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| Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur nochmaligen Auszahlung von Rückkaufswerten für insgesamt 5 Lebensversicherungen an den Kläger als Insolvenzverwalter des Schuldners, nachdem die Beklagte die Rückkaufswerte zuvor an ihre Streithelferin ausbezahlt hat. |
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| Ursprünglich war der Schuldner selbst aus den Lebensversicherungen berechtigt gewesen. Er trat diese - mit einem auf mehrere Jahre vor der Insolvenzeröffnung datierten Schreiben - an die Streithelferin ab. Die Abtretung wurde der Beklagten zusammen mit einer vom Schuldner selbst unterschriebenen „Bestätigung“ jedoch erst nach dem Beschluss über die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens nebst Bestellung des Klägers als „starkem“ vorläufigen Insolvenzverwalter von der Streithelferin angezeigt. Nach Kündigung der Lebensversicherungen durch die Streithelferin, die der Beklagten auch die entsprechenden Versicherungsscheine vorlegte, sowie einer Rückfrage der Beklagten beim Schuldner wurden die Rückkaufswerte der Streithelferin schließlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausbezahlt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 11.12.2007 - 16 O 46/07 - Bezug genommen. |
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| Durch dieses Urteil wurde die Beklagte vollumfänglich antragsgemäß verurteilt, an den Kläger EUR 52.995,04 nebst Zinsen hieraus in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2007 zu bezahlen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Abtretung an die Streithelferin sei bis zu ihrer Anzeige an die Beklagte absolut, also allen gegenüber unwirksam gewesen. Die Anzeige sei aber erst nach der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens gegenüber der Beklagten erfolgt. Die Beklagte habe auch nicht gemäß § 409 BGB befreiend geleistet, da eine Abtretungsanzeige nach der Verfahrenseröffnung nicht mehr wirksam habe zugehen können. Schließlich habe die Beklagte auch nicht gemäß § 808 BGB befreiend geleistet. Die Schutzwirkung des § 808 BGB sei deshalb entfallen, weil die Beklagte unter Verstoß gegen Treu und Glauben oder in zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis der Nichtberechtigung der Streithelferin die Auszahlung vorgenommen habe. Im vorliegenden Fall haben diesbezüglich mehrere Verdachtsmomente vorgelegen, weswegen es nach der eigenen Hausanweisung der Beklagten einer Internet-Recherche bezüglich der Insolvenzbekanntmachungen bedurft hätte. Durch eine solche Recherche hätte die Beklagte vor ihrer Auszahlung Kenntnis bezüglich des Insolvenzverfahrens erlangt. |
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| Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie in der Sache eine Abweisung der Klage erstrebt. Sie macht geltend, die Streithelferin sei bezüglich der Forderungen aus den Lebensversicherungen Berechtigte gewesen, da die Abtretung an diese bereits vor der Abtretungsanzeige an die Beklagte, somit bereits vor Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens wirksam wurde. Des Weiteren könne sich die Beklagte auf die Liberationswirkung des § 409 BGB berufen, da ihr eine Abtretungsurkunde vorgelegt worden sei. Schließlich habe die Beklagte an die Streithelferin auch deshalb wirksam befreiend geleistet, weil diese Inhaberin der Versicherungsscheine gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 17.03.2008 (Bl. 123ff) sowie auf den Schriftsatz vom 27.05.2008 ( Bl. 143ff.) Bezug genommen. |
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| Die Beklagte beantragt, wie erkannt. |
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| Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. |
