Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Apr. 2015 - 2 W 2/15

bei uns veröffentlicht am07.04.2015

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin vom 22. Dezember 2015 gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2014 (Az.: 35 O 44/14) wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Streitwert für beide Rechtszüge: 5.000,- EUR.

Gründe

 
I.
A
Das Landgericht hat auf Antrag der Vollstreckungsgläubigerin, gestützt auf die Internetveröffentlichung vom 27. Juni 2014, die Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins „D... T..." vom 08.07.2014 (Ast. 3) und das Wirtschaftsmagazin „W...", Heft Nr. 28 vom 07.07.2014 (Ast. 4), in dem angegriffenen Beschluss gegen die Vollstreckungsschuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,- EUR festgesetzt und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft; Grundlage des Beschlusses ist der Verfügungsbeschluss des Landgerichts vom 23. Mai 2014, der am 04. Juni 2014 unstreitig durch den zuständigen Gerichtsvollzieher zugestellt und durch landgerichtliches, nicht rechtskräftiges Urteil der Kammer vom 25. November 2014 bestätigt wurde.
Wegen des Sachverhaltes wird auf die Darstellung in dem Beschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2014 Bezug genommen.
Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Schuldnerin habe schuldhaft gegen das Verbot in Abschnitt I Ziffer 1 und 4 der einstweiligen Verfügung vom 23. Mai 2014 verstoßen.
Sie habe in ihrer Internetpräsenz mit Stand 27. Juni 2014 angegeben, sie entwickle auf der B... H...-Insel E... eine neues Oldtimer-Zentrum, das M... B... und sei Kontaktstelle für Anfragen hinsichtlich der Anmietung von Werkstatt-, Handels-, Laden- oder Büroflächen oder gläsernen Einstellplätzen. In Interviews mit der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins „D... T..." vom 08.07.2014 und dem Wirtschaftsmagazin „W..." im Heft Nr. 28 vom 07.07.2014 habe der Vorstand der Schuldnerin Äußerungen gemacht, die die angesprochenen Verkehrskreise bei objektiver Wertung ebenfalls dahingehend verstünden, dass die Schuldnerin auf der B... H...-Insel E... ein neues Oldtimer-Zentrum, das M... B..., entwickele bzw. bereits betreibe. Die Schuldnerin habe die diesbezüglichen Behauptungen der Gläubigerin im Ordnungsmittelverfahren nicht bestritten.
Entgegen der Auffassung der Schuldnerin sei die Entwicklung des M...-Standortes „B...-E..." im behaupteten Umfang und unter Beteiligung der Antragsgegnerin nicht durch entsprechende Verträge und/oder Abreden mit dem Eigentümer/den Eigentümern der Projektimmobilie und/oder Investoren gesichert.
5.000,- EUR seien als Ordnungsgeld angemessen. Es lägen insgesamt drei Verstöße vor. Die Internetpräsenz verstoße in zweifacher Hinsicht gegen die einstweilige Verfügung.
B
Gegen diesem Beschluss hat die Vollstreckungsschuldnerin mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2014 sofortige Beschwerde eingelegt und hierzu ausgeführt:
