Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 16. März 2004 - 8 W 155/03

published on 16.03.2004 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 16. März 2004 - 8 W 155/03
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Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerinnen gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 11.3.2003 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die Kostenschuldnerinnen erstreben im Verfahren nach § 14 KostO die Herabsetzung der vom Nachlassgericht für die Erteilung eines Erbscheins in Ansatz gebrachten Gebühr von 1452 EUR auf (ca.) 60 EUR.
1. Die Kostenschuldnerinnen haben als Erben eines Nachlasses mit einem Wert von ca. 1,8 Mio. DM (= ca. 920.000,-- EUR) mit notarieller Urkunde des jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 15.3.2002 beim Nachlassgericht, dem Notariat Ludwigsburg 5, die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt mit der Versicherung, der beantragte Erbschein werde ausschließlich zum Nachweis der Rechtsnachfolge hinsichtlich der Kommanditanteile des zum Nachlass gehörenden Handelsgeschäfts P... GmbH & Co für die Umschreibung im Handelsregister benötigt.
Zugleich hat der den Erbscheinsantrag beurkundende Notar unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG beantragt, die Gerichtsgebühren für den Erbschein in entsprechender Anwendung des § 107 Abs. 3, 4 KostO nur nach dem Geschäftswert des Kommanditanteils in Höhe von 25 000 DM (= 12 782,30 EUR) in Ansatz zu bringen; in seiner Kostenrechnung für den Erbscheinsantrag hat er ebenfalls nur eine 10/10 Gebühr aus dem Nennwert des Gesellschaftsanteils in Höhe von 60.- EUR angesetzt, mit Nebenkosten insgesamt 74,82 EUR. Dem Antrag war beigefügt eine Kopie des Beschlusses des Landgerichts Stuttgart (4 KfH T 19/99) vom 11.4.2000, in dem das Verlangen eines Erbscheins seitens des Registergerichts (gem. § 12 Abs. 2 HGB) für rechtmäßig beurteilt worden war; darin hatte das Gericht auf eine entsprechende Anwendung des § 107 Abs. 3, 4 KostO hingewiesen. Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde der Kostenschuldnerinnen hatte der Senat (8 W 298/2000) durch Beschluss vom 19.3.2002 als unbegründet zurückgewiesen und dabei die Frage einer Gebührenermäßigung ausdrücklich offengelassen.
Nach Zwischenverfügung des Bezirksnotars vom 25.3.2002 unter Hinweis auf seine Rechtsansicht - auch hinsichtlich der Kosten - hat der Urkundsnotar eine entsprechende Nachtragsurkunde vom 28.3.2002 eingereicht. Daraufhin hat das Notariat als Nachlassgericht mit Beschluss vom 3.4.2002 den beantragten Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk erteilt und für den gleichzeitigen Kostenansatz den gesamten Nachlasswert zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich eine Gebühr gemäß § 107 Abs. 1 KostO in Höhe von 1.452,00 EUR.
2. Gegen diesen Kostenansatz haben die Kostenschuldnerinnen beim Nachlassgericht unter dem 10.4.2002 Erinnerung eingelegt und ihren Antrag auf Ansatz eines Geschäftswerts in Höhe des Nennwerts des Kommanditanteils weiterverfolgt.
Das Notariat hat der Erinnerung der Kostenschuldnerinnen nicht abgeholfen und die Sache unter dem 11.4.2002 gem. § 142 KostO dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat durch Beschluss vom 23.5.2002 die Erinnerung zurückgewiesen; eine analoge Anwendung des § 107 Abs. 3 , 4 KostO komme auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gesellschaftssteuer-Richtlinie nicht in Betracht.