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| Er verteidigt das landgerichtliche Urteil. Im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderung vom 17.04.2008 (Bl. 138ff. d.A.) Bezug genommen. |
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| Die Streithelferin stellte im Berufungsverfahren keinen eigenen Antrag. |
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| Der Senat hat mündlich verhandelt und die zuständigen Sachbearbeiterinnen der Beklagten P. und K. als Zeuginnen vernommen. Wegen deren Angaben wird auf die Sitzungsniederschriften vom 12.06.2008 sowie vom 31.07.2008 Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf nochmalige Auszahlung der Lebensversicherungssummen nicht zu, weil die Beklagte diese bereits mit befreiender Wirkung an die Streithelferin bezahlt hat. |
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| 1. Eine befreiende Leistung an die Streithelferin als aus den Lebensversicherungen tatsächlich Berechtigte hat allerdings nicht stattgefunden. |
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| Voraussetzung für eine solche befreiende Leistung wäre, dass die Streithelferin Berechtigte aus den Lebensversicherungen war. Dies wäre nur dann so, wenn die Abtretung (K2) wirksam geworden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. |
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| Nach zutreffender h.M. ist eine Abtretung ohne die gemäß § 13 Abs. 4 ALB (86) erforderliche Abtretungsanzeige absolut unwirksam (BGH NJW 1991, 559f; bestätigt durch BGH NJW 1997, 2747f.). Für die hier verwendete - im Wortlaut geringfügig, jedoch nicht entscheidend von § 13 Abs. 4 ALB (86) abweichende - Klausel (Bl. 73 d.A.) gilt dasselbe. |
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| Ebenso ist anerkannt, dass Wirksamkeitsvoraussetzungen von Willenserklärungen, die nicht - wie z.B. Tod oder Geschäftsfähigkeit (vgl. § 130 Abs. 2 BGB) - die Person des Erklärenden betreffen, noch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Verfügung vorliegen müssen (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 130, Rn. 12; Staudinger-Singer/Benedict (2004), BGB, § 130, Rn. 37f.). Dies gilt gerade für den Fall einer durch ein Insolvenzverfahren erfolgten Beschränkung der Verfügungsmacht (Singer/Benedict aao., Rn 38, vgl. auch Heinrichs aaO.). Für den hier vorliegenden Fall eines vorläufigen Insolvenzverfahrens mit sogenannten „starken“ Insolvenzverwaltern kann nichts anderes gelten. |
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| Das Schreiben der Streithelferin vom 22.08.2006 (Bl. 68) nebst Anlage (Bl. 69) mag als erforderliche Abtretungsanzeige genügen. Der Beschluss des Amtsgerichts, mit dem das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum sogenannten „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde (K1), datiert vom 21.08.2006. Das besagte Schreiben (Bl. 68) ist erst am 23.08.2006 bei der Versicherung eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war der Versicherungsnehmer bereits nicht mehr (allein) verfügungsbefugt. Die Verfügungsbeschränkungen gemäß dem amtsgerichtlichen Beschluss wurden bereits unmittelbar mit dessen Erlass, nicht erst mit dessen Bekanntmachung wirksam (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 329, Rn. 19; Kirchhof in HK-Inso, 4. Aufl., § 21, Rn. 27). |
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| Zum demnach maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Abtretungsurkunde nebst Anzeige bei der Versicherung lag eine (unbeschränkte) Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers somit nicht mehr vor, so dass - da der Kläger seine diesbezügliche Genehmigung konkludent verweigert hat - die Abtretung keine Wirksamkeit mehr erlangen konnte. Die Streithelferin ist daher zu keinem Zeitpunkt Inhaberin der Rechte aus den Lebensversicherungsverträgen geworden. Die Beklagte konnte daher an diese auch nicht als Berechtigte befreiend leisten. |
