Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Mai 2015 - 2 W 18/15
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldnerin gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2015 (Az.: 35 O 44/14) wird
v e r w o r f e n.
2. Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Streitwert für beide Rechtszüge: 50.000,- EUR.
Gründe
| ||||||||
|
| |||||||
| ||||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Mai 2015 - 2 W 18/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Mai 2015 - 2 W 18/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 07. Mai 2015 - 2 W 18/15 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin vom 22. Dezember 2015 gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 11. Dezember 2014 (Az.: 35 O 44/14) wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2. Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Streitwert für beide Rechtszüge: 5.000,- EUR.
Gründe
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
| ||||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
|
(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.
(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.
Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin hat gegen den Beklagten Klage auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. März 2014 abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. März 2014 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin vom 17. April 2014 wurde auf dem Postweg übermittelt und ging erst am 23. April 2014 (Mittwoch ) beim Landgericht ein. Nach Erteilung eines gerichtlichen Hinweises auf den verspäteten Eingang der Berufungsschrift beantragte die Klägerin mit beim Landgericht am 30. April 2014 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
- 2
- Zur Begründung ihres Antrags hat sie angeführt und glaubhaft gemacht, die seit mehreren Jahren in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten beschäftigte Mitarbeiterin, die bislang äußerst sorgfältig und fehlerfrei gearbeitet habe, habe die im elektronisch geführten Fristenkalender ordnungsgemäß eingetragene Berufungseinlegungsfrist am 17. April 2014 bei der ihr aufgetragenen Löschung zweier anderer Fristen unzutreffend als erledigt gekennzeichnet. Dabei habe sie die in der Kanzlei geltenden allgemeinen Anweisungen zur Fristenkontrolle missachtet. Danach dürfe eine Notfrist erst gelöscht werden, wenn diese tatsächlich erledigt sei, also entweder beim Gericht eingereicht und dies in einem von der zuständigen Mitarbeiterin zu unterzeichnenden Vermerk bestätigt worden sei oder wenn ein Schriftsatz per EGVP übermittelt und das Empfangsbekenntnis ausgedruckt und zur Akte genommen worden sei. Im Bereich der Ausgangspost werde eine sogenannte "Rotmappe" für Eil- und Fristensachen geführt. In diese Mappen würden die Schriftsätze in ablaufenden Notfristen einsortiert , so dass diese nochmals optisch gesondert sichtbar seien.
- 3
- Die zuständige Kanzleimitarbeiterin habe die vorzeitige Streichung der Frist für unschädlich gehalten, da ihr bekannt gewesen sei, dass der Schriftsatz schon unterschriftsreif erstellt gewesen sei und sie beabsichtigt habe, ihn am selben Tag noch bei Gericht abzugeben. Bei Sortieren der Ausgangspost am Nachmittag des 17. April 2014 habe sie dann aber die inzwischen unterzeichnete Berufungsschrift nicht in die "Rotmappe" für Eil- und Fristsachen einsortiert, sondern zur regulären Post gelegt, diese dann aber infolge erheblichen Arbeitsanfalls am 22. April 2014, also am Tag des Fristablaufs, nicht zum Gericht gebracht , weil sich nur wenige Schriftstücke in der Ausgangspost befunden hätten. Hierbei habe sie übersehen, dass sich darunter auch die in der vorliegenden Sache gefertigte Berufungsschrift befunden habe.
- 4
- Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt , es komme nicht darauf an, ob die Berufungsfrist infolge eines der Klägerin nicht anzulastenden Fehlverhaltens der Kanzleiangestellten (Löschung der Frist im Kalender vor tatsächlichem Postausgang; Nichteinsortieren in die für Eil- und Fristsachen vorgesehene "Rotmappe"; Nichteinreichen der Post bei Gericht am Dienstag nach Ostern) nicht fristgerecht beim Berufungsgericht eingegangen sei. Denn ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden und für die Versäumung der Berufungsfrist ursächlich gewordenes, eigenständiges Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten liege jedenfalls darin begründet , dass er nicht alles ihm Zumutbare veranlasst habe, damit die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels gewahrt werde. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehöre unter anderem eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, die gewährleiste, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft werde. Dass eine solche selbständige und abschließende Kontrolle der Fristen im Büro des Klägervertreters durchgeführt werde, sei weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. In der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten bestehe lediglich die Handhabung, dass Notfristen erst bei tatsächlicher Erledigung im Fristenkalender gelöscht werden dürften, und dass Eil- und Fristsachen im Rahmen der Ausgangspost durch eine für die Gerichtspost geführte "Rotmappe" kontrolliert würden. Bei Durchführung einer abendlichen Ausgangskontrolle anhand des Fristenkalenders wäre aber die noch nicht erfolgte Absendung der Berufungsschrift festgestellt worden.
II.
- 5
- Die nach §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt.
- 6
- 1. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 6 mwN). Auch beruht die angefochtene Entscheidung - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht auf einem grundlegenden Fehlverständnis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
- 7
- 2. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltlichen Organisationspflichten bei der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze nicht überspannt, sondern unter Beachtung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze die Wiedereinsetzung in die ver- säumte Berufungsfrist rechtsfehlerfrei versagt und das Rechtsmittel der Klägerin als unzulässig verworfen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann nach dem Vorbringen der Klägerin nicht ausgeschlossen worden, dass die Fristversäumung auf einem - ihr zuzurechnenden (§ 85 Abs. 2 ZPO) - anwaltlichen Organisationsmangel (§ 233 ZPO) in der abendlichen Ausgangskontrolle in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten beruht.
- 8
- a) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen , dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08, XI ZB 2XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 11 mwN). Dies setzt zum einen voraus, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweitig als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, aaO Rn. 10 mwN; vom 16. Dezember 2013 - II ZB 23/12, juris Rn. 9 mwN). Ferner gehört hierzu die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird (BGH, Beschlüsse vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957 unter II; vom 13. September 2007 - III ZB 26/07, FamRZ 2007, 1879 Rn. 15; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; vom 26. April 2012 - V ZB 45/11, juris Rn. 12; vom 16. Dezember 2013 - II ZB 23/12, aaO; vom 11. März 2014 - VIII ZB 52/13, juris Rn. 5; jeweils mwN). Eine solche zusätzliche Kontrolle ist bereits deswegen notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuel- le Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt.
- 9
- b) Der Rechtsanwalt hat also die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2013 - II ZB 23/12, aaO Rn. 10). Bei der allabendlichen Kontrolle fristgebundener Sachen ist eine nochmalige, selbständige Prüfung erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 13. September 2009 - III ZB 26/07, aaO; vom 26. April 2012 - V ZB 45/11, juris aaO; jeweils mwN). Sie muss gewährleisten, dass am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH, Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, aaO mwN).
- 10
- Anders als die Rechtsbeschwerde meint, dient die allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze mittels Abgleichs mit dem Fristenkalender nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben. Dies stellt zwar eine wichtige Funktion der Ausgangskontrolle am Ende jeden Arbeitstages dar. Darin erschöpft sich der Sinn und Zweck dieser zusätzlichen Ausgangskontrolle jedoch nicht. Vielmehr soll die erneute und abschließende Überprüfung auch dazu dienen, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH, Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, aaO mwN). Zu diesem Zweck sind Fristenkalender so zu führen , dass auch eine gestrichene Frist noch erkennbar und bei der Endkontrolle überprüfbar ist. Das ist auch bei einer elektronischen Kalenderführung erforderlich , denn sie darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Über- prüfungssicherheit bieten (BGH, Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00 aaO mwN).