Dagegen haben sich die Kostenschuldnerinnen, vertreten durch den Urkundsnotar, mit der Beschwerde vom 28.6./2.7.2002 gewandt und erneut auf die Rechtsprechung des EuGH verwiesen. Das Landgericht Stuttgart (19 T 248/02) hat nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors die Beschwerde durch Beschluss vom 11.3.2003 zurückgewiesen und zugleich die weitere Beschwerde zugelassen.
3. Mit der weiteren Beschwerde vom 4.4.2003 verfolgen die Kostenschuldnerinnen ihr Anliegen auf Herabsetzung des Kostenansatzes weiter und rügen, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Analogiefähigkeit der Ausnahmebestimmungen des § 107 Abs. 3, 4 KostO verneint; außerdem habe es rechtsfehlerhaft die Tragweite der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verkannt.
Der Bezirksrevisor ist dem Rechtsmittel unter Hinweis auf die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte entgegengetreten.
II.
10 
Die vom Landgericht nach § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO zugelassene weitere Beschwerde ist auch im übrigen zulässig.
11 
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Überprüfung standhält.
12 
1. Ein unmittelbarer Verstoß gegen europäisches Recht in Gestalt der Richtlinie 69/335/EWG (sog. Gesellschaftssteuer-Richtlinie) und deren Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof liegt nicht vor, weil der strittige Kostenansatz nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.
13 
a) Die Richtlinie des Rates 69/335/EWG vom 17.7.1969 (ABl. Nr. L 249 S. 25) in der Fassung der Richtlinie des Rates 85/303/EWG vom 10.6.1985 (ABl. Nr. L 156 S. 23) betrifft die Regelung von einzelstaatlichen Steuern auf die Ansammlung von Kapital und zielt auf die Förderung des freien Kapitalverkehrs in Europa und primär auf die Begrenzung der sog. Gesellschaftssteuer, wie sie in mehreren Mitgliedstaaten bekannt war. Der deutsche Gesetzgeber hatte weder innerhalb der Umsetzungsfrist bis zum 31.12.1971 noch in den folgenden Jahren hinreichenden Anlass für eine Umsetzung dieser Richtlinie gesehen. Erst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 2.12.1997 („Fantask“, ZIP 1998, 206 = EuZW 1998,172) hat der Richtlinie eine unerwartete Reichweite verliehen, indem die in Art. 12 Abs. 1 lit. e) der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme für „Abgaben mit Gebührencharakter“ auf aufwandsbezogene Gebühren beschränkt und die als Wertgebühren berechneten Gebühren für die Eintragung in das Handelsregistergebühren einer Steuer im Sinne der Richtlinie gleichgestellt wurden. In weiteren Entscheidungen hat der EuGH diese Auslegung der Richtlinie weiterentwickelt und präzisiert (Urteil vom 26.9.2000 - „IGI“ - ZIP 2000,1891 = RIW 2000,960 und vom 21.6.2001 - „Sonae“ - ZIP 2001,1145 = EuZW 2001,500 = RIW 2001,796 bezüglich portugiesischer Handelsregistergebühren sowie EuGH vom 29.9.1999 - „Modelo“ - ZIP 1999,1681 = EuZW 1999,724 = NJW 2000,939 bzgl. portugiesischer Amtsnotare; vom 21.3.2002 - „Gründerzentrum“ - ZIP 2002,663 = EuZW 2002,368 = RIW 2002,482 bzgl. der Amtsnotare in Baden). Damit ist das herkömmliche Gebührensystem der deutschen Kostenordnung partiell als europarechtswidrig eingestuft worden.
14 
Diese Rechtsprechung des EuGH haben die deutschen Gerichte alsbald aufgegriffen und die Bestimmungen der Kostenordnung über die Handelsregistergebühren, insbesondere § 26, einhellig für nicht mehr anwendbar erklärt bzw. die Gebühren entsprechend den europarechtlichen Vorgaben herabgesetzt (zB BayObLGZ 1998,303 = NJW 1999,652; ZIP 1999,363; BayObLGZ 2000,256 = JurBüro 2001,104; OLG Hamm OLGRep 1999,294 = NJW-RR 1999,1229; OLG Zweibrücken OLGRep 1999,383 = NJW-RR 2000,1377; OLG Köln BB 2000,370 = NJW-RR 2000,1527; OLG Bremen OLGRep 2000,209 = NJW-RR 2000,1743; OLG Frankfurt NJW-RR 2001,1579; OLG Karlsruhe OLGRep 2001,121 = JurBüro 2001,261; KG JurBüro 2003,31 = KGRep 2003,28 = RPfl 2003,149 = FGPrax 2003,89).