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| 2. Die Beklagte wird hinsichtlich ihrer Leistung an die Streithelferin auch nicht durch § 409 BGB geschützt. |
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| Die Bestimmung - hier in Betracht kommt eine Abtretungsurkunde gemäß Abs. 1 S. 2 - soll zwar das Vertrauen des Schuldners in eine Abtretungsanzeige schützen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Abtretungsanzeige selbst von einem verfügungsbefugten Gläubiger herrührt (BGH NJW 1987, 1706, zu III 1 a). Dies war - wie oben ausgeführt - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Abtretungsurkunde hier nicht der Fall. Nach der Eröffnung des (hier vorläufigen) Insolvenzverfahrens konnte eine wirksame Abtretungsanzeige nicht mehr erfolgen (MüKoInsO-Ott/Vuia, § 82, Rn. 3d). Es besteht auch in der Sache kein Grund, die Beklagte in ihrem - allgemein nicht geschützten - Vertrauen auf die fortdauernde Verfügungsbefugnis zu der ansonsten wirksamen Abtretung hier deshalb zu schützen, weil die Abtretung in schriftlicher Form vorgenommen und der Beklagten zur Kenntnis gebracht wurde. Ob und wann eine Vorlage der Abtretungsurkunde an die Gläubigerin zwischen Streithelferin und Versicherungsnehmer abgesprochen war, ist demnach irrelevant. |
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| 3. Die Beklagte hat jedoch deshalb befreiend an die Streithelferin geleistet, weil sie Inhaberin der Versicherungsscheine war und diese der Beklagten zuvor auch vorgelegt hat. |
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| Die Inhaberklausel des § 11 ALB macht die Lebensversicherung zum sogenannten „hinkenden“ Inhaberpapier im Sinne von § 808 BGB (BGH NJW-RR 1999, 898ff). Sie umfasst auch die Befugnis des Inhabers, die Kündigung von Lebensversicherungen zu erklären, um den Rückkaufswert zu erlangen (BGH NJW 2000, 2103 ff.; Prölss/Martin, VVG, § 11 ALB (86), Rn. 3). Die Konsequenz, den an den Inhaber des Versicherungsscheines leistenden Versicherer auch dann von seiner Leistungspflicht zu befreien, wenn der Inhaber zum Empfang der Leistungen materiell nicht berechtigt ist, ist auch unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten hinzunehmen (vgl. BGH aaO.). Es ist kein Grund ersichtlich, die Liberationswirkung des § 808 Abs. 1 S. 1 BGB im Falle der Insolvenz des Berechtigten nicht eingreifen zu lassen. Vielmehr kann der Schutz des Leistenden, der z.B. an den Dieb eines Sparbuches auszahlt, nicht davon abhängig sein, ob der bestohlene Berechtigte über das Sparbuch verfügungsbefugt war bzw. ist. |
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| Hier hat die Beklagte Kündigungen der Streithelferin als Inhaberin der Versicherungsscheine entgegengenommen und die sich daraus ergebenden Rückkaufswerte an diese ausgezahlt. Hierdurch hat sie mit befreiender Wirkung ihre Leistung erbracht. |
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| Eine Ausnahme hiervon liegt nicht vor. Zwar gilt nach der Rechtsprechung eine Ausnahme von der befreienden Wirkung der Leistung an den Urkundeninhaber jedenfalls dann, wenn der Versicherer die mangelnde Verfügungsbefugnis des Inhabers des Versicherungsscheines positiv kennt, oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat (BGH aaO unter Verweis auf BGH NJW-RR 1999, 898ff, wo eine Ausnahme gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nur für diese Fälle anerkannt wird). Darüber hinaus wird von einer in der Literatur wohl überwiegenden und auch in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung vertreten, dass die grob fahrlässige Unkenntnis der Nichtberechtigung der diesbezüglichen positiven Kenntnis gleich zu stellen sei, so dass die Liberationswirkung auch in einem solchen Fall nicht greift (dafür: Palandt-Sprau, aaO, §808, Rn 4; MüKoBGB-Hüffer, § 808, Rn 29; Staudinger-Marburger (2002), BGB, § 808, Rn. 24; dagegen: RGRK-Steffen, 12. Aufl., § 793, Rn. 23). Vorliegend liegen jedoch beide Ausnahmefälle nicht vor. |