- 11
- c) Dass eine solche selbständige und abschließende Endkontrolle integraler Bestandteil der organisatorischen Abläufe in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist, hat diese weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Sie hat lediglich die Verfahrensweise bezüglich der Löschung von Notfristen im Fristenkalender und der Sammlung von Schriftsätzen in Eil- und Fristsachen in einer farblich auffälligen "Rotmappe" beschrieben. Dagegen lässt sich weder dem Vortrag der Klägerin noch der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der zuständigen Kanzleimitarbeiterin oder der anwaltlichen Versicherung des Klägervertreters entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seiner Kanzlei eine allabendliche Ausgangskontrolle eingeführt hat, bei der vor Büroschluss die in verschiedenen Mappen oder Fächern abgelegten Schriftsätze mit dem Inhalt des Fristenkalenders abgeglichen werden. Demensprechend beschränkt sich die Rechtsbeschwerde darauf, die Ursächlichkeit dieses anwaltlichen Organisationsverschuldens in Abrede zu stellen.
- 12
- d) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist das Fehlen einer wirksamen allabendlichen Ausgangskontrolle von Fristsachen anhand des Fristenkalenders für die Versäumung der Berufungsfrist zumindest mitursächlich geworden. Die Berufungsfrist lief am Osterdienstag, dem 22. April 2014 ab. Das Fristende war korrekt im elektronischen Fristenkalender eingetragen und im Laufe des Nachmittags des 17. April 2014 als erledigt markiert worden. Die als erledigt ausgewiesene Frist war - was nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Führung eines Fristenkalenders unverzichtbar ist - als solche aber noch erkennbar. In dem in der Kanzlei des Klägervertreters verwendeten elektronischen Fristenkalender werden Fristsachen rot markiert angezeigt. Die Lö- schung einer Frist erfolgt dadurch, dass die Mitarbeiterin den entsprechenden Fristeneintrag anklickt und an der hierfür vorgesehenen Stelle einen Haken setzt. Neben dem Fristeneintrag wird dann die Anmerkung "erledigt" angezeigt; gleichzeitig verschwindet die Rotmarkierung.
- 13
- Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es daher bei dem vom Klägervertreter verwendeten elektronischen Fristenkalender technisch durchaus möglich, im Falle eines ordnungsgemäßen allabendlichen Abgleichs der Post mit den Kalendereinträgen diejenigen Fristen aufzudecken, die zu Unrecht als erledigt gekennzeichnet worden sind. Dazu hätte es allerdings der für eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle unverzichtbaren, in der Kanzlei des Klägervertreters allerdings nicht praktizierten Handhabung bedurft, sämtliche für den jeweiligen Tag eingetragenen Fristsachen (auch diejenigen, in denen die Fristen als erledigt bezeichnet worden sind) am Ende des Arbeitstages anhand der Ausgangspost (und gegebenenfalls der Akten) darauf zu überprüfen, ob sich die in diesen Sachen zu erstellenden Schriftsätze in der für Eil- und Fristsachen bestimmten "Rotmappe" oder - falsch einsortiert - in der regulären Post, befinden, beziehungsweise ob sie - gemäß dem in den Akten befindlichen Erledigungsvermerk - bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesandt worden sind. Der Rechtsanwalt, der gesonderte Mappen für eilbedürftige Post führt, muss, um eine wirksame Endkontrolle zu schaffen, auch geeignete organisatorische Vorkehrungen dagegen treffen, dass von dem Abgleich mit dem Fristenkalender solche Schriftstücke ausgenommen werden, die versehentlich in die reguläre Post gelangt sind.
- 14
- Hätte in der Kanzlei des Klägervertreters eine entsprechende Anordnung zur Durchführung der beschriebenen Ausgangskontrolle bestanden, wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der zuständigen Mitarbeiterin die Berufungsfrist nicht versäumt worden. Bei einem Abgleich sämtlicher in der Ausgangspost befindlicher Schriftstücke mit den für den 22. April 2014 im Fristenkalender enthaltenen Eintragungen wäre offenbar geworden, dass die im Streitfall vor Erledigung der Fristsache gelöschte Frist tatsächlich noch nicht erledigt war, weil die gefertigte Berufungsschrift noch nicht abgesandt war, sondern sich in der regulären Ausgangspost befand und daher von der Mitarbeiterin noch am selben Abend hätte bei Gericht eingereicht werden müssen. Für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist, ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 14). Im Streitfall kommt hinzu, dass sich am 22. April 2014 nach den Angaben der Mitarbeiterin in dem für die Gerichtspost bestimmten Postausgangsfach , in dem die Berufungsschrift (versehentlich) abgelegt war, nur wenige Schriftstücke befanden, so dass der Schriftsatz mit geringem Prüfungsaufwand hätte entdeckt werden können. Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer Kosziol
AG Kassel, Entscheidung vom 11.03.2014 - 451 C 1403/13 -
LG Kassel, Entscheidung vom 30.05.2014 - 1 S 134/14 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt bis zu 65.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses am 16. April 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt. Nachdem bis zum Ablauf des 16. Juni 2014 keine Berufungsbegründung eingegangen war, wurde der Kläger hierauf mit Verfügung des Berufungsgerichts vom 17. Juni 2014 hingewiesen. Mit Schriftsätzen vom 8. Juli 2014, beide eingegangen am selben Tage, hat der Kläger seine Berufung begründet und bezüglich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
- 2
- Der Kläger hat in seinem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, dass es durch ein "singuläres Versehen" der langjährig erfahrenen und bislang stets zuverlässig tätig gewesenen persönlichen Sekretärin seines Rechtsanwalts Dr. K. , Frau P. , zur vorzeitigen Löschung der Berufungsbegründungsfrist und hierdurch zur Versäumung dieser Frist gekommen sei. Die persönliche Sekretärin des Rechtsanwalts sei neben der zentralen Fristenkontrollstelle der Anwaltskanzlei, die durch Frau H. wahrgenommen werde, für die Überwachung der Fristen zuständig. Die Fristenkontrolle sei in der Anwaltskanzlei so gestaltet, dass für die eingehende Post von der zentralen Fristenkontrolle (Frau H. ) die Wiedervorlage- und Notfristen (sogenannte Promptfristen) in den zentralen Fristenkalender eingetragen und sodann auf den Schriftstücken notiert würden. Dementsprechend seien nach Eingang des Urteils des Landgerichts die Berufungseinlegungsfrist (WV 08.05.2014; Pr[omptfrist]: 15.05.2014) und die Berufungsbegründungsfrist (WV 08.06.2014; Pr[omptfrist]: 13.06.2014) auf dem Urteil und im Fristenkalender eingetragen worden. In der Anwaltskanzlei bestehe die seit Jahrzehnten geltende und reibungslos funktionierende Anweisung , dass an dem jeweiligen Tag die eingetragenen Fristen von der zentralen Fristenkontrolle (Frau H. ) telefonisch an die jeweiligen persönlichen Sekretärinnen der Anwälte (hier: Frau P. ) durchgegeben würden, die die Akten den sachbearbeitenden Rechtsanwälten vorlegten und verpflichtet seien, darauf zu