Der Ordnungsgeldbeschluss sei schon deshalb aufzuheben, weil das Verfügungsurteil keinen Bestand haben könne, wie aus der Berufungsbegründung der Verfügungsbeklagten ersichtlich. Der Titel sei zu unbestimmt. Das Landgericht hätte den Vortrag der Verfügungsklägerin zu einem vertraglichen Kündigungsrecht nicht berücksichtigen dürfen. Diese habe sich als Anknüpfungstatsache nur auf ein Telefonat mit dem Geschäftsführer der Eigentümergesellschaft bezogen. Diesen Vortrag habe die Vollstreckungsschuldnerin erstinstanzlich bestritten, so dass er nicht zugrunde zu legen und daher von einem Vortrag ins Blaue hinein auszugehen sei. Selbst bei einem Kündigungsrecht könne die Vollstreckungsschuldnerin noch während der Kündigungsfrist durch entsprechende Erklärungen einen Eigentumserwerb bzw. ein Erbbaurecht erzwingen.
10 
Wegen des weitergehenden Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden.
C
11 
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.
II.
12 
Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2014 ist zulässig, aber unbegründet. Die Angriffe der Beschwerde vermögen diesen nicht an von Amts wegen zu berücksichtigenden Fehlern leidenden Beschluss nicht zu erschüttern.
A
13 
Auf die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners hat das Gericht neben den vorliegend weder zweifelhaften, noch von der Beschwerde bezweifelten allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (vgl. dazu Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., 2014, Rn 14-17 vor § 704, bei juris) nebst der gleichfalls erfolgten vorangegangenen Ordnungsmittelandrohung zu prüfen, ob der Vollstreckungsschuldner schuldhaft gegen den Unterlassungstitel verstoßen hat. Steht die Reichweite des Urteilsausspruchs im Streit, so hat das Gericht ihn im Ordnungsmittelverfahren auszulegen (Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rn. 15 zu § 890, bei juris, m.w.N. zur Rechtsprechung). Die zu unterlassende Handlung muss nach Inhalt und Umfang durch den Titel inhaltlich bestimmt sein (BGHZ 124, 173, 175 f.). Eine gewisse Verallgemeinerung wird hingenommen, wenn dabei das Charakteristische des konkreten Verletzungstatbestands zum Ausdruck kommt (BGHZ 126, 287, 295; OLG Karlsruhe, MDR 2007, 1453). Vorläufig vollstreckbare Schuldtitel, deren Vollstreckung nicht gehemmt ist (vgl. KG, JW 1939, 316) und einstweilige Verfügungen (LG Essen, MDR 1983, 500) genügen als Antragsgrundlage (so auch Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., 2014, Rn. 8 zu § 890, bei juris).
14 
Hingegen hat das Gericht im Ordnungsmittelverfahren nicht darüber zu befinden, ob der Vollstreckungstitel materiell zurecht erlassen worden ist, noch ob er voraussichtlich in einem Rechtsmittelverfahren aus anderen Gründen als wegen mangelnder Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO aufzuheben sein wird. Denn der vorläufig vollstreckbare Titel gebietet dem Schuldner Beachtung. Anderes gilt nur, wenn die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel nicht erfolgen darf, etwa weil sie durch das Gericht einstweilen eingestellt worden oder eine hierfür angeordnete Sicherheit geleistet worden ist, Die gesetzgeberische Wertung für eine vorläufige Vollstreckbarkeit darf nicht mittels Vorbringens im Ordnungsmittelverfahren unterlaufen werden. Dies entspricht auch der Aufgabenteilung zwischen Erkenntnis- und Zwangsvollstreckungsverfahren.
15 
Dahinstehen kann, ob dann, wenn der Vollstreckungstitel wegfällt oder wirkungslos wird, aus ihm kein Ordnungsmittel mehr wegen eines Verstoßes verhängt werden darf, der während der Zeit der Wirksamkeit des Titels begangen worden war (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., 2014, Rn. 9a zu § 890, m. zahlr. N.). Denn ein solcher Fall liegt nicht vor.