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| a. Zur Überzeugung des Senats, der eine Beweisaufnahme zu Grunde liegt, war eine positive Kenntnis von einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers seitens der für die Auszahlung der Versicherungssummen zuständigen Sachbearbeiterinnen der Beklagten nicht gegeben. Beide in den Vorgang eingebundenen Mitarbeiterinnen haben - als Zeugen vernommen - bekundet, vor der Auszahlung von der Insolvenz des Schuldners keine Kenntnis gehabt zu haben. Dies erscheint dem Senat auch ohne weiteres glaubhaft, zumal Motive für eine entsprechende Auszahlung trotz dieser Kenntnis, nicht ersichtlich sind. |
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| b. Soweit der Kläger eine entsprechende Kenntnis des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten unter Beweisantritt behauptet (vgl. Vortrag Bl. 6; zusätzlicher Beweisantritt Bl. 77), war dem nicht nachzugehen, da es sich nicht um einen zulässigen Beweisantrag, sondern um die willkürliche Behauptung einer Tatsache „aufs Geratewohl“ bzw. „ins Blaue hinein“ handelt. Zwar handelt es sich bei der unter Beweis gestellten Kenntnis von der Eröffnung eines (vorläufigen) Insolvenzverfahrens in Bezug auf das Vermögen des Versicherungsnehmers um eine konkrete Tatsache aus der Sphäre der Beklagten. Der Kläger teilt jedoch weder Einzelheiten mit, noch enthält sein Vorbringen - auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung- Anhaltspunkte oder Erklärungen bzw. Erkenntnisquellen dafür, dass und wie er zu einer diesbezüglichen Einschätzung gelangt. Solche sind auch nicht ersichtlich. Nach der Lebenserfahrung erscheint es absolut fernliegend, dass der - sonst als Partei zu vernehmende - in Stuttgart tätige Vorstandsvorsitzende der Beklagten Kenntnis von der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines in Kuppenheim ansässigen einzelkaufmännisch tätigen Gewerbetreibenden erlangt haben soll. Es ist daher nach den vom BGH (NJW 1995, 2111) herangezogenen Grundsätzen davon auszugehen, dass die Behauptung willkürlich aufgestellt wurde, sodass diesbezüglich kein zulässiger Beweisantritt vorliegt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., vor § 284, Rn.5 u. § 445, Rn. 3a). |
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| c. Die Kenntnis der der Beklagten zuzurechnenden Eröffnung des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers wird nicht gesetzlich vermutet. Zwar ergibt sich aus der Systematik der beiden Sätze von § 82 InsO, dass mit der öffentlichen Bekanntmachung eines (hier vorläufigen) Insolvenzverfahrens eine Umkehr der Beweislast in Bezug auf die Kenntnis hiervon eintritt, so dass der Leistende, der nach Eröffnung an den Schuldner (und nicht an den Insolvenzverwalter) geleistet hat, im Anschluss an die öffentliche Bekanntmachung sein Nichtwissen von der Eröffnung und somit seinen guten Glauben an die fortdauernde Verfügungsbefugnis des Schuldners beweisen muss. Des Weiteren wird teilweise vertreten, dass die Regelung auch für Leistungen gelten soll, die nicht an den Schuldner selbst, sondern - z.B. wegen einer Abtretung - an Dritte bewirkt wurden. |
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| Diese Vorschrift ist aber auf den vorliegenden Fall der Leistung an den Inhaber eines (hinkenden) Inhaberpapiers nicht anwendbar. Sie bezieht sich auf den Normalfall, in dem die befreiende Wirkung der Leistung davon abhängt, dass der Gläubiger einer Leistung diesbezüglich verfügungsbefugt ist, ohne dessen Verfügungsbefugnis also nach allgemeinen Grundsätzen gar keine befreiende Wirkung eintreten würde. Hier schafft § 82 InsO zu Gunsten des Leistenden, der die Einschränkung hinsichtlich der Verfügungsbefugnis seines Gläubigers (= Schuldner des Insolvenzverfahrens) nicht kennt, abweichend von den allgemeinen Grundsätzen eine Ausnahme, die den Leistenden in seinem guten Glauben an den Fortbestand der Verfügungsbefugnis seines Gläubigers schützt. Die sich aus der Systematik der beiden Sätze des § 82 InsO ergebende Beweislastregelung betrifft die nähere Ausgestaltung dieses Gutglaubensschutzes. |