achten, dass die eingetragenen Fristen erst nach Bearbeitung gelöscht würden. Die den Streitfall betreffende Akte sei Rechtsanwalt Dr. K. nicht erst am 8. Mai 2014, dem Wiedervorlagetermin für die Berufungseinlegung , sondern bereits am 7. Mai 2014, nämlich im Zusammenhang mit dem Eingang der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung, vorgelegt worden. Rechtsanwalt Dr. K. habe sodann die Berufungsschrift diktiert und nach Niederschrift des Diktats durch Frau P. selbst am späten Nachmittag an das Berufungsgericht per Telefax übersandt. Er habe die Fristen für die Berufungseinlegung (08.05.2014 und 15.05.2014) auf dem landgerichtlichen Urteil gestrichen, diese Streichung mit seinem Handzeichen versehen und die Akte mit der Berufungsschrift und dem Sendeprotokoll am Abend auf seinem Schreibtisch liegen lassen. Am Vormittag des nächsten Tages habe er Frau P. sinngemäß gesagt: "In der Sache Kü. habe ich die Berufungseinlegung schon rausgeschickt, bitte entsprechend an Frau H. durchgeben, dass die Promptfrist für die Berufungseinlegung gelöscht werden kann." Frau P. habe die Akte aus dem Zimmer von Rechtsanwalt Dr. K. mitgenommen und zu ihrem Schreibtisch gebracht. Dort habe sie nach Erledigung mehrerer Telefonate Frau H. per E-Mail geschrieben: "Promptfristen streichen , Kü. ./. S. u.a., LG Düsseldorf, 10 O 210/12, Urteil vom 15.04.2014, WV 08.06.2014, Pr 15.05.2014, Pr 13.06.2014", also versehentlich mitgeteilt, dass auch die Fristen für die Berufungsbegründung gestrichen werden sollten. Dies habe Frau H. in dem von ihr geführten zentralen Fristenkalender dann auch so vollzogen, so dass die rechtzeitige Aktenvorlage für die Berufungsbegründung unterblieben sei.
- 3
- In der Anwaltskanzlei bestehe die allgemeine Anweisung, dass grundsätzlich nur die mit der Fristenkontrolle betrauten persönlichen Sekretärinnen überhaupt Fristen streichen dürften, und dies auch erst, nachdem sie sich anhand der Akte oder des zu erledigenden Schriftsatzes vergewissert hätten, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei, oder wenn sie dazu (wie hier) eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts erhalten hätten. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Frist lange vor dem letzten Tag des Fristab- laufs erledigt sei, weil entweder der zu fertigende Schriftsatz nachweislich abgesandt oder etwa entschieden worden sei, ein Rechtsmittelverfahren nicht durchzuführen, teile Frau P. auf Anweisung von Rechtsanwalt Dr. K. hin Frau H. mit, dass die bei ihr im Fristenkalender eingetragene konkrete Frist gelöscht werden könne. Damit solle verhindert werden, dass die Akte wegen der erledigten Frist zu einem späteren Zeitpunkt nochmals vorgelegt werde. Nur dann, wenn Frau H. konkret unter Angabe der genauen Akte und Frist angewiesen werde, eine Frist vorzeitig im zentralen Fristenkalender zu streichen , nehme sie die Fristenstreichung vor; einer etwaigen Anweisung zu einer pauschalen Fristenstreichung (etwa: "alle Fristen eines Tages") komme sie nicht nach.
- 4
- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
- 5
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass dem Rechtsanwalt des Klägers ein Organisationsverschulden zur Last falle, welches sich der Kläger zu- rechnen lassen müsse. Nach allgemeiner Anweisung sei es in der Anwaltskanzlei möglich gewesen, dass die mit der zentralen Fristenkontrolle (einschließlich der Streichung von Fristen im zentralen Fristenkalender) betraute Mitarbeiterin H. eine Frist habe löschen dürfen, ohne zur Kontrolle die Handakte oder eine direkte Einzelanweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts zu besitzen. Vielmehr sei es ihr erlaubt gewesen, aufgrund einer konkreten Anweisung der persönlichen Sekretärin des jeweiligen Rechtsanwalts Fristen zu löschen. Dadurch sei die Gefahr geschaffen worden, dass es zu einer versehentlichen Falschübermittlung habe kommen können, ohne dass die mit der konkreten Löschung der Frist befasste Mitarbeiterin H. eine Überprüfungsmöglichkeit gehabt habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die persönlichen Sekretärinnen ebenfalls eine Kontrollfunktion wahrnähmen und grundsätzlich nur sie überhaupt Fristen löschen dürften. Denn dadurch, dass sie die Fristen gerade nicht selber im Fristenkalender löschten, sondern ihrerseits nur eine Anweisung zur Fristenlöschung an eine weitere Mitarbeiterin, die für den Fristenkalender zuständig sei, erteilten, sei eine wirksame Fristenkontrolle nicht hinreichend gewährleistet. Es müsse sichergestellt sein, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet werde, wenn der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und dafür Sorge getragen worden sei, dass das Schriftstück tatsächlich hinausgehe. Dies sei nur der Fall, wenn die Mitarbeiterin, die die Fristen im Fristenkalender streiche, entweder eine eigene Überprüfungsmöglichkeit anhand der Handakte oder eine diesbezügliche konkrete Einzelanweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts erhalten habe.
- 7
- 2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe ein ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Rechtsanwalts nicht auszuräumen vermocht, so dass ihm keine Wiedereinsetzung zu gewähren und seine Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, befindet sich in Übereinstim- mung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht nicht verletzt.
- 8
- a) Es gehört zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmitteleinlegungs- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden, und zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Fristenkontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen , dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und somit die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist, oder wenn von einer (weiteren) Durchführung des Rechtsmittelverfahrens abgesehen werden soll. Dabei ist die für die Kontrolle zuständige Bürokraft anzuweisen, dass Fristen im Kalender erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen sind, nachdem sie sich anhand der Akte selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Fristenkontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 2015 - IV ZB 14/14, BeckRS 2015, 01755 Rn. 8; vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, BeckRS 2015, 00476 Rn. 8; vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 f Rn. 8 f; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn. 9 und vom 5. März 2008 - XII ZB 186/05, NJW-RR 2008, 1160, 1161 Rn. 11 ff sowie Senatsbeschlüsse vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, NJOZ 2014, 1476 Rn 8 und vom 13. September 2007 - III ZB 26/07, MDR 2008, 53, 54 - jeweils mwN).
- 9
- b) Nach diesen Maßgaben hat der Kläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass im Büro seines Rechtsanwalts hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen worden sind, welche die unberechtigte Streichung von Fristen verhindern und damit die rechtzeitige Vorlage fristgebundener Sachen sicherstellen.
