Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 24. Juli 2014 - 1 E 822/14
Gericht
Tenor
Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
Gründe:
2Die Beschwerde richtet sich bei verständiger Auslegung nur gegen Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses. Denn eine Beschwerde gegen Ziffer 2 des erstinstanzlichen Beschlusses wäre nach § 146 Abs. 2 VwGO bzw. dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken unzulässig.
3Gemäß § 75 Satz 3 VwGO setzt das Verwaltungsgericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten – verlängerbaren – Frist u. a. dann aus, wenn ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass über den Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt noch nicht entschieden worden ist. Der Grund muss objektiv vorliegen und darf nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen.
4Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Januar 2004 – 7 B 58.03 ‑, ZOV 2004, 93 = juris, Rn. 4 und vom 23. Juli 1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991, 1180 = juris, Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 25. März 2014 – 7 OB 7/14 ‑, GewArch 2014, 207 = juris, Rn. 3.
5Außerdem muss er die wesentliche (Mit-)Ursache für die ausgebliebene Widerspruchsentscheidung sein.
6Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. November 2010 – 4 S 2071/10 ‑, NVwZ-RR 2011, 224 = juris, Rn. 3.
7Diese Voraussetzungen sind vorliegend ungeachtet des Beschwerdevorbringens nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat einen zureichenden Grund hier mit der Erwägung angenommen, im gerichtlichen Verfahren habe sich herausgestellt, der von der Beklagten eingeschaltete Gutachter sei aus näher dargelegten Gründen kein geeigneter Sachverständiger gewesen. Die Weigerung des Klägers, an der Prüfung der Notwendigkeit und wirtschaftlichen Angemessenheit der in Rede stehenden Aufwendungen für ärztliche Leistungen mitzuwirken, sei daher als wichtiger Grund im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I anzuerkennen; es sei möglich, dass der Kläger gegenüber einem anderen Arzt (gemeint: Amtsarzt) mitwirken werde.
8Der vom Verwaltungsgericht angeführte Grund war für das Nichtentscheiden über den Widerspruch bereits nicht (mit-)ursächlich. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass sich die dem erstinstanzlichen Beschluss zu Grunde gelegte mangelnde Eignung des von der Beklagten herangezogenen Gutachters erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausgestellt hat. Die Beklagte hat demnach nicht deshalb über den Widerspruch des Klägers nicht entschieden, weil sie selbst die mangelnde Eignung des Gutachters erkannt und daraus etwa den Schluss gezogen hätte, eine erneute, mehr Zeit beanspruchende Begutachtung, z. B. durch einen Amtsarzt, sei angezeigt. Dies korrespondiert mit den Erfahrungen des Senats mit der für die Beklagte handelnden Postbeamtenkrankenkasse in anderen Fällen (vgl. Urteile vom 12. September 2012 – 1 2333/09 - und vom 18. April 2013 ‑ 1 A 2426/10 ‑). Danach ignoriert die Beklagte in Fällen, in denen die Postbeamtenkrankenkasse für sie handelt, jedenfalls in von dieser als problematisch eingestuften Fällen schlichtweg ihre gesetzliche Verpflichtung, über erhobene Widersprüche zu entscheiden.
9Vorsorglich weist der Senat auf Folgendes hin: Das Klageverfahren enthebt die Beklagte nicht von der Verpflichtung zur Verbescheidung des erhobenen Widerspruchs sowie einer im Vorfeld erforderlichen sorgfältigen Ermittlung des Sachverhalts z. B. durch Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens. Auf die Aussetzung des Verfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO kommt es insoweit nicht an. Soweit der Kläger im vorliegenden Beschwerdeverfahren sich unter Hinweis auf „unstreitige“ Gebührenpositionen dagegen verwahrt, dass auch diese Gegenstand einer gutachterlichen Befassung und nachfolgenden behördlichen und später gerichtlichen Bewertung werden könnten, verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 27. Mai 2013 – 1 A 2782/11 ‑, NWVBl 2013, 442 = NVwZ-RR 2013, 745 = DÖD 2013, 239 = juris, insbes. Rn. 23 ff. = NRWE.
10Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
11Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
- 1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder - 2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder - 3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
(2) Behandlungen und Untersuchungen,
- 1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, - 2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder - 3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.