Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 05. Mai 2014 - 4 Bs 98/14

bei uns veröffentlicht am05.05.2014

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. April 2014 geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers bis zur Unanfechtbarkeit ihrer Verfügung vom 10. April 2013 auszusetzen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine bevorstehende Abschiebung.

2

Der 43 Jahre alte, in Deutschland geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er war seit seinem 16. Lebensjahr bis 2005 im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen. In der Zeit zwischen 1992 und 2006 wurde er wiederholt strafrechtlich verurteilt, zuletzt mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2006 wegen schwerer räuberischer Erpressung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. Januar 2008 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus und drohte ihm die Abschiebung an. Einen späteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. März 2010 ab. Seine hiergegen erhobene Klage nahm der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zurück (15 K 338/11). Aus der Strafhaft wurde der Antragsteller im März 2011 auf Bewährung entlassen. Die restliche Freiheitsstrafe wurde ihm im März 2014 erlassen.

3

Im März 2013 beantragte der Antragsteller, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. April 2013 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 zurück. Der Antragsteller erhob am 20. September 2013 Klage, über die noch nicht entschieden ist (13 K 3792/13).

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Im März 2014 sprach der Antragsteller wegen einer möglichen Eheschließung mit seiner deutschen Lebensgefährtin bei der Antragsgegnerin vor. Am 22. April 2014 wurde der Antragsteller zur Sicherung der für den 6. Mai 2014 vorgesehen Abschiebung inhaftiert. Mit Bescheid vom 24. April 2014 befristete die Antragsgegnerin die Wirkung der Ausweisung sowie der vorgesehenen Abschiebung auf 10 Jahre Auslandsaufenthalt ab der Abschiebung.

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Am 28. April 2014 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, ihm gegen die Abschiebung einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. April 2014 abgelehnt: Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Eine Abschiebung stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familien- und Privatleben dar. Der Antragsteller sei zwar in Deutschland geboren worden und habe seither hier gelebt. Er habe den Hauptschulabschluss erworben, zeitweise als Gabelstaplerfahrer gearbeitet und er lebe jetzt mit seiner Lebensgefährtin zusammen und unterstütze sie bei der Erziehung ihrer Kinder. Gegen eine tiefgreifende Verwurzelung spreche aber entscheidend, dass er sich nicht wirtschaftlich integriert habe und dass er sich über viele Jahre nicht an die hiesige Rechtsordnung gehalten habe. Eine Integration in die Lebensverhältnisse der Türkei sei ihm möglich. Er sei in der Lage, sich in der türkischen Sprache zu verständigen und er könne dort durch seine Eltern unterstützt werden, die sich dort jedenfalls für mehrere Monate aufhielten.

6

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

II.

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A Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

8

Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen ist die angefochtene Entscheidung zu ändern und die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen. Ein Anordnungsgrund liegt unzweifelhaft vor, da die Antragsgegnerin beabsichtigt, den Antragsteller bereits am 6. Mai 2014 in die Türkei abzuschieben. Der Antragsteller hat zudem glaubhaft gemacht, dass seine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, sodass seine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG voraussichtlich Erfolg haben wird, da die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen aus § 5 Abs. 1 AufenthG nicht notwendig entgegenstehen. Wegen des bestehenden Ausreise- und Abschiebungshindernisses ist ihm nach § 60a AufenthG bis dahin eine Duldung zu erteilen.

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Eine Ausreise ist rechtlich unmöglich i.S.v. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, wenn es dem Ausländer aus Rechtsgründen nicht zuzumuten ist, Deutschland zu verlassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.2010, Buchholz 402.242 § 60a AufenthG Nr. 6, juris Rn. 3). Hiervon ist vor allem dann auszugehen, wenn auch einer Abschiebung rechtliche Hindernisse entgegenstehen, weil der Begriff der Ausreise i.S.v. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG sowohl die freiwillige als auch die zwangsweise Ausreise umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2012, InfAuslR 2012, 173, juris Rn. 8). Die Ausreise ist danach insbesondere unzumutbar und deshalb unmöglich, wenn rechtliche zielstaats- und/oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2006, BVerwGE 126, 192, juris Rn. 17). Zu den inlandsbezogenen Abschiebungsverboten zählen auch die Verbote, die aus Verfassungsrecht oder aus Völkervertragsrecht in Bezug auf das Inland herzuleiten sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.2010, Buchholz 402.242 § 60a AufenthG Nr. 6, juris Rn. 3; Urt. v. 27.6.2006, BVerwGE 126, 192, juris Rn. 17; vgl. auch OVG Hamburg, Urt. v. 16.5.2012, 4 Bf 111/10, UA S. 10; Beschl. v. 20.9.2010, 4 Bf 90/10, BA S. 6).

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Diese Voraussetzungen dürften mit Blick auf Art. 8 EMRK erfüllt sein. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Wenngleich aus Art. 8 EMRK grundsätzlich kein Recht eines Ausländers folgt, in einen bestimmten Vertragsstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. EGMR, Entsch. v. 17.10.2004, Nr. 33743/03 [Dragan] Rn. 97, NVwZ 2005, 1043, juris; Urt. v. 16.6.2005, Nr. 60654/00 [Sisojewa I], InfAuslR 2005, 349; vgl. ferner BVerwG, Urt. v. 3.6.1997, NVwZ 1998, 189, juris Rn. 20), kann einem Ausländer bei fortschreitender Aufenthaltsdauer aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens gleichwohl eine von dem betreffenden Vertragsstaat zu beachtende aufenthaltsrechtliche Rechtsposition zuwachsen (vgl. zum Vorstehenden: OVG Koblenz, Urt. v. 15.3.2012, 7 A 11417/11, juris Rn. 29; OVG Hamburg, Urt. v. 16.5.2012, 4 Bf 111/10, UA S. 11 f.).

11

Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist im Fall des Antragstellers eröffnet (hierzu unter 1.). Die Beendigung seines Aufenthalts dient einem legitimen Ziel, nämlich der Aufrechterhaltung der Ordnung und Verhütung von Straftaten (hierzu unter 2.). Die Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers erscheint aber unverhältnismäßig (hierzu unter 3.).

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1. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist im Fall des Antragstellers eröffnet. Dabei kann dahin stehen, ob sich der Antragsteller im Hinblick auf seine in Deutschland lebenden Familienangehörigen auch auf den Schutz des Familienlebens i.S.v. Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen kann, ob also die Reichweite des konventionsrechtlichen Schutzes insoweit über die grundgesetzliche Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 1 GG hinausgeht (vgl. einerseits EGMR, Urt. v. 12.1.2010, Nr. 47486/06 [Abdul Waheed Khan] Rn. 32, InfAuslR 2010, 369; Urt. v. 10.7.2003, Nr. 53441/99 [Benhebba], InfAuslR 2004, 182; Urt. v. 15.07.2003, Nr. 52206/99 [Mokrani], InfAuslR 2004, 183; Urt. v. 9.10.2003, Nr. 48321/99 [Slivenko] Rn. 97, EuGRZ 2006, 560; vgl. auch OVG Hamburg, Urt. v. 29.1.2008, InfAuslR 2009, 64, juris Rn. 61; vgl. andererseits EGMR, Urt. v. 14.6.2011, Nr. 38058/09 [Osman], Rn. 55; Urt. v. 24.11.2009, Nr. 182/08 [Steven Omojudi] Rn. 36, InfAuslR 2010, 178; Urt. v. 23.06.2008, Nr. 1638/03 [Maslov II], InfAuslR 2008, 333, juris [Kurztext]; zum Vorstehenden insgesamt: VGH Mannheim, Beschl. v. 5.2.2009, AuAS 2009, 197, juris Rn. 16). Denn jedenfalls gehören die Beziehungen zu Familienangehörigen zu der Gesamtheit der sozialen Beziehungen, die das Privatleben i.S.v. Art. 8 Abs. 1 EMRK begründen (vgl. EGMR, Urt. v. 14.6.2011, Nr. 38058/09 [Osman], Rn. 55; Urt. v. 12.1.2010, Nr. 47486/06 [Abdul Waheed Khan] Rn. 31, InfAuslR 2010, 369).

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Das Recht auf Achtung des Privatlebens i.S.v. Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst die Summe der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für die Persönlichkeit eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.2.2011, InfAuslR 2011, 235, juris Rn. 19; Beschl. v. 10.5.2007, InfAuslR 2007, 275, juris Rn. 33; BVerwG, Urt. v. 27.1.2009, BVerwGE 133, 72, juris Rn. 21).

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Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller in Deutschland ein Privatleben in dem vorgenannten Sinne. Er lebt sein gesamtes Leben, also seit fast 44 Jahren, in Deutschland. Er ist hier geboren und zur Schule gegangen. Er spricht die deutsche Sprache. Nahezu seine gesamte Familie lebt im Bundesgebiet. Wie seine in Deutschland erbrachten Integrationsleistungen zu gewichten sind, betrifft nicht die Frage, ob der Schutzbereich eröffnet ist, sondern ob ein Eingriff in den Schutzbereich i.S.v. Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist (vgl. EGMR, Urt. v. 25.3.2010, Nr. 40601/05 [Mutlag] Rn. 50, InfAuslR 2010, 325, juris; siehe auch OVG Koblenz, Urt. v. 15.3.2012, 7 A 11417/11, juris Rn. 30; OVG Bremen, Urt. v. 28.6.2011, InfAuslR 2011, 432, juris Rn. 51).

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Der Eröffnung des Schutzbereich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK steht nicht entgegen, dass der Antragsteller im Jahr 2008 ausgewiesen wurde und sein Aufenthalt in den vergangenen Jahren deshalb nicht mehr legal gewesen ist, er sich vielmehr nur noch geduldet in Deutschland aufgehalten hat. Dieser Umstand nimmt dem Antragsteller weder die Möglichkeit, sich auf den Schutz seines Privatlebens zu berufen, noch steht er einer Berücksichtigung von Integrationsmomenten entgegen, die erst während dieser Zeit illegalen Aufenthalts entstanden sind.

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Es ist in der Rechtsprechung und in der Literatur umstritten, ob sich ein Ausländer, dessen bisheriger Aufenthalt im „Gastland“ nicht legal war, auf Art. 8 Abs. 1 EMRK und den dort garantierten Schutz des Privatlebens berufen kann. Während ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung die Ansicht vertritt, dass sich auch ein Ausländer auf Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen könne, dessen bisheriger Aufenthalt nicht legal gewesen ist (so etwa OVG Hamburg, Urt. v. 16.5.2012, 4 Bf 111/10, UA S. S. 13 ff.; Urt. v. 24.3.2009, InfAuslR 2009, 279, juris Rn. 97; Beschl. v. 3.3.2009, 2 Bs 22/09, BA S. 7; Beschl. v. 20.8.2009, 3 Bs 104/09, BA S. 6 ff.; VGH Mannheim, Urt. v. 13.12.2010, InfAuslR 2011, 250, juris Rn. 31 ff.; Beschl. v. 5.2.2009, AuAS 2009, 197, juris Rn. 17; OVG Bremen, Urt. v. 28.6.2011, InfAuslR 2011, 432, juris Rn. 49; Urt. v. 5.7.2011, InfAuslR 2011, 379, juris Rn. 34; OVG Magdeburg, Beschl. v. 13.9.2010, 2 M 132/10, juris Rn. 8), ist namentlich das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass „ein Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet und eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte begründet, (…) grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht“ kommt (BVerwG, Urt. v. 26.10.2010, 1 C 18.09, AuAS 2011, 86; Urt. v. 30.4.2009, AuAS 2009, 194, juris Rn. 20; dem folgend OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.8.2010, AuAS 2011, 3, juris Rn. 5 ff.; Beschl. v. 19.7.2010, DVBl. 2010, 1113, juris Rn. 4 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.1.2012, OVG 3 B 19.10, juris Rn. 28; OVG Koblenz, Urt. v. 15.3.2012, 7 A 11417/11, juris Rn. 30; VGH München, Beschl. v. 11.8.2011, 19 CE 11.1347, juris Rn. 4; eingehend zum Streitstand m.w.N.: VGH Mannheim, Urt. v. 13.12.2010, InfAuslR 2011, 250, juris Rn. 31 ff.).

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Das Bundesverwaltungsgericht beruft sich zur Begründung seiner Auffassung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: Gerichtshof). Dieser Rechtsprechung entnimmt der Senat indes nicht einen übergreifenden Rechtssatz, wonach der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK für Ausländer, deren bisheriger Aufenthalt nicht legal gewesen ist, nicht eröffnet sei (so auch die Einschätzung bei OVG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2009, 3 Bs 104/09, BA S. 7 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 13.12.2010, InfAuslR 2011, 250, juris Rn. 33). Dies gilt namentlich für die Rechtssache „Nnyanzi“ (Urt. v. 8.4.2008, Nr. 21878/06 [Nnyanzi] Rn. 76, ZAR 2010, 189), auf die das Bundesverwaltungsgericht zum Beleg seiner Auffassung wiederholt Bezug genommen hat. In dieser Entscheidung hat es der Gerichtshof offen gelassen, ob der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK eröffnet ist. Die Bedeutung der Rechtmäßigkeit des Voraufenthalts hat er in diesem Zusammenhang nicht thematisiert. Erst im Rahmen seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK, zu der der Gerichtshof gelangt ist, weil er zu Gunsten der betreffenden Ausländerin unterstellt hat, der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK sei eröffnet, hat er u.a. darauf abgestellt, die betreffende Ausländerin habe zu keinem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht innegehabt. Der Prüfungsansatz des Gerichtshof in der Sache „Nnyanzi“ spricht danach eher dafür als dagegen, dass der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK auch eröffnet sein kann, wenn der bisherige Aufenthalt des Ausländers im „Gastland“ nicht rechtmäßig gewesen ist. Andernfalls hätte es nahe gelegen, sogleich die Eröffnung des Schutzbereichs zu verneinen.

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Im Übrigen ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs uneinheitlich. In einigen Fällen hat er vertreten, der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK sei (insbesondere deshalb) nicht eröffnet, weil der betreffende Ausländer nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechts gewesen sei (vgl. EGMR, Entsch. v. 7.10.2004, Nr. 33743/03 [Dragan], NVwZ 2005, 1043, juris; weitere Nachweise bei OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.8.2010, AuAS 2011, 3, juris Rn. 11). In anderen Fällen hat der Gerichthof die Frage der (Dauer der) Rechtmäßigkeit des Aufenthalts hingegen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gewürdigt (vgl. EGMR, Urt. v. 25.3.2010, Nr. 40601/05 [Mutlag] Rn. 56, InfAuslR 2010, 325, juris; Urt. v. 30.1.2006, Nr. 50435 [da Silva und Hoogkamer], InfAuslR 2006, 298). Nicht zuletzt der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs lassen sich allerdings Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Fehlen eines rechtmäßigen Voraufenthalts einen Ausländer nicht hindert, sich auf Art. 8 Abs. 1 EMRK zu berufen. In der Rechtssache „Osman“ (Urt. v. 14.6.2011, Nr. 38058/09 [Osman], Rn. 65) anerkennt der Gerichtshof nunmehr ausdrücklich die Möglichkeit, dass sich ein – nicht zuletzt im „Gastland“ aufgewachsener – Ausländer trotz zumindest zeitweise fehlender Aufenthaltserlaubnis auf den Schutz des Familien- und Privatlebens berufen könne.

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Nach Auffassung des Senats gibt es keine zwingenden konventionsrechtlichen Gründe, die dafür sprechen, dass ein schutzwürdiges Privatleben i.S.v. Art. 8 Abs. 1 EMRK nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand dieses Aufenthalts entstehen bzw. gegeben sein kann. Zwar hat der Gerichtshof in der Rechtssache „da Silva und Hoogkamer“ (Urt. v. 30.1.2006, Nr. 50435 [da Silva und Hoogkamer], InfAuslR 2006, 298) im Rahmen der Prüfung von Art. 8 Abs. 2 EMRK ausgeführt, „dass Personen, die, ohne den geltenden Gesetzen zu entsprechen, die Behörden eines Vertragsstaates mit ihrer Anwesenheit in diesem Staat konfrontieren, im Allgemeinen nicht erwarten können, dass ihnen ein Aufenthaltsrecht zugesprochen wird“. Dieser Ansatz gebietet es aber nicht, schon die Eröffnung des Schutzbereichs aus Art. 8 Abs. 1 EMRK zu verneinen, wenn ein Ausländer sich bislang ohne Aufenthaltsrecht im „Gastland“ aufgehalten hat. Der Gesichtspunkt der Illegalität des bisherigen Aufenthalts und das hierdurch berührte legitime Interesse der Vertragsstaaten, den Zuzug von Ausländern zu steuern und zu begrenzen, kann ebenso gut und mit dem gebotenen Gewicht im Rahmen der gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmenden Abwägung berücksichtigt werden. Auf diese Weise bleibt die Möglichkeit erhalten, jedem Einzelfall gerecht zu werden. Dies könnte nicht gewährleistet werden, wenn Ausländer, deren Voraufenthalt nicht legal gewesen ist, von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK ausgeschieden werden. Denn es kommt, wie auch der vorliegende – nicht untypische – Fall eines in Deutschland geborenen Ausländers oder auch der eines im Kindesalter nach Deutschland eingereisten Migranten der zweiten Generation deutlich macht, bei einer lebensnahen Würdigung der insoweit relevanten Fallkonstellationen in Betracht, dass Ausländer, auch wenn sie sich über Jahre nur gestattet oder geduldet im „Gastland“ aufgehalten haben, dort eine zwar nicht rechtliche, aber doch faktische Verwurzelung erreicht haben, die so gewichtig ist, dass es geboten erscheint, die Beendigung ihres weiteren Aufenthalts einer Überprüfung an den Maßstäben des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu unterziehen (vgl. zum Vorstehenden eingehend: VGH Mannheim, Urt. v. 13.12.2010, InfAuslR 2011, 250, juris Rn. 33; vgl. ferner OVG Bremen, Urt. v. 28.6.2011, InfAuslR 2011, 432, juris Rn. 50).

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2. Die Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers in Deutschland dient einem legitimen Zweck. Der Antragsteller ist seit langem vollziehbar ausreisepflichtig. Seine Abschiebung ist eine Maßnahme, die gesetzlich vorgesehen ist (§§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 1 und 2 AufenthG). Seine Ausreisepflicht soll vollzogen werden, um - was sich aus den Ausführungen der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren ergibt - der bestandskräftigen Ausweisung vom 3. Januar 2008 Rechnung zu tragen. Diese war damit begründet worden, dass der Aufenthalt des Antragstellers wegen der begangenen erheblichen Straftaten die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtige. Die Straftaten wurden als besonders schwerwiegend eingestuft und die Antragsgegnerin ging von einer Wiederholungsgefahr aus. Die Aufrechterhaltung der Ordnung und Verhütung von Straftaten sind Zwecke, die es rechtfertigen können, in das nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Privat- und Familienleben einzugreifen (EGMR, Entscheidung vom 19.3.2013, Nr. 45971/08, FamRZ 2014, 367, juris Rn. 32).

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3. Der durch eine Aufenthaltsbeendigung bzw. durch die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts bewirkte Eingriff in das Recht des Antragstellers auf Achtung seines Privatlebens dürfte nicht gerechtfertigt sein. Die Beendigung seines Aufenthalts dürfte nicht zur Verfolgung des genannten legitimen Ziels notwendig sein. Sie ist nicht durch ein dringendes soziales Bedürfnis begründet und steht nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel (vgl. zu diesem Maßstab: EGMR, Entscheidung vom 19.3.2013, Nr. 45971/08, FamRZ 2014, 367, juris Rn. 33).

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Im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmenden Prüfung der Notwendigkeit ist einerseits maßgeblich zu berücksichtigen, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist (hierzu unter a). Gesichtspunkte sind insoweit insbesondere die Dauer und der Grund seines Aufenthalts in Deutschland sowie dessen rechtlicher Status, der Stand seiner Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift, seine berufliche Tätigkeit und seine wirtschaftliche Integration bzw. bei einem Kind, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen seine Integration in eine Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung, seine Wohnverhältnisse, seine familiären und sozialen Beziehungen sowie die Beachtung gesetzlicher Pflichten und Verbote, insbesondere Art und Schwere begangener Straftaten. Zum zweiten ist insoweit maßgeblich, welche Schwierigkeiten für den Ausländer und ggf. seinen Ehepartner und seine Kinder mit einer (Re-) Integration in den Staat verbunden sind, in den er ausreisen soll (hierzu unter b). Gesichtspunkte sind diesbezüglich vor allem, inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen bzw. erworben werden können, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und inwieweit er dort bei der (Wieder-) Eingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese erforderlich sein sollte (vgl. allgemein zu den maßgeblichen Kriterien EGMR, Entscheidung vom 19.3.2013, Nr. 45971/08, FamRZ 2014, 367, juris Rn. 32 ff.). Letztlich kommt es auf die Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände des jeweiligen konkreten Einzelfalles an (EGMR, Entscheidung vom 19.3.2013, a.a.O.; vgl. zum Vorstehenden auch: OVG Koblenz, Urt. v. 15.3.2012, 7 A 11417/11, juris Rn. 35 f.; vgl. ferner BVerwG, Beschl. v. 19.1.2010, NVwZ 2010, 707, juris Rn. 4; Urt. v. 27.1.2009, BVerwGE 133, 72, juris Rn. 20). Diese Abwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus (hierzu unter c). Im Einzelnen:

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a) Was die Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse anbelangt, so gelangt der Senat zu folgender Einschätzung:

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Zu Gunsten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass er seit seiner Geburt in Deutschland lebt. Diesem Umstand kommt erhebliches Gewicht zu. Denn der Antragsteller hat bereits seine - in besonderem Maße prägende - Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht und ist hier sozialisiert worden. Er beherrscht die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Der Antragsteller hat die Schule besucht und den Hauptschulabschluss erreicht. Er hat sodann sein gesamtes Leben von mittlerweile fast 44 Jahren in Deutschland verbracht. Fast seine gesamte Familie lebt hier in Deutschland. Sein Bruder S. ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und besitzt selbst die deutsche Staatsangehörigkeit. Zu ihm und seiner Familie, darunter seine beiden Neffen, hat der Antragsteller nach den glaubhaft gemachten Angaben seines Bruders eine enge Bindung. Auch seine Eltern leben nach Eintritt seines Vaters in den Ruhestand überwiegend - wie der Antragsteller glaubhaft gemacht hat - in Deutschland. Er hat zwar keinen Ausbildungsberuf erlernt, jedoch die Fahrerlaubnis für Gabelstapler erworben und wiederholt als Gabelstaplerfahrer gearbeitet.

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Auf eine soziale Verwurzelung in Deutschland deutet zudem hin, dass der Antragsteller - allerdings erst seit etwa einem Jahr - in eheähnlicher und familienähnlicher Gemeinschaft mit seiner deutschen Lebensgefährtin und ihren beiden Kindern lebt und - wie der Antragsteller weiter glaubhaft gemacht hat - gegenüber diesen Kindern die Vaterrolle einnimmt. Auf eine wirtschaftliche Integration kann sich der Antragsteller allerdings nicht berufen; sie ist dem Antragsteller in all den Jahren nicht gelungen. Zu seinen Gunsten ist allerdings zu berücksichtigen, dass - wie sein Bruder eidesstattlich versichert hat - dem Antragsteller eine Anstellung als Gabelstaplerfahrer bei dem Unternehmen in Aussicht steht, bei dem auch sein Bruder F. beschäftigt ist. Sollte es ihm möglich sein, die Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen zu erwerben, könnte er sogar in dem eigenen Unternehmen seines Bruders arbeiten (vgl. Bl. 74 d.A. 15 VG 338/11), was seine wirtschaftliche Integration noch verstärken dürfte.