- 10
- aa) Aus den Ausführungen des Klägers ist schon nicht ersichtlich, welche konkrete Bürokraft für die Fristenkontrolle Verantwortung getragen hat. Eine solche Darlegung ist für die Ausräumung eines Organisationsverschuldens jedoch geboten. Es muss nämlich eindeutig feststehen, welche Fachkraft zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils ausschließlich für die Fristenkontrolle zuständig ist (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 3. November 2010 - XII ZB 177/10, NJW 2011, 385, 386 Rn. 9 und vom 17. Januar 2007 - XII ZB 166/05, NJW 2007, 1453 Rn. 12 f).
- 11
- (1) Im Wiedereinsetzungsgesuch hat der Kläger ausgeführt, dass die persönliche Sekretärin seines Rechtsanwalts, Frau P. , "neben der zentralen Fristenkontrollstelle" der Anwaltskanzlei, die durch Frau H. wahrgenommen werde, für die Überwachung der Fristen zuständig gewesen sei. Der Fristenkalender wurde nach den Angaben des Klägers indessen nicht von Frau P. , sondern - zentral - allein von Frau H. geführt, welche die Fristen eintrug, deren Löschung vornahm und die persönlichen Sekretärinnen der Rechtsanwälte laufend über die jeweils aktuellen Fristen unterrichtete. Die persönlichen Sekretärinnen der Rechtsanwälte hatten nach dem Vortrag des Klägers die Aufgabe, darauf zu achten, dass die eingetragenen Fristen erst nach der Bearbeitung gelöscht wurden. "Grundsätzlich" durften nur "die mit der Fristenkontrolle betrauten persönlichen Sekretärinnen" überhaupt Fristen streichen und gaben dies dann an Frau H. weiter.
- 12
- (2) Aus diesem Vorbringen wird nicht in dem erforderlichen Maße deutlich , welche Bürokraft in der Anwaltskanzlei ausschließlich mit der Fristenkontrolle betraut gewesen ist.
- 13
- Das Berufungsgericht hat angenommen, dass beide Bürokräfte, Frau P. und Frau H. , Aufgaben der Fristenkontrolle wahrgenommen hätten. Dies greift der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde an. Er meint, das Berufungsgericht habe sich über seinen Vortrag hinweggesetzt und hierdurch seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Frau H. habe eigenständig keine Fristen löschen dürfen, sondern nur auf Weisung der persönlichen Sekretärin des Rechtsanwalts. Frau H. habe also nur Anweisungen ausgeführt. Die Verantwortung für die Fristenüberwachung und die alleinige Befugnis, Fristen streichen zu dürfen, hätten ausschließlich bei den persönlichen Sekretärinnen gelegen.
- 14
- Mit dieser Rüge berücksichtigt der Kläger seinen Vortrag im Wiedereinsetzungsgesuch jedoch nicht vollständig. Dort hat er vorgebracht, dass Frau P. "neben" Frau H. ("zentrale Fristenkontrolle") für die Überwachung der Fristen zuständig gewesen sei. Mit der Angabe "grundsätzlich" in Bezug auf die Fristenstreichung hat er offen gelassen, wann und unter welchen Bedingungen die persönlichen Sekretärinnen oder Frau H. eine Fristenstreichung vornehmen dürfen. Unklar ist auch, wie die persönlichen Sekretärinnen in ausschließlich eigener Verantwortung eine Frist löschen können, wenn der Fristenkalender doch - insoweit eigenverantwortlich ("zentrale Fristenkontrolle") - von Frau H. geführt und verwaltet wird. Anders als es die Rechtsbeschwerde geltend machen möchte, erscheint Frau H. hinsichtlich der Fristenlöschung unter Zugrundelegung des Vortrags im Wiedereinsetzungsgesuch nicht als bloßer "verlängerter Arm" oder als ein schlichtes "Werkzeug" der persönlichen Sekretärinnen. Vielmehr bleibt es - auch weiterhin - ungeklärt, welche der beiden Bürokräfte die gebotene "ausschließliche Fristenkontrolle" auszuüben hatte.
- 15
- bb) Unbeschadet dessen hat das Berufungsgericht zu Recht beanstandet , dass durch die dargelegten allgemeinen Anweisungen in der Anwaltskanzlei der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht sichergestellt gewesen ist, dass vor einer Fristenstreichung die dafür erforderlichen Kontrollen vorgenommen werden.
- 16
- Durch organisatorische Anweisungen muss, wie oben (unter a) dargestellt , gewährleistet werden, dass die zuständige Bürokraft eine Fristenlöschung erst vornimmt, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist. Diese Kontrolle wird unterlaufen, wenn die Fristenlöschung durch eine Bürokraft erfolgt, der weder die Akte noch eine direkte Einzelanweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts vorliegt. Kontrollmöglichkeit und Fristenlöschung fallen dann nämlich auseinander, eine wirksame Fristenkontrolle findet insoweit also nicht statt. Die bloße Mitteilung einer anderen Bürokraft, die betreffende Frist solle gelöscht werden, genügt als Grundlage für eine Fristenstreichung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 1999 - XII ZB 15/99, NJW-RR 1999, 1222).
- 17
- cc) Schließlich ist eine Anordnung in der Kanzlei des Rechtsanwalts des Klägers, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird, nicht dargetan.
- 18
- Eine solche Kontrolle ist bereits deswegen notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (BGH, Beschluss vom 4. November 2014 aaO S. 254 Rn. 9). Sie dient nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben, sondern soll auch feststellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH aaO Rn. 10).
- 19
- c) Nach alldem stellt sich die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht, wie der Kläger meint, lediglich als Folge eines unvorhersehbaren singulären "Blackouts" der persönlichen Sekretärin seines Rechtsanwalts dar, sondern vielmehr auch als Folge einer ungenügenden Kanzleiorganisation, die es verabsäumt hat, die erforderliche Fristenkontrolle im Zusammenhang mit der Löschung von Fristen sicherzustellen.
- 20
- Hätte die mit der Fristenlöschung betraute Bürokraft (Frau H. ) eine Überprüfung anhand der Akte vornehmen können oder wäre eine abendliche Fristenkontrolle anhand des Fristenkalenders erfolgt, so wäre es bei gewöhnli- chem Lauf der Dinge entweder gar nicht erst zur Löschung der die Berufungsbegründung betreffenden Fristen gekommen oder diese Fristenlöschung wäre noch am selben Tage als unberechtigt aufgefallen und revidiert worden.
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.04.2014 - 10 O 210/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.09.2014 - I-6 U 100/14 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Dem Kläger ist das klageabweisende Urteil des Landgerichts am 9. Juli 2013 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat er rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 9. September 2013, der am 10. September 2013 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, hat er beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 9. Oktober 2013 zu verlängern. Das Oberlandesgericht hat die Frist mit Verfügung vom 11. September 2013 antragsgemäß verlängert. Vor Zugang dieser Verfügung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. September 2013 beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zu gewähren. Im selben Schriftsatz hat er nochmals beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 9. Oktober 2013 zu verlängern. Mit Verfügung vom 19. September 2013 hat das Oberlandesgericht die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 21. Oktober 2013 verlängert. Die Berufungsbegründung ist am 14. Oktober 2013 bei Gericht eingegangen.