15 
Dies hat den deutschen Bundesgesetzgeber veranlasst, ein „Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz“ (HRegGebNeuOG) mit der dazugehörigen „Handelsregistergebührenverordnung“ (HRegGebVO), durch das die Rechtslage in Deutschland den Anforderungen der europäischen Richtlinie in der Auslegung des EuGH angepasst werden soll, auf den Weg zubringen (BR-Drucks. 622/03; BT-Drucks. 15/2251 v. 17.12.2003). Entgegen mancher Erwartung (vgl. Hartmann, KostenG 33. Aufl., Einl. I Rn 2 sowie zu §§ 79, 79a KostO) ist dieses Gesetz noch nicht in Kraft getreten, sondern befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren.
16 
b) Die mangels fristgerechter Umsetzung unmittelbar geltende europäische Richtlinie erfasst indes keineswegs das gesamte an Wertgebühren ausgerichtete Normengefüge der Kostenordnung, das im wesentlichen auch die anderen deutschen Kostengesetze wie das Gerichtskostengesetz oder die BRAGO prägt. Der EuGH hat bislang keinen allgemeinen Grundsatz aufgestellt, dass die Mitgliedstaaten generell keine Gebühren für staatliche Leistungen erheben dürfen, die den Aufwand für die jeweilige Leistung übersteigen (so zutreffend BayObLGZ 2000,350 = MDR 2001,352 = NJW-RR 2001,880; OLG Hamm NJW-RR 2001, 379). Vielmehr beschränkt sich die Reichweite der EuGH-Rechtsprechung auf die Auslegung der Gesellschaftssteuer-Richtlinie und die von dieser erfassten Sachverhalte.
17 
Deshalb ist eine Erstreckung der EuGH-Rechtsprechung auf andere Bereiche des Kostenrechts bislang einhellig abgelehnt worden, etwa auf die Wertgebühren für eine Eintragung im Grundbuch (BayObLGZ 2000,350; unveröff. Senatsbeschluss 8 W 481/99 v. 7.5.2002) - auch wenn es sich um eine Einlage in eine Gesellschaft handelt (OLG Hamm NJW-RR 2001,379; BayObLGZ 2001,275 = ZIP 2002,302 = NJW-RR 2002,305; vgl. auch LG Freiburg BWNotZ 2003,91) - oder für eine Eintragung in das Schiffsregister (OLG Oldenburg OLGRep 2000,334 = RPfl 2000,568). Ebenso wenig erfasst die Gesellschaftssteuer-Richtlinie die Wertgebühr für ein Verfahren auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern (BayObLGZ 2000,87 = ZIP 2000,883) oder für eine Testamentseröffnung, selbst wenn der Nachlass überwiegend aus einer Beteiligung an einer KG besteht (BayObLG ZIP 2000,186 = NJW-RR 2000,736).
18 
c) Der vorliegende Sachverhalt - Erteilung eines Erbscheins - fällt nicht unter den Anwendungsbereich der Gesellschaftssteuer-Richtlinie, auch wenn der Erbschein primär zum Nachweis der Rechtsnachfolge in einer (Kommandit-)Gesellschaft benötigt wird. Auch dies ist inzwischen wiederholt entschieden worden (BayObLG, Beschl. v. 26.10.2001 - BayObLGZ 2001,315 = DB 2002,201 = FGPrax 2002,42 = RPfl 2002,173 = JurBüro 2002,205; OLG Köln, Beschl. v. 26.5.2003 - RPfl 2003,540 (LS); vgl. auch Rohs / Wedewer, KostO § 26 Rn 2c/e). Der Senat teilt diese Rechtsansicht in Übereinstimmung mit dem Landgericht und nimmt insbesondere auf die Ausführungen des BayObLG Bezug.
19 