26

Gegen eine gelungene Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse spricht allerdings, dass er seit 1991 viele Jahre lang in erheblichem Maße straffällig geworden ist (vgl. zur Relevanz strafrechtlicher Verfehlungen insbesondere: EGMR, Entscheidung vom 19.3.2013, 45971/08, FamRZ 2014, 367, juris Rn. 47; Urt. v. 8.1.2009, 10606/07 [Grant] Rn. 39, InfAuslR 2010, 89; Urt. v. 25.3.2010, 40601/05 [Mutlag] Rn. 55, InfAuslR 2010, 325; Urt. v. 23.06.2008, 1638/03 [Maslov II], InfAuslR 2008, 333, juris [Kurztext]). Hier sind insbesondere die zahlreichen Vermögensdelikte sowie Körperverletzungsdelikte zu betonen. So wurde der Antragsteller mehrfach zu Geld- sowie Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar wegen in den Jahren 1991 bis 1997 begangener Körperverletzungsdelikte zu Freiheitsstrafen von vier Monaten, sechs Monaten sowie zwei Jahren, und wegen in den Jahren 1993 bis 2004 begangener Vermögensdelikte zu Geldstrafen sowie einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Die schwersten Delikte verübte der Antragsteller in den Jahren 2005 und 2006. Hierauf wurde er mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2006 (621 KLs 8/06) wegen schwerer räuberischer Erpressung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Bei all diesen Straftaten hat es sich mithin weder um nur vereinzelt gebliebene Verfehlungen gehandelt (zur Relevanz dieses Aspekts: EGMR, Urt. v. 12.1.2010, Nr. 47486/06 [Abdul Waheed Khan] Rn. 41, InfAuslR 2010, 369), noch betrafen seine Straftaten lediglich den Bereich leichter Kriminalität. Insbesondere die Körperverletzungen sowie die räuberische Erpressung wiegen schwer. Was das strafrechtliche Fehlverhalten anbelangt, spricht allerdings einiges dafür, dass sich das Verhalten des Antragstellers bereits geändert hat und sich künftig nicht mehr wiederholen wird. Seit der letzten Körperverletzung (in zwei Fällen), wegen der der Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, sind 14 Jahre vergangen. Wegen derartiger Delikte ist der Antragsteller seither nicht in Erscheinung getreten. Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr sind derzeit nicht ersichtlich; auch die Antragsgegnerin hat hierzu nichts angeführt. Es spricht aber auch einiges dafür, dass sich die Vermögensdelikte, die der Antragsteller bis 2004 begangen hatte, sowie die räuberische Erpressung nicht wiederholen werden. Gerade diese zuletzt begangenen schweren Straftaten standen - wie sich aus dem genannten Urteil des Landgerichts Hamburg ergibt - im Zusammenhang mit der Spielsucht des Antragstellers. Diese Spielsucht scheint der Antragsteller überwunden zu haben. Zur Aufarbeitung und Überwindung seines pathologischen Glücksspielverhaltens hat er ab Juli 2010 in regelmäßigem Kontakt zur Suchtberatungsstelle K. gestanden und erfolgreich an Beratungs- sowie Behandlungsgesprächen teilgenommen (vgl. Bescheinigung dieser Stelle vom 22.6.2012, Bl. 24 d.A.). Außerdem hat er sich von September 2011 bis Januar 2013 regelmäßig psychiatrisch behandeln lassen. In seinem Bericht vom 23. August 2013 (Bl. 25 d.A.) hat der behandelnde Arzt der Klinik festgestellt, dass eine Beendigung der Behandlung zu diesem Zeitpunkt aus fachärztlicher Sicht vertretbar sei. Auch hat der Antragsteller während der gesamten Bewährungszeit zuverlässig Kontakt zur Bewährungshilfe gehalten. Inzwischen ist die restliche Freiheitsstrafe erlassen und die Führungsaufsicht aufgehoben worden. In diesen Jahren ist er nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten.

27

Das Gewicht der hiernach für eine Integration sprechenden Umstände wird dadurch gestützt, dass der Aufenthalt des Antragstellers bis zu seinem 36. Lebensjahr legal war. Der Antragsteller verfügte bis zum Dezember 2005 über die erforderlichen Aufenthaltserlaubnisse. Demgegenüber ist der Zeitraum, in dem der Antragsteller nur noch geduldet wurde, verhältnismäßig kurz. Dass in dieser Zeit der Aufenthalt nicht erlaubt war, vermag das Gewicht der zuvor erfolgten Integration nicht entscheidend zu mindern. Zu berücksichtigen ist auch die gerade in dieser Zeit eingetretene Verhaltensänderung, von der der Senat aufgrund des bisher glaubhaft gemachten Sachverhalts ausgeht. Zwar musste der Antragsteller in dieser Zeit stets damit rechnen, abgeschoben zu werden. Der Antragsteller hat sich jedoch nicht erstmalig auf der Grundlage eines illegalen Aufenthalts maßgeblich integriert. In einem solchen Fall wäre in Betracht zu ziehen, dass er nicht darauf vertrauen kann, dass ihm diese Integration zu einem dauerhaften Aufenthaltsrecht verhilft. Hier kann jedoch die in dieser Zeit eingetretene Verhaltensänderung nicht unabhängig von seinem jahrzehntelangen legalen Aufenthalt betrachtet werden. Die in der verhältnismäßig kurzen Zeit illegalen Aufenthalts erreichte weitere Integration hat die zuvor erreichte verstärkt und nimmt dem Antragsteller nicht das Vertrauen darauf, dass sein Privatleben in Deutschland als Ganzes betrachtet wird.

28

b) Was die Entwurzelung des Antragstellers von der Türkei und seine Möglichkeiten, sich dort zu integrieren, anbelangt, ist nach Einschätzung des Senats von Folgendem auszugehen:

29

Der Antragsteller würde im Falle seiner Abschiebung in ein ihm weitgehend fremdes Land kommen, in dem ihm eine Integration kaum gelingen dürfte. Er ist in Deutschland geboren worden und kann die türkische Sprache - wie er gegenüber dem Verwaltungsgericht angegeben hat (Bl. 73 d.A. 15 K 338/11) - nur „ein bisschen“ sprechen, jedoch nicht schreiben. Auch sein Bruder S. hat in seiner eidesstattlichen Versicherung (Bl. 41 d.A.) bestätigt, dass der Antragsteller nur über sehr unzureichende türkische Sprachkenntnisse verfügt. Den plausiblen Angaben des Antragstellers zufolge liegt das daran, dass seine Eltern zwar türkische Staatsangehörige, jedoch georgische Volkszugehörige sind und die lasische Sprache sprechen. Diese Sprache hat der Antragsteller jedoch offenbar nicht gelernt, weshalb offen bleiben kann, ob eine Integration in die Türkei auf der Grundlage im Wesentlichen nur der lasischen Sprache überhaupt möglich wäre. Mit den türkischen Lebensverhältnissen ist der Antragsteller nicht vertraut. Er hat die Türkei nach seinen glaubhaften eigenen Angaben nur wenige Male besucht und keinen Kontakt zu einem in der Türkei lebenden Onkel. Seine Familie, bestehend aus seinen Eltern und vier Geschwistern mit ihren Familien, lebt in Deutschland (Bl. 74 d.A. 15 K 338/11). Seine Eltern halten sich zwar nach dem Eintritt seines Vaters in den Ruhestand häufiger in der Türkei auf. Ihren Lebensmittelpunkt haben sie nach den glaubhaft gemachten Angaben seines Bruders S. (Bl. 41 d.A.) aber weiterhin in Deutschland.

30

c) Der Senat gelangt bei der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen umfassenden Gewichtung und Würdigung aller dargestellten Gesichtspunkte und Erwägungen im Ergebnis zu der Einschätzung, dass es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, seinen Aufenthalt in Deutschland zu beenden und zukünftig in der Türkei zu leben:

31

Dem Umstand, dass der Antragsteller durch sein Leben in Deutschland seit seiner Geburt über nahezu 44 Jahre in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist, kommt erhebliches Gewicht bei. Bereits diese Dauer spricht dafür, dass es sich bei dem Antragsteller faktisch um einen Inländer handelt. Es kommt hinzu, dass er hier gewichtige soziale Bindungen hat. Dabei ist insbesondere an die Bindungen zu seinen - auch deutschen - Familienangehörigen zu denken, aber auch an die neuerdings entstandene Bindung zu seiner deutschen Lebensgefährtin und ihren Kindern. Die bislang fehlende wirtschaftliche Integration lässt nicht die Wirkungen entfallen, die durch ein jahrzehntelanges Leben in Deutschland hervorgerufen werden. Insoweit ist die Situation des Antragstellers vergleichbar mit der von Deutschen, die ebenfalls hier sozialisiert sind, ohne sich eine wirtschaftliche Existenz aufgebaut zu haben. Hinzu kommt, dass hinreichend gute Aussichten bestehen, dass der Antragsteller künftig als Gabelstaplerfahrer einem geregelten Erwerbsleben nachgehen wird. Den Straftaten schließlich wird eine ausschlaggebende Bedeutung nicht mehr beigemessen werden können. Insofern ist bereits zu berücksichtigen, dass die letzte Straftat des Antragstellers mittlerweile mehr als acht Jahre zurückliegt. Vor allem aber dürfte derzeit aufgrund der offenbar erfolgreichen Behandlung seiner Glücksspielsucht und wohl auch aufgrund der sozialen Einbindung in seine Familie sowie in die neu begründete Lebensgemeinschaft keine Wiederholungsgefahr mehr bestehen. Schon aus diesem Grunde dürfte inzwischen kein dringendes soziales Bedürfnis mehr bestehen, den Antragsteller aus Deutschland fernzuhalten. Seine Abschiebung wäre zudem deswegen unverhältnismäßig, weil es ihm kaum möglich sein würde, in der Türkei Fuß zu fassen. Diese schwer wiegende Folge einer Abschiebung wäre angesichts seiner sozialen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse bei fehlender Wiederholungsgefahr von Straftaten nicht durch hinreichend gewichtige öffentliche Belange gerechtfertigt.

32

B Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 15. März 2012 - 7 A 11417/11

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weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2011 wird der Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheide

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 31. Mai 2010 - 2 M 132/10

bei uns veröffentlicht am 31.05.2010

Tenor Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 28. Mai 2010 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vo
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 10. Jan. 2017 - 11 K 2461/16

bei uns veröffentlicht am 10.01.2017

Tenor Soweit die Klagen zurückgenommen wurden, wird das Verfahren eingestellt.Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Tatbestand  1 Die Kläger begehren die Erteilung humanitärer Aufenthaltserlaubnisse.2

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 27. Mai 2015 - 9 K 4116/13

bei uns veröffentlicht am 27.05.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 19. Juni 2014 - 15 K 596/10

bei uns veröffentlicht am 19.06.2014

Tenor Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 3) und 4) wird das Verfahren eingestellt. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 10. Dezember 2009 und vom 7. April 2014 und der Widerspruchsbescheide vom 5. Februar 2009 und

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(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

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Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2011 wird der Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten der Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, sofern nicht diese zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen sowie die Aufhebung der Androhung ihrer Abschiebung in das Kosovo. Sie waren Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien und sind albanische Volkszugehörige.

2

Am 5. September reisten der am … 1950 geborene Kläger zu 1., seine Ehefrau, die am … 1964 geborene Klägerin zu 2., sowie ihre gemeinsamen Töchter, die am … 1991 geborene, geistig behinderte Klägerin zu 3. und die am … 1992 geborene Klägerin zu 4., aus dem Kosovo kommend im Besitz bis zum 4. September 1997 gültiger jugoslawischer Reisepässe auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten Asylanträge. Mit Bescheid vom 10. September 1993 erkannte sie das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) als Asylberechtigte an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen. Dieser Bescheid wurde am 16. März 1996 insoweit bestandskräftig, als das Bundesamt bezüglich des Klägers zu 1. das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 festgestellt hatte, nachdem der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 10. September 1993 erhobene Klage insoweit zurückgenommen hatte. Dem Kläger zu 1. wurden daraufhin am 4. März 1996 ein Reiseausweis nach Art. 28 GFK sowie eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 erteilt und beides in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert. Im Übrigen hob das Verwaltungsgericht Mainz auf die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hin den Bescheid des Bundesamtes vom 10. September 1993 mit im August 1996 rechtskräftig gewordenem Urteil vom 16. Juli 1996 – 7 K 4629/93.MZ – auf. Bezüglich der Klägerinnen zu 2. bis 4. stellte das Bundesamt sodann mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG 1990 nicht vorliegen. Dieser Bescheid wurde am 4. März 1997 bestandskräftig. Den Klägerinnen zu 2. bis 4. wurden daraufhin am 30. Juli 1997 Aufenthaltsbefugnisse nach § 31 AuslG 1990 erteilt und in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert.

3

Am … 1997 wurde der Sohn der Kläger zu 1. und zu 2., der Kläger zu 5. geboren. Auch ihm wurde eine Aufenthaltsbefugnis nach § 31 AuslG 1990 erteilt und in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert.

4

Am 14. September 1998 wurde der Klägerin zu 2. ein neuer jugoslawischer Reisepass ausgestellt, in den die Kläger zu 3. bis 5. miteingetragen waren und der bis zum 14. September 2008 gültig gewesen ist.

5

Mit Bescheid vom 18. November 2003 widerrief das Bundesamt die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 bezüglich des Klägers zu 1. vorliegen, und stellte zugleich fest, dass bezüglich seiner Person keine Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG 1990 vorliegen. Seine dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil vom 7. Mai 2004 – 7 K 3939/03.KO – ab, seinen daraufhin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der erkennende Senat mit am 13. Mai 2005 zugestelltem Beschluss vom 11. Mai 2005 – 7 A11027/04.OVG – ab.

6

Am 17. November 2004 hatten die Kläger die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnisse beantragt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2005 ab, forderte die Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf und drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung dieser Aufforderung ihre Abschiebung nach Serbien und Montenegro (Kosovo) an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Eine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigungen sei nicht mehr möglich, nachdem die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes bezüglich des Klägers zu 1. unanfechtbar sei. Ferner könnten sie sich nicht auf den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 15. Februar 2001 berufen, schon weil sich der Kläger zu 1. vor diesem Stichtag nicht zwei Jahre lang in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis befunden habe. Schließlich sei ihnen die gemeinsame Rückkehr in das Kosovo möglich und zumutbar, weil ihr langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zu ihrer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse geführt habe. Vielmehr hätten sie ihr Gastrecht dahingehend missbraucht, hauptsächlich von Sozialhilfe zu leben. Auch sei anzunehmen, dass den Klägern zu 3. bis 5. die Integration in die neuen Lebensverhältnisse leicht falle.

7

Daraufhin ließen die Kläger am 19. Oktober 2005 Widerspruch erheben sowie beim Verwaltungsgericht Koblenz einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen. Der Letztere hatte in zweiter Instanz teilweise Erfolg: Mit Beschluss vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – gab der erkennende Senat dem Beklagten auf, die Abschiebung der Antragsteller bis zur Entscheidung über ihren Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 auszusetzen, weil einiges dafür spreche, dass die Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK hätten, ohne dass insoweit der Sachverhalt geklärt sei und ohne dass der Beklagte das ihm eröffnete Ermessen ausgeübt habe. Seit dem 21. März 2006 hat der Beklagte deshalb die Abschiebung der Kläger jeweils kurzfristig ausgesetzt und ihnen diesbezügliche Duldungsbescheinigungen ausgestellt.

8

Im Mai 2007 ließen die Kläger vorsorglich auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 27. November 2006 beantragen.

9

In der mündlichen Verhandlung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten am 28. November 2007 wurde das Widerspruchsverfahren bis zum 31. Mai 2008 ausgesetzt, um eine gütliche Einigung und dem Kläger zu 1. den Erwerb eines serbischen Reisepasses zu ermöglichen. Für den Fall, dass es nicht zu einer gütlichen Einigung komme, wurde im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung die Zustellung eines bereits jetzt als "Vorbehaltsentscheidung" zu beratenden Widerspruchsbescheides angekündigt.

10

Am 18. August 2008 übersandte der Kreisrechtsausschuss den Beteiligten eine Kopie der Niederschrift über seine mündliche Verhandlung vom 28. November 2007 einschließlich des Tenors der die Widersprüche der Kläger zurückweisenden "Vorbehaltsentscheidung". Jedoch wurde den Klägern erst am 31. Mai 2010 ein Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010 zugestellt. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen seien nicht erfüllt. Insbesondere bestehe kein tatsächliches oder rechtliches Ausreisehindernis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG, auch nicht etwa im Hinblick auf Art. 8 EMRK, da die noch immer vollständig von öffentlichen Sozialleistungen abhängigen Kläger hier trotz ihres langjährigen Aufenthaltes weder sozial noch wirtschaftlich integriert seien. Dass die Kläger zu 3. bis 5. Regelschulen besuchten, reiche allein zur Begründung eines schutzwürdigen Interesses an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht aus, weil sie weiterhin mit den Klägern zu 1. und zu 2. im gemeinsamen Familienhaushalt lebten, weil sie noch ledig seien und weil noch keine eigenständige Familien- oder Berufsplanung erkennbar sei. Die Rückkehr in das Herkunftsland sei ihnen daher zumutbar. Abgesehen davon stehe der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG entgegen, da die Kläger offenbar im Wissen, dass ihre Abschiebung nur gemeinsam erfolgen könne, "mittels dem vorgeschobenen und ungeklärt gelassenen Identitätsstatus" des Klägers zu 1., der sich keinen serbischen Reisepass besorgt habe, "nicht die von ihnen für ihre Familie zu verlangenden, zumutbaren Anforderungen (…) erfüllt und damit die Möglichkeit ihrer Ausreise eigenverantwortlich bzw. selbst verschuldet verzögert/vereitelt" hätten. Deshalb könnten ihnen gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG auch keine Aufenthaltserlaubnisse nach dieser Vorschrift erteilt werden. Schließlich scheide auch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aufgrund der Bleiberechtsregelung vom 27. November 2006 aus. Diese setze nämlich voraus, dass Anträge und Rechtsmittel zuvor zurückgenommen würden und dass der Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit gesichert sei.

11

Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Juli 2011 – 3 K 823/10.KO – abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

12

Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung vom 27. November 2006 scheitere daran, dass der Lebensunterhalt der Kläger nicht am 17. November 2006 durch legale Erwerbstätigkeit gesichert gewesen sei und dass sie ihre Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach anderen Rechtsvorschriften nicht zurückgenommen hätten.

13

Den Klägern stünden auch keine Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu, da sie im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hätten. Der Kläger zu 1. habe sich auch nach der Unanfechtbarkeit des Widerrufsbescheides des Bundesamtes im Mai 2005 nicht um einen jugoslawischen Reisepass bemüht und dadurch die gemäß Art. 6 GG nur gemeinsam mögliche Abschiebung der gesamten Familie hinausgezögert. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass dies sowohl dem Kläger zu 1. als auch der Klägerin zu 2. bekannt gewesen sei und dass sie insoweit gezielt gemeinsam aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindert hätten. Die Kläger zu 3. bis 5. müssten sich jedenfalls bis zum Erreichen der Volljährigkeit ein Hinauszögern der Aufenthaltsbeendigung durch ihre Eltern zurechnen lassen.

14

Den Klägerinnen zu 3. und 4. könne des Weiteren keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Die Klägerin zu 4. sei am 31. Dezember 2009 noch nicht volljährig gewesen sei, im Falle der Klägerin zu 3. erscheine nicht gewährleistet, dass sie sich aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen könne. Vielmehr werde sie infolge ihrer geistigen Behinderung ihren Lebensunterhalt nicht unabhängig von öffentlichen Hilfeleistungen sichern können.

15

Die Kläger hätten ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 oder Abs. 5 AufenthG, weil ihre Ausreise keine außergewöhnliche Härte darstelle bzw. nicht unmöglich sei. Alle Kläger könnten jederzeit einen Reiseschein für eine Rückreise in das Kosovo erhalten. Da sie gemeinsam ausreisen könnten, scheide eine Verletzung von Art. 6 GG aus. Sofern eine Aufenthaltsbeendigung in ihrem Fall überhaupt in den Schutzbereich des Rechtes auf Achtung ihres Privatlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreifen sollte, wäre dieser Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Das Gewicht des langen Aufenthaltes der Kläger im Bundesgebiet werde dadurch gemindert, dass ihr rechtmäßiger Aufenthalt bereits 2004 geendet habe und dass sie seitdem zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet seien. Was die Integration der Kläger in die hiesigen Verhältnisse anbelange, so spreche der Kläger zu 1. nur mäßig Deutsch, habe kaum soziale Kontakte und sei wirtschaftlich nicht integriert. Eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit sei nicht belegt und nicht einmal substantiiert dargetan. Gleiches gelte für die Klägerin zu 2. Die geistig behinderte Klägerin zu 3. habe zwar den Abschluss einer Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung erreicht, sei aber – ohne dass dies ihr vorwerfbar wäre – weder sprachlich noch sozial noch wirtschaftlich wesentlich in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Bereits derzeit sei sie im normalen Alltagsleben in erheblichem Umfang auf Hilfestellung ihrer Familie angewiesen, lebe ihr Leben weitgehend im Kreis der Familie und werde auch künftig in vergleichbarer Weise auf deren Unterstützung angewiesen sein. Die Klägerin zu 4. sei zwar in sprachlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht in gewisser Weise in die hiesigen Verhältnisse integriert und habe insbesondere im Juni 2009 den Hauptschulabschluss mit ausreichenden Noten erreicht. Sie habe danach aber den Besuch der Berufsschule abgebrochen und noch keine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle gefunden, sodass eine berufliche und wirtschaftliche Integration bisher nicht stattgefunden habe. Der Kläger zu 5. sei hier zwar weitgehend seinem Alter entsprechend sozial integriert, doch sei ihm dennoch wie den übrigen Klägern die Ausreise in das Kosovo zumutbar. Die Kläger zu 1. und 2. seien dort geboren und aufgewachsen, sodass ihnen die sprachliche und soziale Reintegration keine Mühe mache. Ihre wirtschaftliche Integration in die Republik Kosovo werde zwar schwierig sein und möglicherweise nicht gelingen, doch seien die Chancen dafür in ihrem Heimatland, dessen Verhältnisse sie kännten und in dem sie sich sprachlich ohne weiteres zurechtfänden, eher günstiger als hier. Der Klägerin zu 3. seien die Verhältnisse in Kosovo zwar unbekannt, doch werde sie sich lediglich anfangs mit einer für sie nicht vertrauten Umgebung auseinandersetzen und in diese einleben müssen, was ihr nach zumutbaren Anlaufschwierigkeiten mit der Hilfe ihrer Familie jedoch ebenso gelingen werde, wie es ihr in Deutschland gelungen sei: Nach dem Ende des Schulbesuchs habe sie im Wesentlichen im Kreis der Familie gelebt und könne dies auch künftig tun. Die Klägerin zu 4. verfüge über hinreichende mündliche Kenntnisse der Sprache ihres Heimatlandes und könne sich dort von Anfang an verständigen. Aufgrund ihres Alters und der hier erreichten Schulbildung werde sie darüber hinaus in der Lage sein, sich die Kenntnis der Schriftsprache ihres Heimatlandes anzueignen und mit Hilfe ihrer Eltern sozial und wirtschaftlich in der Republik Kosovo zu integrieren. Gleiches gelte für den Kläger zu 5. Angesichts von alledem müsse das Interesse der Kläger an einem weiteren Aufenthalt in Deutschland hinter das öffentliche Interesse an der Beendigung ihres rechtswidrigen Aufenthaltes und das Interesse an der Vermeidung einer weiteren Belastung des deutschen Sozialsystems zurücktreten.

16

Schließlich könne dem Kläger zu 5. schon deshalb keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt werden, weil er das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

17

Zur Begründung der vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 – 7 A 11175/11.OVG – gegen dieses Urteil zugelassenen Berufung vertiefen und ergänzen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen und beantragen,

18

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2011 den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

19

Der Beklagte beantragt.

20

die Berufung zurückzuweisen,

21

und verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Gerichtsakte 3 L 1899/05.KO sowie auf die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet.

24

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

25

Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse nicht in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Die Ausreise eines Ausländers ist dann aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige rechtliche Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Beim Bestehen von Abschiebungsverboten hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Abschiebung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Ausreise aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit rechtlich unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 – BVerwGE 126, 192 [197 f. Rn. 17]).

26

Diese Voraussetzungen sind hier sämtlich erfüllt.

