http://ifa-bremen.de/bet-info2011_1.pdf) und der Antragsteller in der Vergangenheit auch in diesem Umfang therapiert worden ist.
47Schließlich steht auch zu befürchten, dass dem Antragsteller ohne die Fortführung der ABA-Therapie schwerwiegende und irreparable Nachteile drohen. Wirksame verhaltenssteuernde Maßnahmen zur Konfliktvermeidung und -bewältigung, die an dem Asperger-Syndrom ansetzen, erscheinen dringend geboten, um die schon seit geraumer Zeit schwer gestörte familiäre Lebenssituation zu verbessern und den Antragsteller zu einer adäquaten Teilhabe an einem friedvolleren Familienleben zu führen. Die bewilligte Sozialpädagogische Familienhilfe kann derartige Maßnahmen nicht ersetzen.
48Dass es neben der ABA-Therapie zwingend auch der weiter streitgegenständlichen „ambulanten Autismustherapie“ bedarf, um dem Eintritt von Nachteilen im vorgenannten Sinne vorzubeugen, hat der Antragsteller hingegen nicht glaubhaft gemacht, so dass es insoweit schon am notwendigen Anordnungsgrund fehlt. Die zugrundeliegende Formulierung im Antrag vom 24. Oktober 2013 („autismusspezifische Therapie mit Schwerpunkt ‚Soziales Kompetenztraining‘“) greift offenbar eine Empfehlung aus dem Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013 auf („Fortführung einer autismusspezifischen Therapie mit dem Schwerpunkt eines sozialen Kompetenztrainings“), ohne dass allerdings deutlich wird, inwieweit - über die ABA-Therapie hinaus - eine weitere an der Autismusproblematik ansetzende Behandlungsform geboten sein sollte. Das angesprochene Ziel einer sozial konformen Anpassung „eigener Verhaltensanteile“ dürfte gerade mittels der ABA-Thera-pie zu verfolgen sein. Auch ist weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen zu ersehen, dass schon in der Vergangenheit eine zusätzliche parallele Autismustherapie stattgefunden hätte, die nun gleichermaßen „fortgeführt“ werden könnte.
49Soweit die Frage einer Teilhabebeeinträchtigung im schulischen Bereich, der durch eine Schulbegleitung zu begegnen wäre, in Rede steht, spricht aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen Einiges gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs des Antragstellers. Ungeachtet dessen erweist es sich jedenfalls auf der Ebene des Anordnungsgrundes als tragfähig, wenn das Verwaltungsgericht bei der Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf das Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs verwiesen hat. Zumal nachdem jetzt durch Bescheid der Bezirksregierung B. vom 18. September 2014 ein solcher Förderbedarf des Antragstellers (erneut) festgestellt worden ist, besteht nach gegenwärtigem Sachstand keine hinreichende Grundlage dafür anzunehmen, dass der Antragsteller trotz der nunmehr einsetzenden sonderpädagogischen Förderung gravierende und nicht mehr ausgleichbare Nachteile zu gewärtigen hat, wenn er nicht zusätzlich eine schulbegleitende Integrationshilfe erhält. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Einsatz eines Integrationshelfers in dem Gutachten zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 22. Juli 2014 für „unumgänglich“ erachtet wurde, um dem Antragsteller einen „erfolgreichen Schulbesuch ermöglichen zu können“. Weder aus dem Gutachten noch aus anderen in Betracht kommenden Erkenntnisquellen erschließt sich konkret, weshalb es dem Antragsteller auch nur vorläufig nicht zuzumuten wäre, ohne die begehrte Schulbegleitung auszukommen. Schwerwiegende und akute Problemlagen, welche die sofortige Einrichtung einer schulischen Integrationshilfe selbst in Anbetracht der sonderpädagogischen Förderung und der im Gutachten aufgezeigten Möglichkeiten des behinderungsbedingten Nachteilsausgleichs unabdingbar erscheinen lassen könnten, sind nicht ansatzweise zu ersehen. Hinzu kommt, dass die nun aufzunehmende ABA-Therapie, selbst wenn sie zuvorderst an der innerfamiliären Problematik ansetzt, einen allgemeinen positiven Effekt auf problematische Verhaltensmuster des Antragstellers haben dürfte und damit auch gewisse Fortschritte im schulischen Bereich erhoffen lässt.
50Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Angesichts des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen erscheint eine hälftige Kostenverteilung angemessen.
51Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn er ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vermag zu greifen.
3Namentlich folgen aus dem Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Entscheidungsergebnisses i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag nicht in Frage zu stellen, dass nicht von einer Teilhabebeeinträchtigung des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII auszugehen ist, so dass die Leistung von Eingliederungshilfe in Form einer Lerntherapie jedenfalls deshalb nicht in Betracht kommt.
4Der am 1992 geborene Kläger war im Zeitpunkt des Begehrens um Weiterförderung bereits deutlich über 18 Jahre alt und fiel damit nicht mehr als Jugendlicher unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII. Deshalb konnte ihm § 35a SGB VIII allein keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe verschaffen, denn diese ist nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ausdrücklich Kindern oder Jugendlichen vorbehalten. Als junger Volljähriger i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII hätte der Kläger Eingliederungshilfe viel-mehr nur beanspruchen können, wenn sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35a Abs. 1 SGB VIII als auch die Anspruchsvoraussetzungen der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1 SGB VIII vorgelegen hätten und die Eingliederungshilfe i. S. v. § 41 Abs. 2 SGB VIII das geeignete und erforderliche Mittel der Wahl gewe-sen wäre, seinen Entwicklungsrückständen entgegenzuwirken.
5Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2014
6-12 E 512/14 -.
7Schon das Vorliegen einer therapiebedürftigen Verzögerung in der Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung findet in den zum Kläger angelegten Unterlagen der Jahre 2010 ff. keinen hinreichenden Anklang, ist aber weder von der Beklagten noch vom Verwaltungsgericht näher problematisiert worden.
8Anders verhält es sich mit der Teilhabebeeinträchtigung als zwingende Tatbestands-voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe. Zwar hat die Beklagte auf dieses Element der seelischen Behinderung im Verwaltungsverfahren nicht abgestellt und sich im Klageverfahren lediglich dahingehend eingelassen, dass die früher angestellten Diagnosen möglicherweise nicht mehr in vollem Umfang vorlägen und somit die leistungsrechtlich notwendigen Voraussetzungen weggefallen sein könnten. Das Verwaltungsgericht hat indes bereits mit Verfügung vom 7. Januar 2003 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es an der Darlegung einer Teilnahmebeeinträchtigung fehle, ohne dass die Klägerseite auf diesen Aspekt im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens auch nur annähernd eingegangen wäre.
9Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
10Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris; vom 28. Sep-tember 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, juris; vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, NVwZ-RR 2010, 59, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, jeweils m. w. N.
11Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
13- 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010
14- 12 1237/09 -; OVG Rhein-land-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07-, FEVS 58, 477.
15Vor diesem Hintergrund geben die Feststellungen in der fachärztlichen Stellungnahme des Jugendpsychiaters Dr. med. B. T. vom 19. August 2006 für den Anspruchszeitraum ab Mitte 2012 allein schon mangels der erforderlichen Aktualität nichts Hinreichendes mehr her. Hinzu kommt, dass zwar die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, jedoch in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst einmal in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fällt.
16Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34 und 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
17Anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich auch voll überprüfbar und besteht auf Seiten des Jugendamtes kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013
19- 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
20Mithin kann das Verwaltungsgericht bei einem Beurteilungsausfall auf Seiten der Behörde selbst über das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung entscheiden und
21- wie hier durch den rechtlichen Hinweis vom 7. Januar 2013 - zunächst von sich aus versuchen, die dazu notwendigen Informationen aus dem Lebensbereich des jungen Menschen zu erlangen. Die materiell-rechtliche Darlegungslast für das Vorliegen solcher Verhaltensmuster, die eine rechtsrelevante Teilhabebeeinträchtigung annehmen lassen können, verbleibt insoweit nämlich bei demjenigen, der Eingliederungshilfe beansprucht.
22Auch im Berufungszulassungsverfahren ist jedoch nichts zur sozialen Integration des Klägers in den Lebensbereichen Familie, Schule, Ausbildung und Freundeskreis/Ge-sellschaft vorgetragen worden. Der Kläger irrt, wenn er stattdessen dem Sinne nach geltend macht, die Beweislast liege bei der Beklagten. Ebenso wenig kommt es angesichts der Eigeninitiative des Verwaltungsgerichts darauf an, dass nicht schon die Beklagte von Amts wegen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Aufklärung des Sachverhalts mit Blick auf das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung versucht hat. Soweit der schon erstinstanzlich fachanwaltlich vertretene Kläger zudem be-haupten will, nicht gewusst zu haben, welche Tatsachen er hätte vortragen müssen, um eine Untersuchung zur Ergründung einer Teilhabebeeinträchtigung zu ermög-lichen, betrachtet der Senat das als bloße Schutzbehauptung. Untauglich ist schließ-lich das Unterfangen, dem Abschlussbericht der Lerntherapeutin W. L. aus Januar 2013 verwertbare Angaben zur sozialen Integrationsfähigkeit des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII entnehmen zu wollen, denn dort geht es
23- ebenso wie bei den Zeugnissen - nur um sein Schul- und Lernverhalten. Gleichfalls helfen auch Mutmaßungen über die Motive der Beklagten, der Frage einer Teilhabe-beeinträchtigung nicht weiter nachzugehen, nicht weiter. Dadurch wird ersichtlich kein Weg eröffnet, das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung schlicht zu vermu-ten oder zu unterstellen.
24Nach alledem kommt es auf die vom Kläger im Rahmen der Geltendmachung ernstlicher Zweifel im Übrigen erhobenen Einwendungen letztlich nicht an.
25Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden.