B
16 
Der Vollstreckungstitel, dessen Vollstreckbarkeit im Übrigen außer Zweifel und Streit steht, ist hinreichend bestimmt. Er beschreibt das Verhalten, das die Vollstreckungsschuldnerin zu unterlassen hat, deutlich erkennbar. Die von der Vollstreckungsschuldnerin behaupteten Unschärfen beziehen sich auf einen zugunsten der Verurteilten aufgenommenen Ausnahmetatbestand. Auch sie führen aber schon deshalb nicht zu einem Vollstreckungshindernis, weil, wie vom Landgericht zutreffend erkannt, für die Vollstreckungsschuldnerin hinreichend klar beschrieben ist, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit das im Titel verhängte Verbot nicht greift. Dabei geht es nicht um Vorgaben an Verträge, sondern darum, ob die Vollstreckungsschuldnerin im Zeitpunkt einer dem Titel unterfallenden Werbung das beworbene Projekt rechtssicher umsetzen konnte.
C
17 
Das Landgericht hat auch in der Sache richtig entschieden. Die Angriffe der Beschwerde verfangen nicht. Zutreffend hat das Landgericht die Realisierung des beworbenen Vorhabens nicht als so hinreichend gesichert angesehen, dass die Werbung dafür nicht mehr dem Verbotstenor unterfiele.
1.
18 
Das Landgericht ist verfahrensfehlerfrei vom Vortrag der Vollstreckungsschuldnerin zum Bestehen eines Kündigungsrechts ausgegangen und hat daraus zurecht abgeleitet, dass eine sichere vertragliche Grundlage für die Realisierung des beworbenen Projekts durch den Vertrag vom 28. Mai 2014 nicht bestanden hat (missverständlich ist in diesem Zusammenhang der Vortrag der Vollstreckungsschuldnerin, sie habe einen neuen Vertrag abgeschlossen).
a)
19 
Die Vollstreckungsschuldnerin hat den Ausnahmetatbestand einer sicheren Umsetzbarkeit des umstrittenen Projekts bloß pauschal behauptet.
b)
20 
Die Vollstreckungsgläubigerin hat hingegen prozessordnungsgemäß unter Verweis auf ein Kündigungsrecht des Eigentümers vorgetragen, dass der besagte Vertrag keine sichere Realisierung gewährleiste. Dieser Vortrag ist nicht ins Blaue hinein gehalten.
aa)
21 
Verfehlt ist schon der Ansatz der Vollstreckungsschuldnerin, da sie das von der Vollstreckungsgläubigerin angeführte Telefonat bestritten habe, sei diese Anknüpfungstatsache unbeachtlich. Allein dass die Vollstreckungsgläubigerin damit einen für sich genommen tragfähigen Anhaltspunkt dafür vorträgt, woher sie Wissen über eine Vertragspassage erlangt habe, steht der Annahme entgegen, ihr Vortrag über diese Vertragspassage und zu den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sei ins Blaue hinein erfolgt (BGH, Urteil vom 04. Februar 2014 – XI ZR 398/12, BKR 2014, 200, bei juris Rz. 16). Diesem Vortrag kann die Vollstreckungsschuldnerin nicht durch ein Bestreiten seine prozessuale Relevanz nehmen. Bestreiten führt nicht zur Unbeachtlichkeit des bestrittenen Vortrages, sondern allenfalls zur Beweisbedürftigkeit.
bb)
22 
Dieser Vortrag der Vollstreckungsgläubigerin zu einem Kündigungsrecht des Eigentümers in dem Vertrag vom 28. Mai 2014 ist unstreitig geblieben. Denn, wie schon vom Landgericht ausgeführt, hat die Vollstreckungsschuldnerin diesen Vortrag nicht wirksam bestritten. Sie hätte insoweit substantiiert zum Vertragsinhalt vortragen können und müssen. Dies hat sie nicht getan, und selbst ein einfaches Bestreiten der Vollstreckungsschuldnerin findet sich - selbst im Beschwerdeverfahren - nicht.