27

Die Kläger sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem die ihnen zuletzt gemäß § 30 bzw. § 31 AuslG 1990 erteilten Aufenthaltsbefugnisse am 26. Oktober 2004 abgelaufen waren und nachdem ihre als Anträge auf Neuerteilung einer Aufenthaltsbefugnis bzw. ab dem 1. Januar 2005 als Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu wertenden Verlängerungsanträge vom 12. November 2004 durch Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 abgelehnt worden waren, ohne dass ihrem daraufhin erhobenen Widerspruch aufschiebende Wirkung zukam (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – InfAuslR 2006, 274 f. m.w.N.). Die Kläger erfüllen aber auch die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

28

1) Was die Klägerin zu 3. anbelangt, so ist ihr eine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ihre Abschiebung in das Kosovo einen mit Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarenden Eingriff in ihr Privatleben darstellen würde und ihr deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

29

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Das Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für die Persönlichkeit eines jeden Menschen konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 9. Oktober 2003 – 48321/99 – "Slivenko" – EuGRZ 2006, 560 [561]) und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 – InfAuslR 2007, 275 [277] und vom 21. Februar 2011 – 2 BvR 1392/10 – InfAuslR 2011, 235 [236] sowie BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 – 1 C 40.07 – BVerwGE 133, 72 [82 Rn. 21]). Zwar folgt aus Art. 8 EMRK grundsätzlich kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Vertragsstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juni 2005 – 60654/00 – "Sisojewa I" – InfAuslR 2005, 349 sowie Entscheidungen vom 17. Oktober 2004 – 33743/03 – "Dragan" – NVwZ 2005, 1043 [1045] und vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – "Ghiban" – NVwZ 2005, 1046; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 – 1 C 18.96 – NVwZ 1998, 189 m.w.N.). Jedoch kann einem Ausländer bei fortschreitender Aufenthaltsdauer aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens auch eine von dem betreffenden Vertragsstaat zu beachtende aufenthaltsrechtliche Rechtsposition zuwachsen.

30

Der Schutzbereich des Art. 8 EMRK ist im Fall der Klägerin zu 3. ohne weiteres eröffnet, nachdem sie sich seit über 18 Jahren in Deutschland aufhält. Zwar kommt ein Privatleben im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich dieser Vorschrift eröffnet, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zumindest "grundsätzlich" nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. dessen Urteile vom 26. Oktober 2010 – 1 C 18.09 – InfAuslR 2011, 92 [93] und vom 30. April 2009 – 1 C 3.08 – InfAuslR 2009, 333 [335]; offengelassen vom EGMR in der Entscheidung vom 16. September 2004 – 11103/03 – a.a.O. und im Urteil vom 8. April 2008 – 21878/06 – "Nnyanzi" – ZAR 2010, 189 [190 f.]). Der Aufenthalt der Klägerin zu 3. war jedoch zunächst 3 ½ Jahre gestattet und danach vom 30. Juli 1997 bis zum 26. Oktober 2004, also 7 ¼ Jahre lang genehmigt. Angesichts dessen war in ihrem Fall der Schutzbereich des Art. 8 EMRK bereits damals eröffnet.

31

Zudem galten die Gründe, aus denen die Aufenthaltsbefugnisse der Kläger zuletzt vom 27. April bis zum 26. Oktober 2004 verlängert worden waren, bis zum Eintritt der Bestandskraft der den Kläger zu 1., den Vater der Klägerin zu 3., betreffenden Widerrufsentscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – im Folgenden: Bundesamt – am 13. Mai 2005 weiter und hätten deshalb bis zum 31. Dezember 2004 die Erteilung weiterer Aufenthaltsbefugnisse und ab dem 1. Januar 2005 die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 Satz 1 bzw. nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerechtfertigt.

32

Es kommt weiter hinzu, dass – auch – der Klägerin zu 3. mangels des Vorliegens eines Ausnahmefalles seit dem 28. August 2007 ein von ihrer Mutter, der Klägerin zu 2., abgeleiteter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zustand, der an diesem Tag in Kraft getretenen ist. Die Klägerin zu 2. erfüllte nämlich ab dem 28. August 2007 sämtliche allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer so genannten Aufenthaltserlaubnis auf Probe, entgegen der Annahme des Beklagten und des Verwaltungsgerichts insbesondere auch die in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG aufgestellte. Die Klägerin zu 2. mag zwar gebilligt und sogar begrüßt haben, dass sich ihr Ehemann, der Kläger zu 1., nicht um die Ausstellung eines serbischen Reisepasses bemühte, wozu er gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG – mit Blick auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erst – ab dem 13. Mai 2005 verpflichtet war, doch hat sie allein deswegen nicht etwa selbst vorsätzlich die Beendigung ihres Aufenthaltes hinausgezögert oder behindert, die dem Beklagten überdies ab dem 3. März 2006 aufgrund des Beschlusses des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. untersagt war; eine vorsätzliche Hinauszögerung oder Behinderung der Beendigung ihres Aufenthaltes durch die Klägerin zu 2. ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein in der Vergangenheit materiellrechtlich bestehender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellt indes, auch wenn er durch die Ausländerbehörde nicht erfüllt wurde, gleichwohl wie ein rechtmäßiger Aufenthalt eine "Handreichung des Staates" (vgl. Hoppe, ZAR 2006, 125 [128]) dar, auf deren Grundlage schutzwürdiges Vertrauen auf einen Verbleib im Bundesgebiet entwickelt werden kann (vgl. VGH BW, Urteile vom 13. Dezember 2010 – 11 S 2359/10 – InfAuslR 2011, 250 [252] sowie vom 4. November 2009 – 11 S 2472/08 – InfAuslR 2010, 103 [107]). Auch nachdem der jugoslawische Pass der Kläger zu 2. bis 5. am 14. September 2008 abgelaufen war, blieb dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Rahmen des ihm nunmehr durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten Ermessens möglich, die der Klägerin zu 3. dann ab der Vollendung ihres 18. Lebensjahres am 4. Mai 2009 zudem aus eigenem und nicht nur aus einem von ihrer Mutter abgeleiteten Recht zustand (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 19. Juni 2009 – 7 B 10468/09.OVG – ESOVGRP).

33

Schließlich hat das Widerspruchsverfahren übermäßig lange gedauert. Der Beklagte hat den Aufenthalt – auch – der Klägerin zu 3. seit dem 21. März 2006 zwar lediglich geduldet, weil ihm deren Abschiebung vor der Zustellung eines Widerspruchsbescheides durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. untersagt war. Der Widerspruchsbescheid ist jedoch trotz klägerseitiger Nachfrage erst am 31. Mai 2010 und damit mehr als 4 ½ Jahre nach Widerspruchserhebung zugestellt worden, ohne dass die im Beschluss des erkennenden Senats vom 26. Februar 2006 erwartete weitere Sachverhaltsaufklärung vollständig erfolgt ist und ohne dass Gründe für die überlange Verfahrensdauer ersichtlich sind. Dies stellte ebenfalls eine Art "Handreichung des Staates" dar, die – auch – bei der Klägerin zu 3. eine weitere Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse und eine weitere Entwurzelung aus den Verhältnissen in Kosovo zur Folge hatte.

34

Nach alledem würde die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet einen Eingriff in den Schutzbereich des ihr gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK zustehenden Rechts auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten. Dieser Eingriff wäre gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, wenn er eine Maßnahme darstellen würde, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist, sich also als verhältnismäßig erweist. Daran fehlt es.

35

Im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ist einerseits maßgeblich zu berücksichtigen, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist. Gesichtspunkte sind insoweit insbesondere die Dauer und der Grund seines Aufenthalts in Deutschland sowie dessen rechtlicher Status, der Stand seiner Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift, seine berufliche Tätigkeit und seine wirtschaftliche Integration bzw. bei einem Kind, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen seine Integration in eine Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung, seine Wohnverhältnisse, seine sozialen Kontakte sowie die Beachtung gesetzlicher Pflichten und Verbote. Zum zweiten ist insoweit maßgeblich, welche Schwierigkeiten für den Ausländer – wiederum unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung – mit einer (Re-)Integration in den Staat verbunden sind, in den er ausreisen soll. Gesichtspunkte sind diesbezüglich vor allem, inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen bzw. erworben werden können, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und inwieweit er dort bei der (Wieder-)Eingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese erforderlich sein sollte (vgl. bereits den Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. S. 275 f. m.w.N.). Schließlich ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich zu berücksichtigen, welches öffentliche Interesse an dem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK besteht. Dass dieses Interesse bei einem Ausländer, der seinen und seiner Familie Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Erwerbstätigkeit sicherstellt und die öffentliche Sicherheit und Ordnung lediglich dadurch stört, dass er keinen Aufenthaltstitel besitzt und nur geduldet ist, von deutlich geringerem Gewicht ist als beispielsweise bei einem Ausländer, der bereits erhebliche Straftaten begangen hat und bei dem die Gefahr der Begehung weiterer solcher Straftaten besteht, versteht sich von selbst (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2009 – 7 B 10028/09.OVG – juris Rn. 14).

36

Letztlich kommt es – wie im Rahmen jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung – auf die Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein mit Art. 8 EMRK nicht vereinbarer Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens eines Ausländers setzt deshalb nicht zwingend dessen abgeschlossene und gelungene Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland oder gar voraus, dass er wie ein Inländer in den hiesigen Lebensverhältnissen verwurzelt ist. Auch reicht etwa allein der Umstand, dass ein im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer weder über einen Schulabschluss noch über eine Berufsausbildung verfügt und seinen Lebensunterhalt bislang nahezu ausschließlich aus öffentlichen Sozialleistungen bestritten hat, für sich allein nicht aus, um ungeachtet aller anderen Besonderheiten des Falles seine Verwurzelung im Bundesgebiet zu verneinen (so der Beschluss des BVerwG vom 19. Januar 2010 – 1 B 25/09 – NVwZ 2010, 707 [708] sowie das Urteil des erkennenden Senats vom 3. November 2011 – 7 A 10842/11.OVG – ESOVGRP und dessen Beschluss vom 25. August 2010 – 7 B 10845/10.OVG –). Ein mit Art. 8 EMRK nicht vereinbarer Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens eines Ausländers ist auch nicht stets dann ausgeschlossen, wenn sich dieser (wieder) in die Verhältnisse eines anderen Staates einfinden könnte, in den er ausreisen kann (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2009 – 7 B 10028/09.OVG – juris Rn. 15).

37

Was die Integration der heute 20-jährigen Klägerin zu 3. in die hiesigen Lebensverhältnisse anbelangt, so ist zunächst zu sehen, dass sie im Alter von zwei Jahren ins Bundesgebiet eingereist ist und sich hier seitdem ohne jegliche Unterbrechung über 18 Jahre lang aufgehalten hat. Ihr Aufenthalt hier war – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte zudem überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Die Klägerin zu 3. hat hier nahezu ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht und hier nahezu ihre gesamte Sozialisierung erfahren. Nach den Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung spricht sie, soweit sie dies aufgrund ihrer geistigen Behinderung überhaupt tut (vgl. dazu etwa ihr Abschlusszeugnis vom 25. Juni 2010 – S. 95 der Gerichtsakte [im Folgenden: GA]), ganz überwiegend Deutsch. Sie hat mit Erfolg 12 Jahre lang eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "ganzheitliche Entwicklung" besucht und den entsprechenden Schulabschluss erreicht (vgl. S. 95 GA). Zu einer Berufsausbildung oder zur Ausübung einer echten Erwerbstätigkeit ist sie behinderungsbedingt nicht in der Lage. Während ihrer Schulzeit hatte sie, wie ihren Zeugnissen entnommen werden kann, zunehmend guten Kontakt zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern (vgl. S. 58, 91, 93, 94 und 95 GA). Vergleichbare soziale Kontakte würde sie bei der geplanten Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen erneut haben, die – soweit ersichtlich – bislang nur daran gescheitert ist, dass sie nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit im Bundesgebiet keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 1 SGB I hat, weil der Beklagte ihre Abschiebung jeweils nur für meist drei, maximal für sechs Monate aussetzt, sie also nur jeweils kurzfristig duldet (vgl. S. 474 und 475 R der den Kläger zu 1. betreffenden Verwaltungsakte [im Folgenden: VA 1]). Die Klägerin zu 3. hat sich bislang stets an Recht und Gesetz gehalten. Zwar ist sie seit dem 14. September 2008 entgegen § 3 Abs. 1 AufenthG nicht mehr im Besitz eines Passes, doch war ihr die bislang zum Erwerb eines kosovarischen Passes erforderliche Reise in das Kosovo behinderungsbedingt allein nicht möglich. Auch hätte ihr deshalb der Beklagte einen Ausweisersatz im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG ausstellen können, sollte er dies nicht sogar gewollt haben (vgl. S. 229 und 293 VA 1). Unter Berücksichtigung ihrer behinderungsbedingten Beeinträchtigungen und gemessen an ihrer intellektuellen Befähigung hat die Klägerin den für sie höchstmöglichen Grad der Verwurzelung in den Verhältnissen in Deutschland erreicht; zu weitergehenden Integrationsleistungen ist sie behinderungsbedingt nicht in der Lage.

38

Demgegenüber wird der Klägerin zu 3. eine mit ihrer Integration in die hiesigen Verhältnisse vergleichbare Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo nicht möglich sein. Erinnerungen an das Leben in Kosovo hat sie nicht, mit den dortigen Lebensverhältnissen ist sie nicht vertraut. Zwar gebraucht sie, wie auch die Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, gegenüber ihren Eltern noch immer auch einige Worte Albanisch. Sie wird jedoch weitere Wörter oder gar kurze Sätze auf Albanisch angesichts des Einbruchs ihrer Entwicklung im siebten Schulbesuchsjahr (vgl. das Zeugnis vom 22. Juli 2005 [S. 58 GA] einerseits und die nachfolgenden Zeugnisse andererseits, in denen im Wesentlichen nur noch vom Erwerb lebenspraktischer Fähigkeiten die Rede ist) kaum hinzuerlernen können. Eine Berufsausbildung oder die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird ihr dort nicht möglich sein. Auch Maßnahmen der Eingliederungshilfe, die ihr eine sinnvolle und sie mit Stolz erfüllende (vgl. das Zeugnis vom 10. Juli 2009 – S. 93 GA) Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ermöglichen würde, gibt es dort – soweit ersichtlich – nicht. Sie wird dort deshalb auch keine über die zu den Mitgliedern ihrer Kernfamilie hinausgehenden soziale Kontakte zu Bekannten oder gar Freunden haben können. Abgesehen von alledem wird ihre Reintegration in die dortigen Verhältnisse durch ihre geistige Behinderung auch sonst deutlich erschwert sein.

39

Des Weiteren wird sich ihre finanzielle Absicherung in Kosovo entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht nur "voraussichtlich weniger günstig gestalten (…) als in der Bundesrepublik Deutschland", sondern aller Voraussicht nach völlig unzulänglich sein. Zwar trifft es zu, dass das Bundesamt mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 das Bestehen von Abschiebungshindernissen – auch – bezüglich der Klägerin zu 3. verneint hat und dass dieser Entscheidung gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG noch immer Bindungswirkung zukommt. Deshalb kann jedoch lediglich ausgeschlossen werden, dass – auch – die Klägerin zu 3. bei einer Rückkehr in das Kosovo alsbald mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, in der sie "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen", etwa mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 8. Dezember 1998 – 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77 [80] und vom 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 [232 f. Rn. 14 f.], beide m.w.N.). Weitergehende Rückschlüsse auf die Situation, in die – auch – die Klägerin zu 3. zurückkehren müsste und die der Beklagte und das Verwaltungsgericht nicht näher untersucht haben, lässt die Entscheidung des Bundesamtes aber nicht zu. Diese Situation ist gekennzeichnet durch eine Arbeitslosenquote in Höhe von rund 45 %. Auch wenn letztere in der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen bei über 70 % liegt und angesichts des hohen Anteils der Beschäftigten im informellen Sektor etwas zu revidieren ist, haben damit nicht nur ihre 19-jährige Schwester, die Klägerin zu 4., sondern auch der bereits über 62-jährige Kläger zu 1. und die fast 48-jährige Klägerin zu 2. als Frau kaum Aussichten auf mehr als eine allenfalls geringfügige Beschäftigung. Zwar werden in Kosovo Sozialleistungen gewährt, doch betragen diese – bei einem durchschnittlichen monatlichen Brutto-Arbeitseinkommen von 300,00 € – für Einzelpersonen monatlich 40,00 € und für Familien monatlich bis zu 80,00 €. Bei einer 5-köpfigen Familie erhält mithin jeder nicht einmal 0,55 € pro Tag; die Armutsgrenze liegt in Kosovo bei 1,37 € pro Tag und Erwachsenem, die Grenze zur erheblichen Armut bei 0,97 € pro Tag und Erwachsenem. Die Sozialleistungen reichen mithin zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Meist wird das wirtschaftliche Überleben durch den Zusammenhalt der Familien sowie durch die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft gesichert (vgl. insgesamt S. 26 – 28 des Berichts des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2011 über die asyl- und abschieberechtliche Lage in der Republik Kosovo, dessen Hinweise auf www.auswaertiges-amt.de → Reise und Sicherheit → Länder A – Z → Kosovo → Wirtschaftspolitik [Stand Februar 2012] sowie wikipedia.de → Kosovo → Gliederungsnummern 8.4.3 und 8.4.4). Dies wird im Fall der Kläger allenfalls eingeschränkt der Fall sein: Selbst wenn sie in Kosovo entgegen ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung noch über Familienangehörige verfügen sollten, so ist doch der Kontakt zu jenen nach über 18 Jahren offenbar abgerissen, und nach über 18 Jahren Abwesenheit würden die Kläger wohl auch nur zögerlich wieder in die zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft aufgenommen werden. Zwar macht der Beklagte zu Recht geltend, dass einem Ausländer die Ausreise in einen anderen Staat mit wesentlich ungünstigeren (wirtschaftlichen) Verhältnissen als in der Bundesrepublik Deutschland nicht bereits deshalb stets unzumutbar ist. Gleichwohl sind die Verhältnisse in dem Staat, in den ein Ausländer ausreisen soll, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK angemessen zu berücksichtigen.

40

Das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. besteht angesichts des Umstandes, dass sie ihren Lebensunterhalt wohl nie im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG wird sichern können, im Wesentlichen darin, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durch sie zu verhindern. Diesem öffentlichen Interesse kommt zwar in aller Regel erhebliche Bedeutung zu, wie auch aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG folgt. Dies gilt im Fall der Klägerin zu 3. jedoch nicht. Wären nämlich den Klägern aufgrund der insoweit bis zum 13. Mai 2005 fortgeltenden Gründe durchgängig Aufenthaltsbefugnisse, die gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG ab dem 1. Januar 2005 als Aufenthaltserlaubnisse weitergegolten hätten, und gegebenenfalls im Anschluss daran nach dem 1. Januar 2005 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 Satz 1 bzw. nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt worden, so hätte die Klägerin zu 3. ab dem 1. Januar 2005 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 Abs. 1 AufenthG, ggf. in Verbindung mit § 26 Abs. 4 Sätze 1 und 2, erfüllt. Zwar setzt dies gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AufenthG grundsätzlich voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist und dass 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurden oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachgewiesen werden. Im Fall der Klägerin gelten diese Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 und 6 AufenthG jedoch nicht, da sie diese Voraussetzungen infolge ihrer geistigen Behinderung nicht erfüllen kann. Wäre – auch – der Klägerin zu 3. alsbald nach Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamtes vom 13. Dezember 1996 am 4. März 1997 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden, so hätte sie bei obiger Prämisse vor dem 13. Mai 2005 sogar nach § 10 Abs. 1 StAG eingebürgert werden können. Denn gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Letzteres ist bei der Klägerin zu 3. infolge ihrer geistigen Behinderung der Fall. Da mithin § 9 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 sowie Satz 3 und 6 Aufenth G und sogar § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG im Fall der Klägerin zu 3. hätten Anwendung finden können, so kommt angesichts der gesetzlichen Wertungen in diesen Bestimmungen, die der Klägerin zu 3. einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht hätten, obwohl sie ihren Lebensunterhalt nur durch die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, in ihrem Falle dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.

41

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände und bei deren angemessener Würdigung kommt, auch wenn die Beendigung des Aufenthaltes eines Ausländers nicht "nur deshalb" als mit Art. 8 EMRK unvereinbar angesehen werden kann, "weil dieser sich über einen bestimmten Zeitraum in dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaats aufhält" (vgl. EGMR, Entscheidung vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – a.a.O.), allein schon der Dauer des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet von über 18 Jahren ein ganz erhebliches Gewicht zu, zumal sie im Alter von nur 2 Jahren ins Bundesgebiet einreiste und deshalb nahezu ausschließlich hier ihre Sozialisierung erfuhr. Überdies war ihr Aufenthalt – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Deswegen und mit Blick auf die besonderen Schwierigkeiten, die mit ihrer – behinderungsbedingt ohnehin nur eingeschränkt möglichen – Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo verbunden sein würden, sowie auf die dortige wirtschaftliche Situation und deren konkrete Auswirkungen auf sie, und zwar selbst im Falle einer gemeinsamen Rückkehr mit ihrer Familie dorthin, erweist sich die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet angesichts der allenfalls untergeordneten Bedeutung des daran bestehenden öffentlichen Interesses als im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht "in einer demokratischen Gesellschaft (…) notwendig" und damit als unverhältnismäßig.

42

Ist aber der Klägerin zu 3. die Ausreise unmöglich, weil eine Beendigung ihres Aufenthaltes einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens darstellen würde, so ist mit dem Wegfall dieses Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen ist die Klägerin zu 3. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert. Schließlich erfüllt die Klägerin zu 3. auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

43

Zwar setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Vorliegend besteht jedoch im Fall der Klägerin zu 3. insoweit ein Ausnahmefall. Zunächst ist in diesem Zusammenhang die durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Klägerin zu 3. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen. Ferner geht es im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit einer Ausreise nicht um eine Entscheidung für oder gegen den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet, sodass sich durch eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis an der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nichts ändern würde. Vor allem aber kommt – wie oben aufgezeigt – im Falle der Klägerin zu 3. dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Lebensunterhalts zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.

44

Ferner setzt zwar § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist. Auch insoweit ist jedoch vom Bestehen eines Ausnahmefalles auszugehen, weil wiederum die durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Klägerin zu 3. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen ist und weil die Erfüllung der Passpflicht unmittelbar bevorsteht, nachdem – wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat – nunmehr auch von den kosovarischen Auslandsvertretungen im Bundesgebiet kosovarische Reisepässe ausgestellt werden und – auch – die Klägerin zu 3. einen solchen beantragt und einen für dessen Abholung erforderlichen kosovarischen Personalausweis bereits erhalten hat. Angesichts dessen wäre zumindest das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert: Zur Begründung des Entwurfs des § 5 Abs. 3 AufenthG wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen typischerweise nicht von der Erfüllung aller allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abhängig gemacht werden kann (vgl. BT-Drucks. 15/420 S. 70).

45

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall der Klägerin zu 3. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist ihr nach alledem eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

46

2) Was die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. anbelangt, so ist ihnen eine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ihre Abschiebung in das Kosovo nicht mit Art. 6 GG zu vereinbaren wäre und ihnen deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

47

Insoweit ist nämlich zu sehen, dass der Klägerin zu 3. – wie eben aufgezeigt – das Recht zusteht, sich in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten, weil ihr eine Rückkehr in das Kosovo rechtlich unmöglich ist, dass sie dabei aber trotz ihrer Volljährigkeit wegen ihrer geistigen Behinderung wie bisher in erheblichem Umfang auf die Unterstützung ihrer allerdings kaum Deutsch sprechenden Eltern sowie wegen deren sehr guter deutscher Sprachkenntnisse auch auf die Unterstützung ihrer Schwester angewiesen ist. Aufgrund der insoweit unwidersprochenen klägerseitigen Darstellung, den in den Verwaltungs- und Gerichtsakten befindlichen Unterlagen und dem Eindruck des Senats, den er in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin zu 3. gewonnen hat, bedarf diese selbst im normalen Alltagsleben wesentlich der Hilfestellung der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. und benötigt auch künftig in vergleichbarer Weise der Betreuung durch die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. Da diese bislang der Klägerin zu 3. die nötige Hilfestellung gewährt haben und da ferner kein Anzeichen dafür ersichtlich ist, dass sie die Klägerin zu 3. künftig nicht mehr im erforderlichen Umfang unterstützen oder auch nur die häusliche Gemeinschaft aufheben werden, genießt diese familiäre Beziehung, die nur im Bundesgebiet gelebt werden kann, weil der Klägerin zu 3. eine Rückkehr in das Kosovo rechtlich unmöglich ist, trotz der Volljährigkeit der Klägerinnen zu 3. und zu 4. als tatsächliche Beistandsgemeinschaft den besonderen Schutz des Art. 6 GG, der deshalb der Trennung der Familienmitglieder durch Abschiebung der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. entgegensteht. Dann aber ist den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. auch die freiwillige Ausreise in das Kosovo aus rechtlichen Gründen unmöglich.