26Soweit der Kläger das Problem aufwirft, inwieweit die Lerntherapie in entscheidender Weise unterbrochen worden ist, so dass die Voraussetzungen einer über das 21. Le-bensjahr hinaus fortgesetzten Hilfe i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht vorlie-gen würden, ist die Frage schon nicht entscheidungserheblich.
27In Hinblick auf die Problematik der Teilhabebeeinträchtigung würde eine ordnungs-gemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache voraussetzen, dass eine oder mehrere bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für das Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert werden; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind hier also neben der konkreten Frage auch ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und ihre allgemeine Bedeutung.
28Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124a Rn. 211; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 124a Rn. 54, jeweils m.w.N.
29Hier fehlt es bereits an der deutlichen und voneinander abgrenzbaren Formulierung einer überschaubaren Anzahl klärungsbedürftiger konkreter Fragen. Der Kläger reiht lediglich verschiedene Thesen und Behauptungen aneinander, auf die es teils gar nicht ankommt und die teils auf bloßen tatsächlichen oder rechtlichen Unterstellungen basieren.
30Letztendlich kommt auch eine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels nicht in Betracht.
31Einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 86 Abs. 1 VwGO dadurch, dass kein ärztliches Fachgutachten dazu eingeholt worden ist, ob sich die Dyskalku-lie des Klägers „ausgewachsen“ hat, käme keine Entscheidungserheblichkeit zu. Denn maßgeblich für die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts war die mangelnde Darlegung von - eine Teilhabebeeinträchtigung begründenden - Tatsachen, die eine Wertung der Fachkammer aus sozialpädagogischer Sicht ermöglicht hätten.
32Darauf, inwieweit das Verwaltungsgericht dem Kläger zu Recht den Vorwurf gemacht hat, die letzten Zeugnisse nicht vorgelegt zu haben, kommt es nicht an. An der mangelnden Darlegung der Umstände seines Integrationsverhaltens ändert sich nämlich durch diese Vorhaltung nichts. Die Anforderung ist allerdings im Zusammenhang damit zu sehen, dass Zweck der Eingliederungshilfe nicht allein die schulische Förderung auf dem Niveau der Nachhilfe sein kann, sondern sie maßgeblich den Integrationsmängeln des jungen Menschen - hier als Teil seines Entwicklungsrückstandes i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - entgegenwirken muss. Das Verwaltungsgericht hat in den schulischen Erfolgen des Klägers mithin eine bloße Bestätigung dafür gesehen, dass eine Teilhabebeeinträchtigung jedenfalls im Anspruchszeitraum nicht mehr vorgelegen haben kann. Ungeachtet der Zulässigkeit dieser Schlussfolgerung ergibt sich aus den im Verlaufe des Zulassungsverfahrens nachgereichten Zeugnissen, dass das Sozialverhalten des Klägers bezeichnenderweise mit den Notenstufen „befriedigend“ und sogar „gut“ bewertet worden ist.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO.
34Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen 11 K 1327/14 beim Verwal-tungsgericht Arnsberg anhängigen Hauptsacheverfahren Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form einer ABA-Therapie in dem aus dem Antrag der Mutter des Antragstellers vom 24. Oktober 2013 hervorgehenden Umfang zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, weil der Antragsteller mit seinem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung zugrundezulegenden Beschwerdevorbringen glaubhaft gemacht hat, dass die erneute Aufnahme einer bereits in der Vergangenheit mit Mitteln der Jugendhilfe finanzierten ABA (Applied Behavior Analysis)-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII bedarfsgerecht und unaufschiebbar ist.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies erfordert die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
4Wird mit der begehrten Regelung die Hauptsache vorweggenommen, gelten gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüs-se vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010
6- 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
7Überdies kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014
9- 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014
10- 12 B 1478/13 -, juris, vom 14. Juni 2012
11- 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011
12- 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010
13- 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
14Diese Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache liegen in beiderlei Hinsicht vor, soweit der Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer ABA-Therapie begehrt.
15Der Senat sieht es als hochgradig wahrscheinlich an, dass der Antragsteller die Bewilligung dieser Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII beanspruchen kann.
16Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
171. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
182. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
19Bei kumulativem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
20Nach Lage der Akten spricht zunächst deutlich Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller - unbeschadet der Frage des Vorliegens weiterer Diagnosen - jedenfalls am Asperger-Syndrom und damit an einer seelischen Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet. Das Asperger-Syndrom ist erstmals offenbar in 2005 und sodann über etliche Jahre hin mehrfach wiederholt für den Antragsteller fachärztlich diagnostiziert worden, so in der jüngeren Vergangenheit durch das Klinikum der K. X. H. -Universität G. (vgl. die Berichte vom 22. Dezember 2011 und vom 5. Juni 2012), den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013) und das krankenhaus I. (vgl. den Entlassungsbrief vom 12. September 2013 und den Bericht vom 10. Dezember 2013). Demgegenüber fällt bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht entscheidend ins Gewicht, dass die vereinzelt gebliebene - und mittlerweile auch schon vier Jahre zurückliegende - fachärztliche Einschätzung der Kinder- und Jugendklinik E. zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, zumal die seinerzeit durchgeführte Diagnostik zum Teil durchaus Hinweise auf das Vorliegen einer Störung aus dem Autismusspektrum erbracht hatte (vgl. S. 6 f. des Befundberichts vom 24. September 2010). Substantielle Einwendungen gegen die mutmaßliche Richtigkeit der Asperger-Diagnose, die - wie dargelegt - wiederholt bestätigt worden ist, hat der Antragsgegner nicht erhoben. Die vormals in dem unter dem Aktenzeichen F vor dem Amtsgericht M. geführten familiengerichtlichen Verfahren - allerdings ohne Darlegung eigener medizinischer Beurteilungskompetenz - artikulierten Bedenken des Antragsgegners gegen die Aussagekraft der aus den Jahren 2005/2006 stammenden ärztlichen Unterlagen (vgl. seine Stellungnahme vom 25. September 2012) sind schon angesichts der o. a. jüngeren Erkenntnisse als überholt anzusehen.
21Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist auch von einer durch die seelische Erkrankung hervorgerufenen Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers auszugehen.
22Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, an die § 35a Abs. 1 SGB VIII anknüpft, ist gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind oder den Jugendlichen betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Schule/Ausbildung und Freizeit (Freundes- bzw. Bekanntenkreis), wobei eine Störung der Teilhabe bereits dann vorliegt, wenn sich die Störung in einem der Lebensbereiche auswirkt.
23Vgl. ThürOVG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 3 EO 136/09 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. Juli 2012 - 12 ZB 11.1742 -, juris, und Urteil vom 23. Februar 2011 - 12 B 10.1331 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 7 K 623/12 -, juris; v. Koppenfels-Spies, jurisPK-SGB VIII, 1. Auflage 2014, § 35a Rn. 37; Wiesner, in: ders., SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 35a Rn. 19; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 11; Vondung, in: LPK-SGB VIII, 5. Auflage 2014, § 35a Rn. 19; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand VI/14, § 35a Rn. 29; Kunkel, JAmt 2007, 17 (18).
24Eine (zu erwartende) Beeinträchtigung der Teilhabe setzt voraus, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris.
26Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
27Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34, 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
28Dieser muss, weil er möglichst den gesamten Hilfebedarf abzudecken hat, der durch eine seelische Behinderung hervorgerufen wird, alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick nehmen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
30- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris.
31Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
33Ausgehend von diesen Grundsätzen spricht viel dafür, dass der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers zu Unrecht ausgeschlossen hat. Eine solche Beeinträchtigung, die beim Asperger-Autismus aufgrund des spezifischen Profils dieser seelischen Störung ohnehin nahe liegt,
34vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2013 - 7 B 11154/12 -, JAmt 2013, 213, juris,
35dürfte jedenfalls im Lebensbereich der Familie bestehen, mit dem sich der Antragsgegner in seinem Ablehnungsbescheid vom 17. April 2014 nicht konkret befasst hat.
36Dass der Antragsteller ein beträchtliches Aggressions- und Konfliktpotential aufweist, welches sich in auffälliger Weise im familiärem Umfeld gegenüber dem jüngeren Bruder D. und der Mutter Bahn bricht und eine adäquate Teilnahme am Familienleben massiv beeinträchtigt, ist aus einer Vielzahl von ärztlichen und pädagogischen Stellungnahmen in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners abzuleiten. Hervorzuheben sind in diesem Kontext die folgenden Passagen:
37- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2010: „Seit einiger Zeit ist aber vermehrt erkennbar, dass K1. zunehmend provokativ und abwehrendes Verhalten zeigt - sowohl seinem Bruder als auch seiner Mutter gegenüber.“ - „Die familiäre Situation ist weiterhin sehr angespannt. … Beide Kinder provozieren sich gegenseitig immer stärker, so dass bereits kleinere Situationen zur Eskalation führen können. Diese gegenseitige Abwehr führt häufig zu extremen Krisen.“
38- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2011:„K1. lebt seit Mai 2010 wieder bei seiner Mutter und seinem Bruder. Seitdem zeigt K1. zunehmend mehr Auffälligkeiten, vor allem durch seinen starken Macht- und Kontrollzwang. Er versucht immer wieder mit allem Mitteln die Oberhand zu behalten und vor allem gegenüber D. sich mit seinen Bedürfnissen durchzusetzen. Zunehmend gestaltete sich das Zusammenleben vor allem mit seinem Bruder sehr schwierig und ist kaum noch händelbar. … Jedoch ist er noch nicht dazu in der Lage, sich im normalen Familienleben zu integrieren und sich an familiäre Regeln und Grenzen zu halten. Außerhalb der Familie zeigt K1. wenig negatives Verhalten.“ - „Dies zeigt wieder sehr deutlich, dass er in belastenden oder überfordernden Situationen seine ‚Wut‘ gegen ihm vertraute Personen richtet. K1. hat gelernt, diese Situationen bewusst zu steuern, so dass er außerhalb der Familie nicht in negative Verhaltensweisen fällt. … Seine stark impulsgesteuerten Reaktionen (Schreien, Beschimpfen, Schlagen, etc.) kann und muss er schließlich im gewohnten, vertrauten Umfeld entladen, da er dem Druck nicht gewachsen ist.“ - „Insgesamt ist die familiäre Situation weiterhin sehr angespannt.“ - „Bereits im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass gemeinsame Zeiten (z. B. bei den Mahlzeiten) der Kinder in der Regel zur Eskalation führten. Häufig endeten gegenseitige Provokationen im gegenseitigen ‚Zerstören‘“.
39- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 22. Dezember 2011: „Im Vordergrund der Schwierigkeiten, die die Mutter schildert, steht weiterhin das sehr aggressive Verhalten zuhause, das offensichtlich schon im Vorschulalter zu einer stationären kinderpsychiatrischen Behandlung geführt hat. … Durch die Trennungssituation und den Sorgerechtsstreit mit dem Vater sowie auch den offensichtlichen Wegfall von externen Hilfen ist die Situation akut erneut eskaliert. … Im weiteren Verlauf verschlechterte sich das Verhalten von K1. zuhause, indem er sowohl die Mutter als auch den Bruder aggressiv anging, so dass eine zeitnahe Aufnahme auf die Kinderstation in unserer Klinik geplant wurde.“
40- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 5. Juni 2012: „K1. kommt mit seiner Mutter zur elektiven Aufnahme auf unsere Kinderstation. Es gebe zu Hause heftige aggressive Impulsdurchbrüche gegenüber dem jüngeren Bruder D. . Auslöser seien meist Kleinigkeiten. Seit D. Geburt seien die Impulsdurchbrüche ein Problem, jedoch hätten diese in den letzten Wochen zugenommen und auch eine andere Qualität erreicht. Zuletzt habe K1. dabei in einem Erregungszustand durch eine verschlossene Tür eine Heckenschere gerammt.“ - „Nachdem auf Station insgesamt wenig Problemverhalten - gerade auch in der Interaktion mit dem Bruder - beobachtet werden konnte, sehen wir die bestehenden Schwierigkeiten zu Hause vermutlich mit durch die familiäre Dynamik verstärkt, d. h. K1. scheint zu Hause zum einen auf den Bruder fokussiert zu sein, zum anderen spielt sicher auch die Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung des Bruders eine Rolle sowie die psychische Belastung der Mutter durch die Konflikte der Geschwister untereinander und den Scheidungskrieg mit gerichtlichen Auseinandersetzungen.“
41- Stellungnahme des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. vom 13. März 2013: „Die Mutter stellte K1. gemeinsam mit einer ABA-Co-Therapeutin zur weiteren Behandlung vor. K1. sei zu Hause vor allem zu seinem jüngeren Bruder D. extrem aggressiv, bereits aus Nichtigkeiten oder Handbewegungen entstünde Streit, wobei K1. seinen Bruder dann trete, schlage, von mehreren Erwachsenen habe festgehalten werden müssen. Er habe Einrichtungsgegenstände zerstört, müsse letztlich wegen dieser Konfliktsituation, unter welcher der Bruder massiv leide, ständig betreut und beaufsichtigt werden. Außerhalb der Familie könne er sich besser anpassen, …“ - „Psychopathologischer Befund: … Er (K1. ) konnte äußern, in dem Gespräch zu sein, ‚weil ich mich streite‘, auf Nachfrage gab er massive aggressive Übergriffe auf seinen jüngeren Bruder zu, konnte jedoch keine Ursache dafür nennen.“
42- Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013: „Die Mutter beschreibt, dass K1. nur im häuslichen Kontext oft sehr aggressiv-impulsiv reagiere. Seine impulsiven Reaktionen seien nicht immer vorhersehbar, teilweise raste er unberechenbar aus. Danach tue ihm sein Verhalten sehr leid. Zu diesen Impulsdurchbrüchen komme es, wenn er sich durch seinen jüngeren Bruder provoziert fühle, oder die Mutter Anforderungen oder Grenzsetzungen an ihn stelle. In anderen Kontexten wie Schule oder dem Fußballverein könne er sich gut kontrollieren, dort habe er gelernt, sich sehr gut anzupassen. K1. selbst beschreibt, dass er dort keine Wut verspüre. Zwischen den Geschwistern sei es auch zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen; als K1. erfahren habe, dass er hier aufgenommen werde, habe er regelrecht gewütet, Gegenstände zerstört und seine Mutter körperlich attackiert.“
43Das so gezeichnete Bild wird nicht durchgreifend dadurch in Frage gestellt, dass es maßgeblich auch auf Schilderungen der Mutter des Antragstellers zurückgeht. Deren Angaben erscheinen glaubhaft und werden nicht zuletzt durch die vorstehend zitierten Einlassungen der von der Lebenshilfe NRW eingesetzten Sozialpädagogischen Familienhilfe gestützt, die über einen eigenen profunden Einblick in die familiären Verhältnisse verfügte. Zweifel an der Richtigkeit des aus mütterlicher Perspektive beschriebenen Sachverhalts werden auch in den diversen ärztlichen Unterlagen nicht geäußert, wobei davon auszugehen ist, dass das Fachpersonal aus seinen praktischen Erfahrungen heraus durchaus in der Lage ist, Übertreibungstendenzen zu erkennen. Soweit das Jugendamt des Antragsgegners in seiner Stellungnahme an das Amtsgericht M. vom 25. September 2012 demgegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, die „Schilderungen über das aggressive Verhalten von K1. bzw. über die Geschwisterrivalität wirken überzogen“, ist keine konkrete Grundlage für diese Einschätzung aufgezeigt worden.
44Weiterhin ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII („und daher ihre Teilhabe … beeinträchtigt ist“) vorausgesetzte kausale Verknüpfung zwischen seelischer Störung und Teilhabebeeinträchtigung gegeben ist. Das Asperger-Syndrom des Antragstellers erscheint jedenfalls als wesentliche Ursache der beschriebenen Problematik, selbst wenn diese durch andere Faktoren (z. B. die Trennung und Scheidung der Eltern und die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung des Bruders) verstärkt wird. Dafür spricht schon der Umstand, dass die spezifisch auf Autismus zugeschnittene ABA-Therapie in dem Entlassungsbrief des Gemeinschaftskrankenhauses I. vom 12. Sep-tember 2013 als probates Mittel herausgestellt wurde, um den „familiären Krisensituationen“ zu begegnen (vgl. S. 4); auf gleicher Linie ist auch von dem Facharzt Dr. T. eine „Fortführung der erfolgreichen ABA-Therapie im häuslichen Umfeld“ für erforderlich erachtet worden (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013, S. 5).
45Vor diesem Hintergrund dürfte es an dem - aller Voraussicht nach bestehenden - Eingliederungsbedarf des Antragstellers und dessen Genese vorbei gehen, wenn der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung vom 8. August 2014 ausführt, die Einrichtung einer - hier mit Bescheid vom 17. April 2014 bewilligten - Sozialpädagogischen Familienhilfe sei die geeignete Hilfeform für die „häuslichen Erziehungsprobleme der Familie I1. “. Indem der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers wohl verkannt und seine Hilfeplanung auf Hilfe zur Erziehung eingeengt hat, deutet alles darauf hin, dass eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation verfehlt wurde.
46Es spricht auch nichts Greifbares gegen die Eignung und Erforderlichkeit der ABA-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe. Dass die Therapie bereits in der Vergangenheit mit Blick auf die Bedarfslage des Antragstellers erfolgreich gewirkt hat, wie aus diversen Berichten und Stellungnahmen hervorgeht, ist vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden; insofern erscheint auch unzweifelhaft, dass eine Neuaufnahme dieser Therapie aller Voraussicht nach den gleichen Positiveffekt haben wird. Andere, weniger aufwendige, aber gleichermaßen wirkungsvolle Maßnahmen sind nicht erkennbar. Der Senat geht davon aus, dass der entsprechend früherer Praxis beantragte Therapieumfang nicht unterschritten werden kann, ohne den gewünschten und zu erwartenden Erfolg zu gefährden, zumal andere Anbieter nach der Einführungsphase höhere Stundenkontingente ansetzen (vgl. Institut für Autismusforschung Hans E. Kehrer, Bremer Elterntrainingsprogramm, S. 7; http://ifa-bremen.de/bet-info2011_1.pdf) und der Antragsteller in der Vergangenheit auch in diesem Umfang therapiert worden ist.
47Schließlich steht auch zu befürchten, dass dem Antragsteller ohne die Fortführung der ABA-Therapie schwerwiegende und irreparable Nachteile drohen. Wirksame verhaltenssteuernde Maßnahmen zur Konfliktvermeidung und -bewältigung, die an dem Asperger-Syndrom ansetzen, erscheinen dringend geboten, um die schon seit geraumer Zeit schwer gestörte familiäre Lebenssituation zu verbessern und den Antragsteller zu einer adäquaten Teilhabe an einem friedvolleren Familienleben zu führen. Die bewilligte Sozialpädagogische Familienhilfe kann derartige Maßnahmen nicht ersetzen.
48Dass es neben der ABA-Therapie zwingend auch der weiter streitgegenständlichen „ambulanten Autismustherapie“ bedarf, um dem Eintritt von Nachteilen im vorgenannten Sinne vorzubeugen, hat der Antragsteller hingegen nicht glaubhaft gemacht, so dass es insoweit schon am notwendigen Anordnungsgrund fehlt. Die zugrundeliegende Formulierung im Antrag vom 24. Oktober 2013 („autismusspezifische Therapie mit Schwerpunkt ‚Soziales Kompetenztraining‘“) greift offenbar eine Empfehlung aus dem Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013 auf („Fortführung einer autismusspezifischen Therapie mit dem Schwerpunkt eines sozialen Kompetenztrainings“), ohne dass allerdings deutlich wird, inwieweit - über die ABA-Therapie hinaus - eine weitere an der Autismusproblematik ansetzende Behandlungsform geboten sein sollte. Das angesprochene Ziel einer sozial konformen Anpassung „eigener Verhaltensanteile“ dürfte gerade mittels der ABA-Thera-pie zu verfolgen sein. Auch ist weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen zu ersehen, dass schon in der Vergangenheit eine zusätzliche parallele Autismustherapie stattgefunden hätte, die nun gleichermaßen „fortgeführt“ werden könnte.