(1)
23 
Die Vollstreckungsschuldnerin hätte über den ihr bekannten Inhalt ihres Vertrages mit der Grundstückseigentümerin vortragen können, und nach § 138 Abs. 1 ZPO hätte ihr dieser Vortrag auch oblegen. Insoweit geht es, entgegen ihrem Vortrag, nicht darum, dass sie zu einer Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gezwungen würde. Sie ist nicht verpflichtet, ihr günstige Tatsachen vorzutragen. Sie trägt insoweit lediglich eine Obliegenheit gegen sich selbst. Es ist ihre freie Entscheidung, ob sie zum Vertragsinhalt wahrheitsgemäß vorträgt oder schweigt. Entscheidet sie sich dafür, zu schweigen, so ist dadurch der Vortrag ihres Prozessgegners als unstreitig der Entscheidung zugrunde zu legen.
24 
Demgegenüber sieht § 138 Abs. 1 ZPO kein höherrangiges Schweigerecht vor. Schon gar nicht mit der Folge, dass der Prozessgegner daraus prozessuale Nachteile hinzunehmen hätte. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es neben der Vorlage des Originalvertrages andere Möglichkeiten gegeben hätte, den zur Frage eines Kündigungsrechts sowie zu den Modalitäten und Folgen einer Kündigung maßgebenden Vertragsinhalt in den Rechtsstreit einzuführen. Dies hat die Vollstreckungsschuldnerin nicht getan.
(2)
25 
Darüber hinaus hat die Vollstreckungsschuldnerin auch im Beschwerdeverfahren nicht bestritten, dass der Vertrag ein Kündigungsrecht des Grundstückseigentümers vorsehe.
2.
26 
Auf dieser Vortragsgrundlage hat das Landgericht zurecht verneint, dass die Umsetzung des beworbenen Projektes gesichert gewesen wäre.
a)
27 
Schon die Ausführungen der Vollstreckungsschuldnerin über die Möglichkeit eines Erwerbs des Grundstücks oder eines Erbbaurechts daran sind rein spekulativer Natur und können keine gerichtlichen Feststellungen tragen, solange das Kündigungsrecht und die Folgen einer Kündigung für das Vertragsgefüge nicht vorgetragen sind. Es kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Vollstreckungsschuldnerin nach einer Kündigung einen Erwerb in inhaltlich unveränderter Weise hätte realisieren können.
b)
28 
Dazuhin gehört zu einer gesicherten Realisierbarkeit im Sinne des Vollstreckungstitels auch die Finanzierbarkeit. Gerade wenn die Vollstreckungsschuldnerin durch eine Kündigung des Eigentümers unter Zeitdruck gerät, kann von einem gesicherten Vorhaben nur dann ausgegangen werden, wenn neben der rechtlichen Möglichkeit, einen Grunderwerb oder ein Erbbaurecht zu erzwingen, auch die wirtschaftliche Absicherung gegeben war. Hierzu hat die Vollstreckungsschuldnerin gleichfalls nichts vorgetragen, obwohl dieser Aspekt auf der Hand liegt und in ihrer Sphäre. Auf ihn kommt es aber schon nicht mehr entscheidend an.
III.
29 
Die Kostenentscheidung folgt §§ 891, 97 ZPO.
30 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind vorliegend nicht gegeben, so dass der Senat über deren Statthaftigkeit nicht zu befinden braucht.
31 
Der Wert der Ordnungsmittelanträge erster Instanz rührt aus dem Interesse der Gläubigerin, künftige Verstöße gegen den Titel zu verhindern, der Beschwerdewert ergibt sich aus dem Interesse der Schuldnerin, dass das gegen sie festgesetzte Ordnungsgeld beseitigt werde.