- 2
- Der Kläger hat geltend gemacht, seine Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwältin K., habe den Fristverlängerungsantrag bereits in der Woche vor dem Fristablauf diktiert und mit der Begleitverfügung versehen, dass dieser Schriftsatz am 9. September 2013 ausgefertigt, ihr zur Unterschrift vorgelegt und fristwahrend vom Sekretariat gefaxt werden solle. Die Rechtsanwaltsfachangestellte B. habe den Schriftsatz am Freitag, dem 6. September 2013, mit Datum 9. September 2013 ausgefertigt und Rechtsanwältin K., die an jenem Tag Urlaub gehabt habe, in einer Unterschriftsmappe auf den Schreibtisch gelegt. Völlig unvorhersehbar sei Rechtsanwältin K. am Morgen des 9. September 2013 aufgrund einer akuten Erkrankung in ihrer Wohnung zusammengebrochen, habe sich einer Notoperation unterziehen müssen und befinde sich seither im Koma. Davon habe man in der Anwaltskanzlei am 9. September 2013 noch keine Kenntnis gehabt. Frau B. habe zunächst geglaubt, Rechtsanwältin K. werde im Laufe des Tages im Büro erscheinen. Gegen 18.00 Uhr habe Frau B. das Büro verlassen und dabei sowohl die in der vorliegenden Sache zu wahrende Frist als auch die in dem Büro von Rechtsanwältin K. liegende Unterschriftenmappe vergessen. Das Büro von Rechtsanwältin K. sei von außen nicht einsehbar, weshalb ihr die Mappe im Laufe des Tages nicht mehr aufgefallen sei. Aus diesem Grund habe sie auch keinen anderen Rechtsanwalt auf die Fristsache angesprochen, obwohl sie für solche Fälle allgemein angewiesen sei, die kanzleiintern zuständige Rechtsanwältin anzurufen, und wenn sie sie nicht erreiche, deren Vertreterin oder einen in der Kanzlei anwesenden Rechtsanwalt auf den Fristablauf anzusprechen. Am 9. September 2013 um 18.00 Uhr sei Rechtsanwältin Ku. noch anwesend gewesen. Die Büroorganisation sei generell so geregelt, dass eine Fristversäumung weitestgehend ausgeschlossen sei. Es gebe feste Fristenregelungen, wonach diejenige Bürokraft, die konkret mit der Fristenwahrung beauftragt sei - unabhängig davon, ob dies durch persönliche Ansprache oder im Wege eines Diktats erfolgt sei, - bis zur vollständigen Erledigung die Vorgänge der Fristwahrung überwache und diese erst dann als erledigt austrage. Diese Bürokraft sei auch für eine Fristenkontrolle am Ende des Tages zuständig. Im Arbeitsvertrag mit Frau B. sei ihr Aufgabenbereich fest umschrieben. Sie habe die Aufgaben einer Rechtsanwaltsfachangestellten; mithin sei ihr sowohl generell als auch im Besonderen die Wahrung der Fristen im Rahmen der Büroorganisation aufgetragen gewesen. Frau B. habe den Umstand , dass die Frist noch zu wahren gewesen sei, schlicht und einfach vergessen.
- 3
- Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 zurückgewiesen, weil es nicht den Anforderungen des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO entspreche. Der Kläger habe die versäumte Prozesshandlung nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt. Die irrtümlich bewilligte Fristverlängerung für die Einreichung der Berufungsbegründung sei unwirksam und habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung dieses Beschlusses und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung, hilfsweise Zurückverweisung.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO iVm § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeu- tung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
- 5
- 1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde beruht der angefochtene Beschluss weder auf einer Verletzung des verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruchs des Klägers auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Dem Kläger wird insbesondere nicht der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
- 6
- a) Es kann offenbleiben, ob dem Kläger, der seine Berufungsbegründung erst am 14. Oktober 2013 und damit nach Ablauf der für die Nachholung der versäumten Prozesshandlung geltenden einmonatigen Frist des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingereicht hat, ein Verschulden an der Versäumung dieser Frist angelastet werden kann oder ihm wegen der irreführenden Fristverlängerung durch das Berufungsgericht vom 19. September 2013 - auf seinen konkludenten Antrag im Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 oder von Amts wegen - Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu gewähren wäre (vgl. BVerfGE 110, 339, 343 ff.; BGH, Beschluss vom 7. Juni 1999 - II ZB 25/98, VersR 2000, 647, 648).
- 7
- b) Das Berufungsgericht hat dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht , das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Der Kläger hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass seine Prozessbevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden.
- 8
- aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen , durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Dabei ist der für die Kontrolle zuständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, VersR 2014, 645 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2013 - XII ZB 559/12, VersR 2013, 1330 Rn. 6; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8, jeweils mwN). Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (st. Rspr., s. etwa BGH, Senatsbeschlüsse vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, VersR 2012, 1009 Rn. 9; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, VersR 2012, 506 Rn. 7 f; BGH, Beschlüsse vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, juris Rn. 8 f.; vom 16. Juli 2014 - IV ZB 40/13, juris Rn. 9; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8; vom 23. April 2013 - X ZB 13/12, juris Rn. 9; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn. 9; vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378, Rn. 7).
- 9
- bb) Der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist nicht zu entnehmen , dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen wurden. Obwohl der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. September 2013 ausdrücklich auf das Fehlen jeglichen Vortrags zur Ausgangskontrolle hingewiesen hatte, hat der Kläger weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass eine Kanzleianweisung besteht, aufgrund derer Rechtsmittelfristen in einen Fristenkalender einzutragen und erst zu streichen sind, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist. Ebenso wenig ist eine Anordnung der Prozessbevollmächtigten dargetan, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird.
- 10
- cc) Die unzureichende Ausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers war auch kausal für die Fristversäumung. Hätte die Prozessbevollmächtigte des Klägers Vorkehrungen dafür getroffen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist, und die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird, so wäre die Berufungsbegründungsfrist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gewahrt worden (vgl. zur Kausalität Senatsbeschluss vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 9; Zöller/ Greger, ZPO, 28. Aufl., § 233 Rn. 22). Denn dann hätte es sich nicht ausgewirkt , dass Frau B. die Frist und die Postmappe im Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. September 2013 "schlicht und einfach vergessen" hatte. Vielmehr wäre bei der gebotenen Fristenkontrolle aufgefallen, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, dem das Oberlandesgericht in der Folge stattgegeben hat, noch nicht fertiggestellt war. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers wäre er dann von der noch anwesenden Rechtsanwältin Ku. unterzeichnet und rechtzeitig per Telefax an das Oberlandesgericht übersandt worden. Die Frist wäre dann nicht am 9. September 2013, sondern aufgrund der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 19. September 2013 am 21. Oktober 2013 abgelaufen und durch die am 14. Oktober 2013 eingegangene Berufungsbegründung gewahrt worden. Galke Diederichsen Stöhr von Pentz Offenloch
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 04.07.2013 - 2-10 O 383/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.10.2013 - 16 U 143/13 -
Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gegenstandswert: 1.000 €.