49Soweit die Frage einer Teilhabebeeinträchtigung im schulischen Bereich, der durch eine Schulbegleitung zu begegnen wäre, in Rede steht, spricht aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen Einiges gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs des Antragstellers. Ungeachtet dessen erweist es sich jedenfalls auf der Ebene des Anordnungsgrundes als tragfähig, wenn das Verwaltungsgericht bei der Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf das Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs verwiesen hat. Zumal nachdem jetzt durch Bescheid der Bezirksregierung B. vom 18. September 2014 ein solcher Förderbedarf des Antragstellers (erneut) festgestellt worden ist, besteht nach gegenwärtigem Sachstand keine hinreichende Grundlage dafür anzunehmen, dass der Antragsteller trotz der nunmehr einsetzenden sonderpädagogischen Förderung gravierende und nicht mehr ausgleichbare Nachteile zu gewärtigen hat, wenn er nicht zusätzlich eine schulbegleitende Integrationshilfe erhält. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Einsatz eines Integrationshelfers in dem Gutachten zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 22. Juli 2014 für „unumgänglich“ erachtet wurde, um dem Antragsteller einen „erfolgreichen Schulbesuch ermöglichen zu können“. Weder aus dem Gutachten noch aus anderen in Betracht kommenden Erkenntnisquellen erschließt sich konkret, weshalb es dem Antragsteller auch nur vorläufig nicht zuzumuten wäre, ohne die begehrte Schulbegleitung auszukommen. Schwerwiegende und akute Problemlagen, welche die sofortige Einrichtung einer schulischen Integrationshilfe selbst in Anbetracht der sonderpädagogischen Förderung und der im Gutachten aufgezeigten Möglichkeiten des behinderungsbedingten Nachteilsausgleichs unabdingbar erscheinen lassen könnten, sind nicht ansatzweise zu ersehen. Hinzu kommt, dass die nun aufzunehmende ABA-Therapie, selbst wenn sie zuvorderst an der innerfamiliären Problematik ansetzt, einen allgemeinen positiven Effekt auf problematische Verhaltensmuster des Antragstellers haben dürfte und damit auch gewisse Fortschritte im schulischen Bereich erhoffen lässt.
50Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Angesichts des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen erscheint eine hälftige Kostenverteilung angemessen.
51Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn er ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vermag zu greifen.
3Namentlich folgen aus dem Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Entscheidungsergebnisses i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag nicht in Frage zu stellen, dass nicht von einer Teilhabebeeinträchtigung des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII auszugehen ist, so dass die Leistung von Eingliederungshilfe in Form einer Lerntherapie jedenfalls deshalb nicht in Betracht kommt.
4Der am 1992 geborene Kläger war im Zeitpunkt des Begehrens um Weiterförderung bereits deutlich über 18 Jahre alt und fiel damit nicht mehr als Jugendlicher unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII. Deshalb konnte ihm § 35a SGB VIII allein keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe verschaffen, denn diese ist nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ausdrücklich Kindern oder Jugendlichen vorbehalten. Als junger Volljähriger i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII hätte der Kläger Eingliederungshilfe viel-mehr nur beanspruchen können, wenn sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35a Abs. 1 SGB VIII als auch die Anspruchsvoraussetzungen der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1 SGB VIII vorgelegen hätten und die Eingliederungshilfe i. S. v. § 41 Abs. 2 SGB VIII das geeignete und erforderliche Mittel der Wahl gewe-sen wäre, seinen Entwicklungsrückständen entgegenzuwirken.
5Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2014
6-12 E 512/14 -.
7Schon das Vorliegen einer therapiebedürftigen Verzögerung in der Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung findet in den zum Kläger angelegten Unterlagen der Jahre 2010 ff. keinen hinreichenden Anklang, ist aber weder von der Beklagten noch vom Verwaltungsgericht näher problematisiert worden.
8Anders verhält es sich mit der Teilhabebeeinträchtigung als zwingende Tatbestands-voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe. Zwar hat die Beklagte auf dieses Element der seelischen Behinderung im Verwaltungsverfahren nicht abgestellt und sich im Klageverfahren lediglich dahingehend eingelassen, dass die früher angestellten Diagnosen möglicherweise nicht mehr in vollem Umfang vorlägen und somit die leistungsrechtlich notwendigen Voraussetzungen weggefallen sein könnten. Das Verwaltungsgericht hat indes bereits mit Verfügung vom 7. Januar 2003 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es an der Darlegung einer Teilnahmebeeinträchtigung fehle, ohne dass die Klägerseite auf diesen Aspekt im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens auch nur annähernd eingegangen wäre.
9Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
10Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris; vom 28. Sep-tember 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, juris; vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, NVwZ-RR 2010, 59, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -; Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, jeweils m. w. N.
11Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998
13- 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010
14- 12 1237/09 -; OVG Rhein-land-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07-, FEVS 58, 477.
15Vor diesem Hintergrund geben die Feststellungen in der fachärztlichen Stellungnahme des Jugendpsychiaters Dr. med. B. T. vom 19. August 2006 für den Anspruchszeitraum ab Mitte 2012 allein schon mangels der erforderlichen Aktualität nichts Hinreichendes mehr her. Hinzu kommt, dass zwar die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, jedoch in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst einmal in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fällt.
16Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34 und 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
17Anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich auch voll überprüfbar und besteht auf Seiten des Jugendamtes kein Beurteilungsspielraum.
18Vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013
19- 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
20Mithin kann das Verwaltungsgericht bei einem Beurteilungsausfall auf Seiten der Behörde selbst über das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung entscheiden und
21- wie hier durch den rechtlichen Hinweis vom 7. Januar 2013 - zunächst von sich aus versuchen, die dazu notwendigen Informationen aus dem Lebensbereich des jungen Menschen zu erlangen. Die materiell-rechtliche Darlegungslast für das Vorliegen solcher Verhaltensmuster, die eine rechtsrelevante Teilhabebeeinträchtigung annehmen lassen können, verbleibt insoweit nämlich bei demjenigen, der Eingliederungshilfe beansprucht.
22Auch im Berufungszulassungsverfahren ist jedoch nichts zur sozialen Integration des Klägers in den Lebensbereichen Familie, Schule, Ausbildung und Freundeskreis/Ge-sellschaft vorgetragen worden. Der Kläger irrt, wenn er stattdessen dem Sinne nach geltend macht, die Beweislast liege bei der Beklagten. Ebenso wenig kommt es angesichts der Eigeninitiative des Verwaltungsgerichts darauf an, dass nicht schon die Beklagte von Amts wegen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Aufklärung des Sachverhalts mit Blick auf das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung versucht hat. Soweit der schon erstinstanzlich fachanwaltlich vertretene Kläger zudem be-haupten will, nicht gewusst zu haben, welche Tatsachen er hätte vortragen müssen, um eine Untersuchung zur Ergründung einer Teilhabebeeinträchtigung zu ermög-lichen, betrachtet der Senat das als bloße Schutzbehauptung. Untauglich ist schließ-lich das Unterfangen, dem Abschlussbericht der Lerntherapeutin W. L. aus Januar 2013 verwertbare Angaben zur sozialen Integrationsfähigkeit des Klägers i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII entnehmen zu wollen, denn dort geht es
23- ebenso wie bei den Zeugnissen - nur um sein Schul- und Lernverhalten. Gleichfalls helfen auch Mutmaßungen über die Motive der Beklagten, der Frage einer Teilhabe-beeinträchtigung nicht weiter nachzugehen, nicht weiter. Dadurch wird ersichtlich kein Weg eröffnet, das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung schlicht zu vermu-ten oder zu unterstellen.
24Nach alledem kommt es auf die vom Kläger im Rahmen der Geltendmachung ernstlicher Zweifel im Übrigen erhobenen Einwendungen letztlich nicht an.
25Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden.
26Soweit der Kläger das Problem aufwirft, inwieweit die Lerntherapie in entscheidender Weise unterbrochen worden ist, so dass die Voraussetzungen einer über das 21. Le-bensjahr hinaus fortgesetzten Hilfe i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht vorlie-gen würden, ist die Frage schon nicht entscheidungserheblich.
27In Hinblick auf die Problematik der Teilhabebeeinträchtigung würde eine ordnungs-gemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache voraussetzen, dass eine oder mehrere bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für das Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert werden; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind hier also neben der konkreten Frage auch ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und ihre allgemeine Bedeutung.
28Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124a Rn. 211; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 124a Rn. 54, jeweils m.w.N.
29Hier fehlt es bereits an der deutlichen und voneinander abgrenzbaren Formulierung einer überschaubaren Anzahl klärungsbedürftiger konkreter Fragen. Der Kläger reiht lediglich verschiedene Thesen und Behauptungen aneinander, auf die es teils gar nicht ankommt und die teils auf bloßen tatsächlichen oder rechtlichen Unterstellungen basieren.
30Letztendlich kommt auch eine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels nicht in Betracht.
31Einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 86 Abs. 1 VwGO dadurch, dass kein ärztliches Fachgutachten dazu eingeholt worden ist, ob sich die Dyskalku-lie des Klägers „ausgewachsen“ hat, käme keine Entscheidungserheblichkeit zu. Denn maßgeblich für die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts war die mangelnde Darlegung von - eine Teilhabebeeinträchtigung begründenden - Tatsachen, die eine Wertung der Fachkammer aus sozialpädagogischer Sicht ermöglicht hätten.