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Apr. 2015 - 2 W 2/15 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Zivilprozessordnung - ZPO | § 891 Verfahren; Anhörung des Schuldners; Kostenentscheidung


Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2014 - XI ZR 398/12

bei uns veröffentlicht am 04.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil XI ZR 398/12 Verkündet am: 4. Februar 2014 Weber, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im s
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Apr. 2015 - 2 W 2/15.

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Mai 2015 - 2 W 18/15

bei uns veröffentlicht am 07.05.2015

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldnerin gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2015 (Az.: 35 O 44/14) wird v e r w o r f e n.

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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
XI ZR 398/12
Verkündet am:
4. Februar 2014
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im
schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 30. Dezember 2013
eingereicht werden konnten, durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die
Richter Dr. Grüneberg, Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterin
Dr. Menges

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Oktober 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Beratungspflichtverletzung auf Rückabwicklung verschiedener Beteiligungen in Anspruch.
2
Der Kläger, ein Rechtsanwalt und Notar, beteiligte sich - teilweise fremdfinanziert - jeweils mit einem Betrag von 25.000 € zuzüglich eines Agios unter- schiedlicher Höhe nach Beratung durch die Beklagte im Herbst 2002 an der M. GmbH & Co. KG, im Herbst 2003 an der MO. GmbH & Co. Verwaltungs KG, im Herbst 2004 an der MO. Z. GmbH & Co. Verwaltungs KG und im Herbst 2005 an der MO. D. GmbH & Co. Verwaltungs KG. Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Beteiligungen Provisionen in unterschiedlicher Höhe , über die sie den Kläger im Einzelnen nicht unterrichtete.
3
Der auf Zahlung, Freistellung und Feststellung gerichteten Klage, mit der der Kläger die Beklagte auf Schadenersatz wegen Beratungspflichtverletzung in Anspruch genommen hat, hat das Landgericht nach informatorischer Anhörung des Klägers und Vernehmung einer Mitarbeiterin der Beklagten als Zeugin zum Zustandekommen eines Beratungsvertrages im Wesentlichen entsprochen.
4
Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht, das zugleich im Umfang des Teilanerkenntnisses des Klägers einem von der Beklagten im Wege der Eventualwiderklage erhobenen Feststellungsbegehren stattgegeben hat, zurückgewiesen. Soweit es hinsichtlich der Klage zu ihrem Nachteil entschieden hat, richtet sich dagegen die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7
Zwischen den Parteien seien im Vorfeld der Beteiligungen des Klägers Beratungsverträge zustande gekommen. Die Beklagte sei dem Kläger wegen der Verletzung ihrer aus diesen Beratungsverträgen resultierenden Aufklärungspflicht zum Schadenersatz verpflichtet. Zwar lasse sich im Ergebnis nicht belegen, dass der Kläger über die unternehmerischen Risiken der Anlagen unzureichend aufgeklärt worden sei. Die Beklagte habe den Kläger aber pflichtwidrig und schuldhaft nicht über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen unterrichtet.
8
Die Beklagte habe die Vermutung, die für die Ursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung spreche, nicht widerlegt. Ihr auf die Widerlegung der Vermutung zielender Vortrag sei so ungenügend, dass ihren Beweisangeboten nicht nachzugehen sei. Soweit die Beklagte die Vernehmung des Klägers als Partei zu der Behauptung angeboten habe, er hätte auch bei Unterrichtung über die an die Beklagte gezahlten Provisionen die Beteiligungen gezeichnet, handele es sich um Vortrag ins Blaue hinein. Der Umstand, dass der Kläger auch habe Steuern sparen wollen, genüge nicht, um der unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten den nötigen substantiellen Anhalt zu geben, zumal der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung - die an diesem Punkt allerdings abgebrochen worden sei - erklärt habe, steuerliche Aspekte hätten "auch" eine Rolle gespielt, was Raum für weitere Motive lasse. Selbst dann, wenn es dem Kläger ausschließlich darauf angekommen sei, ein Steuersparmodell zu zeichnen , lasse sich nicht von vornherein sagen, dass seine Entscheidung von der Kenntnis einer Rückvergütung unbeeinflusst geblieben wäre. Weitere Indizien, etwa die Investition in eine vergleichbare Kapitalanlage in Kenntnis von in Form der Rückvergütungen gezahlten Provisionen, fehlten. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen, dass bei anderen Anbietern keine vergleichbaren Produkte ohne oder mit geringeren Rückvergütungen zu haben gewesen seien oder der Kläger Wert darauf gelegt habe, allein von der Beklagten beraten zu werden. Selbst wenn anzunehmen sei, der Kläger suche einen Grund, "um sich von den unerfreulich verlaufenden Investments zu lösen", führe dies in der Gesamtschau nicht zu der Annahme, es liege fern, dass ihn die Frage der Rückvergütungen in seiner Anlageentscheidung nicht beeinflusst hätte. Das Vorbringen, für das die Beklagte ihre Mitarbeiterin als Zeugin benannt habe, beziehe sich nur auf allgemeine Vermutungen, die auf jeden Anleger zutreffen könnten, so dass Zeugenbeweis nicht zu erheben sei.
9
Die geltend gemachten Schadenersatzansprüche seien nicht verjährt. Konkrete Tatsachen dafür, dass der Kläger von der unterbliebenen Aufklärung über die der Beklagten zugeflossenen Rückvergütungen bereits vor dem 30. März 2010 als dem Tag, an dem er persönlich gegenüber der Beklagten Schadenersatzansprüche geltend gemacht habe, erfahren habe, gebe es nicht.

II.