Selbst wenn die Eintragung eines Gesellschafterwechsels an sich noch dem Anwendungsbereich der Richtlinie zugeordnet wird (BayObLG aaO), gilt dies nicht mehr für den Nachweis von dessen Voraussetzungen. Dies ist - auch hinsichtlich der Kosten - Sache des einzelnen Gesellschafters und nicht Sache der Gesellschaft. „Schutzobjekt“ der Gesellschaftssteuer-Richtlinie sind die näher bezeichneten (Erwerbs-) Gesellschaften, nicht aber deren Gesellschafter (oder auch Kapitalanleger). Da nicht die Gesellschaft verpflichtet ist, einen Erbschein vorzulegen, sondern der (oder die) einzelne(n) Rechtsnachfolger in den Kommanditanteil, und da auch die Gebühren für die Erbscheinserteilung nicht von der Gesellschaft, sondern von dem (oder den) betroffenen Gesellschafter(n) als Erben zu bezahlen sind, fällt der vorliegende Kostentatbestand zweifelsfrei aus dem Anwendungsbereich der Gesellschaftssteuer-Richtlinie heraus. Außerdem steht die von einer Ermessensentscheidung des Registergerichts abhängige Verpflichtung zur Erbscheinsvorlage in keinem Zusammenhang mit der Rechtsform des Unternehmens.
20 
Mit dieser Sicht steht im Einklang, dass das in Vorbereitung befindliche, der Umsetzung der Richtlinie dienende Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz eine Neuregelung für die Erbscheinsgebühren (bisher) nicht vorsieht, obwohl die Problematik den Gesetzgebungsorganen bekannt ist. Auch soweit das Beschwerdegericht (LG Stuttgart 19 T 288/02 - Beschl. v. 7.4.2003) dem EuGH zur Vorab- Entscheidung die Frage vorgelegt hat, ob die die badischen Amtsnotare betreffende EuGH-Entscheidung „Gründerzentrum“ (aaO) auch für die württembergischen Bezirksnotare gelte, ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Bedeutung, weil die Gebühren des Nachlassgerichts außerhalb des Anwendungsbereichs der Gesellschaftssteuerrichtlinie liegen.
21 
Deshalb sieht der Senat - in Übereinstimmung mit BayObLG und OLG Köln - auch keinen Anlass, das vorliegende Verfahren dem EuGH gem. Art. 234 (früher: Art. 177) EWGV vorzulegen, obwohl der Weg zum BGH gesetzlich verschlossen ist (vgl. § 14 Abs. 3 S. 4, Abs. 5 S. 5 KostO).
22 
2. Auch die entsprechende Anwendung von Absatz 3 und 4 des § 107 KostO hat das Landgericht im angegriffenen Beschluss rechtsfehlerfrei verneint. Insoweit kann in erster Linie ebenfalls auf die zuvor genannten Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des OLG Köln verwiesen werden.
23 
a) Die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins, der nur die Rechtsnachfolge in den Kommanditanteil ausweist, ist rechtlich nicht möglich (vgl. als Ausnahme § 2369 BGB und § 181 BEG); auch eine Beschränkung des Verwendungszwecks des Erbscheins ist - entgegen dem zunächst gestellten Antrag der Kostenschuldnerinnen - nicht vorgesehen, so dass auch in den Fällen des § 107 Abs. 3, 4 KostO ein „Voll-Erbschein“ zu erteilen ist (Korintenberg / Lappe, KostO 15. Aufl., § 107 Rn 55; Rohs / Wedewer / Waldner, KostO (LoseblSlg) § 107 Rn 40).
24 
Vielmehr hat sich der Gesetzgeber für bestimmte Fälle auf die Einräumung einer Kostenprivilegierung beschränkt. So wie etwa im Grundbuchverfahren § 60 Abs. 2 - 5 KostO konkrete Ermäßigungstatbestände aufführt, enthalten auch die Abs. 3 und 4 des § 107 KostO genau bezeichnete Voraussetzungen, unter denen an Stelle der nach Abs. 2 berechneten, regelmäßig anfallenden vollen Gebühr (Abs. 1) aus dem Nachlass eine Gebühr aus einem weit geringeren Teilwert zu erheben ist. § 107a KostO enthält die ergänzende Regelung für den Fall, dass der erteilte Erbschein über den angegebenen Zweck hinaus verwendet wird.
25 
Diese Kostenprivilegierungen sind - wie einige weitere Spezialregelungen in anderen Gesetzen (z.B. §§ 317 LAG, 64 SGB X) - auf ganz konkret benannte Sachverhalte beschränkt, so dass eine Erstreckung auf andere Sachverhalte sowohl gegen den Wortlaut als auch gegen den erkennbaren Sinn der Ausnahmeregelungen verstoßen würde. Dies ist bereits seit längerem die eindeutige Position der Rechtsprechung und gerade auch für die hier vorliegende Fallkonstellation entschieden worden (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1988,892; MDR 1991,165 = RPfl 1991,60 = JurBüro 1991,252 (m. zust. Anm. Mümmler); Rohs / Wedewer / Waldner, aaO § 107 Rn 41; Hartmann, KostenG 33. Aufl., Rn 16 zu § 107 KostO; Göttlich / Mümmler / Assenmacher / Mathias, KostO 15. Aufl., S. 320f). Nur vereinzelt wird im Schrifttum die gesetzliche Regelung als „partiell willkürlich“ kritisiert und die von den Kostenschuldnerinnen verfochtene analoge Anwendung befürwortet (so Lappe in Korintenberg aaO § 107 Rn 59). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an.