48

Im Fall der Klägerin zu 4. kommt hinzu, dass eine Aufenthaltsbeendigung auch einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den in ihrem Fall ebenso eröffneten Schutzbereich des Rechts auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten würde.

49

Was ihre Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse anbelangt, so ist zunächst zu sehen, dass sie im Alter von einem Jahr ins Bundesgebiet eingereist ist und sich hier seitdem ohne jegliche Unterbrechung aufgehalten hat. Ihr Aufenthalt hier war ebenso wie der der Klägerin zu 3. über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Die Klägerin zu 4. hat hier nahezu ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht und nahezu ihre gesamte Sozialisierung hier erfahren. Nach den Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung spricht sie sehr gut Deutsch. Auch sozial ist sie, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, voll in die hiesigen Verhältnisse integriert. Die Klägerin zu 4. hat sich bislang stets an Recht und Gesetz gehalten. Zwar ist auch sie seit dem 14. September 2008 entgegen § 3 Abs. 1 AufenthG nicht mehr im Besitz eines Passes, doch war ihr die bislang zum Erwerb eines kosovarischen Passes erforderliche Reise in das Kosovo zunächst wegen ihrer Minderjährigkeit und zudem wegen ihrer schlechten Kenntnisse des Albanischen, das sie, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, zwar etwas spricht, aber nicht schreiben und lesen kann, allein nicht möglich. Auch hätte ihr deshalb der Beklagte einen Ausweisersatz im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG ausstellen können, sollte er dies nicht sogar gewollt haben (vgl. S. 229 und 293 VA 1). Ferner hat sie hier mit Erfolg die Schule besucht und, wenn auch mit immer schlechter werdenden Noten, so aber doch noch den Hauptschulabschluss erreicht (vgl. S. 70 – 74 sowie S. 104 – 107 R GA). Den Besuch der Berufsfachschule I hat sie zwar nach langem unentschuldigten Fehlen und mit sehr schlechten Noten vorzeitig abgebrochen, eine Berufsausbildung bislang nicht begonnen und auch erst im Anschluss an die Ladung des Verwaltungsgerichts zur mündlichen Verhandlung nach einer Arbeitsstelle gesucht. Aufgrund des von ihr in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks und ihrer diesbezüglichen Angaben ist der Senat aber davon überzeugt, dass es ihr inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle und dass ihr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich möglich sein würden und dass es dann endlich auch zu einer beginnenden wirtschaftlichen Integration der Klägerin zu 4. käme, die jeden-falls zur Sicherung ihres eigenen Lebensunterhalts führen würde.

50

Demgegenüber wird der Klägerin zu 4. eine Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo nur schwer möglich sein. Erinnerungen an das Leben in Kosovo hat sie nicht, mit den dortigen Lebensverhältnissen ist sie nicht vertraut. Zwar spricht sie, wie auch die Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, noch immer auch etwas Albanisch, das sie aber nicht schreiben und lesen kann. Auf Hilfestellung ihrer Eltern beim Einfinden in die Verhältnisse in Kosovo kann sie nicht rechnen, da diese im Bundesgebiet bei der geistig behinderten Klägerin zu 3. bleiben würden. Sollte sie in Kosovo entgegen den Angaben in der mündlichen Verhandlung noch über Familienangehörige verfügen, so ist doch der Kontakt zu jenen nach über 18 Jahren offenbar abgerissen. Bekannte und Freunde hat sie dort nicht. Ihre finanzielle Situation in Kosovo wird sich entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht nur "voraussichtlich weniger günstig gestalten (…) als in der Bundesrepublik Deutschland", sondern – wie im Zusammenhang mit der Klägerin zu 3. bereits ausgeführt – aller Voraussicht nach völlig unzulänglich sein.

51

Das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. besteht im Wesentlichen darin, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durch sie zu verhindern. Diesem öffentlichen Interesse kommt zwar in aller Regel erhebliche Bedeutung zu, wie auch aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG folgt. Im Fall der Klägerin zu 4., der es inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle, besteht jedoch zur Überzeugung des Senats die große Wahrscheinlichkeit, dass sie zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich ausüben und so zumindest ihren eigenen Lebensunterhalt sichern würde, falls ihr der Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Angesichts dessen kommt jedenfalls derzeit in ihrem Fall dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise nur untergeordnete Bedeutung zu.

52

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände und bei deren angemessener Würdigung kommt, auch wenn die Beendigung des Aufenthaltes eines Ausländers nicht "nur deshalb" als mit Art. 8 EMRK unvereinbar angesehen werden kann, "weil dieser sich über einen bestimmten Zeitraum in dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaats aufhält" (vgl. EGMR, Entscheidung vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – a.a.O.), allein schon der Dauer des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. im Bundesgebiet von über 18 Jahren ein ganz erhebliches Gewicht zu, zumal sie im Alter von nur einem Jahr ins Bundesgebiet einreiste und deshalb nahezu ausschließlich hier ihre Sozialisierung erfuhr. Überdies war ihr Aufenthalt – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Deswegen und mit Blick auf die besonderen Schwierigkeiten, die mit ihrer Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo ohne Hilfestellung durch ihre Eltern verbunden sein würden, sowie auf die dortige wirtschaftliche Situation und deren konkrete Auswirkungen auf sie erweist sich die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. im Bundesgebiet angesichts der derzeit nur untergeordneten Bedeutung des daran bestehenden öffentlichen Interesses als unverhältnismäßig. Sollte die Klägerin zu 4. in angemessener Zeit nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keiner zumindest geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgehen, würde sich dies anders darstellen und wäre bei einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen, sofern ihre Ausreise nicht mehr mit Blick auf Art. 6 GG rechtlich unmöglich sein sollte.

53

Ist nach alledem den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. die Ausreise unmöglich, weil einer Beendigung ihres Aufenthaltes wegen der notwendigen Betreuung der geistig behinderten Klägerin zu 3. im Bundesgebiet Art. 6 GG entgegenstehen würde und weil im Falle der Klägerin zu 4. eine Aufenthaltsbeendigung zudem einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten würde, so ist mit dem Wegfall dieser Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen sind die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert. Schließlich erfüllen sie auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

54

Zwar setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Vorliegend besteht jedoch insoweit ein Ausnahmefall. In diesem Zusammenhang ist nämlich die durch Art. 6 GG und zum Teil zusätzlich durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen. Ferner geht es im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit einer Ausreise nicht um eine Entscheidung für oder gegen den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet, sodass sich insbesondere durch eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis an der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nichts ändern würde. Zudem besteht – wie oben bereits aufgezeigt – zur Überzeugung des Senats im Fall der Klägerin zu 4., der es inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle, die große Wahrscheinlichkeit, dass sie zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich ausüben und so zumindest ihren eigenen Lebensunterhalt sichern würde, falls ihr der Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im Ansatz vergleichbar stellt sich die Situation der Kläger zu 1. und 2. dar, die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erklärten, arbeitsunfähig krank, sondern an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit interessiert zu sein. Der Kläger zu 1. hatte auch bereits im Mai 2011 eine Beschäftigungserlaubnis für eine – allerdings wohl auf drei Monate befristete – Vollerwerbstätigkeit als Trockenbauhelfer beantragt (vgl. S. 437 VA 1), die indes deshalb nicht erteilt wurde, weil der Beklagte, obwohl dem Kläger zu 1. offenbar am 17. Juni 1997 eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis erteilt worden war (vgl. S. 75 VA 1), die dann ab dem 1. Januar 1998 gemäß § 432 SGB III als Arbeitsberechtigung und ab dem 1. Januar 2005 gemäß § 105 Abs. 2 AufenthG als uneingeschränkte Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Aufnahme einer Beschäftigung weitergegolten hätte, umgehend eine – weitere – Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit erbeten hat, die indes aufgrund mehrerer Versehen erst am 30. August 2011 der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zustimmte (vgl. S. 495 f. VA 1). Auch die Klägerin zu 2. will sich ihren Angaben und den Angaben der Klägerin zu 4. in der mündlichen Verhandlung zufolge bereits mehrfach um Arbeit bemüht haben. Eine Arbeitsstelle lässt sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aber sehr viel eher finden als im Besitz einer lediglich kurzfristigen Duldung (vgl. nur den Gesetzeszweck von § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kläger zu 1. und 2. keinen Arbeitsplatz gefunden haben, als sie noch im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen gewesen sind. Denn damals haben sie sich nicht oder doch nicht ernsthaft um Arbeit bemüht. Zumindest wäre mit Blick auf dies alles das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert.

55

Ferner setzt zwar § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist. Auch insoweit ist jedoch vom Bestehen eines Ausnahmefalles auszugehen, weil wiederum die durch Art. 6 GG und zum Teil zusätzlich durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. sowie die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen sind und weil die Erfüllung der Passpflicht unmittelbar bevorsteht, nachdem nunmehr auch von den kosovarischen Auslandsvertretungen im Bundesgebiet kosovarische Reisepässe ausgestellt werden und – auch – die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. einen solchen beantragt und einen für dessen Abholung erforderlichen kosovarischen Personalausweis bereits erhalten haben. Angesichts dessen wäre zumindest das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abzusehen, auf null reduziert (vgl. oben).

56

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist nach alledem auch ihnen eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

57

3) Was den Kläger zu 5. anbelangt, so ist ihm eine Ausreise aus rechtlichen Gründen deshalb unmöglich, weil seine Abschiebung in das Kosovo nicht mit Art. 6 GG zu vereinbaren wäre und ihm deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

58

Insoweit ist zu sehen, dass der Kläger zu 5. erst 14 Jahre alt und deshalb zumindest auf die Unterstützung seiner Eltern, der Kläger zu 1. und zu 2., angewiesen ist, denen aber das Verlassen des Bundesgebietes aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, weil sie hier weiterhin die geistig behinderte Klägerin zu 3. betreuen müssen. Angesichts dessen genießt diese familiäre Beziehung, die nur im Bundesgebiet gelebt werden kann, mit Blick auf die Minderjährigkeit des Klägers zu 5. als tatsächliche Erziehungsgemeinschaft den besonderen Schutz des Art. 6 GG, der deshalb der Trennung der Familienmitglieder durch Abschiebung des Klägers zu 5. entgegensteht. Dann aber ist dem Kläger zu 5. auch die freiwillige Ausreise in das Kosovo aus rechtlichen Gründen unmöglich.

59

Ist aber dem Kläger zu 5. die Ausreise unmöglich, weil einer Beendigung seines Aufenthaltes Art. 6 GG entgegenstehen würde, so ist mit dem Wegfall dieser Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen ist der Kläger zu 5. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert.

60

Schließlich erfüllt er auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auch in seinem Fall liegt bezüglich des Erfordernisses des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wie bei den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. ein Ausnahmefall vor, obwohl bei ihm eine Erwerbstätigkeit altersbedingt noch nicht in Betracht kommt. Gleiches gilt aus den bezüglich der Kläger zu 1. bis 4. dargelegten Gründen hinsichtlich des Erfordernisses des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, auch wenn dem Kläger zu 5. wegen seines Alters noch kein kosovarischer Personalausweis ausgestellt worden ist. Zumindest wäre jedoch das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, in seinem Fall von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert.

61

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall des Klägers zu 5. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist nach alledem auch ihm eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

62

Haben nach alledem sämtliche Kläger Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, so stellen sich die übrigen von den Beteiligten angesprochenen und im Urteil des Verwaltungsgerichts erörterten Fragen nicht mehr, so ist aber auch die im Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 enthaltene Abschiebungsandrohung aufzuheben.

63

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

64

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und mit § 711 ZPO.

65

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

66

Beschluss

67

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG für das zweitinstanzliche Verfahren auf 25.000,00 € festgesetzt.

68

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Kläger wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt.

69

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

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Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2011 wird der Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten der Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, sofern nicht diese zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen sowie die Aufhebung der Androhung ihrer Abschiebung in das Kosovo. Sie waren Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien und sind albanische Volkszugehörige.

2

Am 5. September reisten der am … 1950 geborene Kläger zu 1., seine Ehefrau, die am … 1964 geborene Klägerin zu 2., sowie ihre gemeinsamen Töchter, die am … 1991 geborene, geistig behinderte Klägerin zu 3. und die am … 1992 geborene Klägerin zu 4., aus dem Kosovo kommend im Besitz bis zum 4. September 1997 gültiger jugoslawischer Reisepässe auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten Asylanträge. Mit Bescheid vom 10. September 1993 erkannte sie das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) als Asylberechtigte an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen. Dieser Bescheid wurde am 16. März 1996 insoweit bestandskräftig, als das Bundesamt bezüglich des Klägers zu 1. das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 festgestellt hatte, nachdem der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 10. September 1993 erhobene Klage insoweit zurückgenommen hatte. Dem Kläger zu 1. wurden daraufhin am 4. März 1996 ein Reiseausweis nach Art. 28 GFK sowie eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 erteilt und beides in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert. Im Übrigen hob das Verwaltungsgericht Mainz auf die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hin den Bescheid des Bundesamtes vom 10. September 1993 mit im August 1996 rechtskräftig gewordenem Urteil vom 16. Juli 1996 – 7 K 4629/93.MZ – auf. Bezüglich der Klägerinnen zu 2. bis 4. stellte das Bundesamt sodann mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG 1990 nicht vorliegen. Dieser Bescheid wurde am 4. März 1997 bestandskräftig. Den Klägerinnen zu 2. bis 4. wurden daraufhin am 30. Juli 1997 Aufenthaltsbefugnisse nach § 31 AuslG 1990 erteilt und in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert.

3

Am … 1997 wurde der Sohn der Kläger zu 1. und zu 2., der Kläger zu 5. geboren. Auch ihm wurde eine Aufenthaltsbefugnis nach § 31 AuslG 1990 erteilt und in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert.

4

Am 14. September 1998 wurde der Klägerin zu 2. ein neuer jugoslawischer Reisepass ausgestellt, in den die Kläger zu 3. bis 5. miteingetragen waren und der bis zum 14. September 2008 gültig gewesen ist.

5

Mit Bescheid vom 18. November 2003 widerrief das Bundesamt die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 bezüglich des Klägers zu 1. vorliegen, und stellte zugleich fest, dass bezüglich seiner Person keine Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG 1990 vorliegen. Seine dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil vom 7. Mai 2004 – 7 K 3939/03.KO – ab, seinen daraufhin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der erkennende Senat mit am 13. Mai 2005 zugestelltem Beschluss vom 11. Mai 2005 – 7 A11027/04.OVG – ab.

6

Am 17. November 2004 hatten die Kläger die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnisse beantragt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2005 ab, forderte die Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf und drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung dieser Aufforderung ihre Abschiebung nach Serbien und Montenegro (Kosovo) an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Eine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigungen sei nicht mehr möglich, nachdem die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes bezüglich des Klägers zu 1. unanfechtbar sei. Ferner könnten sie sich nicht auf den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 15. Februar 2001 berufen, schon weil sich der Kläger zu 1. vor diesem Stichtag nicht zwei Jahre lang in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis befunden habe. Schließlich sei ihnen die gemeinsame Rückkehr in das Kosovo möglich und zumutbar, weil ihr langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zu ihrer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse geführt habe. Vielmehr hätten sie ihr Gastrecht dahingehend missbraucht, hauptsächlich von Sozialhilfe zu leben. Auch sei anzunehmen, dass den Klägern zu 3. bis 5. die Integration in die neuen Lebensverhältnisse leicht falle.

7

Daraufhin ließen die Kläger am 19. Oktober 2005 Widerspruch erheben sowie beim Verwaltungsgericht Koblenz einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen. Der Letztere hatte in zweiter Instanz teilweise Erfolg: Mit Beschluss vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – gab der erkennende Senat dem Beklagten auf, die Abschiebung der Antragsteller bis zur Entscheidung über ihren Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 auszusetzen, weil einiges dafür spreche, dass die Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK hätten, ohne dass insoweit der Sachverhalt geklärt sei und ohne dass der Beklagte das ihm eröffnete Ermessen ausgeübt habe. Seit dem 21. März 2006 hat der Beklagte deshalb die Abschiebung der Kläger jeweils kurzfristig ausgesetzt und ihnen diesbezügliche Duldungsbescheinigungen ausgestellt.

8

Im Mai 2007 ließen die Kläger vorsorglich auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 27. November 2006 beantragen.

9

In der mündlichen Verhandlung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten am 28. November 2007 wurde das Widerspruchsverfahren bis zum 31. Mai 2008 ausgesetzt, um eine gütliche Einigung und dem Kläger zu 1. den Erwerb eines serbischen Reisepasses zu ermöglichen. Für den Fall, dass es nicht zu einer gütlichen Einigung komme, wurde im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung die Zustellung eines bereits jetzt als "Vorbehaltsentscheidung" zu beratenden Widerspruchsbescheides angekündigt.

10

Am 18. August 2008 übersandte der Kreisrechtsausschuss den Beteiligten eine Kopie der Niederschrift über seine mündliche Verhandlung vom 28. November 2007 einschließlich des Tenors der die Widersprüche der Kläger zurückweisenden "Vorbehaltsentscheidung". Jedoch wurde den Klägern erst am 31. Mai 2010 ein Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010 zugestellt. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen seien nicht erfüllt. Insbesondere bestehe kein tatsächliches oder rechtliches Ausreisehindernis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG, auch nicht etwa im Hinblick auf Art. 8 EMRK, da die noch immer vollständig von öffentlichen Sozialleistungen abhängigen Kläger hier trotz ihres langjährigen Aufenthaltes weder sozial noch wirtschaftlich integriert seien. Dass die Kläger zu 3. bis 5. Regelschulen besuchten, reiche allein zur Begründung eines schutzwürdigen Interesses an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht aus, weil sie weiterhin mit den Klägern zu 1. und zu 2. im gemeinsamen Familienhaushalt lebten, weil sie noch ledig seien und weil noch keine eigenständige Familien- oder Berufsplanung erkennbar sei. Die Rückkehr in das Herkunftsland sei ihnen daher zumutbar. Abgesehen davon stehe der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG entgegen, da die Kläger offenbar im Wissen, dass ihre Abschiebung nur gemeinsam erfolgen könne, "mittels dem vorgeschobenen und ungeklärt gelassenen Identitätsstatus" des Klägers zu 1., der sich keinen serbischen Reisepass besorgt habe, "nicht die von ihnen für ihre Familie zu verlangenden, zumutbaren Anforderungen (…) erfüllt und damit die Möglichkeit ihrer Ausreise eigenverantwortlich bzw. selbst verschuldet verzögert/vereitelt" hätten. Deshalb könnten ihnen gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG auch keine Aufenthaltserlaubnisse nach dieser Vorschrift erteilt werden. Schließlich scheide auch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aufgrund der Bleiberechtsregelung vom 27. November 2006 aus. Diese setze nämlich voraus, dass Anträge und Rechtsmittel zuvor zurückgenommen würden und dass der Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit gesichert sei.

11

Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Juli 2011 – 3 K 823/10.KO – abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

12

Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung vom 27. November 2006 scheitere daran, dass der Lebensunterhalt der Kläger nicht am 17. November 2006 durch legale Erwerbstätigkeit gesichert gewesen sei und dass sie ihre Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach anderen Rechtsvorschriften nicht zurückgenommen hätten.

13

Den Klägern stünden auch keine Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu, da sie im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hätten. Der Kläger zu 1. habe sich auch nach der Unanfechtbarkeit des Widerrufsbescheides des Bundesamtes im Mai 2005 nicht um einen jugoslawischen Reisepass bemüht und dadurch die gemäß Art. 6 GG nur gemeinsam mögliche Abschiebung der gesamten Familie hinausgezögert. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass dies sowohl dem Kläger zu 1. als auch der Klägerin zu 2. bekannt gewesen sei und dass sie insoweit gezielt gemeinsam aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindert hätten. Die Kläger zu 3. bis 5. müssten sich jedenfalls bis zum Erreichen der Volljährigkeit ein Hinauszögern der Aufenthaltsbeendigung durch ihre Eltern zurechnen lassen.

14

Den Klägerinnen zu 3. und 4. könne des Weiteren keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Die Klägerin zu 4. sei am 31. Dezember 2009 noch nicht volljährig gewesen sei, im Falle der Klägerin zu 3. erscheine nicht gewährleistet, dass sie sich aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen könne. Vielmehr werde sie infolge ihrer geistigen Behinderung ihren Lebensunterhalt nicht unabhängig von öffentlichen Hilfeleistungen sichern können.

15

Die Kläger hätten ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 oder Abs. 5 AufenthG, weil ihre Ausreise keine außergewöhnliche Härte darstelle bzw. nicht unmöglich sei. Alle Kläger könnten jederzeit einen Reiseschein für eine Rückreise in das Kosovo erhalten. Da sie gemeinsam ausreisen könnten, scheide eine Verletzung von Art. 6 GG aus. Sofern eine Aufenthaltsbeendigung in ihrem Fall überhaupt in den Schutzbereich des Rechtes auf Achtung ihres Privatlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreifen sollte, wäre dieser Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Das Gewicht des langen Aufenthaltes der Kläger im Bundesgebiet werde dadurch gemindert, dass ihr rechtmäßiger Aufenthalt bereits 2004 geendet habe und dass sie seitdem zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet seien. Was die Integration der Kläger in die hiesigen Verhältnisse anbelange, so spreche der Kläger zu 1. nur mäßig Deutsch, habe kaum soziale Kontakte und sei wirtschaftlich nicht integriert. Eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit sei nicht belegt und nicht einmal substantiiert dargetan. Gleiches gelte für die Klägerin zu 2. Die geistig behinderte Klägerin zu 3. habe zwar den Abschluss einer Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung erreicht, sei aber – ohne dass dies ihr vorwerfbar wäre – weder sprachlich noch sozial noch wirtschaftlich wesentlich in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Bereits derzeit sei sie im normalen Alltagsleben in erheblichem Umfang auf Hilfestellung ihrer Familie angewiesen, lebe ihr Leben weitgehend im Kreis der Familie und werde auch künftig in vergleichbarer Weise auf deren Unterstützung angewiesen sein. Die Klägerin zu 4. sei zwar in sprachlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht in gewisser Weise in die hiesigen Verhältnisse integriert und habe insbesondere im Juni 2009 den Hauptschulabschluss mit ausreichenden Noten erreicht. Sie habe danach aber den Besuch der Berufsschule abgebrochen und noch keine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle gefunden, sodass eine berufliche und wirtschaftliche Integration bisher nicht stattgefunden habe. Der Kläger zu 5. sei hier zwar weitgehend seinem Alter entsprechend sozial integriert, doch sei ihm dennoch wie den übrigen Klägern die Ausreise in das Kosovo zumutbar. Die Kläger zu 1. und 2. seien dort geboren und aufgewachsen, sodass ihnen die sprachliche und soziale Reintegration keine Mühe mache. Ihre wirtschaftliche Integration in die Republik Kosovo werde zwar schwierig sein und möglicherweise nicht gelingen, doch seien die Chancen dafür in ihrem Heimatland, dessen Verhältnisse sie kännten und in dem sie sich sprachlich ohne weiteres zurechtfänden, eher günstiger als hier. Der Klägerin zu 3. seien die Verhältnisse in Kosovo zwar unbekannt, doch werde sie sich lediglich anfangs mit einer für sie nicht vertrauten Umgebung auseinandersetzen und in diese einleben müssen, was ihr nach zumutbaren Anlaufschwierigkeiten mit der Hilfe ihrer Familie jedoch ebenso gelingen werde, wie es ihr in Deutschland gelungen sei: Nach dem Ende des Schulbesuchs habe sie im Wesentlichen im Kreis der Familie gelebt und könne dies auch künftig tun. Die Klägerin zu 4. verfüge über hinreichende mündliche Kenntnisse der Sprache ihres Heimatlandes und könne sich dort von Anfang an verständigen. Aufgrund ihres Alters und der hier erreichten Schulbildung werde sie darüber hinaus in der Lage sein, sich die Kenntnis der Schriftsprache ihres Heimatlandes anzueignen und mit Hilfe ihrer Eltern sozial und wirtschaftlich in der Republik Kosovo zu integrieren. Gleiches gelte für den Kläger zu 5. Angesichts von alledem müsse das Interesse der Kläger an einem weiteren Aufenthalt in Deutschland hinter das öffentliche Interesse an der Beendigung ihres rechtswidrigen Aufenthaltes und das Interesse an der Vermeidung einer weiteren Belastung des deutschen Sozialsystems zurücktreten.