10
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
11
1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , zwischen den Parteien seien Beratungsverträge zustande gekommen, aufgrund derer die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären. Weiter hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers jedenfalls über die Höhe der der Beklagten zufließenden Vergütungen sei we- der mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 15 ff.). Korrekt hat es insoweit auch ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012, aaO Rn. 24 f. mwN).
12
2. Soweit das Berufungsgericht dagegen von der Vernehmung des Klägers als Partei (§ 445 Abs. 1 ZPO) für die Behauptung der Beklagten abgesehen hat, von ihr erlangte Rückvergütungen seien für die Anlageentscheidung ohne Bedeutung gewesen, ist dies, wie die Revision in Übereinstimmung mit § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO zu Recht rügt, von Rechtsfehlern beeinflusst.
13
a) Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung vorgetragen, dass der Kläger, wenn er über das Eigeninteresse der Beklagten hinreichend aufgeklärt worden wäre, seine Liquidität nicht in sichere Anleihen investiert hätte, weil es ihm ausschließlich auf die Erzielung von Steuervorteilen angekommen sei, so dass er sich - über "die genaue Höhe der Provision" der Beklagten unterrichtet - "keinesfalls von dem Entschluss, seine Steuerlast zu senken", hätte abbringen lassen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte darauf verwiesen, dass der Kläger Beratungsbedarf "jeweils im Herbst der Jahre 2002, 2003, 2004 und 2005, also immer dann, wenn sich ein hohes zu versteuerndes Einkommen sicher" abgezeichnet habe, angemeldet habe. Zum Beweis ihrer Behauptungen hat sich die Beklagte auf die Vernehmung des Klägers als Partei berufen. In der Berufungsbegründungsschrift hat die Beklagte wiederum die Vernehmung des Klägers als Partei für ihre Behauptung beantragt, die "geringen Provisionen aus den streitgegenständlichen Beteiligungen hätten den Kläger nicht vom Erwerb der Fondsanteile abgehalten".
14
b) Das Übergehen des Beweisantrags der Beklagten auf Vernehmung des Klägers als Partei verletzt das aus § 525 Satz 1, § 286 ZPO folgende Ge- bot, sich mit dem Streitstoff umfassend auseinanderzusetzen und den Sachverhalt durch die Erhebung der angetretenen Beweise möglichst vollständig aufzuklären (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - XI ZR 86/01, WM 2002, 557, vom 18. November 2003 - XI ZR 332/02, WM 2004, 27, 31, vom 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, WM 2004, 521, 524 und vom 11. Mai 2004 - XI ZR 22/03, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweiswürdigung 7).
15
Das Beweisangebot der Beklagten war erheblich. Die Beklagte hat eine für die Entscheidung wesentliche Tatsache - Fehlen der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden - unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags auf Vernehmung des Gegners als Partei grundsätzlich nicht erforderlich (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39).
16
Ein unbeachtlicher, auf Ausforschung zielender Beweisermittlungsantrag, der auf der willkürlichen Behauptung einer bestimmten Motivationslage "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" gründete, ist nicht gegeben. Die Beklagte hat mit dem Verweis auf die Motivation des Klägers, Steuern zu sparen, einen - anlässlich seiner informatorischen Anhörung vom Kläger bestätigten - Anhaltspunkt vorgetragen, der dafür spricht, dass der Kläger auch in Kenntnis der Rückvergütungen die Beteiligungen gezeichnet hätte. Angesichts dessen kann eine Behauptung ins Blaue hinein nicht angenommen werden, zumal die Parteivernehmung nach § 445 Abs. 1 ZPO nicht die Wahrscheinlichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache zur Voraussetzung hat (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39; BGH, Urteil vom 6. Juli 1960 - IV ZR 322/59, BGHZ 33, 63, 66). Schließlich stand der Grundsatz der Subsidiarität der Parteivernehmung nach § 445 Abs. 1 ZPO der Beweiserhebung nicht entgegen. Für die unmittelbare Beweisführung zur Motivation des Klägers steht kein anderes Beweismittel zur Verfügung.
17
Die weitere Begründung des Berufungsgerichts, aufgrund der Angaben des Klägers anlässlich seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht lasse sich nicht sagen, "dass seine Entscheidung von der Kenntnis einer Rückvergütung unbeeinflusst geblieben wäre", stellt ihrerseits eine verfahrensfehlerhaft vorweggenommene Beweiswürdigung dar, auf deren Grundlage das Berufungsgericht nicht davon ausgehen durfte, die Kausalitätsvermutung sei nicht widerlegt. Dabei kann dahinstehen, ob eine Anhörung nach § 141 ZPO überhaupt geeignet wäre, die von der Beklagten beantragte Vernehmung des Klägers als Partei zu ersetzen (dagegen BGH, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 220/10, juris Rn. 12 ff.). Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die informatorische Anhörung des Klägers "an diesem Punkt […] abgebrochen". Sie bot mithin in keinem Fall eine hinreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts.

III.