32Darauf, inwieweit das Verwaltungsgericht dem Kläger zu Recht den Vorwurf gemacht hat, die letzten Zeugnisse nicht vorgelegt zu haben, kommt es nicht an. An der mangelnden Darlegung der Umstände seines Integrationsverhaltens ändert sich nämlich durch diese Vorhaltung nichts. Die Anforderung ist allerdings im Zusammenhang damit zu sehen, dass Zweck der Eingliederungshilfe nicht allein die schulische Förderung auf dem Niveau der Nachhilfe sein kann, sondern sie maßgeblich den Integrationsmängeln des jungen Menschen - hier als Teil seines Entwicklungsrückstandes i. S. v. § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - entgegenwirken muss. Das Verwaltungsgericht hat in den schulischen Erfolgen des Klägers mithin eine bloße Bestätigung dafür gesehen, dass eine Teilhabebeeinträchtigung jedenfalls im Anspruchszeitraum nicht mehr vorgelegen haben kann. Ungeachtet der Zulässigkeit dieser Schlussfolgerung ergibt sich aus den im Verlaufe des Zulassungsverfahrens nachgereichten Zeugnissen, dass das Sozialverhalten des Klägers bezeichnenderweise mit den Notenstufen „befriedigend“ und sogar „gut“ bewertet worden ist.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO.
34Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen 11 K 1327/14 beim Verwal-tungsgericht Arnsberg anhängigen Hauptsacheverfahren Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form einer ABA-Therapie in dem aus dem Antrag der Mutter des Antragstellers vom 24. Oktober 2013 hervorgehenden Umfang zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, weil der Antragsteller mit seinem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung zugrundezulegenden Beschwerdevorbringen glaubhaft gemacht hat, dass die erneute Aufnahme einer bereits in der Vergangenheit mit Mitteln der Jugendhilfe finanzierten ABA (Applied Behavior Analysis)-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII bedarfsgerecht und unaufschiebbar ist.
3Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies erfordert die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
4Wird mit der begehrten Regelung die Hauptsache vorweggenommen, gelten gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüs-se vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010
6- 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
7Überdies kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014
9- 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014
10- 12 B 1478/13 -, juris, vom 14. Juni 2012
11- 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011
12- 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010
13- 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
14Diese Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache liegen in beiderlei Hinsicht vor, soweit der Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer ABA-Therapie begehrt.
15Der Senat sieht es als hochgradig wahrscheinlich an, dass der Antragsteller die Bewilligung dieser Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII beanspruchen kann.
16Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
171. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
182. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
19Bei kumulativem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
20Nach Lage der Akten spricht zunächst deutlich Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller - unbeschadet der Frage des Vorliegens weiterer Diagnosen - jedenfalls am Asperger-Syndrom und damit an einer seelischen Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet. Das Asperger-Syndrom ist erstmals offenbar in 2005 und sodann über etliche Jahre hin mehrfach wiederholt für den Antragsteller fachärztlich diagnostiziert worden, so in der jüngeren Vergangenheit durch das Klinikum der K. X. H. -Universität G. (vgl. die Berichte vom 22. Dezember 2011 und vom 5. Juni 2012), den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013) und das krankenhaus I. (vgl. den Entlassungsbrief vom 12. September 2013 und den Bericht vom 10. Dezember 2013). Demgegenüber fällt bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht entscheidend ins Gewicht, dass die vereinzelt gebliebene - und mittlerweile auch schon vier Jahre zurückliegende - fachärztliche Einschätzung der Kinder- und Jugendklinik E. zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, zumal die seinerzeit durchgeführte Diagnostik zum Teil durchaus Hinweise auf das Vorliegen einer Störung aus dem Autismusspektrum erbracht hatte (vgl. S. 6 f. des Befundberichts vom 24. September 2010). Substantielle Einwendungen gegen die mutmaßliche Richtigkeit der Asperger-Diagnose, die - wie dargelegt - wiederholt bestätigt worden ist, hat der Antragsgegner nicht erhoben. Die vormals in dem unter dem Aktenzeichen F vor dem Amtsgericht M. geführten familiengerichtlichen Verfahren - allerdings ohne Darlegung eigener medizinischer Beurteilungskompetenz - artikulierten Bedenken des Antragsgegners gegen die Aussagekraft der aus den Jahren 2005/2006 stammenden ärztlichen Unterlagen (vgl. seine Stellungnahme vom 25. September 2012) sind schon angesichts der o. a. jüngeren Erkenntnisse als überholt anzusehen.
21Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist auch von einer durch die seelische Erkrankung hervorgerufenen Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers auszugehen.
22Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, an die § 35a Abs. 1 SGB VIII anknüpft, ist gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind oder den Jugendlichen betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Schule/Ausbildung und Freizeit (Freundes- bzw. Bekanntenkreis), wobei eine Störung der Teilhabe bereits dann vorliegt, wenn sich die Störung in einem der Lebensbereiche auswirkt.
23Vgl. ThürOVG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 3 EO 136/09 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. Juli 2012 - 12 ZB 11.1742 -, juris, und Urteil vom 23. Februar 2011 - 12 B 10.1331 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 7 K 623/12 -, juris; v. Koppenfels-Spies, jurisPK-SGB VIII, 1. Auflage 2014, § 35a Rn. 37; Wiesner, in: ders., SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 35a Rn. 19; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 11; Vondung, in: LPK-SGB VIII, 5. Auflage 2014, § 35a Rn. 19; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand VI/14, § 35a Rn. 29; Kunkel, JAmt 2007, 17 (18).
24Eine (zu erwartende) Beeinträchtigung der Teilhabe setzt voraus, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris.
26Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
27Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 34, 48; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 35a Rn. 13.
28Dieser muss, weil er möglichst den gesamten Hilfebedarf abzudecken hat, der durch eine seelische Behinderung hervorgerufen wird, alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick nehmen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
30- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris.
31Hierbei ist das Vorliegen einer Teilnahmebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff - anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen - gerichtlich voll überprüfbar; auf Seiten des Jugendamtes besteht kein Beurteilungsspielraum.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 12 A 659/14 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2013 - 12 CE 12.2104 -, juris, m. w. N.
33Ausgehend von diesen Grundsätzen spricht viel dafür, dass der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers zu Unrecht ausgeschlossen hat. Eine solche Beeinträchtigung, die beim Asperger-Autismus aufgrund des spezifischen Profils dieser seelischen Störung ohnehin nahe liegt,
34vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2013 - 7 B 11154/12 -, JAmt 2013, 213, juris,
35dürfte jedenfalls im Lebensbereich der Familie bestehen, mit dem sich der Antragsgegner in seinem Ablehnungsbescheid vom 17. April 2014 nicht konkret befasst hat.
36Dass der Antragsteller ein beträchtliches Aggressions- und Konfliktpotential aufweist, welches sich in auffälliger Weise im familiärem Umfeld gegenüber dem jüngeren Bruder D. und der Mutter Bahn bricht und eine adäquate Teilnahme am Familienleben massiv beeinträchtigt, ist aus einer Vielzahl von ärztlichen und pädagogischen Stellungnahmen in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners abzuleiten. Hervorzuheben sind in diesem Kontext die folgenden Passagen:
37- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2010: „Seit einiger Zeit ist aber vermehrt erkennbar, dass K1. zunehmend provokativ und abwehrendes Verhalten zeigt - sowohl seinem Bruder als auch seiner Mutter gegenüber.“ - „Die familiäre Situation ist weiterhin sehr angespannt. … Beide Kinder provozieren sich gegenseitig immer stärker, so dass bereits kleinere Situationen zur Eskalation führen können. Diese gegenseitige Abwehr führt häufig zu extremen Krisen.“
38- Verlaufsbericht der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen vom 21. März 2011:„K1. lebt seit Mai 2010 wieder bei seiner Mutter und seinem Bruder. Seitdem zeigt K1. zunehmend mehr Auffälligkeiten, vor allem durch seinen starken Macht- und Kontrollzwang. Er versucht immer wieder mit allem Mitteln die Oberhand zu behalten und vor allem gegenüber D. sich mit seinen Bedürfnissen durchzusetzen. Zunehmend gestaltete sich das Zusammenleben vor allem mit seinem Bruder sehr schwierig und ist kaum noch händelbar. … Jedoch ist er noch nicht dazu in der Lage, sich im normalen Familienleben zu integrieren und sich an familiäre Regeln und Grenzen zu halten. Außerhalb der Familie zeigt K1. wenig negatives Verhalten.“ - „Dies zeigt wieder sehr deutlich, dass er in belastenden oder überfordernden Situationen seine ‚Wut‘ gegen ihm vertraute Personen richtet. K1. hat gelernt, diese Situationen bewusst zu steuern, so dass er außerhalb der Familie nicht in negative Verhaltensweisen fällt. … Seine stark impulsgesteuerten Reaktionen (Schreien, Beschimpfen, Schlagen, etc.) kann und muss er schließlich im gewohnten, vertrauten Umfeld entladen, da er dem Druck nicht gewachsen ist.“ - „Insgesamt ist die familiäre Situation weiterhin sehr angespannt.“ - „Bereits im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass gemeinsame Zeiten (z. B. bei den Mahlzeiten) der Kinder in der Regel zur Eskalation führten. Häufig endeten gegenseitige Provokationen im gegenseitigen ‚Zerstören‘“.
39- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 22. Dezember 2011: „Im Vordergrund der Schwierigkeiten, die die Mutter schildert, steht weiterhin das sehr aggressive Verhalten zuhause, das offensichtlich schon im Vorschulalter zu einer stationären kinderpsychiatrischen Behandlung geführt hat. … Durch die Trennungssituation und den Sorgerechtsstreit mit dem Vater sowie auch den offensichtlichen Wegfall von externen Hilfen ist die Situation akut erneut eskaliert. … Im weiteren Verlauf verschlechterte sich das Verhalten von K1. zuhause, indem er sowohl die Mutter als auch den Bruder aggressiv anging, so dass eine zeitnahe Aufnahme auf die Kinderstation in unserer Klinik geplant wurde.“
40- Bericht des Klinikums der K. X. H. -Universität G. vom 5. Juni 2012: „K1. kommt mit seiner Mutter zur elektiven Aufnahme auf unsere Kinderstation. Es gebe zu Hause heftige aggressive Impulsdurchbrüche gegenüber dem jüngeren Bruder D. . Auslöser seien meist Kleinigkeiten. Seit D. Geburt seien die Impulsdurchbrüche ein Problem, jedoch hätten diese in den letzten Wochen zugenommen und auch eine andere Qualität erreicht. Zuletzt habe K1. dabei in einem Erregungszustand durch eine verschlossene Tür eine Heckenschere gerammt.“ - „Nachdem auf Station insgesamt wenig Problemverhalten - gerade auch in der Interaktion mit dem Bruder - beobachtet werden konnte, sehen wir die bestehenden Schwierigkeiten zu Hause vermutlich mit durch die familiäre Dynamik verstärkt, d. h. K1. scheint zu Hause zum einen auf den Bruder fokussiert zu sein, zum anderen spielt sicher auch die Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung des Bruders eine Rolle sowie die psychische Belastung der Mutter durch die Konflikte der Geschwister untereinander und den Scheidungskrieg mit gerichtlichen Auseinandersetzungen.“
41- Stellungnahme des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. T. vom 13. März 2013: „Die Mutter stellte K1. gemeinsam mit einer ABA-Co-Therapeutin zur weiteren Behandlung vor. K1. sei zu Hause vor allem zu seinem jüngeren Bruder D. extrem aggressiv, bereits aus Nichtigkeiten oder Handbewegungen entstünde Streit, wobei K1. seinen Bruder dann trete, schlage, von mehreren Erwachsenen habe festgehalten werden müssen. Er habe Einrichtungsgegenstände zerstört, müsse letztlich wegen dieser Konfliktsituation, unter welcher der Bruder massiv leide, ständig betreut und beaufsichtigt werden. Außerhalb der Familie könne er sich besser anpassen, …“ - „Psychopathologischer Befund: … Er (K1. ) konnte äußern, in dem Gespräch zu sein, ‚weil ich mich streite‘, auf Nachfrage gab er massive aggressive Übergriffe auf seinen jüngeren Bruder zu, konnte jedoch keine Ursache dafür nennen.“
42- Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013: „Die Mutter beschreibt, dass K1. nur im häuslichen Kontext oft sehr aggressiv-impulsiv reagiere. Seine impulsiven Reaktionen seien nicht immer vorhersehbar, teilweise raste er unberechenbar aus. Danach tue ihm sein Verhalten sehr leid. Zu diesen Impulsdurchbrüchen komme es, wenn er sich durch seinen jüngeren Bruder provoziert fühle, oder die Mutter Anforderungen oder Grenzsetzungen an ihn stelle. In anderen Kontexten wie Schule oder dem Fußballverein könne er sich gut kontrollieren, dort habe er gelernt, sich sehr gut anzupassen. K1. selbst beschreibt, dass er dort keine Wut verspüre. Zwischen den Geschwistern sei es auch zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen; als K1. erfahren habe, dass er hier aufgenommen werde, habe er regelrecht gewütet, Gegenstände zerstört und seine Mutter körperlich attackiert.“
43Das so gezeichnete Bild wird nicht durchgreifend dadurch in Frage gestellt, dass es maßgeblich auch auf Schilderungen der Mutter des Antragstellers zurückgeht. Deren Angaben erscheinen glaubhaft und werden nicht zuletzt durch die vorstehend zitierten Einlassungen der von der Lebenshilfe NRW eingesetzten Sozialpädagogischen Familienhilfe gestützt, die über einen eigenen profunden Einblick in die familiären Verhältnisse verfügte. Zweifel an der Richtigkeit des aus mütterlicher Perspektive beschriebenen Sachverhalts werden auch in den diversen ärztlichen Unterlagen nicht geäußert, wobei davon auszugehen ist, dass das Fachpersonal aus seinen praktischen Erfahrungen heraus durchaus in der Lage ist, Übertreibungstendenzen zu erkennen. Soweit das Jugendamt des Antragsgegners in seiner Stellungnahme an das Amtsgericht M. vom 25. September 2012 demgegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, die „Schilderungen über das aggressive Verhalten von K1. bzw. über die Geschwisterrivalität wirken überzogen“, ist keine konkrete Grundlage für diese Einschätzung aufgezeigt worden.
44Weiterhin ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII („und daher ihre Teilhabe … beeinträchtigt ist“) vorausgesetzte kausale Verknüpfung zwischen seelischer Störung und Teilhabebeeinträchtigung gegeben ist. Das Asperger-Syndrom des Antragstellers erscheint jedenfalls als wesentliche Ursache der beschriebenen Problematik, selbst wenn diese durch andere Faktoren (z. B. die Trennung und Scheidung der Eltern und die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung des Bruders) verstärkt wird. Dafür spricht schon der Umstand, dass die spezifisch auf Autismus zugeschnittene ABA-Therapie in dem Entlassungsbrief des Gemeinschaftskrankenhauses I. vom 12. Sep-tember 2013 als probates Mittel herausgestellt wurde, um den „familiären Krisensituationen“ zu begegnen (vgl. S. 4); auf gleicher Linie ist auch von dem Facharzt Dr. T. eine „Fortführung der erfolgreichen ABA-Therapie im häuslichen Umfeld“ für erforderlich erachtet worden (vgl. die Stellungnahme vom 13. März 2013, S. 5).
45Vor diesem Hintergrund dürfte es an dem - aller Voraussicht nach bestehenden - Eingliederungsbedarf des Antragstellers und dessen Genese vorbei gehen, wenn der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung vom 8. August 2014 ausführt, die Einrichtung einer - hier mit Bescheid vom 17. April 2014 bewilligten - Sozialpädagogischen Familienhilfe sei die geeignete Hilfeform für die „häuslichen Erziehungsprobleme der Familie I1. “. Indem der Antragsgegner eine Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers wohl verkannt und seine Hilfeplanung auf Hilfe zur Erziehung eingeengt hat, deutet alles darauf hin, dass eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation verfehlt wurde.
46Es spricht auch nichts Greifbares gegen die Eignung und Erforderlichkeit der ABA-Therapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe. Dass die Therapie bereits in der Vergangenheit mit Blick auf die Bedarfslage des Antragstellers erfolgreich gewirkt hat, wie aus diversen Berichten und Stellungnahmen hervorgeht, ist vom Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden; insofern erscheint auch unzweifelhaft, dass eine Neuaufnahme dieser Therapie aller Voraussicht nach den gleichen Positiveffekt haben wird. Andere, weniger aufwendige, aber gleichermaßen wirkungsvolle Maßnahmen sind nicht erkennbar. Der Senat geht davon aus, dass der entsprechend früherer Praxis beantragte Therapieumfang nicht unterschritten werden kann, ohne den gewünschten und zu erwartenden Erfolg zu gefährden, zumal andere Anbieter nach der Einführungsphase höhere Stundenkontingente ansetzen (vgl. Institut für Autismusforschung Hans E. Kehrer, Bremer Elterntrainingsprogramm, S. 7; http://ifa-bremen.de/bet-info2011_1.pdf) und der Antragsteller in der Vergangenheit auch in diesem Umfang therapiert worden ist.
47Schließlich steht auch zu befürchten, dass dem Antragsteller ohne die Fortführung der ABA-Therapie schwerwiegende und irreparable Nachteile drohen. Wirksame verhaltenssteuernde Maßnahmen zur Konfliktvermeidung und -bewältigung, die an dem Asperger-Syndrom ansetzen, erscheinen dringend geboten, um die schon seit geraumer Zeit schwer gestörte familiäre Lebenssituation zu verbessern und den Antragsteller zu einer adäquaten Teilhabe an einem friedvolleren Familienleben zu führen. Die bewilligte Sozialpädagogische Familienhilfe kann derartige Maßnahmen nicht ersetzen.
48Dass es neben der ABA-Therapie zwingend auch der weiter streitgegenständlichen „ambulanten Autismustherapie“ bedarf, um dem Eintritt von Nachteilen im vorgenannten Sinne vorzubeugen, hat der Antragsteller hingegen nicht glaubhaft gemacht, so dass es insoweit schon am notwendigen Anordnungsgrund fehlt. Die zugrundeliegende Formulierung im Antrag vom 24. Oktober 2013 („autismusspezifische Therapie mit Schwerpunkt ‚Soziales Kompetenztraining‘“) greift offenbar eine Empfehlung aus dem Entlassungsbrief des krankenhauses I. vom 12. September 2013 auf („Fortführung einer autismusspezifischen Therapie mit dem Schwerpunkt eines sozialen Kompetenztrainings“), ohne dass allerdings deutlich wird, inwieweit - über die ABA-Therapie hinaus - eine weitere an der Autismusproblematik ansetzende Behandlungsform geboten sein sollte. Das angesprochene Ziel einer sozial konformen Anpassung „eigener Verhaltensanteile“ dürfte gerade mittels der ABA-Thera-pie zu verfolgen sein. Auch ist weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen zu ersehen, dass schon in der Vergangenheit eine zusätzliche parallele Autismustherapie stattgefunden hätte, die nun gleichermaßen „fortgeführt“ werden könnte.