16

Schließlich könne dem Kläger zu 5. schon deshalb keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt werden, weil er das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

17

Zur Begründung der vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 – 7 A 11175/11.OVG – gegen dieses Urteil zugelassenen Berufung vertiefen und ergänzen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen und beantragen,

18

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2011 den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

19

Der Beklagte beantragt.

20

die Berufung zurückzuweisen,

21

und verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Gerichtsakte 3 L 1899/05.KO sowie auf die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet.

24

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

25

Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse nicht in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Die Ausreise eines Ausländers ist dann aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige rechtliche Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Beim Bestehen von Abschiebungsverboten hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Abschiebung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Ausreise aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit rechtlich unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 – BVerwGE 126, 192 [197 f. Rn. 17]).

26

Diese Voraussetzungen sind hier sämtlich erfüllt.

27

Die Kläger sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem die ihnen zuletzt gemäß § 30 bzw. § 31 AuslG 1990 erteilten Aufenthaltsbefugnisse am 26. Oktober 2004 abgelaufen waren und nachdem ihre als Anträge auf Neuerteilung einer Aufenthaltsbefugnis bzw. ab dem 1. Januar 2005 als Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu wertenden Verlängerungsanträge vom 12. November 2004 durch Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 abgelehnt worden waren, ohne dass ihrem daraufhin erhobenen Widerspruch aufschiebende Wirkung zukam (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – InfAuslR 2006, 274 f. m.w.N.). Die Kläger erfüllen aber auch die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

28

1) Was die Klägerin zu 3. anbelangt, so ist ihr eine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ihre Abschiebung in das Kosovo einen mit Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarenden Eingriff in ihr Privatleben darstellen würde und ihr deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

29

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Das Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für die Persönlichkeit eines jeden Menschen konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 9. Oktober 2003 – 48321/99 – "Slivenko" – EuGRZ 2006, 560 [561]) und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 – InfAuslR 2007, 275 [277] und vom 21. Februar 2011 – 2 BvR 1392/10 – InfAuslR 2011, 235 [236] sowie BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 – 1 C 40.07 – BVerwGE 133, 72 [82 Rn. 21]). Zwar folgt aus Art. 8 EMRK grundsätzlich kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Vertragsstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juni 2005 – 60654/00 – "Sisojewa I" – InfAuslR 2005, 349 sowie Entscheidungen vom 17. Oktober 2004 – 33743/03 – "Dragan" – NVwZ 2005, 1043 [1045] und vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – "Ghiban" – NVwZ 2005, 1046; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 – 1 C 18.96 – NVwZ 1998, 189 m.w.N.). Jedoch kann einem Ausländer bei fortschreitender Aufenthaltsdauer aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens auch eine von dem betreffenden Vertragsstaat zu beachtende aufenthaltsrechtliche Rechtsposition zuwachsen.

30

Der Schutzbereich des Art. 8 EMRK ist im Fall der Klägerin zu 3. ohne weiteres eröffnet, nachdem sie sich seit über 18 Jahren in Deutschland aufhält. Zwar kommt ein Privatleben im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich dieser Vorschrift eröffnet, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zumindest "grundsätzlich" nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. dessen Urteile vom 26. Oktober 2010 – 1 C 18.09 – InfAuslR 2011, 92 [93] und vom 30. April 2009 – 1 C 3.08 – InfAuslR 2009, 333 [335]; offengelassen vom EGMR in der Entscheidung vom 16. September 2004 – 11103/03 – a.a.O. und im Urteil vom 8. April 2008 – 21878/06 – "Nnyanzi" – ZAR 2010, 189 [190 f.]). Der Aufenthalt der Klägerin zu 3. war jedoch zunächst 3 ½ Jahre gestattet und danach vom 30. Juli 1997 bis zum 26. Oktober 2004, also 7 ¼ Jahre lang genehmigt. Angesichts dessen war in ihrem Fall der Schutzbereich des Art. 8 EMRK bereits damals eröffnet.

31

Zudem galten die Gründe, aus denen die Aufenthaltsbefugnisse der Kläger zuletzt vom 27. April bis zum 26. Oktober 2004 verlängert worden waren, bis zum Eintritt der Bestandskraft der den Kläger zu 1., den Vater der Klägerin zu 3., betreffenden Widerrufsentscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – im Folgenden: Bundesamt – am 13. Mai 2005 weiter und hätten deshalb bis zum 31. Dezember 2004 die Erteilung weiterer Aufenthaltsbefugnisse und ab dem 1. Januar 2005 die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 Satz 1 bzw. nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerechtfertigt.

32

Es kommt weiter hinzu, dass – auch – der Klägerin zu 3. mangels des Vorliegens eines Ausnahmefalles seit dem 28. August 2007 ein von ihrer Mutter, der Klägerin zu 2., abgeleiteter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zustand, der an diesem Tag in Kraft getretenen ist. Die Klägerin zu 2. erfüllte nämlich ab dem 28. August 2007 sämtliche allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer so genannten Aufenthaltserlaubnis auf Probe, entgegen der Annahme des Beklagten und des Verwaltungsgerichts insbesondere auch die in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG aufgestellte. Die Klägerin zu 2. mag zwar gebilligt und sogar begrüßt haben, dass sich ihr Ehemann, der Kläger zu 1., nicht um die Ausstellung eines serbischen Reisepasses bemühte, wozu er gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG – mit Blick auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erst – ab dem 13. Mai 2005 verpflichtet war, doch hat sie allein deswegen nicht etwa selbst vorsätzlich die Beendigung ihres Aufenthaltes hinausgezögert oder behindert, die dem Beklagten überdies ab dem 3. März 2006 aufgrund des Beschlusses des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. untersagt war; eine vorsätzliche Hinauszögerung oder Behinderung der Beendigung ihres Aufenthaltes durch die Klägerin zu 2. ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein in der Vergangenheit materiellrechtlich bestehender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellt indes, auch wenn er durch die Ausländerbehörde nicht erfüllt wurde, gleichwohl wie ein rechtmäßiger Aufenthalt eine "Handreichung des Staates" (vgl. Hoppe, ZAR 2006, 125 [128]) dar, auf deren Grundlage schutzwürdiges Vertrauen auf einen Verbleib im Bundesgebiet entwickelt werden kann (vgl. VGH BW, Urteile vom 13. Dezember 2010 – 11 S 2359/10 – InfAuslR 2011, 250 [252] sowie vom 4. November 2009 – 11 S 2472/08 – InfAuslR 2010, 103 [107]). Auch nachdem der jugoslawische Pass der Kläger zu 2. bis 5. am 14. September 2008 abgelaufen war, blieb dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Rahmen des ihm nunmehr durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten Ermessens möglich, die der Klägerin zu 3. dann ab der Vollendung ihres 18. Lebensjahres am 4. Mai 2009 zudem aus eigenem und nicht nur aus einem von ihrer Mutter abgeleiteten Recht zustand (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 19. Juni 2009 – 7 B 10468/09.OVG – ESOVGRP).

33

Schließlich hat das Widerspruchsverfahren übermäßig lange gedauert. Der Beklagte hat den Aufenthalt – auch – der Klägerin zu 3. seit dem 21. März 2006 zwar lediglich geduldet, weil ihm deren Abschiebung vor der Zustellung eines Widerspruchsbescheides durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. untersagt war. Der Widerspruchsbescheid ist jedoch trotz klägerseitiger Nachfrage erst am 31. Mai 2010 und damit mehr als 4 ½ Jahre nach Widerspruchserhebung zugestellt worden, ohne dass die im Beschluss des erkennenden Senats vom 26. Februar 2006 erwartete weitere Sachverhaltsaufklärung vollständig erfolgt ist und ohne dass Gründe für die überlange Verfahrensdauer ersichtlich sind. Dies stellte ebenfalls eine Art "Handreichung des Staates" dar, die – auch – bei der Klägerin zu 3. eine weitere Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse und eine weitere Entwurzelung aus den Verhältnissen in Kosovo zur Folge hatte.

34

Nach alledem würde die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet einen Eingriff in den Schutzbereich des ihr gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK zustehenden Rechts auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten. Dieser Eingriff wäre gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, wenn er eine Maßnahme darstellen würde, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist, sich also als verhältnismäßig erweist. Daran fehlt es.

35

Im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ist einerseits maßgeblich zu berücksichtigen, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist. Gesichtspunkte sind insoweit insbesondere die Dauer und der Grund seines Aufenthalts in Deutschland sowie dessen rechtlicher Status, der Stand seiner Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift, seine berufliche Tätigkeit und seine wirtschaftliche Integration bzw. bei einem Kind, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen seine Integration in eine Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung, seine Wohnverhältnisse, seine sozialen Kontakte sowie die Beachtung gesetzlicher Pflichten und Verbote. Zum zweiten ist insoweit maßgeblich, welche Schwierigkeiten für den Ausländer – wiederum unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung – mit einer (Re-)Integration in den Staat verbunden sind, in den er ausreisen soll. Gesichtspunkte sind diesbezüglich vor allem, inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen bzw. erworben werden können, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und inwieweit er dort bei der (Wieder-)Eingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese erforderlich sein sollte (vgl. bereits den Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. S. 275 f. m.w.N.). Schließlich ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich zu berücksichtigen, welches öffentliche Interesse an dem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK besteht. Dass dieses Interesse bei einem Ausländer, der seinen und seiner Familie Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Erwerbstätigkeit sicherstellt und die öffentliche Sicherheit und Ordnung lediglich dadurch stört, dass er keinen Aufenthaltstitel besitzt und nur geduldet ist, von deutlich geringerem Gewicht ist als beispielsweise bei einem Ausländer, der bereits erhebliche Straftaten begangen hat und bei dem die Gefahr der Begehung weiterer solcher Straftaten besteht, versteht sich von selbst (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2009 – 7 B 10028/09.OVG – juris Rn. 14).

36

Letztlich kommt es – wie im Rahmen jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung – auf die Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein mit Art. 8 EMRK nicht vereinbarer Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens eines Ausländers setzt deshalb nicht zwingend dessen abgeschlossene und gelungene Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland oder gar voraus, dass er wie ein Inländer in den hiesigen Lebensverhältnissen verwurzelt ist. Auch reicht etwa allein der Umstand, dass ein im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer weder über einen Schulabschluss noch über eine Berufsausbildung verfügt und seinen Lebensunterhalt bislang nahezu ausschließlich aus öffentlichen Sozialleistungen bestritten hat, für sich allein nicht aus, um ungeachtet aller anderen Besonderheiten des Falles seine Verwurzelung im Bundesgebiet zu verneinen (so der Beschluss des BVerwG vom 19. Januar 2010 – 1 B 25/09 – NVwZ 2010, 707 [708] sowie das Urteil des erkennenden Senats vom 3. November 2011 – 7 A 10842/11.OVG – ESOVGRP und dessen Beschluss vom 25. August 2010 – 7 B 10845/10.OVG –). Ein mit Art. 8 EMRK nicht vereinbarer Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens eines Ausländers ist auch nicht stets dann ausgeschlossen, wenn sich dieser (wieder) in die Verhältnisse eines anderen Staates einfinden könnte, in den er ausreisen kann (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2009 – 7 B 10028/09.OVG – juris Rn. 15).

37

Was die Integration der heute 20-jährigen Klägerin zu 3. in die hiesigen Lebensverhältnisse anbelangt, so ist zunächst zu sehen, dass sie im Alter von zwei Jahren ins Bundesgebiet eingereist ist und sich hier seitdem ohne jegliche Unterbrechung über 18 Jahre lang aufgehalten hat. Ihr Aufenthalt hier war – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte zudem überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Die Klägerin zu 3. hat hier nahezu ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht und hier nahezu ihre gesamte Sozialisierung erfahren. Nach den Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung spricht sie, soweit sie dies aufgrund ihrer geistigen Behinderung überhaupt tut (vgl. dazu etwa ihr Abschlusszeugnis vom 25. Juni 2010 – S. 95 der Gerichtsakte [im Folgenden: GA]), ganz überwiegend Deutsch. Sie hat mit Erfolg 12 Jahre lang eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "ganzheitliche Entwicklung" besucht und den entsprechenden Schulabschluss erreicht (vgl. S. 95 GA). Zu einer Berufsausbildung oder zur Ausübung einer echten Erwerbstätigkeit ist sie behinderungsbedingt nicht in der Lage. Während ihrer Schulzeit hatte sie, wie ihren Zeugnissen entnommen werden kann, zunehmend guten Kontakt zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern (vgl. S. 58, 91, 93, 94 und 95 GA). Vergleichbare soziale Kontakte würde sie bei der geplanten Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen erneut haben, die – soweit ersichtlich – bislang nur daran gescheitert ist, dass sie nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit im Bundesgebiet keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 1 SGB I hat, weil der Beklagte ihre Abschiebung jeweils nur für meist drei, maximal für sechs Monate aussetzt, sie also nur jeweils kurzfristig duldet (vgl. S. 474 und 475 R der den Kläger zu 1. betreffenden Verwaltungsakte [im Folgenden: VA 1]). Die Klägerin zu 3. hat sich bislang stets an Recht und Gesetz gehalten. Zwar ist sie seit dem 14. September 2008 entgegen § 3 Abs. 1 AufenthG nicht mehr im Besitz eines Passes, doch war ihr die bislang zum Erwerb eines kosovarischen Passes erforderliche Reise in das Kosovo behinderungsbedingt allein nicht möglich. Auch hätte ihr deshalb der Beklagte einen Ausweisersatz im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG ausstellen können, sollte er dies nicht sogar gewollt haben (vgl. S. 229 und 293 VA 1). Unter Berücksichtigung ihrer behinderungsbedingten Beeinträchtigungen und gemessen an ihrer intellektuellen Befähigung hat die Klägerin den für sie höchstmöglichen Grad der Verwurzelung in den Verhältnissen in Deutschland erreicht; zu weitergehenden Integrationsleistungen ist sie behinderungsbedingt nicht in der Lage.

38

Demgegenüber wird der Klägerin zu 3. eine mit ihrer Integration in die hiesigen Verhältnisse vergleichbare Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo nicht möglich sein. Erinnerungen an das Leben in Kosovo hat sie nicht, mit den dortigen Lebensverhältnissen ist sie nicht vertraut. Zwar gebraucht sie, wie auch die Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, gegenüber ihren Eltern noch immer auch einige Worte Albanisch. Sie wird jedoch weitere Wörter oder gar kurze Sätze auf Albanisch angesichts des Einbruchs ihrer Entwicklung im siebten Schulbesuchsjahr (vgl. das Zeugnis vom 22. Juli 2005 [S. 58 GA] einerseits und die nachfolgenden Zeugnisse andererseits, in denen im Wesentlichen nur noch vom Erwerb lebenspraktischer Fähigkeiten die Rede ist) kaum hinzuerlernen können. Eine Berufsausbildung oder die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird ihr dort nicht möglich sein. Auch Maßnahmen der Eingliederungshilfe, die ihr eine sinnvolle und sie mit Stolz erfüllende (vgl. das Zeugnis vom 10. Juli 2009 – S. 93 GA) Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ermöglichen würde, gibt es dort – soweit ersichtlich – nicht. Sie wird dort deshalb auch keine über die zu den Mitgliedern ihrer Kernfamilie hinausgehenden soziale Kontakte zu Bekannten oder gar Freunden haben können. Abgesehen von alledem wird ihre Reintegration in die dortigen Verhältnisse durch ihre geistige Behinderung auch sonst deutlich erschwert sein.

39

Des Weiteren wird sich ihre finanzielle Absicherung in Kosovo entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht nur "voraussichtlich weniger günstig gestalten (…) als in der Bundesrepublik Deutschland", sondern aller Voraussicht nach völlig unzulänglich sein. Zwar trifft es zu, dass das Bundesamt mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 das Bestehen von Abschiebungshindernissen – auch – bezüglich der Klägerin zu 3. verneint hat und dass dieser Entscheidung gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG noch immer Bindungswirkung zukommt. Deshalb kann jedoch lediglich ausgeschlossen werden, dass – auch – die Klägerin zu 3. bei einer Rückkehr in das Kosovo alsbald mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, in der sie "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen", etwa mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 8. Dezember 1998 – 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77 [80] und vom 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 [232 f. Rn. 14 f.], beide m.w.N.). Weitergehende Rückschlüsse auf die Situation, in die – auch – die Klägerin zu 3. zurückkehren müsste und die der Beklagte und das Verwaltungsgericht nicht näher untersucht haben, lässt die Entscheidung des Bundesamtes aber nicht zu. Diese Situation ist gekennzeichnet durch eine Arbeitslosenquote in Höhe von rund 45 %. Auch wenn letztere in der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen bei über 70 % liegt und angesichts des hohen Anteils der Beschäftigten im informellen Sektor etwas zu revidieren ist, haben damit nicht nur ihre 19-jährige Schwester, die Klägerin zu 4., sondern auch der bereits über 62-jährige Kläger zu 1. und die fast 48-jährige Klägerin zu 2. als Frau kaum Aussichten auf mehr als eine allenfalls geringfügige Beschäftigung. Zwar werden in Kosovo Sozialleistungen gewährt, doch betragen diese – bei einem durchschnittlichen monatlichen Brutto-Arbeitseinkommen von 300,00 € – für Einzelpersonen monatlich 40,00 € und für Familien monatlich bis zu 80,00 €. Bei einer 5-köpfigen Familie erhält mithin jeder nicht einmal 0,55 € pro Tag; die Armutsgrenze liegt in Kosovo bei 1,37 € pro Tag und Erwachsenem, die Grenze zur erheblichen Armut bei 0,97 € pro Tag und Erwachsenem. Die Sozialleistungen reichen mithin zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Meist wird das wirtschaftliche Überleben durch den Zusammenhalt der Familien sowie durch die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft gesichert (vgl. insgesamt S. 26 – 28 des Berichts des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2011 über die asyl- und abschieberechtliche Lage in der Republik Kosovo, dessen Hinweise auf www.auswaertiges-amt.de → Reise und Sicherheit → Länder A – Z → Kosovo → Wirtschaftspolitik [Stand Februar 2012] sowie wikipedia.de → Kosovo → Gliederungsnummern 8.4.3 und 8.4.4). Dies wird im Fall der Kläger allenfalls eingeschränkt der Fall sein: Selbst wenn sie in Kosovo entgegen ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung noch über Familienangehörige verfügen sollten, so ist doch der Kontakt zu jenen nach über 18 Jahren offenbar abgerissen, und nach über 18 Jahren Abwesenheit würden die Kläger wohl auch nur zögerlich wieder in die zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft aufgenommen werden. Zwar macht der Beklagte zu Recht geltend, dass einem Ausländer die Ausreise in einen anderen Staat mit wesentlich ungünstigeren (wirtschaftlichen) Verhältnissen als in der Bundesrepublik Deutschland nicht bereits deshalb stets unzumutbar ist. Gleichwohl sind die Verhältnisse in dem Staat, in den ein Ausländer ausreisen soll, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK angemessen zu berücksichtigen.

40

Das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. besteht angesichts des Umstandes, dass sie ihren Lebensunterhalt wohl nie im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG wird sichern können, im Wesentlichen darin, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durch sie zu verhindern. Diesem öffentlichen Interesse kommt zwar in aller Regel erhebliche Bedeutung zu, wie auch aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG folgt. Dies gilt im Fall der Klägerin zu 3. jedoch nicht. Wären nämlich den Klägern aufgrund der insoweit bis zum 13. Mai 2005 fortgeltenden Gründe durchgängig Aufenthaltsbefugnisse, die gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG ab dem 1. Januar 2005 als Aufenthaltserlaubnisse weitergegolten hätten, und gegebenenfalls im Anschluss daran nach dem 1. Januar 2005 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 Satz 1 bzw. nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt worden, so hätte die Klägerin zu 3. ab dem 1. Januar 2005 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 Abs. 1 AufenthG, ggf. in Verbindung mit § 26 Abs. 4 Sätze 1 und 2, erfüllt. Zwar setzt dies gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AufenthG grundsätzlich voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist und dass 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurden oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachgewiesen werden. Im Fall der Klägerin gelten diese Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 und 6 AufenthG jedoch nicht, da sie diese Voraussetzungen infolge ihrer geistigen Behinderung nicht erfüllen kann. Wäre – auch – der Klägerin zu 3. alsbald nach Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamtes vom 13. Dezember 1996 am 4. März 1997 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden, so hätte sie bei obiger Prämisse vor dem 13. Mai 2005 sogar nach § 10 Abs. 1 StAG eingebürgert werden können. Denn gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Letzteres ist bei der Klägerin zu 3. infolge ihrer geistigen Behinderung der Fall. Da mithin § 9 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 sowie Satz 3 und 6 Aufenth G und sogar § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG im Fall der Klägerin zu 3. hätten Anwendung finden können, so kommt angesichts der gesetzlichen Wertungen in diesen Bestimmungen, die der Klägerin zu 3. einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht hätten, obwohl sie ihren Lebensunterhalt nur durch die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, in ihrem Falle dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.

41

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände und bei deren angemessener Würdigung kommt, auch wenn die Beendigung des Aufenthaltes eines Ausländers nicht "nur deshalb" als mit Art. 8 EMRK unvereinbar angesehen werden kann, "weil dieser sich über einen bestimmten Zeitraum in dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaats aufhält" (vgl. EGMR, Entscheidung vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – a.a.O.), allein schon der Dauer des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet von über 18 Jahren ein ganz erhebliches Gewicht zu, zumal sie im Alter von nur 2 Jahren ins Bundesgebiet einreiste und deshalb nahezu ausschließlich hier ihre Sozialisierung erfuhr. Überdies war ihr Aufenthalt – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Deswegen und mit Blick auf die besonderen Schwierigkeiten, die mit ihrer – behinderungsbedingt ohnehin nur eingeschränkt möglichen – Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo verbunden sein würden, sowie auf die dortige wirtschaftliche Situation und deren konkrete Auswirkungen auf sie, und zwar selbst im Falle einer gemeinsamen Rückkehr mit ihrer Familie dorthin, erweist sich die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet angesichts der allenfalls untergeordneten Bedeutung des daran bestehenden öffentlichen Interesses als im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht "in einer demokratischen Gesellschaft (…) notwendig" und damit als unverhältnismäßig.

42

Ist aber der Klägerin zu 3. die Ausreise unmöglich, weil eine Beendigung ihres Aufenthaltes einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens darstellen würde, so ist mit dem Wegfall dieses Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen ist die Klägerin zu 3. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert. Schließlich erfüllt die Klägerin zu 3. auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

43

Zwar setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Vorliegend besteht jedoch im Fall der Klägerin zu 3. insoweit ein Ausnahmefall. Zunächst ist in diesem Zusammenhang die durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Klägerin zu 3. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen. Ferner geht es im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit einer Ausreise nicht um eine Entscheidung für oder gegen den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet, sodass sich durch eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis an der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nichts ändern würde. Vor allem aber kommt – wie oben aufgezeigt – im Falle der Klägerin zu 3. dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Lebensunterhalts zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.