Gründe:
- 1
- I. Der Gläubiger warf der Schuldnerin und deren Ehemann ausländerfeindliche und beleidigende Äußerungen gegenüber ihm, seiner Ehefrau und seiner Tochter vor. Die Schuldnerin und ihr Ehemann machten demgegenüber geltend, ihrerseits vom Gläubiger beleidigt, körperlich angegriffen und belästigt worden zu sein. Am 21. Oktober 2008 schlossen die Parteien vor dem Amtsgericht einen Vergleich, dem auch die Ehefrau des Gläubigers beitrat. In dem Vergleich verpflichteten sich der Gläubiger und seine Ehefrau einerseits sowie die Schuldnerin und ihr Ehemann andererseits wechselseitig insbesondere dazu , Beleidigungen gegenüber der jeweils anderen Seite zu unterlassen.
- 2
- Dem Gläubiger wurde eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Juni 2009 wurde den Parteien für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zu 250 €, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.
- 3
- Am 11. April 2011 stellte der Gläubiger den Schuldnern die ihm vom Amtsgericht übermittelte vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs im Parteibetrieb zu. Im Anschluss daran beantragte er die Verhängung eines Ordnungsgelds gegen die Schuldnerin und stützte sich dafür auf mehrere - bestrittene - Vorfälle. So habe ihm die Schuldnerin am 11. Juni und 30. September 2010 zugerufen: "Du scheiß Ausländer". Am 13. Juli 2011 habe sie gegenüber seiner Tochter geäußert: "Hier wird kein Türkisch gesprochen, Ausländer geh doch zurück in die Türkei". Schließlich habe die Schuldnerin dem Gläubiger am 17. August 2011 gegen 10 Uhr zweimal in provozierender Absicht ihr (bekleidetes ) Gesäß gezeigt.
- 4
- Das Amtsgericht hat gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht den Ordnungsmittelbeschluss aufgehoben und die Anträge des Gläubigers auf Verhängung eines Ordnungsgelds abgelehnt. Dagegen wendet sich der Gläubiger mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
- 5
- II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
- 6
- Wegen der vorgetragenen Vorfälle vom 11. Juni und 30. September 2010 könne kein Ordnungsgeld verhängt werden, da zu diesem Zeitpunkt der gerichtliche Vergleich als maßgeblicher Vollstreckungstitel der Schuldnerin noch nicht zugestellt und die Ordnungsmittelandrohung vom 15. Juni 2009 rechtswidrig gewesen sei. Dieser Mangel sei erst durch Zustellung des Vergleichs am 11. April 2011 mit Wirkung für die Zukunft geheilt worden.
- 7
- Das behauptete beleidigende Verhalten gegenüber der Tochter des Gläubigers am 13. Juli 2011 werde vom Vergleich nicht umfasst. Auch auf den Vorfall vom 17. August 2011 könne die Verhängung eines Ordnungsmittels nicht gestützt werden, weil das vom Gläubiger behauptete Verhalten der Schuldnerin nicht gegen die Unterlassungspflicht aus dem gerichtlichen Vergleich verstoßen habe. Es sei schon zweifelhaft, ob die Verpflichtung zur Unterlassung von Beleidigungen überhaupt einen hinreichend bestimmten und damit vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Jedenfalls käme dies allenfalls für verbale Formalbeleidigungen in Betracht, da zumindest alle anderen Formen möglicher Beleidigungen in ihrer Bewertung von den individuellen Umständen und dem Verständnis der Beteiligten abhingen und im Prozessvergleich nicht näher konkretisiert worden seien. Das Zeigen des bekleideten Gesäßes in provozierender Absicht könnte unter diesen Umständen nicht als Verstoß gegen die vereinbarte Unterlassungsverpflichtung angesehen werden.
- 8
- III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat den Ordnungsmittelbeschluss des Amtsgerichts zu Recht aufgehoben, weil die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgelds im Hinblick auf keine der vom Gläubiger geltend gemachten Beleidigungen vorliegen.
- 9
- 1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, die Verhängung eines Ordnungsgelds gemäß § 890 ZPO gegen die Schuldnerin könne nicht aufdie behaupteten Vorfälle am 11. Juni und 30. September 2010 gestützt werden, weil es zu diesen Zeitpunkten an einer rechtmäßigen Androhung des Ordnungsmittels fehlte und dieser Mangel durch die nachträgliche Zustellung des Vollstreckungstitels im Parteibetrieb nur mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden konnte.
- 10
- a) Nach § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verurteilung zu einem Ordnungsgeld eine entsprechende Androhung vorausgehen. Erfolgt die Androhung nicht schon im Unterlassungstitel, sondern - wie im Streitfall - durch gesonderten Beschluss , stellt bereits die Androhung den Beginn der Zwangsvollstreckung dar. Daher müssen auch bereits zu diesem Zeitpunkt die allgemeinen Vorausset- zungen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Zustellung des Titels vorliegen (BGH, Urteil vom 29. September 1978 - I ZR 107/77, NJW 1979, 217; OLG Stuttgart, WRP 1986, 360; OLG Köln, OLG-Rep Köln 1992, 10, 11; Musielak/ Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 890 Rn. 17; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 890 Rn. 12a; Wolf in Hintzen/Wolf, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 2006, Rn. 7.116). Anders als bei einer schon im Titel enthaltenen Androhung ergeht die nachträgliche Androhung in einem besonderen Verfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung, für das dann aber auch die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gelten. Die Gegenmeinung (etwa - selbst zweifelnd - Ahrens/Spätgens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 64 Rn. 40; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890 Rn. 18) zeigt keinen zwingenden Grund auf, hiervon abzuweichen. Insbesondere kann der Gläubiger, der bei einem Antrag auf einstweilige Verfügung den Androhungsantrag vergessen hat, dies - unabhängig von der Frage, ob eine derartige Korrekturmöglichkeit geboten ist - sogleich nachholen und dann Androhungsbeschluss und einstweilige Verfügung dem Schuldner zusammen zustellen. Dies ergibt sich aus § 929 Abs. 3 Satz 1 ZPO, der gemäß § 936 ZPO im Fall der einstweiligen Verfügung jedenfalls auch insoweit entsprechend gilt (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1989 - IX ZR 148/88, NJW 1990, 122, 124).
- 11
- b) Der Schuldnerin ist eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erst am 11. April 2011 und damit nach der Androhung des Ordnungsmittels und nach den behaupteten Beleidigungen vom 11. Juni und 30. September 2010 zugestellt worden. Insoweit ist unerheblich, dass der Schuldnerin auf ihren Antrag vom 27. Oktober 2008 eine Ausfertigung des Vergleichs zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt worden ist. Die Übersendung der vollsteckbaren Ausfertigung erfolgte nicht im Wege einer Zustellung von Amts wegen gemäß §§ 166 ff. ZPO. Es war vom Gericht auch keine derartige Zustellung beabsichtigt , so dass eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO ebenfalls nicht in Betracht kommt. Für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift reicht es nicht schon aus, wenn das zuzustellende Schriftstück tatsächlich in die Hand des Gegners gelangt (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1952 - V ZR 159/51, BGHZ 7, 268, 270; Zöller/Stöber aaO § 189 Rn. 2).