49Soweit die Frage einer Teilhabebeeinträchtigung im schulischen Bereich, der durch eine Schulbegleitung zu begegnen wäre, in Rede steht, spricht aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen Einiges gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs des Antragstellers. Ungeachtet dessen erweist es sich jedenfalls auf der Ebene des Anordnungsgrundes als tragfähig, wenn das Verwaltungsgericht bei der Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf das Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs verwiesen hat. Zumal nachdem jetzt durch Bescheid der Bezirksregierung B. vom 18. September 2014 ein solcher Förderbedarf des Antragstellers (erneut) festgestellt worden ist, besteht nach gegenwärtigem Sachstand keine hinreichende Grundlage dafür anzunehmen, dass der Antragsteller trotz der nunmehr einsetzenden sonderpädagogischen Förderung gravierende und nicht mehr ausgleichbare Nachteile zu gewärtigen hat, wenn er nicht zusätzlich eine schulbegleitende Integrationshilfe erhält. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Einsatz eines Integrationshelfers in dem Gutachten zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 22. Juli 2014 für „unumgänglich“ erachtet wurde, um dem Antragsteller einen „erfolgreichen Schulbesuch ermöglichen zu können“. Weder aus dem Gutachten noch aus anderen in Betracht kommenden Erkenntnisquellen erschließt sich konkret, weshalb es dem Antragsteller auch nur vorläufig nicht zuzumuten wäre, ohne die begehrte Schulbegleitung auszukommen. Schwerwiegende und akute Problemlagen, welche die sofortige Einrichtung einer schulischen Integrationshilfe selbst in Anbetracht der sonderpädagogischen Förderung und der im Gutachten aufgezeigten Möglichkeiten des behinderungsbedingten Nachteilsausgleichs unabdingbar erscheinen lassen könnten, sind nicht ansatzweise zu ersehen. Hinzu kommt, dass die nun aufzunehmende ABA-Therapie, selbst wenn sie zuvorderst an der innerfamiliären Problematik ansetzt, einen allgemeinen positiven Effekt auf problematische Verhaltensmuster des Antragstellers haben dürfte und damit auch gewisse Fortschritte im schulischen Bereich erhoffen lässt.
50Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Angesichts des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen erscheint eine hälftige Kostenverteilung angemessen.
51Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Lichte der vom Senat allein zu prüfenden Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht zu beanstanden ist. Das Beschwerdevorbringen - welches zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil aus rechtlichen Ausführungen ohne dargelegten Fallbezug besteht - vermag die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch für die begehrte Regelung nicht glaubhaft gemacht, nicht in Frage zu stellen. Namentlich zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe über die bewilligte Autismustherapie hinaus keinen Anspruch auf die weitere, hier streitgegenständliche Maßnahme der Eingliederungshilfe, zu beanstanden ist, soweit es um die Frage der Erforderlichkeit und Eignung dieser Maßnahme geht.
3Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Maßnahme der Jugendhilfe handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses. Dieses Ergebnis erhebt nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit, muss jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Dem Träger der Jugendhilfe steht ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden.
4Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1999 - 5 C 4.98 -, BVerwGE 109, 155, juris; OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 12 A 2470/13 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 28. Oktober 2014 - 12 ZB 13.2025 -, juris.
5Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Antragsgegnerin die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums hiernach überschritten hat. Wie aus der Begründung des Ablehnungsbescheides vom 5. August 2014 hervorgeht, hat die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung darauf abgestellt, dass ein Integrationshelfer, der den Antragsteller - wie von Elternseite beantragt - durch den gesamten Schultag begleite, ausweislich der schulischen Stellungnahme vom 16. Juni 2014 nicht sinnvoll erscheine, weil dadurch das notwendige Einüben der Selbständigkeit erschwert werde; eine nachschulische Hausaufgabenbetreuung und die Sicherstellung der Hausaufgabenerledigung bedürften wiederum einer Abstimmung zwischen Schule und Eltern und seien keine Jugendhilfeleistung. Dass diese Wertung in Ansehung der dargestellten Grundsätze fehlerhaft ist, wird von der Beschwerde nicht plausibel herausgearbeitet.
6Mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, die in der Stellungnahme vom 16. Juni 2014 geschilderte Problematik häufig unerledigter Hausaufgaben lasse sich - ohne Einsatz eines Integrationshelfers - durch das Führen eines von der Schule kontrollierten Hausaufgabenheftes angehen, setzt sich die Beschwerde nicht konkret auseinander. Soweit sie sich auf die zweite, nach Ergehen des Ablehnungsbescheides gefertigte Stellungnahme der Schule vom 19. August 2014 beruft, bietet diese keine nachvollziehbare und überzeugende Begründung für die darin aufgestellte Behauptung, der Antragsteller könne „ohne integrative Maßnahmen … bei uns schulisch nicht weiter gefördert werden“ und man sehe dann „nur noch die Möglichkeit einer Heimunterbringung“ bzw., wie nachfolgend ausgeführt, „einer Heimbeschulung“. Nachdem das vorangegangene Schreiben vom 16. Juni 2014 noch wesentlich zurückhaltender formuliert war („Um für M. den Schulalltag so erträglich zu machen, dass er besser zurecht kommt, würden wir einen Integrationshelfer in zeitlich begrenzter Form vorschlagen.“ … „Das wäre eine Maßnahme, durch die die Eingliederung von M. in den Lebensalltag besser gewährleistet werden könnte.“), ergibt sich aus den späteren Einlassungen vom 19. August 2014 weder, dass eine Verschärfung der Schulprobleme in den zurückliegenden zwei Monaten eingetreten sei, noch, dass die Schule - immerhin einer Förderschule für soziale und emotionale Entwicklung sowie Lernen (vgl. http://www. ) - alle in Betracht kommenden Möglichkeiten zu einer - gemessen am Potential des Antragstellers - erfolgreichen Beschulung ausgeschöpft habe. Auch der Vortrag im Schriftsatz des früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 5. November 2014, wonach Letzterer „bereits die erste Mathematikarbeit erhalten hat, die mit einem mangelhaft bewertet wurde“, gibt für eine solche Situation nichts Wesentliches her, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt hat.
7In welcher konkreten Weise das Verwaltungsgericht die Schilderung der Eltern des Antragstellers „verharmlosend gewürdigt“ haben soll, lässt die Beschwerde offen. Soweit sich der Antragsteller in diesem Kontext auf sogenannte „Beobachtungen“ seiner Eltern bezieht, die in der Beschwerdebegründung „wörtlich wiedergegeben“ werden, handelt es sich in weiten Teilen um allgemeine Ausführungen zum Autismus bzw. den Aufgaben und der notwendigen Qualifikation eines Integrationshelfers, die offenbar aus im Internet verfügbaren Informationen zusammenkopiert worden sind (vgl. etwa:
8- http://www.asperger-eltern.de/wasist.htm;
9- http://www.autismus-online.de/was-ist-autismus/ass;
10- http://www.bagwfbm.de/article/1431?mailit=1;
11- http://elternzentrum-berlin.de/wp-content/uploads/2008/11/2014-03-05LF_Schulassistenz_A4download.pdf;
12- https://www.lwl.org/lja-download/datei-download2/LJA/jufoe/ogs/ogshze/1181744555_3/Neuwald_Hellmich-Eingliederungshilfe.pdf;
13- http://www.autismus-verstehen.de/kinder_und_jugendliche/schule/schulbegleiter.html).
14Auch soweit sich die „Beobachtungen“ konkret auf die autismusbedingten Schwierigkeiten des Antragstellers beziehen, fällt auf, dass die Angaben und Formulierungen in großem Umfang mit Texten identisch sind, die im Internet zu finden sind (vgl. etwa:
15- http://www.rehakids.de/phpBB2/ftopic22586-10.html
16- http://tokol.de/forum/index.php?topic=15819.0;wap2
17- http://www.netzwerk-autismus-niedersachsen.de/Schule/Tagungsbeitrag%20Priess.pdf).
18Selbst wenn damit nicht zwangsläufig in Frage gestellt ist, dass die Schilderungen für die Person des Antragstellers zutreffen, bleibt gleichwohl festzustellen, dass mit der bloßen Wiedergabe dieser Ausführungen nicht in einer den Anforderungen aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt wird, aus welchen konkreten Gründen die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern ist.
19Auch soweit sich die Beschwerde auf den Entlassungsbrief des H. krankenhauses I. vom 30. Januar 2014 beruft, lässt sie die gebotene Auseinandersetzung mit den Beschlussgründen in ähnlicher Weise vermissen. Weshalb die beanspruchte Stellung eines Integrationshelfers entgegen der - wie dargelegt nur eingeschränkt überprüfbaren - Rechtsauffassung der Antragsgegnerin geeignet und erforderlich sein soll, ist mit dem bloßen Verweis auf „die ärztlichen Ausführungen in den Bereichen ‚Soziale Interaktion‘, ‚Auffälligkeiten der Kommunikation‘ sowie ‚Verzögerte Sprachentwicklung‘ und ‚stereotype Verhaltensmuster‘“ ebenso wenig belegt wie mit der daran anknüpfenden Aussage, das Schulleben des Antragstellers sei „erheblich beeinträchtigt“. Dass die fachärztliche Einstufung des Beeinträchtigungsniveaus auf der sechsten Achse des Multiaxialen Klassifikationsschemas mit dem „zweithöchsten negativen Wert unbedingt ein Umdenken der Bg. und des Gerichts (hätte) zur Folge haben müssen, zumal die nächste Steigerung auf einen Grad 8 gleichbedeutend mit Eigen- und Fremdgefährdung wäre“, wie der Antragsteller vorträgt, ist Ausdruck einer schematisierenden Betrachtung, bei der gleichermaßen unbeantwortet bleibt, warum die Schwere der Beeinträchtigung gerade die hier in Rede stehende Maßnahme der Eingliederungshilfe geboten erscheinen lasse.
20Wenn die Beschwerde meint, es komme eine Verpflichtung des Jugendamtes zur Gewährung einer bestimmten Hilfemaßnahme in Betracht, sofern sich „der Beurteilungsspielraum auf eine notwendige und geeignete Maßnahme verdichtet“, und sich dazu auf Rechtsprechung zur sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe beruft, vermengt sie die Begriffe des Beurteilungsspielraums, der nach den dargelegten Grundsätzen im Jugendhilferecht zum Tragen kommt, und des Ermessens, das die Behörde im Sozialhilferecht bei der Entscheidung über Art und Maß der Leistungserbringung grundsätzlich pflichtgemäß auszuüben hat (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Damit vermag der Antragsteller eine Überschreitung des der Antragsgegnerin zukommenden Beurteilungsspielraums nicht darzutun. Ebenso wenig greift sein weiteres Vorbringen durch, das Verwaltungsgericht habe die „grundlegenden Abgrenzungskriterien zwischen Schule und Sozialleistungsträger“ verkannt. Die beleghalber allein zitierte sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer gibt nichts dafür her, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung, über die gewährte Autismustherapie hinaus keine weiteren Maßnahmen der Eingliederungshilfe zu bewilligen, allgemein gültige fachliche Maßstäbe missachtet hätte oder von sachfremden Erwägungen beeinflusst worden wäre. Auch ist das Verwaltungsgericht keineswegs etwa davon ausgegangen, der Antragsteller könne die hier in Rede stehende Maßnahme nicht beanspruchen, weil damit in den Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule eingegriffen werde.