44

Ferner setzt zwar § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist. Auch insoweit ist jedoch vom Bestehen eines Ausnahmefalles auszugehen, weil wiederum die durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Klägerin zu 3. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen ist und weil die Erfüllung der Passpflicht unmittelbar bevorsteht, nachdem – wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat – nunmehr auch von den kosovarischen Auslandsvertretungen im Bundesgebiet kosovarische Reisepässe ausgestellt werden und – auch – die Klägerin zu 3. einen solchen beantragt und einen für dessen Abholung erforderlichen kosovarischen Personalausweis bereits erhalten hat. Angesichts dessen wäre zumindest das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert: Zur Begründung des Entwurfs des § 5 Abs. 3 AufenthG wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen typischerweise nicht von der Erfüllung aller allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abhängig gemacht werden kann (vgl. BT-Drucks. 15/420 S. 70).

45

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall der Klägerin zu 3. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist ihr nach alledem eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

46

2) Was die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. anbelangt, so ist ihnen eine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ihre Abschiebung in das Kosovo nicht mit Art. 6 GG zu vereinbaren wäre und ihnen deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

47

Insoweit ist nämlich zu sehen, dass der Klägerin zu 3. – wie eben aufgezeigt – das Recht zusteht, sich in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten, weil ihr eine Rückkehr in das Kosovo rechtlich unmöglich ist, dass sie dabei aber trotz ihrer Volljährigkeit wegen ihrer geistigen Behinderung wie bisher in erheblichem Umfang auf die Unterstützung ihrer allerdings kaum Deutsch sprechenden Eltern sowie wegen deren sehr guter deutscher Sprachkenntnisse auch auf die Unterstützung ihrer Schwester angewiesen ist. Aufgrund der insoweit unwidersprochenen klägerseitigen Darstellung, den in den Verwaltungs- und Gerichtsakten befindlichen Unterlagen und dem Eindruck des Senats, den er in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin zu 3. gewonnen hat, bedarf diese selbst im normalen Alltagsleben wesentlich der Hilfestellung der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. und benötigt auch künftig in vergleichbarer Weise der Betreuung durch die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. Da diese bislang der Klägerin zu 3. die nötige Hilfestellung gewährt haben und da ferner kein Anzeichen dafür ersichtlich ist, dass sie die Klägerin zu 3. künftig nicht mehr im erforderlichen Umfang unterstützen oder auch nur die häusliche Gemeinschaft aufheben werden, genießt diese familiäre Beziehung, die nur im Bundesgebiet gelebt werden kann, weil der Klägerin zu 3. eine Rückkehr in das Kosovo rechtlich unmöglich ist, trotz der Volljährigkeit der Klägerinnen zu 3. und zu 4. als tatsächliche Beistandsgemeinschaft den besonderen Schutz des Art. 6 GG, der deshalb der Trennung der Familienmitglieder durch Abschiebung der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. entgegensteht. Dann aber ist den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. auch die freiwillige Ausreise in das Kosovo aus rechtlichen Gründen unmöglich.

48

Im Fall der Klägerin zu 4. kommt hinzu, dass eine Aufenthaltsbeendigung auch einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den in ihrem Fall ebenso eröffneten Schutzbereich des Rechts auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten würde.

49

Was ihre Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse anbelangt, so ist zunächst zu sehen, dass sie im Alter von einem Jahr ins Bundesgebiet eingereist ist und sich hier seitdem ohne jegliche Unterbrechung aufgehalten hat. Ihr Aufenthalt hier war ebenso wie der der Klägerin zu 3. über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Die Klägerin zu 4. hat hier nahezu ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht und nahezu ihre gesamte Sozialisierung hier erfahren. Nach den Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung spricht sie sehr gut Deutsch. Auch sozial ist sie, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, voll in die hiesigen Verhältnisse integriert. Die Klägerin zu 4. hat sich bislang stets an Recht und Gesetz gehalten. Zwar ist auch sie seit dem 14. September 2008 entgegen § 3 Abs. 1 AufenthG nicht mehr im Besitz eines Passes, doch war ihr die bislang zum Erwerb eines kosovarischen Passes erforderliche Reise in das Kosovo zunächst wegen ihrer Minderjährigkeit und zudem wegen ihrer schlechten Kenntnisse des Albanischen, das sie, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, zwar etwas spricht, aber nicht schreiben und lesen kann, allein nicht möglich. Auch hätte ihr deshalb der Beklagte einen Ausweisersatz im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG ausstellen können, sollte er dies nicht sogar gewollt haben (vgl. S. 229 und 293 VA 1). Ferner hat sie hier mit Erfolg die Schule besucht und, wenn auch mit immer schlechter werdenden Noten, so aber doch noch den Hauptschulabschluss erreicht (vgl. S. 70 – 74 sowie S. 104 – 107 R GA). Den Besuch der Berufsfachschule I hat sie zwar nach langem unentschuldigten Fehlen und mit sehr schlechten Noten vorzeitig abgebrochen, eine Berufsausbildung bislang nicht begonnen und auch erst im Anschluss an die Ladung des Verwaltungsgerichts zur mündlichen Verhandlung nach einer Arbeitsstelle gesucht. Aufgrund des von ihr in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks und ihrer diesbezüglichen Angaben ist der Senat aber davon überzeugt, dass es ihr inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle und dass ihr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich möglich sein würden und dass es dann endlich auch zu einer beginnenden wirtschaftlichen Integration der Klägerin zu 4. käme, die jeden-falls zur Sicherung ihres eigenen Lebensunterhalts führen würde.

50

Demgegenüber wird der Klägerin zu 4. eine Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo nur schwer möglich sein. Erinnerungen an das Leben in Kosovo hat sie nicht, mit den dortigen Lebensverhältnissen ist sie nicht vertraut. Zwar spricht sie, wie auch die Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, noch immer auch etwas Albanisch, das sie aber nicht schreiben und lesen kann. Auf Hilfestellung ihrer Eltern beim Einfinden in die Verhältnisse in Kosovo kann sie nicht rechnen, da diese im Bundesgebiet bei der geistig behinderten Klägerin zu 3. bleiben würden. Sollte sie in Kosovo entgegen den Angaben in der mündlichen Verhandlung noch über Familienangehörige verfügen, so ist doch der Kontakt zu jenen nach über 18 Jahren offenbar abgerissen. Bekannte und Freunde hat sie dort nicht. Ihre finanzielle Situation in Kosovo wird sich entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht nur "voraussichtlich weniger günstig gestalten (…) als in der Bundesrepublik Deutschland", sondern – wie im Zusammenhang mit der Klägerin zu 3. bereits ausgeführt – aller Voraussicht nach völlig unzulänglich sein.

51

Das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. besteht im Wesentlichen darin, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durch sie zu verhindern. Diesem öffentlichen Interesse kommt zwar in aller Regel erhebliche Bedeutung zu, wie auch aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG folgt. Im Fall der Klägerin zu 4., der es inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle, besteht jedoch zur Überzeugung des Senats die große Wahrscheinlichkeit, dass sie zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich ausüben und so zumindest ihren eigenen Lebensunterhalt sichern würde, falls ihr der Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Angesichts dessen kommt jedenfalls derzeit in ihrem Fall dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise nur untergeordnete Bedeutung zu.

52

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände und bei deren angemessener Würdigung kommt, auch wenn die Beendigung des Aufenthaltes eines Ausländers nicht "nur deshalb" als mit Art. 8 EMRK unvereinbar angesehen werden kann, "weil dieser sich über einen bestimmten Zeitraum in dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaats aufhält" (vgl. EGMR, Entscheidung vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – a.a.O.), allein schon der Dauer des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. im Bundesgebiet von über 18 Jahren ein ganz erhebliches Gewicht zu, zumal sie im Alter von nur einem Jahr ins Bundesgebiet einreiste und deshalb nahezu ausschließlich hier ihre Sozialisierung erfuhr. Überdies war ihr Aufenthalt – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Deswegen und mit Blick auf die besonderen Schwierigkeiten, die mit ihrer Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo ohne Hilfestellung durch ihre Eltern verbunden sein würden, sowie auf die dortige wirtschaftliche Situation und deren konkrete Auswirkungen auf sie erweist sich die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. im Bundesgebiet angesichts der derzeit nur untergeordneten Bedeutung des daran bestehenden öffentlichen Interesses als unverhältnismäßig. Sollte die Klägerin zu 4. in angemessener Zeit nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keiner zumindest geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgehen, würde sich dies anders darstellen und wäre bei einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen, sofern ihre Ausreise nicht mehr mit Blick auf Art. 6 GG rechtlich unmöglich sein sollte.

53

Ist nach alledem den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. die Ausreise unmöglich, weil einer Beendigung ihres Aufenthaltes wegen der notwendigen Betreuung der geistig behinderten Klägerin zu 3. im Bundesgebiet Art. 6 GG entgegenstehen würde und weil im Falle der Klägerin zu 4. eine Aufenthaltsbeendigung zudem einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten würde, so ist mit dem Wegfall dieser Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen sind die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert. Schließlich erfüllen sie auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

54

Zwar setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Vorliegend besteht jedoch insoweit ein Ausnahmefall. In diesem Zusammenhang ist nämlich die durch Art. 6 GG und zum Teil zusätzlich durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen. Ferner geht es im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit einer Ausreise nicht um eine Entscheidung für oder gegen den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet, sodass sich insbesondere durch eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis an der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nichts ändern würde. Zudem besteht – wie oben bereits aufgezeigt – zur Überzeugung des Senats im Fall der Klägerin zu 4., der es inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle, die große Wahrscheinlichkeit, dass sie zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich ausüben und so zumindest ihren eigenen Lebensunterhalt sichern würde, falls ihr der Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im Ansatz vergleichbar stellt sich die Situation der Kläger zu 1. und 2. dar, die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erklärten, arbeitsunfähig krank, sondern an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit interessiert zu sein. Der Kläger zu 1. hatte auch bereits im Mai 2011 eine Beschäftigungserlaubnis für eine – allerdings wohl auf drei Monate befristete – Vollerwerbstätigkeit als Trockenbauhelfer beantragt (vgl. S. 437 VA 1), die indes deshalb nicht erteilt wurde, weil der Beklagte, obwohl dem Kläger zu 1. offenbar am 17. Juni 1997 eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis erteilt worden war (vgl. S. 75 VA 1), die dann ab dem 1. Januar 1998 gemäß § 432 SGB III als Arbeitsberechtigung und ab dem 1. Januar 2005 gemäß § 105 Abs. 2 AufenthG als uneingeschränkte Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Aufnahme einer Beschäftigung weitergegolten hätte, umgehend eine – weitere – Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit erbeten hat, die indes aufgrund mehrerer Versehen erst am 30. August 2011 der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zustimmte (vgl. S. 495 f. VA 1). Auch die Klägerin zu 2. will sich ihren Angaben und den Angaben der Klägerin zu 4. in der mündlichen Verhandlung zufolge bereits mehrfach um Arbeit bemüht haben. Eine Arbeitsstelle lässt sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aber sehr viel eher finden als im Besitz einer lediglich kurzfristigen Duldung (vgl. nur den Gesetzeszweck von § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kläger zu 1. und 2. keinen Arbeitsplatz gefunden haben, als sie noch im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen gewesen sind. Denn damals haben sie sich nicht oder doch nicht ernsthaft um Arbeit bemüht. Zumindest wäre mit Blick auf dies alles das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert.

55

Ferner setzt zwar § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist. Auch insoweit ist jedoch vom Bestehen eines Ausnahmefalles auszugehen, weil wiederum die durch Art. 6 GG und zum Teil zusätzlich durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. sowie die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen sind und weil die Erfüllung der Passpflicht unmittelbar bevorsteht, nachdem nunmehr auch von den kosovarischen Auslandsvertretungen im Bundesgebiet kosovarische Reisepässe ausgestellt werden und – auch – die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. einen solchen beantragt und einen für dessen Abholung erforderlichen kosovarischen Personalausweis bereits erhalten haben. Angesichts dessen wäre zumindest das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abzusehen, auf null reduziert (vgl. oben).

56

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist nach alledem auch ihnen eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

57

3) Was den Kläger zu 5. anbelangt, so ist ihm eine Ausreise aus rechtlichen Gründen deshalb unmöglich, weil seine Abschiebung in das Kosovo nicht mit Art. 6 GG zu vereinbaren wäre und ihm deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

58

Insoweit ist zu sehen, dass der Kläger zu 5. erst 14 Jahre alt und deshalb zumindest auf die Unterstützung seiner Eltern, der Kläger zu 1. und zu 2., angewiesen ist, denen aber das Verlassen des Bundesgebietes aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, weil sie hier weiterhin die geistig behinderte Klägerin zu 3. betreuen müssen. Angesichts dessen genießt diese familiäre Beziehung, die nur im Bundesgebiet gelebt werden kann, mit Blick auf die Minderjährigkeit des Klägers zu 5. als tatsächliche Erziehungsgemeinschaft den besonderen Schutz des Art. 6 GG, der deshalb der Trennung der Familienmitglieder durch Abschiebung des Klägers zu 5. entgegensteht. Dann aber ist dem Kläger zu 5. auch die freiwillige Ausreise in das Kosovo aus rechtlichen Gründen unmöglich.

59

Ist aber dem Kläger zu 5. die Ausreise unmöglich, weil einer Beendigung seines Aufenthaltes Art. 6 GG entgegenstehen würde, so ist mit dem Wegfall dieser Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen ist der Kläger zu 5. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert.

60

Schließlich erfüllt er auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auch in seinem Fall liegt bezüglich des Erfordernisses des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wie bei den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. ein Ausnahmefall vor, obwohl bei ihm eine Erwerbstätigkeit altersbedingt noch nicht in Betracht kommt. Gleiches gilt aus den bezüglich der Kläger zu 1. bis 4. dargelegten Gründen hinsichtlich des Erfordernisses des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, auch wenn dem Kläger zu 5. wegen seines Alters noch kein kosovarischer Personalausweis ausgestellt worden ist. Zumindest wäre jedoch das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, in seinem Fall von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert.

61

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall des Klägers zu 5. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist nach alledem auch ihm eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

62

Haben nach alledem sämtliche Kläger Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, so stellen sich die übrigen von den Beteiligten angesprochenen und im Urteil des Verwaltungsgerichts erörterten Fragen nicht mehr, so ist aber auch die im Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 enthaltene Abschiebungsandrohung aufzuheben.

63

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

64

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und mit § 711 ZPO.

65

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

66

Beschluss

67

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG für das zweitinstanzliche Verfahren auf 25.000,00 € festgesetzt.

68

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Kläger wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt.

69

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 28. Mai 2010 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. Mai 2010 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Anordnung ihrer persönlichen Vorsprache vor der armenischen Expertenkommission bei der Zentralen Ausländerbehörde in Bielefeld nebst Androhung der zwangsweisen Vorführung.

2

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 28. Mai 2010 den Antrag abgelehnt. Der auf § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gestützte Bescheid des Antragsgegners vom 26. Mai 2010 sei nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig.

3

Die dagegen erhobene Beschwerde hat Erfolg.

4

Die Beschwerde ist statthaft.

5

Die Beschwerde ist nicht nach § 80 AsylVfG ausgeschlossen. Die angefochtenen Maßnahmen sind vom Antragsgegner ausdrücklich und ausschließlich auf die ausländerrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 82 Abs. 4 AufenthG gestützt worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.1992 - 9 C 155/90 -, zit. nach Juris Rn. 13 ff.; OVG Koblenz, Beschl. v. 24.01.2007 - 6 E 11489/06 -, zit. nach Juris Rn. 7 ff.; OVG Bautzen, Beschl. v. 09.07.2009 - A 1 D 92/09 -, zit. nach Juris Rn. 2 m.w.N.). Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine Maßnahme handelt, für die tatsächlich § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG heranzuziehen gewesen wäre, bestehen nicht.

6

Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zur Änderung des angefochtenen Beschlusses.

7

Allerdings bestehen weder durchgreifende Anhaltspunkte für eine fehlende Reisefähigkeit der Antragstellerin nach Bielefeld noch hat sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts gewandt, ihr Kind könne durch den Lebensgefährten während ihrer Abwesenheit in zumutbarer Weise betreut werden. Auch die Einwände, der Antragsgegner habe pflichtwidrig eine frühzeitigere Ankündigung der beabsichtigten Maßnahmen unterlassen und damit gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, sind nicht substantiiert. Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich lediglich, dass dem Antragsgegner jedenfalls Ende März 2010 nur vage Termine für die Expertenanhörungen im Mai/Juni und September in Aussicht gestellt waren.

8

Auch die Einwände der Beschwerde gegen die Legitimität der "Expertenkommission" bei der zentralen Ausländerbehörde in Bielefeld greifen nicht durch. Auf die Ausführungen des erkennenden Senats in seinem - dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bekannten - Beschluss vom 22. Juni 2007 (- 2 M 80/07 -), wird Bezug genommen.

9

"Auch ist die Maßnahme als solche entgegen der Beschwerdebegründung nicht mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Die Verfügung des Antragsgegners kann sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auf § 82 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) stützen. Die Vorschrift ist nicht, wie die Antragsteller meinen, beschränkt auf Vorführungen des Ausländers in den jeweiligen Botschaftsgebäuden. Der Wortlaut des § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG spricht zwar von den "Vertretungen des Staates". Sinn und Zweck des § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist jedoch, ausländerrechtliche Maßnahmen durch die Beschaffung von Heimreisedokumenten mit Hilfe der betreffenden Auslandsvertretung vorzubereiten und zu fördern, weshalb der Begriff der Auslandsvertretung funktional zu verstehen ist. Es muss sich um eine Person oder um Personen handeln, der oder denen der ausländische Staat die Wahrnehmung diplomatischer oder konsularischer Aufgaben oder sonstiger Aufgaben auf dem Gebiet der Ausstellung von Heimreisedokumenten übertragen hat und die von diesem legitimiert oder autorisiert ist oder sind, ihn im Inland zu vertreten, und so die Vertretung des betreffenden Staates bildet oder bilden. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Aufgabenwahrnehmung der Auslandsvertretung auf dem Gebiet der Ausstellung von Heimreisedokumenten auf ihre Diensträume zu beschränken und Außentermine vom Anwendungsbereich des §§ 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auszunehmen (vgl. neben der bereits erstinstanzlich benannten Entscheidung des OVG Münster, Beschl. v. 28. November 2006 - 19 B 1789/06 -, zitiert aus Juris, Rn. 5 m. w. N., auch das VG München, Beschl. v. 20. März 2007 - M 10 S 07.488 -, zitiert aus Juris, Rn. 25).

10

Die dagegen erhobenen Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung auch die Befugnisse und Beschränkungen nach den internationalen Vereinbarungen über konsularische und diplomatische Betätigung in Bezug nehmen wollte und den Ausländern nicht mehr hat zumuten wollen, als die jeweiligen Auslandsvertretungen nach den internationalen Übereinkommen und den Akkreditierungsvereinbarungen veranlassen dürfen. Im Übrigen ist für den vorliegenden Einzelfall auch nicht dargetan, welche Maßnahme die Antragsteller im Rahmen des Außentermins der armenischen Vertretung in Bielefeld befürchten, die nach den genannten Vorschriften in dem Botschaftsgebäude in Deutschland nicht hätte veranlasst werden dürfen."

11

Der Senat sieht indes einen unverhältnismäßigen Eingriff in Rechte der Antragstellerin insoweit als gegeben an, als auch bei einer Abreise der Antragstellerin um 02.00 Uhr am 1. Juni 2010 ihr die Erfüllung ihre bestehenden Mitwirkungspflichten am selben Tag vor der Expertenkommission nach voraussehbar durchwachter Nacht nicht zumutbar ist. Mit Rücksicht auf die Dauer der Anreise verstößt eine solche Verpflichtung, im wesentlichen ohne Nachtschlaf zur Anhörung zu erscheinen, gegen das rechtsstaatliche Gebot der Verhältnismäßigkeit. Denn es wäre ohne weiteres möglich gewesen, eine Anreise am Vortag mit Übernachtungsmöglichkeit einzurichten. Allein die Kurzfristigkeit mit der der Antragsgegner von dem zur Verfügung stehenden Termin vor der Expertenkommission erfahren hat, rechtfertigt nicht die Maßnahme in ihrer hier zugrundeliegenden zeitlichen Ausgestaltung. Ob darüber hinaus es der Antragstellerin zu ermöglichen ist, selbstständig zu einem Termin in Bielefeld zu erscheinen, kann hier dahingestellt bleiben.

12

Die Kostenentscheidung folgt auch § 154 Abs. 2 VwGO.

13

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2011 wird der Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten der Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, sofern nicht diese zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen sowie die Aufhebung der Androhung ihrer Abschiebung in das Kosovo. Sie waren Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien und sind albanische Volkszugehörige.

2

Am 5. September reisten der am … 1950 geborene Kläger zu 1., seine Ehefrau, die am … 1964 geborene Klägerin zu 2., sowie ihre gemeinsamen Töchter, die am … 1991 geborene, geistig behinderte Klägerin zu 3. und die am … 1992 geborene Klägerin zu 4., aus dem Kosovo kommend im Besitz bis zum 4. September 1997 gültiger jugoslawischer Reisepässe auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten Asylanträge. Mit Bescheid vom 10. September 1993 erkannte sie das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) als Asylberechtigte an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen. Dieser Bescheid wurde am 16. März 1996 insoweit bestandskräftig, als das Bundesamt bezüglich des Klägers zu 1. das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 festgestellt hatte, nachdem der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 10. September 1993 erhobene Klage insoweit zurückgenommen hatte. Dem Kläger zu 1. wurden daraufhin am 4. März 1996 ein Reiseausweis nach Art. 28 GFK sowie eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 erteilt und beides in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert. Im Übrigen hob das Verwaltungsgericht Mainz auf die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hin den Bescheid des Bundesamtes vom 10. September 1993 mit im August 1996 rechtskräftig gewordenem Urteil vom 16. Juli 1996 – 7 K 4629/93.MZ – auf. Bezüglich der Klägerinnen zu 2. bis 4. stellte das Bundesamt sodann mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG 1990 nicht vorliegen. Dieser Bescheid wurde am 4. März 1997 bestandskräftig. Den Klägerinnen zu 2. bis 4. wurden daraufhin am 30. Juli 1997 Aufenthaltsbefugnisse nach § 31 AuslG 1990 erteilt und in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert.

3

Am … 1997 wurde der Sohn der Kläger zu 1. und zu 2., der Kläger zu 5. geboren. Auch ihm wurde eine Aufenthaltsbefugnis nach § 31 AuslG 1990 erteilt und in der Folgezeit bis zum 26. Oktober 2004 verlängert.

4

Am 14. September 1998 wurde der Klägerin zu 2. ein neuer jugoslawischer Reisepass ausgestellt, in den die Kläger zu 3. bis 5. miteingetragen waren und der bis zum 14. September 2008 gültig gewesen ist.

5

Mit Bescheid vom 18. November 2003 widerrief das Bundesamt die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 bezüglich des Klägers zu 1. vorliegen, und stellte zugleich fest, dass bezüglich seiner Person keine Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG 1990 vorliegen. Seine dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil vom 7. Mai 2004 – 7 K 3939/03.KO – ab, seinen daraufhin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der erkennende Senat mit am 13. Mai 2005 zugestelltem Beschluss vom 11. Mai 2005 – 7 A11027/04.OVG – ab.

6

Am 17. November 2004 hatten die Kläger die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnisse beantragt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2005 ab, forderte die Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf und drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung dieser Aufforderung ihre Abschiebung nach Serbien und Montenegro (Kosovo) an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Eine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigungen sei nicht mehr möglich, nachdem die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes bezüglich des Klägers zu 1. unanfechtbar sei. Ferner könnten sie sich nicht auf den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 15. Februar 2001 berufen, schon weil sich der Kläger zu 1. vor diesem Stichtag nicht zwei Jahre lang in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis befunden habe. Schließlich sei ihnen die gemeinsame Rückkehr in das Kosovo möglich und zumutbar, weil ihr langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zu ihrer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse geführt habe. Vielmehr hätten sie ihr Gastrecht dahingehend missbraucht, hauptsächlich von Sozialhilfe zu leben. Auch sei anzunehmen, dass den Klägern zu 3. bis 5. die Integration in die neuen Lebensverhältnisse leicht falle.