26 
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts im eingangs erwähnten registerrechtlichen Beschwerdeverfahren „im übrigen darauf hingewiesen“ hat, dass aus Kostengründen ein Erbschein „lediglich für Handelsregisterzwecke zu erteilen“ sei. Dabei handelt es sich um eine für die dortige Entscheidung nicht tragende Erwägung. Der Senat hat in seiner diesbezüglichen Rechtsbeschwerdeentscheidung vom 19.3.2002 ausgeführt, dass diese Gebührenfrage für die Entscheidung des registerrechtlichen Verfahrens nicht relevant ist, sondern dem - hier vorliegenden - Gebührenstreit vorbehalten ist.
27 
Zwar ist den Rechtsbeschwerdeführerinnen (und der Ansicht von Lappe) zuzugeben, dass ihre Interessenlage mit derjenigen, der in § 107 Abs. 3 und 4 KostO Rechnung getragen wird, starke Ähnlichkeiten aufweist und dass an der Richtigkeit des Handelsregisters ebenso ein öffentliches Interesse besteht wie beim Grundbuch oder Schiffsregister. Gleichwohl rechtfertigt dies nach Ansicht des Senats nicht, eine weitere Kostenprivilegierung im Wege der Analogie einzuführen. Auch wenn bei der Interpretation von Gebührentatbeständen Analogien nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein mögen, ist es jedoch aus Gründen der Rechtsklarheit geboten, diesen Weg nur unter größter Zurückhaltung zu beschreiten. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der Erhebung von Gebühren und deren Höhe für die staatlichen Leistungen zu bestimmen; ein Fall eines unerträglichen - und deshalb von der Rechtsprechung behebbaren - Wertungswiderspruchs ist hier nicht anzunehmen.
28 
bb) Auch die eingangs genannte Rechtsprechung des EuGH gibt keine ausreichende Rechtfertigung dafür ab, die in Abs. 3 und 4 des § 107 KostO geregelten Ausnahmen auf den vorliegenden Fall auszudehnen.
29 
Zwar hat die europäische Rechtsprechung schwerwiegende Brüche im Gebührensystem der Kostenordnung hervorgerufen; jedoch kann es nicht Aufgabe der Gerichte sein, über den unmittelbaren Wirkungskreis des europäischen Rechts hinaus punktuell eine Anpassung der Gebührenregelungen zu versuchen. Ob und inwieweit die Veränderung der Gebühren im Bereich des Handelsregisters durch die Gesellschaftssteuer-Richtlinie und deren Auslegung durch den EuGH über das in Vorbereitung befindliche Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz hinaus unter dem Gesichtspunkt einer widerspruchsfreien Gesamtregelung eine Reform der Kostenordnung gebietet, hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Regelungsermessens zu entscheiden.
30 
Aus den gleichen Gründen verneint der Senat - ebenfalls in Übereinstimmung mit dem BayObLG (aaO) - auch eine Verletzung des grundgesetzlichen Gleichbehandlungs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
31 
3. Somit war die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde als rechtsfehlerfrei und damit die angegriffene Kostenrechnung des Nachlassgerichts als sachlich richtig zu bestätigen.
32 
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 14 Abs. 5 KostO.
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published on 07.04.2003 00:00