18
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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1. Das Berufungsgericht wird den Kläger als Partei (§ 445 Abs. 1 ZPO) zu vernehmen und das Beweisergebnis zusammen mit den ebenfalls unter Beweis gestellten Indizien (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 42 ff.) zu würdigen haben. Dabei wird es sich bei der Prüfung der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden auch mit dem Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung zu beschäftigen haben , der Kläger habe entweder aufgrund seiner Geschäftserfahrung oder aufgrund der Ausführungen der Mitarbeiterin der Beklagten Kenntnis davon gehabt , dass die Beklagte für die Vermittlung der Beteiligungen (überhaupt) eine Vergütung erhalten habe, die "wirtschaftlich von der jeweiligen Fondsgesellschaft getragen" worden sei. Denn die Kenntnis von der Leistung von Rückvergütungen als solche ohne Wissen um deren Höhe könnte grundsätzlich den Schluss zulassen, der Kläger hätte die Beteiligungen auch im Falle einer Unterrichtung über den Umfang der Rückvergütungen gezeichnet (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Januar 2013 - XI ZR 8/12, BKR 2013, 203 Rn. 22). Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte lediglich zugestanden, die Höhe der von ihr vereinnahmten Provisionen verschwiegen zu haben, nicht aber den Erhalt von Provisionen als solchen. Das Berufungsgericht wird allerdings in Rechnung zu stellen haben, dass der Hinweis allein, die "Vermittler" erhielten eine Provision, keine Aufklärung darüber beinhaltet, die Beklagte vereinnahme Provisionen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 27 und vom 20. November 2012 - XI ZR 205/10, juris Rn. 21).
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2. Sollte das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangen, die Beklagte habe die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht widerlegt, wird es bei der Prüfung der Verjährung von Schadenersatzansprüchen die Maßgaben des Senatsurteils vom 26. Februar 2013 (XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 26 ff.) zu beachten haben. Die fehlende Kenntnis des Anlegers von der Höhe der Rückvergütung steht, sofern über den Erhalt von Provisionen als solchen aufgeklärt wurde, dem Verjährungsbeginn nur entgegen, wenn - was der Kläger nicht behauptet - die beratende Bank konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung gemacht hat.
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3. Sollte das Berufungsgericht zu dem Resultat gelangen, die Klage sei, soweit der Kläger eine unzureichende Aufklärung über vereinnahmte Rückvergütungen geltend macht, unbegründet, wird es sich abschließend mit den vom Kläger behaupteten weiteren Beratungspflichtverletzungen zu befassen haben.
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4. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dem Kläger stünden Ansprüche gegen die Beklagte wegen der Verletzung von Pflichten aus Beratungsvertrag dem Grunde nach zu, wird es bezüglich der Nummern 2, 7, 12 und 17 der landgerichtlichen Entscheidungsformel zu beachten haben, dass es dem Schuldner eines Anspruchs auf Schuldbefreiung nach § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich freisteht, auf welche Weise er den Befreiungsanspruch erfüllt (BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - III ZR 144/10, WM 2011, 505 Rn. 21 mwN). Da auch der Freistellungsantrag dem Gebot ausreichender Bestimmtheit des Klageantrags im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unterliegt (BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 - VI ZR 123/95, WM 1996, 1986, 1987), wird das Berufungsgericht - wie in der Berufungsinstanz auch nur auf das Rechtsmittel der Beklagten möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - IX ZR 95/06, WM 2009, 1155 Rn. 5), da von einer Anschließung an das Rechtsmittel der Beklagten unabhängig (BGH, Urteil vom 25. April 1991 - I ZR 134/90, NJW 1991, 3029) - darauf hinzuwirken haben, dass der Kläger hinreichend bestimmte Angaben zu Grund und Höhe der Schuld macht, von der er freigestellt zu werden wünscht.
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Die Feststellungsanträge - Nummern 4, 9, 14 und 19 der landgerichtlichen Entscheidungsformel - zu den steuerlichen Nachteilen aus den Beteiligungen können dahin ausgelegt werden und sind dahin auszulegen, die Ersatzpflicht der Beklagten umfasse nicht jene steuerlichen Nachteile, die aus der Einkommensbesteuerung der Ersatzleistungen resultieren. Diese Nachteile sind bei der Bemessung der Ersatzleistungen aufgrund pauschalisierender Betrachtungsweise der steuerlichen Vor- und Nachteile im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 1. März 2011 - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8 f. und vom 4. April 2013 - XI ZR 188/11, juris Rn. 34; BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 40).
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5. Sollte das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers unter jedem Gesichtspunkt verneinen, wird es seine Entscheidung zur Eventualwiderklage von Amts wegen zur Klarstellung aufzuheben haben (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - XI ZR 119/04, juris Rn. 18 mwN). Dieser Entscheidung des Berufungsgerichts ist in diesem Fall die Grundlage entzogen, weil der Eintritt der Bedingung für die Eventualwiderklage nicht eingetreten ist. Dass der Kläger den mit der Widerklage verfolgten Anspruch teilweise anerkannt hat, steht der Aufhebung von Amts wegen nicht entgegen, weil der Nichteintritt der prozessualen Bedingung vorrangig zu berücksichtigen ist.
Wiechers Grüneberg Maihold Matthias Menges
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 04.05.2012 - 7 O 168/12 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.10.2012 - 3 U 70/12 -

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)