- 12
- c) Die Mangelhaftigkeit der Ordnungsmittelandrohung wurde auch nicht rückwirkend durch Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs an die Schuldnerin am 11. April 2011 geheilt. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass eine Heilung des Zustellungsmangels nicht in Betracht kommt, wenn Gegenstand einer Vollstreckungsmaßnahme eine Sanktion für ein Verhalten des Schuldners ist.
- 13
- Allerdings wird die Fehlerhaftigkeit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme ex tunc beseitigt, wenn die andernfalls erforderliche erneute Vornahme der Zwangsvollstreckung eine leere Formalität wäre (RGZ 125, 286, 288). Das wird insbesondere im Zusammenhang mit den Schonfristen der § 750 Abs. 3, § 798 ZPO bei der Vollstreckung von Zahlungstiteln durch Pfändung angenommen (vgl. RGZ 125, 286; OLG Hamm, NJW 1974, 1516 und NJW-RR 1998, 87, 88; KG, NJW-RR 1988, 1406, 1407; Zöller/Stöber aaO Vor § 704 Rn. 35). In diesen Fällen greift die rückwirkende Heilung nicht über die titulierte Forderung hinaus eigenständig in die Rechtsstellung des Schuldners ein.
- 14
- Damit ist jedoch der Fall der Vollstreckung wegen eines Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtung nicht vergleichbar. So würde die nachträgliche Heilung der fehlerhaften Ordnungsmittelandrohung im Streitfall im Hinblick auf das dann rechtmäßig verhängte Ordnungsgeld erstmalig eine Zahlungspflicht der Schuldnerin in Höhe von 250 € begründen, obwohl die Voraussetzungen für die Ordnungsmittelanordnung im Zeitpunkt der Zuwiderhandlungen im Juni und September 2010 nicht vorlagen. Wegen dieses zusätzlichen Eingriffs in die Rechtsposition des Schuldners ist es in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt, die Formstrenge des Vollstreckungsverfahrens durch die Möglichkeit einer rückwirkenden Heilung zu korrigieren. Da § 890 ZPO auch Straf- charakter zukommt, erscheint dieses Ergebnis zudem im Hinblick auf die Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG geboten.
- 15
- 2. Mit Zustellung des gerichtlichen Vergleichs im Parteibetrieb am 11. April 2011 konnte der Mangel der fehlenden Zustellung auch für die Ordnungsmittelandrohung ex nunc beseitigt werden. Denn ab diesem Zeitpunkt hätte die Ordnungsmittelandrohung mit demselben Inhalt sogleich erneut ergehen müssen. Indes rechtfertigen die vom Gläubiger behaupteten beiden Vorfälle nach dem 11. April 2011 die Verhängung eines Ordnungsgelds ebenfalls nicht.
- 16
- a) Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, stellt die behauptete Äußerung der Schuldnerin am 13. Juli 2011 gegenüber der Tochter des Gläubigers keine Zuwiderhandlung gegen den gerichtlichen Vergleich dar, da dieser nur Verpflichtungen der Schuldnerin und ihres Ehemanns gegenüber dem Gläubiger und dessen Ehefrau begründete.
- 17
- b) Das Beschwerdegericht hat auch im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die vom Gläubiger behauptete Beleidigung durch provozierendes Verhalten am 17. August 2011 die Verhängung eines Ordnungsmittels nicht rechtfertigen kann. Der Unterlassungstitel ist nicht auf die konkrete Verletzungsform beschränkt , sondern verwendet zur Umschreibung des verbotenen Verhaltens den außerhalb eines Bedeutungskerns unscharfen Begriff "Beleidigungen". Bei der Auslegung eines solchen Titels ist eine Orientierung an den vorgetragenen konkreten Verletzungshandlungen geboten. Danach hat der Unterlassungstitel im vorliegenden Fall einen ausreichend bestimmten, vollstreckungsfähigen Inhalt nur im Hinblick auf eindeutige, unter allen Umständen zweifelsfrei beleidigende Äußerungen oder Verhaltensweisen. Außerhalb dieses Bereichs erfordert die Feststellung einer Beleidigung eine komplexe Beurteilung der individuellen Umstände und des Verständnisses der Beteiligten. Insoweit fehlt dem Vergleich ein vollstreckungsfähiger Inhalt.
- 18
- Zu den eindeutig und unter allen Umständen beleidigenden Verhaltensweisen kann das Entgegenstrecken eines bekleideten Gesäßes nicht gerechnet werden. Denn zu einer solchen Verhaltensweise kann es auch in alltäglichen Situationen ohne jede beleidigende Absicht und ohne jeden beleidigenden Erklärungswert kommen.
- 19
- 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
AG Langen (Hessen), Entscheidung vom 30.09.2011 - 56 C 356/07 (10) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 20.01.2012 - 5 T 552/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: 146,78 €
Gründe:
- 1
- I. Der Schuldner hatte im Rahmen einer Immobilienanzeige im Internet zwei Kartenausschnitte verwendet und damit Urheberrechte der Gläubigerin verletzt. Mit einstweiliger Verfügung vom 20. August 2010 untersagte ihm das Landgericht, die Kartenausschnitte zu vervielfältigen oder zu veröffentlichen.
- 2
- Der Schuldner löschte das Immobilienangebot. Die Kartenausschnitte konnten jedoch Anfang 2013 durch direkte Eingabe der jeweiligen URLs aufgerufen werden. Die Gläubigerin sieht darin einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung. Sie hat beantragt, gegen den Schuldner wegen dieses Verstoßes ein empfindliches Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, zu verhängen. Zur Begründung ihres Antrags hat die Gläubigerin ausgeführt, die Höhe des Ordnungsgeldes werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, es solle jedoch mindestens 3.500 € betragen.
- 3
- Das Landgericht hat gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 €, ersatzweise Ordnungshaft, verhängt und den weitergehenden Ordnungsmittelantrag zurückgewiesen. Die Kosten hat es zu 6/7 der Gläubigerin und zu 1/7 dem Schuldner auferlegt. Mit der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Gläubigerin beantragt, gegen den Schuldner ein angemessenes Ordnungsgeld zu verhängen und ihm die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. In der Beschwerdebegründung hat die Gläubigerin erneut angeregt, ein Ordnungsgeld von mindestens 3.500 € festzusetzen.
- 4
- Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen (OLG Köln, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 6 W 77/13, juris). Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Gläubigerin allein gegen die sie belastende Kostenentscheidung des Landgerichts.
- 5
- II. Das Beschwerdegericht hat es für zutreffend erachtet, dass das Landgericht der Gläubigerin den überwiegenden Teil der Kosten des Ordnungsmittelverfahrens auferlegt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt:
- 6
- Die Pflicht der Gläubigerin zur Tragung von Kosten ergebe sich aus § 891 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 92 ZPO. Die Gläubigerin habe zwar die Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt, gleichzeitig aber einen Mindestbetrag von 3.500 € genannt. In einem solchen Fall sei es angemessen, den Gläubiger anteilig mit den Kosten des Verfahrens zu belasten. Der Gläubiger habe ein eigenes Interesse an der Höhe des Ordnungsgeldes. Zwar fließe das Ordnungsgeld nicht ihm zu. Das Interesse des Gläubigers ergebe sich aber daraus, dass ihm eine Beschwerdebefugnis auch dann zustehe, wenn er lediglich eine Verschärfung des Ordnungsmittels durchsetzen wolle.