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| Mit dieser Normalkonstellation ist die Leistung auf ein (hinkendes) Inhaberpapier nicht vergleichbar. Derjenige, der auf ein solches Papier nach dessen Aushändigung leistet, bedarf des durch § 82 InsO geschaffenen Schutzes nicht. Wie sich aus § 808 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt, kommt es auf die Verfügungsbefugnis des wahren Berechtigten im Grundsatz nicht an. Ebenso ist daher der Leistende zur Erlangung des Schutzes gemäß § 808 Abs. 1 S. 1 BGB nicht auf einen guten Glauben bezüglich der Verfügungsbefugnis angewiesen. |
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| Zwar besteht eine Parallele zwischen der Leistung auf ein (hinkendes) Inhaberpapier und einer Leistung im Normalfall insoweit, als die Beklagte an die Streithelferin nicht hätte befreiend leisten können, wenn ihr dabei bekannt (möglicherweise auch in grob fahrlässiger Weise unbekannt) gewesen wäre, dass diese materiell nicht empfangsberechtigt war. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte ihre Leistung an die Streithelferin deshalb erbracht hätte, weil sie diese für die materiell Berechtigte hielt. Vielmehr beruhte die Leistung allein auf deren Stellung als Inhaberin der Versicherungsscheine. |
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| Die zur Ausgestaltung des Schutzes des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis geschaffene Systematik bzw. Beweislastverteilung des § 82 InsO ist nicht auf ein Inhaberpapier auszudehnen. Nach der gesetzlichen Grundkonzeption (hier § 808 Abs. 1 S. 1 BGB) ist das Fortbestehen der Verfügungsbefugnis keine Voraussetzung einer befreienden Leistung an den Inhaber des Papiers. Ansonsten würde die gesetzlich nicht vorgesehene, von Rechtsprechung bzw. Literatur lediglich aus Gründen von Treu und Glauben in krass gelagerten, atypischen Fällen zugelassene Ausnahme (keine befreiende Leistung) in einer wesentlichen Fallgruppe (Insolvenz des wahren Berechtigten) zum vermuteten Regelfall. Es bleibt vielmehr bei dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Kläger die Voraussetzungen einer Ausnahme von der gesetzlich bestimmten Liberationswirkung, hier also z.B. eine positive Kenntnis des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten von der Eröffnung des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu beweisen hat. |
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| d. Aber selbst dann, wenn auch bei der Leistung an den Schuldner eines Namenspapiers mit Inhaberklausel (Versicherungsschein) die befreiende Wirkung an den Voraussetzungen der §§ 82, 81 InsO zu messen wäre, müsste von einer Leistung an die Streithelferin mit befreiender Wirkung ausgegangen werden. |
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| Wie oben dargelegt, hat die Beklagte den Nachweis geführt, dass alle in den Auszahlungsvorgang eingebundenen Personen im Zeitpunkt der Auszahlung die Eröffnung des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens bzw. die Verfügungsbeschränkung des Versicherungsnehmers (§ 21 Nr. 2 i.V.m. § 24 InsO) nicht gekannt haben. Anhaltspunkte dafür, dass andere als die beiden mit der Bearbeitung befassten und als Zeugen gehörten Mitarbeiterinnen von dem Insolvenzverfahren Kenntnis hatten oder haben mussten, sind nicht ersichtlich. Eine weitere Beweisaufnahme war deshalb nicht geboten. |