Tenor 1. Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ausgesetzt. 2. Dem Europäischen Gerichtshof werden gemäß Artikel 234 EGV Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 betre
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Annotations

(1) Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister sind elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Die öffentliche Beglaubigung mittels Videokommunikation gemäß § 40a des Beurkundungsgesetzes ist zulässig. Die gleiche Form ist für eine Vollmacht zur Anmeldung erforderlich. Anstelle der Vollmacht kann die Bescheinigung eines Notars nach § 21 Absatz 3 der Bundesnotarordnung eingereicht werden. Rechtsnachfolger eines Beteiligten haben die Rechtsnachfolge soweit tunlich durch öffentliche Urkunden nachzuweisen.

(2) Dokumente sind elektronisch in einem maschinenlesbaren und durchsuchbaren Datenformat einzureichen. Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen oder ist für das Dokument die Schriftform bestimmt, genügt die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung; ist ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen, so ist ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (§ 39a des Beurkundungsgesetzes) versehenes Dokument zu übermitteln.

(1) Im Entschädigungsverfahren soll von der Vorlage eines Erbscheins abgesehen werden, wenn die Erbberechtigung auch ohne Vorlage eines Erbscheins nachweisbar ist.

(2) Verlangen die Entschädigungsorgane die Vorlage eines Erbscheins, so hat das Nachlaßgericht auf Antrag des Erben einen Erbschein für den Entschädigungsanspruch zu erteilen; hierbei hat das Nachlaßgericht nicht zu prüfen, ob der Erbe nach diesem Gesetz entschädigungsberechtigt ist. In dem Erbschein ist anzugeben, ob der Erbe Ehegatte des Verfolgten oder ob und wie er mit ihm verwandt war. Für die Erteilung eines solchen Erbscheins ist die Todesvermutung des § 180 Abs. 1 oder, falls im Entschädigungsverfahren nach § 180 Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt des Todes festgestellt worden ist, diese Feststellung maßgebend.

(3) Die Erteilung des Erbscheins für den Entschädigungsanspruch einschließlich des vorausgegangenen Verfahrens ist gebühren- und auslagenfrei. Dies gilt nicht für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 352 Absatz 3 Satz 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(1) Alle Behörden und Gerichte haben den in diesem Abschnitt genannten Behörden unentgeltlich Amts- und Rechtshilfe zu leisten, Auskünfte zu erteilen und Akteneinsicht zu gewähren, soweit es zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich ist. Als Behörden im Sinne von Satz 1 gelten auch alle anderen Einrichtungen, die mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraut sind. Für die Rechtshilfe der Gerichte gelten die §§ 156ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend.

(2) Die Ausgleichsverwaltung übermittelt der für die Freigabe, Rückgabe oder Entschädigung eines Vermögenswertes zuständigen Stelle Angaben zur Ermittlung der Vermögenswerte, die im Schadensgebiet des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes weggenommen worden sind und für die Hauptentschädigung gewährt wurde sowie die hierzu gehörenden Geschäftszeichen und die Bezeichnung des aktenführenden Ausgleichsamtes.

(3) Auf Ersuchen der für die Freigabe, Rückgabe oder Entschädigung von Vermögenswerten zuständigen Stelle hat das Ausgleichsamt weitere Angaben zu übermitteln, soweit diese zur Durchführung der Verfahren zur Freigabe, Rückgabe oder Entschädigung des Vermögenswertes erforderlich sind. Erforderlich im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere Angaben über die Höhe des festgestellten Schadens, über das Vorliegen eines Mehrfachschadens, über die für den Vermögenswert zuerkannte Hauptentschädigung, über den nach § 349 Abs. 2 bis 4 sich errechnenden Rückforderungsbetrag sowie die Angabe des Geschädigten oder des Leistungsempfängers. Das Ausgleichsamt hat die Übermittlung zu versagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die in Satz 1 genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

(4) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur zum Zweck der Freigabe, Rückgabe oder Entschädigung des jeweiligen Vermögenswertes verwenden.

(4a) Die im Aufnahmeverfahren nach § 28 des Bundesvertriebenengesetzes und im Verfahren nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes gesammelten Daten dürfen für lastenausgleichsrechtliche Verfahren genutzt und übermittelt werden, wenn dies erforderlich ist.

(5) Für die Erteilung eines Erbscheins, einschließlich des vorangegangenen Verfahrens, wird eine Gebühr nicht erhoben, wenn der Erbschein nur für Zwecke des Lastenausgleichs verwendet werden soll. Dies gilt nicht für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 352 Absatz 3 Satz 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ein nach Satz 1 gebührenfrei erteilter Erbschein kann auch in Verfahren verwendet werden, die der Rückgabe, Freigabe oder Entschädigung weggenommener Wirtschaftsgüter dienen.