- 7
- III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist unzulässig (§ 99 Abs. 1 ZPO), weil sie sich allein gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts richtet.
- 8
- IV. Die Rechtsbeschwerde hätte auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat die gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu Recht zurückgewiesen. Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Gläubigerin an den Kosten des Ordnungsmittelverfahrens anteilig zu beteiligen ist, weil sie mit ihrem Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner teilweise unterlegen ist.
- 9
- 1. Die anteilige Kostentragungspflicht der Gläubigerin ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gemäß § 891 Satz 3 ZPO ist diese Bestimmung auf den Ordnungsmittelantrag gemäß § 890 Abs. 1 ZPO entsprechend anzuwenden.
- 10
- 2. Die Gläubigerin ist im Ordnungsmittelverfahren auch im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO teilweise unterlegen.
- 11
- a) Ein zur anteiligen Kostentragung führendes Teilunterliegen des Gläubigers wird teilweise verneint, wenn das Gericht in seiner Entscheidung hinter einer im Antrag gemäß § 890 Abs. 1 ZPO bezifferten Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes zurückbleibt (OLG Hamm, GRUR 1994, 83, 84; Ahrens in Ahrens, Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 68 Rn. 32; aA wohl OLG Hamm, WRP 2001, 55, 57; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 890 Rn. 11; offengelassen vom OLG München, NJW-RR 1991, 1086, 1087). Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
- 12
- aa) Soweit eine Ablehnung der Kostenlast des Gläubigers damit begründet wird, die Kostenentscheidung im Ordnungsmittelverfahren richte sich nach der all- gemeinen Regelung des § 788 Abs. 1 ZPO, so dass es allein auf die Notwendigkeit der durch den Ordnungsmittelantrag ausgelösten Kosten ankomme (vgl. OLG Hamm, GRUR 1994, 83, 84; wohl auch Sturhan in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 891 Rn. 6), steht dies nicht in Einklang mit der Bestimmung des § 891 Satz 3 ZPO. Mit der Schaffung der Verweisung in dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber im Hinblick auf die Kostenentscheidung ausdrücklich der Möglichkeit Rechnung tragen, dass Vollstreckungsanträge des Gläubigers nur teilweise erfolgreich sind (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrates zur 2. Zwangsvollstreckungsnovelle, BT-Drucks. 13/341, S. 41; Storz in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 891 Rn. 16). Auf die Kostenentscheidung im Ordnungsmittelverfahren nach § 890 Abs. 1 ZPO ist die Regelung des § 788 Abs. 1 ZPO deshalb nicht mehr anwendbar (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 57 Rn. 46; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 891 Rn. 2; Olzen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl., § 891 Rn. 4; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, § 891 Rn. 6; Saenger/Pukall, ZPO, 5. Aufl., § 891 Rn. 5; Musielak/Lackmann aaO § 891 Rn. 3).
- 13
- bb) Die gegenteilige Ansicht kann auch nicht damit begründet werden, es handele sich bei der Bezifferung eines Ordnungsgeldes durch den Gläubiger lediglich um eine bloße Anregung für die vorzunehmende Ermessensentscheidung des Gerichts (OLG Hamm, GRUR 1994, 83, 84; Ahrens aaO Kap. 68 Rn. 32).
- 14
- Allerdings muss der Antrag gemäß § 890 Abs. 1 ZPO kein bestimmtes Ordnungsmittel und dessen Höhe bezeichnen (Zöller/Stöber aaO § 890 Rn. 13; Musielak/Lackmann aaO § 890 Rn. 8; Gruber in MünchKomm.ZPO, 4. Aufl., § 890 Rn. 30). Vielmehr steht die Wahl zwischen Ordnungsgeld und Ordnungshaft und die Bestimmung der Höhe des Ordnungsmittels im Ermessen des Gerichts (Zöller/ Stöber aaO § 890 Rn. 17; Bendtsen in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung , 2. Aufl., § 890 Rn. 61). Dies steht jedoch der Berücksichtigung der vom Gläubiger dennoch ausdrücklich angegebenen Höhe des beantragten Ordnungsmittels oder eines Mindestbetrags bei der Kostenentscheidung des Ordnungsmittelverfahrens nicht entgegen. So ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass das Gericht bei in sein richterliches Ermessen gestellten Entscheidungen zwar die Möglichkeit hat, nur einer Partei die gesamten Prozesskosten aufzuerlegen. Zwingend ist dies jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht. Möglich bleibt auch in diesen Fällen eine Kostenteilung nach den Grundsätzen des § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dies ist regelmäßig geboten, wenn der Kläger einen bestimmten Betrag fordert (Schulz in MünchKomm.ZPO aaO § 92 Rn. 23; Saenger/Gierl, ZPO aaO § 92 Rn. 18; Zöller/Herget aaO § 92 Rn. 12; Jaspersen/Wache in BeckOK.ZPO, Stand 15. August 2014, § 92 Rn. 36).
- 15
- cc) Für die Annahme eines Teilunterliegens im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO spricht ferner, dass die Angabe der Mindesthöhe des Ordnungsmittels für die Bestimmung des Rechtsschutzziels des Gläubigers verfahrensrechtlich auch ansonsten von Bedeutung ist. So kann der Gläubiger mit einer Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss nach § 891 Satz 1 ZPO allein das Ziel verfolgen, das Ordnungsmittel zu verschärfen (Zöller/Stöber aaO § 890 Rn. 28; Musielak/ Lackmann aaO § 890 Rn. 20; Saenger/Pukall aaO § 890 Rn. 37). Kann sich der Gläubiger aber mit der Angabe eines bestimmten Ordnungsgeldes oder eines Mindestbetrages eine Beschwer und damit eine Rechtsmittelmöglichkeit schaffen, muss er sich an dieser Konkretisierung seines Rechtsschutzziels auch bei der Frage festhalten lassen, ob er mit seinem Begehren im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO teilweise unterlegen und er deshalb an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen ist.
- 16
- b) Für die Annahme eines Teilunterliegens im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 891 Satz 3 ZPO ist es ohne Bedeutung, ob der Gläubiger seine Vorstellungen zur Höhe des festzusetzenden Ordnungsmittels in Form eines bezifferten Antrags zum Ausdruck bringt oder ob er - wie im Streitfall - in der zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Begründung (vgl. dazu Gruber in MünchKomm.ZPO aaO § 890 Rn. 30) einen festzusetzenden Mindestbetrag nennt und damit zum Ausdruck bringt, dass sein Rechtsschutzziel bei dessen Unterschreitung nicht erreicht ist. Maßgebend für eine Kostenbeteiligung des Gläubigers ist allein, ob er erkennbar Wert auf die Höhe des Ordnungsmittels gelegt hat (vgl. auch Musielak/Lackmann aaO § 890 Rn. 11).
- 17
- V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 22.04.2013 - 28 O 575/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 27.06.2013 - 6 W 77/13 -