7

Daraufhin ließen die Kläger am 19. Oktober 2005 Widerspruch erheben sowie beim Verwaltungsgericht Koblenz einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen. Der Letztere hatte in zweiter Instanz teilweise Erfolg: Mit Beschluss vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – gab der erkennende Senat dem Beklagten auf, die Abschiebung der Antragsteller bis zur Entscheidung über ihren Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 auszusetzen, weil einiges dafür spreche, dass die Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK hätten, ohne dass insoweit der Sachverhalt geklärt sei und ohne dass der Beklagte das ihm eröffnete Ermessen ausgeübt habe. Seit dem 21. März 2006 hat der Beklagte deshalb die Abschiebung der Kläger jeweils kurzfristig ausgesetzt und ihnen diesbezügliche Duldungsbescheinigungen ausgestellt.

8

Im Mai 2007 ließen die Kläger vorsorglich auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 27. November 2006 beantragen.

9

In der mündlichen Verhandlung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten am 28. November 2007 wurde das Widerspruchsverfahren bis zum 31. Mai 2008 ausgesetzt, um eine gütliche Einigung und dem Kläger zu 1. den Erwerb eines serbischen Reisepasses zu ermöglichen. Für den Fall, dass es nicht zu einer gütlichen Einigung komme, wurde im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung die Zustellung eines bereits jetzt als "Vorbehaltsentscheidung" zu beratenden Widerspruchsbescheides angekündigt.

10

Am 18. August 2008 übersandte der Kreisrechtsausschuss den Beteiligten eine Kopie der Niederschrift über seine mündliche Verhandlung vom 28. November 2007 einschließlich des Tenors der die Widersprüche der Kläger zurückweisenden "Vorbehaltsentscheidung". Jedoch wurde den Klägern erst am 31. Mai 2010 ein Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2010 zugestellt. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen seien nicht erfüllt. Insbesondere bestehe kein tatsächliches oder rechtliches Ausreisehindernis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG, auch nicht etwa im Hinblick auf Art. 8 EMRK, da die noch immer vollständig von öffentlichen Sozialleistungen abhängigen Kläger hier trotz ihres langjährigen Aufenthaltes weder sozial noch wirtschaftlich integriert seien. Dass die Kläger zu 3. bis 5. Regelschulen besuchten, reiche allein zur Begründung eines schutzwürdigen Interesses an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht aus, weil sie weiterhin mit den Klägern zu 1. und zu 2. im gemeinsamen Familienhaushalt lebten, weil sie noch ledig seien und weil noch keine eigenständige Familien- oder Berufsplanung erkennbar sei. Die Rückkehr in das Herkunftsland sei ihnen daher zumutbar. Abgesehen davon stehe der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG entgegen, da die Kläger offenbar im Wissen, dass ihre Abschiebung nur gemeinsam erfolgen könne, "mittels dem vorgeschobenen und ungeklärt gelassenen Identitätsstatus" des Klägers zu 1., der sich keinen serbischen Reisepass besorgt habe, "nicht die von ihnen für ihre Familie zu verlangenden, zumutbaren Anforderungen (…) erfüllt und damit die Möglichkeit ihrer Ausreise eigenverantwortlich bzw. selbst verschuldet verzögert/vereitelt" hätten. Deshalb könnten ihnen gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG auch keine Aufenthaltserlaubnisse nach dieser Vorschrift erteilt werden. Schließlich scheide auch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aufgrund der Bleiberechtsregelung vom 27. November 2006 aus. Diese setze nämlich voraus, dass Anträge und Rechtsmittel zuvor zurückgenommen würden und dass der Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit gesichert sei.

11

Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Juli 2011 – 3 K 823/10.KO – abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

12

Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung vom 27. November 2006 scheitere daran, dass der Lebensunterhalt der Kläger nicht am 17. November 2006 durch legale Erwerbstätigkeit gesichert gewesen sei und dass sie ihre Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach anderen Rechtsvorschriften nicht zurückgenommen hätten.

13

Den Klägern stünden auch keine Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu, da sie im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hätten. Der Kläger zu 1. habe sich auch nach der Unanfechtbarkeit des Widerrufsbescheides des Bundesamtes im Mai 2005 nicht um einen jugoslawischen Reisepass bemüht und dadurch die gemäß Art. 6 GG nur gemeinsam mögliche Abschiebung der gesamten Familie hinausgezögert. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass dies sowohl dem Kläger zu 1. als auch der Klägerin zu 2. bekannt gewesen sei und dass sie insoweit gezielt gemeinsam aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindert hätten. Die Kläger zu 3. bis 5. müssten sich jedenfalls bis zum Erreichen der Volljährigkeit ein Hinauszögern der Aufenthaltsbeendigung durch ihre Eltern zurechnen lassen.

14

Den Klägerinnen zu 3. und 4. könne des Weiteren keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Die Klägerin zu 4. sei am 31. Dezember 2009 noch nicht volljährig gewesen sei, im Falle der Klägerin zu 3. erscheine nicht gewährleistet, dass sie sich aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen könne. Vielmehr werde sie infolge ihrer geistigen Behinderung ihren Lebensunterhalt nicht unabhängig von öffentlichen Hilfeleistungen sichern können.

15

Die Kläger hätten ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 oder Abs. 5 AufenthG, weil ihre Ausreise keine außergewöhnliche Härte darstelle bzw. nicht unmöglich sei. Alle Kläger könnten jederzeit einen Reiseschein für eine Rückreise in das Kosovo erhalten. Da sie gemeinsam ausreisen könnten, scheide eine Verletzung von Art. 6 GG aus. Sofern eine Aufenthaltsbeendigung in ihrem Fall überhaupt in den Schutzbereich des Rechtes auf Achtung ihres Privatlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreifen sollte, wäre dieser Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Das Gewicht des langen Aufenthaltes der Kläger im Bundesgebiet werde dadurch gemindert, dass ihr rechtmäßiger Aufenthalt bereits 2004 geendet habe und dass sie seitdem zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet seien. Was die Integration der Kläger in die hiesigen Verhältnisse anbelange, so spreche der Kläger zu 1. nur mäßig Deutsch, habe kaum soziale Kontakte und sei wirtschaftlich nicht integriert. Eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit sei nicht belegt und nicht einmal substantiiert dargetan. Gleiches gelte für die Klägerin zu 2. Die geistig behinderte Klägerin zu 3. habe zwar den Abschluss einer Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung erreicht, sei aber – ohne dass dies ihr vorwerfbar wäre – weder sprachlich noch sozial noch wirtschaftlich wesentlich in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Bereits derzeit sei sie im normalen Alltagsleben in erheblichem Umfang auf Hilfestellung ihrer Familie angewiesen, lebe ihr Leben weitgehend im Kreis der Familie und werde auch künftig in vergleichbarer Weise auf deren Unterstützung angewiesen sein. Die Klägerin zu 4. sei zwar in sprachlicher, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht in gewisser Weise in die hiesigen Verhältnisse integriert und habe insbesondere im Juni 2009 den Hauptschulabschluss mit ausreichenden Noten erreicht. Sie habe danach aber den Besuch der Berufsschule abgebrochen und noch keine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle gefunden, sodass eine berufliche und wirtschaftliche Integration bisher nicht stattgefunden habe. Der Kläger zu 5. sei hier zwar weitgehend seinem Alter entsprechend sozial integriert, doch sei ihm dennoch wie den übrigen Klägern die Ausreise in das Kosovo zumutbar. Die Kläger zu 1. und 2. seien dort geboren und aufgewachsen, sodass ihnen die sprachliche und soziale Reintegration keine Mühe mache. Ihre wirtschaftliche Integration in die Republik Kosovo werde zwar schwierig sein und möglicherweise nicht gelingen, doch seien die Chancen dafür in ihrem Heimatland, dessen Verhältnisse sie kännten und in dem sie sich sprachlich ohne weiteres zurechtfänden, eher günstiger als hier. Der Klägerin zu 3. seien die Verhältnisse in Kosovo zwar unbekannt, doch werde sie sich lediglich anfangs mit einer für sie nicht vertrauten Umgebung auseinandersetzen und in diese einleben müssen, was ihr nach zumutbaren Anlaufschwierigkeiten mit der Hilfe ihrer Familie jedoch ebenso gelingen werde, wie es ihr in Deutschland gelungen sei: Nach dem Ende des Schulbesuchs habe sie im Wesentlichen im Kreis der Familie gelebt und könne dies auch künftig tun. Die Klägerin zu 4. verfüge über hinreichende mündliche Kenntnisse der Sprache ihres Heimatlandes und könne sich dort von Anfang an verständigen. Aufgrund ihres Alters und der hier erreichten Schulbildung werde sie darüber hinaus in der Lage sein, sich die Kenntnis der Schriftsprache ihres Heimatlandes anzueignen und mit Hilfe ihrer Eltern sozial und wirtschaftlich in der Republik Kosovo zu integrieren. Gleiches gelte für den Kläger zu 5. Angesichts von alledem müsse das Interesse der Kläger an einem weiteren Aufenthalt in Deutschland hinter das öffentliche Interesse an der Beendigung ihres rechtswidrigen Aufenthaltes und das Interesse an der Vermeidung einer weiteren Belastung des deutschen Sozialsystems zurücktreten.

16

Schließlich könne dem Kläger zu 5. schon deshalb keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt werden, weil er das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

17

Zur Begründung der vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 – 7 A 11175/11.OVG – gegen dieses Urteil zugelassenen Berufung vertiefen und ergänzen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen und beantragen,

18

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juli 2011 den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

19

Der Beklagte beantragt.

20

die Berufung zurückzuweisen,

21

und verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Gerichtsakte 3 L 1899/05.KO sowie auf die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet.

24

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

25

Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse nicht in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Die Ausreise eines Ausländers ist dann aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige rechtliche Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Beim Bestehen von Abschiebungsverboten hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Abschiebung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Ausreise aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit rechtlich unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 C 14.05 – BVerwGE 126, 192 [197 f. Rn. 17]).

26

Diese Voraussetzungen sind hier sämtlich erfüllt.

27

Die Kläger sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem die ihnen zuletzt gemäß § 30 bzw. § 31 AuslG 1990 erteilten Aufenthaltsbefugnisse am 26. Oktober 2004 abgelaufen waren und nachdem ihre als Anträge auf Neuerteilung einer Aufenthaltsbefugnis bzw. ab dem 1. Januar 2005 als Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu wertenden Verlängerungsanträge vom 12. November 2004 durch Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 abgelehnt worden waren, ohne dass ihrem daraufhin erhobenen Widerspruch aufschiebende Wirkung zukam (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – InfAuslR 2006, 274 f. m.w.N.). Die Kläger erfüllen aber auch die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

28

1) Was die Klägerin zu 3. anbelangt, so ist ihr eine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ihre Abschiebung in das Kosovo einen mit Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarenden Eingriff in ihr Privatleben darstellen würde und ihr deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

29

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Das Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für die Persönlichkeit eines jeden Menschen konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 9. Oktober 2003 – 48321/99 – "Slivenko" – EuGRZ 2006, 560 [561]) und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 – InfAuslR 2007, 275 [277] und vom 21. Februar 2011 – 2 BvR 1392/10 – InfAuslR 2011, 235 [236] sowie BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 – 1 C 40.07 – BVerwGE 133, 72 [82 Rn. 21]). Zwar folgt aus Art. 8 EMRK grundsätzlich kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Vertragsstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juni 2005 – 60654/00 – "Sisojewa I" – InfAuslR 2005, 349 sowie Entscheidungen vom 17. Oktober 2004 – 33743/03 – "Dragan" – NVwZ 2005, 1043 [1045] und vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – "Ghiban" – NVwZ 2005, 1046; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 – 1 C 18.96 – NVwZ 1998, 189 m.w.N.). Jedoch kann einem Ausländer bei fortschreitender Aufenthaltsdauer aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens auch eine von dem betreffenden Vertragsstaat zu beachtende aufenthaltsrechtliche Rechtsposition zuwachsen.

30

Der Schutzbereich des Art. 8 EMRK ist im Fall der Klägerin zu 3. ohne weiteres eröffnet, nachdem sie sich seit über 18 Jahren in Deutschland aufhält. Zwar kommt ein Privatleben im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich dieser Vorschrift eröffnet, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zumindest "grundsätzlich" nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. dessen Urteile vom 26. Oktober 2010 – 1 C 18.09 – InfAuslR 2011, 92 [93] und vom 30. April 2009 – 1 C 3.08 – InfAuslR 2009, 333 [335]; offengelassen vom EGMR in der Entscheidung vom 16. September 2004 – 11103/03 – a.a.O. und im Urteil vom 8. April 2008 – 21878/06 – "Nnyanzi" – ZAR 2010, 189 [190 f.]). Der Aufenthalt der Klägerin zu 3. war jedoch zunächst 3 ½ Jahre gestattet und danach vom 30. Juli 1997 bis zum 26. Oktober 2004, also 7 ¼ Jahre lang genehmigt. Angesichts dessen war in ihrem Fall der Schutzbereich des Art. 8 EMRK bereits damals eröffnet.

31

Zudem galten die Gründe, aus denen die Aufenthaltsbefugnisse der Kläger zuletzt vom 27. April bis zum 26. Oktober 2004 verlängert worden waren, bis zum Eintritt der Bestandskraft der den Kläger zu 1., den Vater der Klägerin zu 3., betreffenden Widerrufsentscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – im Folgenden: Bundesamt – am 13. Mai 2005 weiter und hätten deshalb bis zum 31. Dezember 2004 die Erteilung weiterer Aufenthaltsbefugnisse und ab dem 1. Januar 2005 die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 Satz 1 bzw. nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerechtfertigt.

32

Es kommt weiter hinzu, dass – auch – der Klägerin zu 3. mangels des Vorliegens eines Ausnahmefalles seit dem 28. August 2007 ein von ihrer Mutter, der Klägerin zu 2., abgeleiteter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zustand, der an diesem Tag in Kraft getretenen ist. Die Klägerin zu 2. erfüllte nämlich ab dem 28. August 2007 sämtliche allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer so genannten Aufenthaltserlaubnis auf Probe, entgegen der Annahme des Beklagten und des Verwaltungsgerichts insbesondere auch die in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG aufgestellte. Die Klägerin zu 2. mag zwar gebilligt und sogar begrüßt haben, dass sich ihr Ehemann, der Kläger zu 1., nicht um die Ausstellung eines serbischen Reisepasses bemühte, wozu er gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG – mit Blick auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erst – ab dem 13. Mai 2005 verpflichtet war, doch hat sie allein deswegen nicht etwa selbst vorsätzlich die Beendigung ihres Aufenthaltes hinausgezögert oder behindert, die dem Beklagten überdies ab dem 3. März 2006 aufgrund des Beschlusses des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. untersagt war; eine vorsätzliche Hinauszögerung oder Behinderung der Beendigung ihres Aufenthaltes durch die Klägerin zu 2. ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein in der Vergangenheit materiellrechtlich bestehender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellt indes, auch wenn er durch die Ausländerbehörde nicht erfüllt wurde, gleichwohl wie ein rechtmäßiger Aufenthalt eine "Handreichung des Staates" (vgl. Hoppe, ZAR 2006, 125 [128]) dar, auf deren Grundlage schutzwürdiges Vertrauen auf einen Verbleib im Bundesgebiet entwickelt werden kann (vgl. VGH BW, Urteile vom 13. Dezember 2010 – 11 S 2359/10 – InfAuslR 2011, 250 [252] sowie vom 4. November 2009 – 11 S 2472/08 – InfAuslR 2010, 103 [107]). Auch nachdem der jugoslawische Pass der Kläger zu 2. bis 5. am 14. September 2008 abgelaufen war, blieb dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Rahmen des ihm nunmehr durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten Ermessens möglich, die der Klägerin zu 3. dann ab der Vollendung ihres 18. Lebensjahres am 4. Mai 2009 zudem aus eigenem und nicht nur aus einem von ihrer Mutter abgeleiteten Recht zustand (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 19. Juni 2009 – 7 B 10468/09.OVG – ESOVGRP).

33

Schließlich hat das Widerspruchsverfahren übermäßig lange gedauert. Der Beklagte hat den Aufenthalt – auch – der Klägerin zu 3. seit dem 21. März 2006 zwar lediglich geduldet, weil ihm deren Abschiebung vor der Zustellung eines Widerspruchsbescheides durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. untersagt war. Der Widerspruchsbescheid ist jedoch trotz klägerseitiger Nachfrage erst am 31. Mai 2010 und damit mehr als 4 ½ Jahre nach Widerspruchserhebung zugestellt worden, ohne dass die im Beschluss des erkennenden Senats vom 26. Februar 2006 erwartete weitere Sachverhaltsaufklärung vollständig erfolgt ist und ohne dass Gründe für die überlange Verfahrensdauer ersichtlich sind. Dies stellte ebenfalls eine Art "Handreichung des Staates" dar, die – auch – bei der Klägerin zu 3. eine weitere Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse und eine weitere Entwurzelung aus den Verhältnissen in Kosovo zur Folge hatte.

34

Nach alledem würde die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet einen Eingriff in den Schutzbereich des ihr gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK zustehenden Rechts auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten. Dieser Eingriff wäre gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, wenn er eine Maßnahme darstellen würde, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist, sich also als verhältnismäßig erweist. Daran fehlt es.

35

Im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ist einerseits maßgeblich zu berücksichtigen, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist. Gesichtspunkte sind insoweit insbesondere die Dauer und der Grund seines Aufenthalts in Deutschland sowie dessen rechtlicher Status, der Stand seiner Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift, seine berufliche Tätigkeit und seine wirtschaftliche Integration bzw. bei einem Kind, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen seine Integration in eine Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung, seine Wohnverhältnisse, seine sozialen Kontakte sowie die Beachtung gesetzlicher Pflichten und Verbote. Zum zweiten ist insoweit maßgeblich, welche Schwierigkeiten für den Ausländer – wiederum unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung – mit einer (Re-)Integration in den Staat verbunden sind, in den er ausreisen soll. Gesichtspunkte sind diesbezüglich vor allem, inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen bzw. erworben werden können, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und inwieweit er dort bei der (Wieder-)Eingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese erforderlich sein sollte (vgl. bereits den Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 – 7 B 10020/06.OVG – a.a.O. S. 275 f. m.w.N.). Schließlich ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich zu berücksichtigen, welches öffentliche Interesse an dem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK besteht. Dass dieses Interesse bei einem Ausländer, der seinen und seiner Familie Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Erwerbstätigkeit sicherstellt und die öffentliche Sicherheit und Ordnung lediglich dadurch stört, dass er keinen Aufenthaltstitel besitzt und nur geduldet ist, von deutlich geringerem Gewicht ist als beispielsweise bei einem Ausländer, der bereits erhebliche Straftaten begangen hat und bei dem die Gefahr der Begehung weiterer solcher Straftaten besteht, versteht sich von selbst (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2009 – 7 B 10028/09.OVG – juris Rn. 14).

36

Letztlich kommt es – wie im Rahmen jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung – auf die Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles an. Ein mit Art. 8 EMRK nicht vereinbarer Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens eines Ausländers setzt deshalb nicht zwingend dessen abgeschlossene und gelungene Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland oder gar voraus, dass er wie ein Inländer in den hiesigen Lebensverhältnissen verwurzelt ist. Auch reicht etwa allein der Umstand, dass ein im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer weder über einen Schulabschluss noch über eine Berufsausbildung verfügt und seinen Lebensunterhalt bislang nahezu ausschließlich aus öffentlichen Sozialleistungen bestritten hat, für sich allein nicht aus, um ungeachtet aller anderen Besonderheiten des Falles seine Verwurzelung im Bundesgebiet zu verneinen (so der Beschluss des BVerwG vom 19. Januar 2010 – 1 B 25/09 – NVwZ 2010, 707 [708] sowie das Urteil des erkennenden Senats vom 3. November 2011 – 7 A 10842/11.OVG – ESOVGRP und dessen Beschluss vom 25. August 2010 – 7 B 10845/10.OVG –). Ein mit Art. 8 EMRK nicht vereinbarer Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens eines Ausländers ist auch nicht stets dann ausgeschlossen, wenn sich dieser (wieder) in die Verhältnisse eines anderen Staates einfinden könnte, in den er ausreisen kann (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März 2009 – 7 B 10028/09.OVG – juris Rn. 15).

37

Was die Integration der heute 20-jährigen Klägerin zu 3. in die hiesigen Lebensverhältnisse anbelangt, so ist zunächst zu sehen, dass sie im Alter von zwei Jahren ins Bundesgebiet eingereist ist und sich hier seitdem ohne jegliche Unterbrechung über 18 Jahre lang aufgehalten hat. Ihr Aufenthalt hier war – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte zudem überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Die Klägerin zu 3. hat hier nahezu ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht und hier nahezu ihre gesamte Sozialisierung erfahren. Nach den Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung spricht sie, soweit sie dies aufgrund ihrer geistigen Behinderung überhaupt tut (vgl. dazu etwa ihr Abschlusszeugnis vom 25. Juni 2010 – S. 95 der Gerichtsakte [im Folgenden: GA]), ganz überwiegend Deutsch. Sie hat mit Erfolg 12 Jahre lang eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt "ganzheitliche Entwicklung" besucht und den entsprechenden Schulabschluss erreicht (vgl. S. 95 GA). Zu einer Berufsausbildung oder zur Ausübung einer echten Erwerbstätigkeit ist sie behinderungsbedingt nicht in der Lage. Während ihrer Schulzeit hatte sie, wie ihren Zeugnissen entnommen werden kann, zunehmend guten Kontakt zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern (vgl. S. 58, 91, 93, 94 und 95 GA). Vergleichbare soziale Kontakte würde sie bei der geplanten Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen erneut haben, die – soweit ersichtlich – bislang nur daran gescheitert ist, dass sie nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit im Bundesgebiet keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 1 SGB I hat, weil der Beklagte ihre Abschiebung jeweils nur für meist drei, maximal für sechs Monate aussetzt, sie also nur jeweils kurzfristig duldet (vgl. S. 474 und 475 R der den Kläger zu 1. betreffenden Verwaltungsakte [im Folgenden: VA 1]). Die Klägerin zu 3. hat sich bislang stets an Recht und Gesetz gehalten. Zwar ist sie seit dem 14. September 2008 entgegen § 3 Abs. 1 AufenthG nicht mehr im Besitz eines Passes, doch war ihr die bislang zum Erwerb eines kosovarischen Passes erforderliche Reise in das Kosovo behinderungsbedingt allein nicht möglich. Auch hätte ihr deshalb der Beklagte einen Ausweisersatz im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG ausstellen können, sollte er dies nicht sogar gewollt haben (vgl. S. 229 und 293 VA 1). Unter Berücksichtigung ihrer behinderungsbedingten Beeinträchtigungen und gemessen an ihrer intellektuellen Befähigung hat die Klägerin den für sie höchstmöglichen Grad der Verwurzelung in den Verhältnissen in Deutschland erreicht; zu weitergehenden Integrationsleistungen ist sie behinderungsbedingt nicht in der Lage.