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| e. Es liegt auch keine grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich des vorläufigen Insolvenzverfahrens vor. Ebenso beruht die Unkenntnis der in den Auszahlungsvorgang eingebundenen Mitarbeiter der Beklagten nicht auf einem Organisationsverschulden. Grundsätzlich treffen den Schuldner aus einem Inhaberpapier keine Sorgfalts- oder Schutzpflichten gegenüber dem Gläubiger. Insbesondere braucht er die Berechtigung des Urkundeninhabers nicht nachzuprüfen; es steht in seinem Belieben, ob er dies tut (Marburger aaO., Rn 31). Nur wenn ihm die Urkunde unter Begleitumständen vorgelegt wird, die den Verdacht auf die fehlende Berechtigung des Inhabers nahelegen, so wird er zur Vermeidung grober Fahrlässigkeit Nachforschungen anstellen müssen (Marburger aaO.). Dem entspricht es, dass die Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang lediglich dann eine Ausnahme von der Liberationswirkung angenommen hat, wenn die dem Sachbearbeiter erkennbare Lage (meist war dies der Schalterbeamte einer Bank in Fällen der Auszahlung von einem Sparbuch) hinreichende Verdachtsmomente vermittelt hat. Mit diesen Grundsätzen vertrüge es sich nicht, der beklagten Versicherung zur Vermeidung einer groben Fahrlässigkeit generell - also auch außerhalb von Verdachtsfällen - eine Obliegenheit aufzuerlegen, die materielle Berechtigung des einen Anspruch auf Auszahlung erhebenden Inhabers von Versicherungsscheinen mittels Internetrecherche und rechtlichem Nachvollzug der - theoretisch auch mehrfachen - Erwerbsvorgänge zu kontrollieren. |
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| Im vorliegenden Fall sind solche verdächtigen Begleitumstände entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht, bzw. jedenfalls nicht in ausreichendem Maße ersichtlich. Es ist das Wesen einer „stillen“ Zession, dass Abtretungen erst zu einem späteren Zeitpunkt, meist anlässlich des Eintritts des Sicherungsfalls aufgedeckt und vorgelegt werden. Hieraus kann auf eine gewisse aktuelle Knappheit in Bezug auf liquide Mittel, schwerlich aber auf ein laufendes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmer geschlossen werden. Gleiches gilt für die zeitnahe Kündigung der Lebensversicherungsverträge. Auch die Wohnsitzgleichheit zwischen Versicherungsnehmer und Zessionarin lässt zwar auf einen privaten Anlass für die vorausgegangene Darlehensgewährung, nicht jedoch auf ein Insolvenzverfahren schließen. Die Nachfrage beim Versicherungsnehmer mag primär dem Erhalt der Versicherungen, möglicherweise auch der Überprüfung gedient haben, ob Abtretung bzw. Kündigung mit dessen Willen und Wollen erfolgt sind, bzw. inwiefern sich diese unter Umständen rückgängig machen lassen. Auf ein Insolvenzverfahren hindeutende konkrete Hinweise sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Sachbearbeiterinnen der Beklagten die Umstände des vorliegenden Falles nicht als verdächtig einstuften und demzufolge eine entsprechend der Hausanweisung der Beklagten Verdachtsfällen vorbehaltene Überprüfung im örtlich zuständigen Insolvenzregister unterließen. Dahingestellt kann bleiben, ob die in der Hausanweisung gemäß Anlage B 4 (Bl. 40) niedergelegten Verdachtsfälle alle denkbaren Fälle eines Verdachts zutreffend und abschließend umschreiben. Im vorliegenden Fall war jedenfalls kein Verdachtsfall gegeben. |
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| Höchstrichterliche Entscheidungen zur Liberationswirkung des § 808 Abs. 1 S. 1 BGB bei einer Leistung an einen Nichtberechtigten nach eröffnetem Insolvenzverfahren sind nicht ersichtlich. Da vergleichbare Sachverhalte jederzeit auftreten können, erscheint eine grundsätzliche Klärung geboten, sodass die Revision zuzulassen war ( § 543 Abs.2 Nr.1 ZPO). |
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