21Soweit die Beschwerde geltend macht, die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller „ein gem. § 36 SGB VIII gesetztlich garantiertes Hilfeplangespräch unter Beteiligung fachkundiger Personen (z. B. Dr. N. /H. krankenhaus I. ; Klassenlehrerin des Bf.) amtspflichtwidrig vorenthalten“, ist eine unzureichende Beteiligung des Antragstellers als Leistungsadressat (bzw. seiner Eltern als gesetzliche Vertreter) gleichfalls nicht zu erkennen. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Absatz 2 regelt weiter, dass die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden soll (Satz 1). Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist (Satz 2). Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen (Satz 3). Das Beschwerdevorbringen lässt nicht hervortreten, dass die Antragsgegnerin diesen rechtlichen Vorgaben im Falle des Antragstellers nicht genügt habe. Ausweislich des zur Verwaltungsakte genommenen Protokolls der Jugendhilfekonferenz vom 2. Juni 2014 ist die Jugendhilfeangelegenheit im Beisein des Antragstellers und seiner Eltern „intensiv besprochen“ worden. Gründe dafür, dass an dieser Besprechung weitere „fachkundige Personen“ hätten beteiligt werden müssen, legt der Antragsteller nicht dar. Insbesondere trägt er nicht vor, warum eine solche Beteiligung auch angesichts der im Zeitpunkt der Jugendhilfekonferenz bereits vorliegenden bzw. nachträglich eingegangenen schriftlichen Unterlagen des Gemeinschaftskrankenhauses I. und der D. -N1. -Schule X. unerlässlich gewesen sein sollte.
22Der Einwand des Antragstellers, entgegen § 14 Abs. 5 SGB IX sei ein „unabhängiges Sachverständigengutachten“ nicht eingeholt worden, verfängt schon deshalb nicht, weil die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme nach § 35a SGB VIII nur hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 vorgesehen ist (vgl. Abs. 1a), die hier mit dem Entlassungsbrief des H. krankenhauses I. vom 30. Januar 2014 hinreichend beleuchtet worden ist, ohne dass der Antragsteller insoweit Fragen der „Unabhängigkeit“ aufwirft.
23Schließlich verhilft auch das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - BRK), auf das sich der Antragsteller beruft, der Beschwerde nicht zum Erfolg. Unabhängig davon, inwieweit im Bereich der schulischen Förderung nach dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz) vom 5. November 2013, GV. NRW. S. 618, noch Raum für eine Heranziehung der BRK als Auslegungshilfe besteht,
24vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - 19 A 285/13 -, juris; zur Heranziehung der BRK als Hilfe bei der Grundrechtsauslegung vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282, juris,
25lässt sich die Beschwerde jedenfalls nicht dazu aus, welche hier entscheidungserheblichen Normen einer Auslegung im Sinne der BRK überhaupt zugänglich wären und aus welchen Gründen eine solche Auslegung zu dem Ergebnis führen sollte, dass die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin fehlerhaft wäre und der Antragsteller einen Anspruch auf Bewilligung der streitgegenständlichen Maßnahme hätte, dessen zumindest vorläufige Befriedigung keinen Aufschub duldet. Die bloße Wiedergabe des Wortlauts der Art. 19 und 24 BRK, verbunden mit allgemeinen Ausführungen zur „Anerkennung“ der BRK in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundessozialgerichts und zur Frage der Vermittlung subjektiver Rechte greift insofern, gemessen an den Darlegungsanforderungen aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, ersichtlich zu kurz.
26Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
27Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung nach Satz 1 in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.
(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Hat das Kind oder der Jugendliche ein oder mehrere Geschwister, so soll der Geschwisterbeziehung bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden.
(3) Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist, sollen öffentliche Stellen, insbesondere andere Sozialleistungsträger, Rehabilitationsträger oder die Schule beteiligt werden. Gewährt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen zur Teilhabe, sind die Vorschriften zum Verfahren bei einer Mehrheit von Rehabilitationsträgern nach dem Neunten Buch zu beachten.
(4) Erscheinen Hilfen nach § 35a erforderlich, so soll bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe die Person, die eine Stellungnahme nach § 35a Absatz 1a abgegeben hat, beteiligt werden.
(5) Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist und dadurch der Hilfezweck nicht in Frage gestellt wird, sollen Eltern, die nicht personensorgeberechtigt sind, an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung beteiligt werden; die Entscheidung, ob, wie und in welchem Umfang deren Beteiligung erfolgt, soll im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Berücksichtigung der Willensäußerung und der Interessen des Kindes oder Jugendlichen sowie der Willensäußerung des Personensorgeberechtigten getroffen werden.
Ständiger Vertreter ist eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Ständiger Vertreter ist insbesondere eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig
- 1.
Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt oder - 2.
einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt.
Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Eine Vermögensverwaltung liegt in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird.
(1) Angehörige sind:
- 1.
der Verlobte, - 2.
der Ehegatte oder Lebenspartner, - 3.
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, - 4.
Geschwister, - 5.
Kinder der Geschwister, - 6.
Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, - 7.
Geschwister der Eltern, - 8.
Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).
(2) Angehörige sind die in Absatz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn
- 1.
in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 2.
in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist; - 3.
im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich dagegen richtet, dass dem Antragsteller mit dem angefochtenen Beschluss etwas anderes zugesprochen worden sei, als dieser beantragt habe.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist nach Maßgabe des Tenors unzulässig. Die beanstandete Abweichung des erstinstanzlichen Ausspruchs („… wird verpflichtet, … Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für eine Schulbegleitung … zu bewilligen“) von dem in der Antragsschrift formulierten Antrag („… wird … verpflichtet, antragsgemäß eine Schulbegleitung durch eine Fachkraft … zu bewilligen“) vermittelt dem Antragsgegner kein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Beschlusses vom 10. Oktober 2014 im Beschwerdewege. Das Abstellen auf die Bewilligung der Kostenübernahme für eine Schulbegleitung - anstelle der Bewilligung der Maßnahme selbst - erweist sich als bloßes Formulierungsversehen des Verwaltungsgerichts, das, da es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt, gemäß §§ 121 Abs. 1, 118 Abs. 1 VwGO jederzeit vom Gericht korrigiert werden kann.
3Vgl. zum Formulierungsversehen als möglicher Fall einer offenbaren Unrichtigkeit: OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 23. März 2005 - 24 W 21/05 -, juris, und vom 28. Mai 2002 - 1 WF 71/02 -, juris; OLG München, Urteil vom 14. Oktober 1999 - 29 U 2352/99 -, juris; Kilian, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 118 Rn. 1; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 319 Rn. 12.
4Aus dem angefochtenen Beschluss selbst ergibt sich, dass der Antragsgegner zu einer vorläufigen Gewährung der im Streit stehenden jugendhilferechtlichen Leistung (hier: Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Gestalt einer Schulbegleitung) verpflichtet werden sollte und die angesprochene Übernahme der Kosten insofern nur im Sinne einer mit der Leistungsgewährung einhergehenden Finanzierungsverantwortlichkeit des Jugendhilfeträgers gemeint war, dem Antragsgegner also nicht etwa aufgegeben werden sollte, künftige Aufwendungen für eine vom Antragsteller (bzw. von dessen Eltern) erst noch selbst zu beschaffende Maßnahme zu ersetzen. Diese Würdigung drängt sich schon wegen des Fehlens jeglicher Ausführungen in den Beschlussgründen zur Problematik des Aufwendungsersatzes bei Selbstbeschaffung auf, um die in der Sache auch ersichtlich nicht geht.
5Soweit der Antragsgegner ferner einwendet, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Schulbegleitung angesichts des durch § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII angeordneten Vorrangs der Verpflichtungen der Schule nicht vorlägen, ist seine Beschwerde zulässig, aber unbegründet, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Lichte der vom Senat allein zu prüfenden Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht zu beanstanden ist. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Verweis auf eine Beschulung an einer öffentlichen Förderschule nur in Betracht kommt, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf und den Förderort bereits vorliegt. Damit setzt sich die Beschwerde ebenso wenig auseinander wie mit dem weiteren Argument, ein Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs könne nach Abschluss der Klasse 6 - der Antragsteller besucht derzeit die 7. Klasse - auch nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt werden (vgl. § 12 Abs. 4 AO-SF n. F.). Schon in Anbetracht der Stellungnahme des Klassenlehrers des Antragstellers zu der vom Antragsgegner aufgeworfenen Frage der „Notwendigkeit nach sonderpädagogischer Förderung“ dürfte das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen sein (vgl. die E-Mail des Klassenlehrers D. vom 14. Mai 2014: „Die Schule sieht bis Dato keinen sonderpädagogischen Förderbedarf für K. vor.“). Allein dass ein AO-SF-Verfahren bis zum Ende der 6. Klasse hätte eingeleitet werden können, ist für das gegenwärtige Bestehen eines Leistungsanspruchs des Antragstellers offensichtlich belanglos. Der in § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verankerte Vorrang einer Beschulung im Rahmen des öffentlichen Schulwesens gilt nicht in Ansehung rein hypothetisch bestehender Fördermöglichkeiten, die sich nur - und auch nur möglicherweise - bei anderen Weichenstellungen in der Vergangenheit eröffnet hätten.
6Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
7Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.