38

Demgegenüber wird der Klägerin zu 3. eine mit ihrer Integration in die hiesigen Verhältnisse vergleichbare Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo nicht möglich sein. Erinnerungen an das Leben in Kosovo hat sie nicht, mit den dortigen Lebensverhältnissen ist sie nicht vertraut. Zwar gebraucht sie, wie auch die Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, gegenüber ihren Eltern noch immer auch einige Worte Albanisch. Sie wird jedoch weitere Wörter oder gar kurze Sätze auf Albanisch angesichts des Einbruchs ihrer Entwicklung im siebten Schulbesuchsjahr (vgl. das Zeugnis vom 22. Juli 2005 [S. 58 GA] einerseits und die nachfolgenden Zeugnisse andererseits, in denen im Wesentlichen nur noch vom Erwerb lebenspraktischer Fähigkeiten die Rede ist) kaum hinzuerlernen können. Eine Berufsausbildung oder die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird ihr dort nicht möglich sein. Auch Maßnahmen der Eingliederungshilfe, die ihr eine sinnvolle und sie mit Stolz erfüllende (vgl. das Zeugnis vom 10. Juli 2009 – S. 93 GA) Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ermöglichen würde, gibt es dort – soweit ersichtlich – nicht. Sie wird dort deshalb auch keine über die zu den Mitgliedern ihrer Kernfamilie hinausgehenden soziale Kontakte zu Bekannten oder gar Freunden haben können. Abgesehen von alledem wird ihre Reintegration in die dortigen Verhältnisse durch ihre geistige Behinderung auch sonst deutlich erschwert sein.

39

Des Weiteren wird sich ihre finanzielle Absicherung in Kosovo entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht nur "voraussichtlich weniger günstig gestalten (…) als in der Bundesrepublik Deutschland", sondern aller Voraussicht nach völlig unzulänglich sein. Zwar trifft es zu, dass das Bundesamt mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 das Bestehen von Abschiebungshindernissen – auch – bezüglich der Klägerin zu 3. verneint hat und dass dieser Entscheidung gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG noch immer Bindungswirkung zukommt. Deshalb kann jedoch lediglich ausgeschlossen werden, dass – auch – die Klägerin zu 3. bei einer Rückkehr in das Kosovo alsbald mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, in der sie "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen", etwa mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 8. Dezember 1998 – 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77 [80] und vom 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 [232 f. Rn. 14 f.], beide m.w.N.). Weitergehende Rückschlüsse auf die Situation, in die – auch – die Klägerin zu 3. zurückkehren müsste und die der Beklagte und das Verwaltungsgericht nicht näher untersucht haben, lässt die Entscheidung des Bundesamtes aber nicht zu. Diese Situation ist gekennzeichnet durch eine Arbeitslosenquote in Höhe von rund 45 %. Auch wenn letztere in der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen bei über 70 % liegt und angesichts des hohen Anteils der Beschäftigten im informellen Sektor etwas zu revidieren ist, haben damit nicht nur ihre 19-jährige Schwester, die Klägerin zu 4., sondern auch der bereits über 62-jährige Kläger zu 1. und die fast 48-jährige Klägerin zu 2. als Frau kaum Aussichten auf mehr als eine allenfalls geringfügige Beschäftigung. Zwar werden in Kosovo Sozialleistungen gewährt, doch betragen diese – bei einem durchschnittlichen monatlichen Brutto-Arbeitseinkommen von 300,00 € – für Einzelpersonen monatlich 40,00 € und für Familien monatlich bis zu 80,00 €. Bei einer 5-köpfigen Familie erhält mithin jeder nicht einmal 0,55 € pro Tag; die Armutsgrenze liegt in Kosovo bei 1,37 € pro Tag und Erwachsenem, die Grenze zur erheblichen Armut bei 0,97 € pro Tag und Erwachsenem. Die Sozialleistungen reichen mithin zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Meist wird das wirtschaftliche Überleben durch den Zusammenhalt der Familien sowie durch die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft gesichert (vgl. insgesamt S. 26 – 28 des Berichts des Auswärtigen Amtes vom 6. Januar 2011 über die asyl- und abschieberechtliche Lage in der Republik Kosovo, dessen Hinweise auf www.auswaertiges-amt.de → Reise und Sicherheit → Länder A – Z → Kosovo → Wirtschaftspolitik [Stand Februar 2012] sowie wikipedia.de → Kosovo → Gliederungsnummern 8.4.3 und 8.4.4). Dies wird im Fall der Kläger allenfalls eingeschränkt der Fall sein: Selbst wenn sie in Kosovo entgegen ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung noch über Familienangehörige verfügen sollten, so ist doch der Kontakt zu jenen nach über 18 Jahren offenbar abgerissen, und nach über 18 Jahren Abwesenheit würden die Kläger wohl auch nur zögerlich wieder in die zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft aufgenommen werden. Zwar macht der Beklagte zu Recht geltend, dass einem Ausländer die Ausreise in einen anderen Staat mit wesentlich ungünstigeren (wirtschaftlichen) Verhältnissen als in der Bundesrepublik Deutschland nicht bereits deshalb stets unzumutbar ist. Gleichwohl sind die Verhältnisse in dem Staat, in den ein Ausländer ausreisen soll, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK angemessen zu berücksichtigen.

40

Das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. besteht angesichts des Umstandes, dass sie ihren Lebensunterhalt wohl nie im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG wird sichern können, im Wesentlichen darin, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durch sie zu verhindern. Diesem öffentlichen Interesse kommt zwar in aller Regel erhebliche Bedeutung zu, wie auch aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG folgt. Dies gilt im Fall der Klägerin zu 3. jedoch nicht. Wären nämlich den Klägern aufgrund der insoweit bis zum 13. Mai 2005 fortgeltenden Gründe durchgängig Aufenthaltsbefugnisse, die gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG ab dem 1. Januar 2005 als Aufenthaltserlaubnisse weitergegolten hätten, und gegebenenfalls im Anschluss daran nach dem 1. Januar 2005 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 Satz 1 bzw. nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt worden, so hätte die Klägerin zu 3. ab dem 1. Januar 2005 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 Abs. 1 AufenthG, ggf. in Verbindung mit § 26 Abs. 4 Sätze 1 und 2, erfüllt. Zwar setzt dies gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 AufenthG grundsätzlich voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist und dass 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurden oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachgewiesen werden. Im Fall der Klägerin gelten diese Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 und 6 AufenthG jedoch nicht, da sie diese Voraussetzungen infolge ihrer geistigen Behinderung nicht erfüllen kann. Wäre – auch – der Klägerin zu 3. alsbald nach Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamtes vom 13. Dezember 1996 am 4. März 1997 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden, so hätte sie bei obiger Prämisse vor dem 13. Mai 2005 sogar nach § 10 Abs. 1 StAG eingebürgert werden können. Denn gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 muss der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten haben. Letzteres ist bei der Klägerin zu 3. infolge ihrer geistigen Behinderung der Fall. Da mithin § 9 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 sowie Satz 3 und 6 Aufenth G und sogar § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG im Fall der Klägerin zu 3. hätten Anwendung finden können, so kommt angesichts der gesetzlichen Wertungen in diesen Bestimmungen, die der Klägerin zu 3. einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht hätten, obwohl sie ihren Lebensunterhalt nur durch die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, in ihrem Falle dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.

41

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände und bei deren angemessener Würdigung kommt, auch wenn die Beendigung des Aufenthaltes eines Ausländers nicht "nur deshalb" als mit Art. 8 EMRK unvereinbar angesehen werden kann, "weil dieser sich über einen bestimmten Zeitraum in dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaats aufhält" (vgl. EGMR, Entscheidung vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – a.a.O.), allein schon der Dauer des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet von über 18 Jahren ein ganz erhebliches Gewicht zu, zumal sie im Alter von nur 2 Jahren ins Bundesgebiet einreiste und deshalb nahezu ausschließlich hier ihre Sozialisierung erfuhr. Überdies war ihr Aufenthalt – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Deswegen und mit Blick auf die besonderen Schwierigkeiten, die mit ihrer – behinderungsbedingt ohnehin nur eingeschränkt möglichen – Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo verbunden sein würden, sowie auf die dortige wirtschaftliche Situation und deren konkrete Auswirkungen auf sie, und zwar selbst im Falle einer gemeinsamen Rückkehr mit ihrer Familie dorthin, erweist sich die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 3. im Bundesgebiet angesichts der allenfalls untergeordneten Bedeutung des daran bestehenden öffentlichen Interesses als im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht "in einer demokratischen Gesellschaft (…) notwendig" und damit als unverhältnismäßig.

42

Ist aber der Klägerin zu 3. die Ausreise unmöglich, weil eine Beendigung ihres Aufenthaltes einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens darstellen würde, so ist mit dem Wegfall dieses Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen ist die Klägerin zu 3. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert. Schließlich erfüllt die Klägerin zu 3. auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

43

Zwar setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Vorliegend besteht jedoch im Fall der Klägerin zu 3. insoweit ein Ausnahmefall. Zunächst ist in diesem Zusammenhang die durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Klägerin zu 3. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen. Ferner geht es im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit einer Ausreise nicht um eine Entscheidung für oder gegen den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet, sodass sich durch eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis an der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nichts ändern würde. Vor allem aber kommt – wie oben aufgezeigt – im Falle der Klägerin zu 3. dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Lebensunterhalts zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.

44

Ferner setzt zwar § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist. Auch insoweit ist jedoch vom Bestehen eines Ausnahmefalles auszugehen, weil wiederum die durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Klägerin zu 3. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen ist und weil die Erfüllung der Passpflicht unmittelbar bevorsteht, nachdem – wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat – nunmehr auch von den kosovarischen Auslandsvertretungen im Bundesgebiet kosovarische Reisepässe ausgestellt werden und – auch – die Klägerin zu 3. einen solchen beantragt und einen für dessen Abholung erforderlichen kosovarischen Personalausweis bereits erhalten hat. Angesichts dessen wäre zumindest das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert: Zur Begründung des Entwurfs des § 5 Abs. 3 AufenthG wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen typischerweise nicht von der Erfüllung aller allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abhängig gemacht werden kann (vgl. BT-Drucks. 15/420 S. 70).

45

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall der Klägerin zu 3. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist ihr nach alledem eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

46

2) Was die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. anbelangt, so ist ihnen eine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ihre Abschiebung in das Kosovo nicht mit Art. 6 GG zu vereinbaren wäre und ihnen deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

47

Insoweit ist nämlich zu sehen, dass der Klägerin zu 3. – wie eben aufgezeigt – das Recht zusteht, sich in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten, weil ihr eine Rückkehr in das Kosovo rechtlich unmöglich ist, dass sie dabei aber trotz ihrer Volljährigkeit wegen ihrer geistigen Behinderung wie bisher in erheblichem Umfang auf die Unterstützung ihrer allerdings kaum Deutsch sprechenden Eltern sowie wegen deren sehr guter deutscher Sprachkenntnisse auch auf die Unterstützung ihrer Schwester angewiesen ist. Aufgrund der insoweit unwidersprochenen klägerseitigen Darstellung, den in den Verwaltungs- und Gerichtsakten befindlichen Unterlagen und dem Eindruck des Senats, den er in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin zu 3. gewonnen hat, bedarf diese selbst im normalen Alltagsleben wesentlich der Hilfestellung der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. und benötigt auch künftig in vergleichbarer Weise der Betreuung durch die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. Da diese bislang der Klägerin zu 3. die nötige Hilfestellung gewährt haben und da ferner kein Anzeichen dafür ersichtlich ist, dass sie die Klägerin zu 3. künftig nicht mehr im erforderlichen Umfang unterstützen oder auch nur die häusliche Gemeinschaft aufheben werden, genießt diese familiäre Beziehung, die nur im Bundesgebiet gelebt werden kann, weil der Klägerin zu 3. eine Rückkehr in das Kosovo rechtlich unmöglich ist, trotz der Volljährigkeit der Klägerinnen zu 3. und zu 4. als tatsächliche Beistandsgemeinschaft den besonderen Schutz des Art. 6 GG, der deshalb der Trennung der Familienmitglieder durch Abschiebung der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. entgegensteht. Dann aber ist den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. auch die freiwillige Ausreise in das Kosovo aus rechtlichen Gründen unmöglich.

48

Im Fall der Klägerin zu 4. kommt hinzu, dass eine Aufenthaltsbeendigung auch einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den in ihrem Fall ebenso eröffneten Schutzbereich des Rechts auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten würde.

49

Was ihre Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse anbelangt, so ist zunächst zu sehen, dass sie im Alter von einem Jahr ins Bundesgebiet eingereist ist und sich hier seitdem ohne jegliche Unterbrechung aufgehalten hat. Ihr Aufenthalt hier war ebenso wie der der Klägerin zu 3. über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Die Klägerin zu 4. hat hier nahezu ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht und nahezu ihre gesamte Sozialisierung hier erfahren. Nach den Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung spricht sie sehr gut Deutsch. Auch sozial ist sie, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, voll in die hiesigen Verhältnisse integriert. Die Klägerin zu 4. hat sich bislang stets an Recht und Gesetz gehalten. Zwar ist auch sie seit dem 14. September 2008 entgegen § 3 Abs. 1 AufenthG nicht mehr im Besitz eines Passes, doch war ihr die bislang zum Erwerb eines kosovarischen Passes erforderliche Reise in das Kosovo zunächst wegen ihrer Minderjährigkeit und zudem wegen ihrer schlechten Kenntnisse des Albanischen, das sie, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, zwar etwas spricht, aber nicht schreiben und lesen kann, allein nicht möglich. Auch hätte ihr deshalb der Beklagte einen Ausweisersatz im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG ausstellen können, sollte er dies nicht sogar gewollt haben (vgl. S. 229 und 293 VA 1). Ferner hat sie hier mit Erfolg die Schule besucht und, wenn auch mit immer schlechter werdenden Noten, so aber doch noch den Hauptschulabschluss erreicht (vgl. S. 70 – 74 sowie S. 104 – 107 R GA). Den Besuch der Berufsfachschule I hat sie zwar nach langem unentschuldigten Fehlen und mit sehr schlechten Noten vorzeitig abgebrochen, eine Berufsausbildung bislang nicht begonnen und auch erst im Anschluss an die Ladung des Verwaltungsgerichts zur mündlichen Verhandlung nach einer Arbeitsstelle gesucht. Aufgrund des von ihr in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks und ihrer diesbezüglichen Angaben ist der Senat aber davon überzeugt, dass es ihr inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle und dass ihr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich möglich sein würden und dass es dann endlich auch zu einer beginnenden wirtschaftlichen Integration der Klägerin zu 4. käme, die jeden-falls zur Sicherung ihres eigenen Lebensunterhalts führen würde.

50

Demgegenüber wird der Klägerin zu 4. eine Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo nur schwer möglich sein. Erinnerungen an das Leben in Kosovo hat sie nicht, mit den dortigen Lebensverhältnissen ist sie nicht vertraut. Zwar spricht sie, wie auch die Feststellungen des Senats in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, noch immer auch etwas Albanisch, das sie aber nicht schreiben und lesen kann. Auf Hilfestellung ihrer Eltern beim Einfinden in die Verhältnisse in Kosovo kann sie nicht rechnen, da diese im Bundesgebiet bei der geistig behinderten Klägerin zu 3. bleiben würden. Sollte sie in Kosovo entgegen den Angaben in der mündlichen Verhandlung noch über Familienangehörige verfügen, so ist doch der Kontakt zu jenen nach über 18 Jahren offenbar abgerissen. Bekannte und Freunde hat sie dort nicht. Ihre finanzielle Situation in Kosovo wird sich entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht nur "voraussichtlich weniger günstig gestalten (…) als in der Bundesrepublik Deutschland", sondern – wie im Zusammenhang mit der Klägerin zu 3. bereits ausgeführt – aller Voraussicht nach völlig unzulänglich sein.

51

Das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. besteht im Wesentlichen darin, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durch sie zu verhindern. Diesem öffentlichen Interesse kommt zwar in aller Regel erhebliche Bedeutung zu, wie auch aus der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG folgt. Im Fall der Klägerin zu 4., der es inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle, besteht jedoch zur Überzeugung des Senats die große Wahrscheinlichkeit, dass sie zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich ausüben und so zumindest ihren eigenen Lebensunterhalt sichern würde, falls ihr der Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Angesichts dessen kommt jedenfalls derzeit in ihrem Fall dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes zur Verhinderung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ausnahmsweise nur untergeordnete Bedeutung zu.

52

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände und bei deren angemessener Würdigung kommt, auch wenn die Beendigung des Aufenthaltes eines Ausländers nicht "nur deshalb" als mit Art. 8 EMRK unvereinbar angesehen werden kann, "weil dieser sich über einen bestimmten Zeitraum in dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaats aufhält" (vgl. EGMR, Entscheidung vom 16. Juni 2004 – 11103/03 – a.a.O.), allein schon der Dauer des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. im Bundesgebiet von über 18 Jahren ein ganz erhebliches Gewicht zu, zumal sie im Alter von nur einem Jahr ins Bundesgebiet einreiste und deshalb nahezu ausschließlich hier ihre Sozialisierung erfuhr. Überdies war ihr Aufenthalt – wie oben bereits aufgezeigt – über zehn Jahre lang rechtmäßig und beruhte ansonsten überwiegend auf "Handreichungen des Staates". Deswegen und mit Blick auf die besonderen Schwierigkeiten, die mit ihrer Reintegration in die Verhältnisse in Kosovo ohne Hilfestellung durch ihre Eltern verbunden sein würden, sowie auf die dortige wirtschaftliche Situation und deren konkrete Auswirkungen auf sie erweist sich die Beendigung des Aufenthaltes der Klägerin zu 4. im Bundesgebiet angesichts der derzeit nur untergeordneten Bedeutung des daran bestehenden öffentlichen Interesses als unverhältnismäßig. Sollte die Klägerin zu 4. in angemessener Zeit nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keiner zumindest geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgehen, würde sich dies anders darstellen und wäre bei einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen, sofern ihre Ausreise nicht mehr mit Blick auf Art. 6 GG rechtlich unmöglich sein sollte.

53

Ist nach alledem den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. die Ausreise unmöglich, weil einer Beendigung ihres Aufenthaltes wegen der notwendigen Betreuung der geistig behinderten Klägerin zu 3. im Bundesgebiet Art. 6 GG entgegenstehen würde und weil im Falle der Klägerin zu 4. eine Aufenthaltsbeendigung zudem einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung ihres Privatlebens bedeuten würde, so ist mit dem Wegfall dieser Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen sind die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert. Schließlich erfüllen sie auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

54

Zwar setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Vorliegend besteht jedoch insoweit ein Ausnahmefall. In diesem Zusammenhang ist nämlich die durch Art. 6 GG und zum Teil zusätzlich durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. und die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen. Ferner geht es im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit einer Ausreise nicht um eine Entscheidung für oder gegen den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet, sodass sich insbesondere durch eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis an der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nichts ändern würde. Zudem besteht – wie oben bereits aufgezeigt – zur Überzeugung des Senats im Fall der Klägerin zu 4., der es inzwischen ernst ist mit dem Bemühen um eine Arbeitsstelle, die große Wahrscheinlichkeit, dass sie zumindest jeweils befristete Tätigkeiten im – mangels Berufsausbildung – Niedriglohnbereich ausüben und so zumindest ihren eigenen Lebensunterhalt sichern würde, falls ihr der Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im Ansatz vergleichbar stellt sich die Situation der Kläger zu 1. und 2. dar, die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erklärten, arbeitsunfähig krank, sondern an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit interessiert zu sein. Der Kläger zu 1. hatte auch bereits im Mai 2011 eine Beschäftigungserlaubnis für eine – allerdings wohl auf drei Monate befristete – Vollerwerbstätigkeit als Trockenbauhelfer beantragt (vgl. S. 437 VA 1), die indes deshalb nicht erteilt wurde, weil der Beklagte, obwohl dem Kläger zu 1. offenbar am 17. Juni 1997 eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis erteilt worden war (vgl. S. 75 VA 1), die dann ab dem 1. Januar 1998 gemäß § 432 SGB III als Arbeitsberechtigung und ab dem 1. Januar 2005 gemäß § 105 Abs. 2 AufenthG als uneingeschränkte Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Aufnahme einer Beschäftigung weitergegolten hätte, umgehend eine – weitere – Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit erbeten hat, die indes aufgrund mehrerer Versehen erst am 30. August 2011 der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zustimmte (vgl. S. 495 f. VA 1). Auch die Klägerin zu 2. will sich ihren Angaben und den Angaben der Klägerin zu 4. in der mündlichen Verhandlung zufolge bereits mehrfach um Arbeit bemüht haben. Eine Arbeitsstelle lässt sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aber sehr viel eher finden als im Besitz einer lediglich kurzfristigen Duldung (vgl. nur den Gesetzeszweck von § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kläger zu 1. und 2. keinen Arbeitsplatz gefunden haben, als sie noch im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen gewesen sind. Denn damals haben sie sich nicht oder doch nicht ernsthaft um Arbeit bemüht. Zumindest wäre mit Blick auf dies alles das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert.

55

Ferner setzt zwar § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist. Auch insoweit ist jedoch vom Bestehen eines Ausnahmefalles auszugehen, weil wiederum die durch Art. 6 GG und zum Teil zusätzlich durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. sowie die hinter § 25 Abs. 5 AufenthG stehende gesetzgeberische Absicht zu berücksichtigen sind und weil die Erfüllung der Passpflicht unmittelbar bevorsteht, nachdem nunmehr auch von den kosovarischen Auslandsvertretungen im Bundesgebiet kosovarische Reisepässe ausgestellt werden und – auch – die Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. einen solchen beantragt und einen für dessen Abholung erforderlichen kosovarischen Personalausweis bereits erhalten haben. Angesichts dessen wäre zumindest das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abzusehen, auf null reduziert (vgl. oben).

56

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall der Kläger zu 1., zu 2. und zu 4. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist nach alledem auch ihnen eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

57

3) Was den Kläger zu 5. anbelangt, so ist ihm eine Ausreise aus rechtlichen Gründen deshalb unmöglich, weil seine Abschiebung in das Kosovo nicht mit Art. 6 GG zu vereinbaren wäre und ihm deswegen auch eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden kann.

58

Insoweit ist zu sehen, dass der Kläger zu 5. erst 14 Jahre alt und deshalb zumindest auf die Unterstützung seiner Eltern, der Kläger zu 1. und zu 2., angewiesen ist, denen aber das Verlassen des Bundesgebietes aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, weil sie hier weiterhin die geistig behinderte Klägerin zu 3. betreuen müssen. Angesichts dessen genießt diese familiäre Beziehung, die nur im Bundesgebiet gelebt werden kann, mit Blick auf die Minderjährigkeit des Klägers zu 5. als tatsächliche Erziehungsgemeinschaft den besonderen Schutz des Art. 6 GG, der deshalb der Trennung der Familienmitglieder durch Abschiebung des Klägers zu 5. entgegensteht. Dann aber ist dem Kläger zu 5. auch die freiwillige Ausreise in das Kosovo aus rechtlichen Gründen unmöglich.

59

Ist aber dem Kläger zu 5. die Ausreise unmöglich, weil einer Beendigung seines Aufenthaltes Art. 6 GG entgegenstehen würde, so ist mit dem Wegfall dieser Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Angesichts dessen ist der Kläger zu 5. ferner im Sinne von § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert.

60

Schließlich erfüllt er auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auch in seinem Fall liegt bezüglich des Erfordernisses des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wie bei den Klägern zu 1., zu 2. und zu 4. ein Ausnahmefall vor, obwohl bei ihm eine Erwerbstätigkeit altersbedingt noch nicht in Betracht kommt. Gleiches gilt aus den bezüglich der Kläger zu 1. bis 4. dargelegten Gründen hinsichtlich des Erfordernisses des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, auch wenn dem Kläger zu 5. wegen seines Alters noch kein kosovarischer Personalausweis ausgestellt worden ist. Zumindest wäre jedoch das dem Beklagten durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen, in seinem Fall von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG abzusehen, auf Null reduziert.

61

Da gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung des betreffenden Ausländers seit 18 Monaten ausgesetzt ist, da dies im Fall des Klägers zu 5. zutrifft und da insoweit auch kein Ausnahmefall vorliegt, ist nach alledem auch ihm eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

62

Haben nach alledem sämtliche Kläger Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, so stellen sich die übrigen von den Beteiligten angesprochenen und im Urteil des Verwaltungsgerichts erörterten Fragen nicht mehr, so ist aber auch die im Bescheid des Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 26. Mai 2010 enthaltene Abschiebungsandrohung aufzuheben.

63

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

64

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und mit § 711 ZPO.

65

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

66

Beschluss

67

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG für das zweitinstanzliche Verfahren auf 25.000,00 € festgesetzt.

68

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Kläger wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt.

69

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.