Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 29. Jan. 2004 - 2 U 112/03

published on 29.01.2004 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 29. Jan. 2004 - 2 U 112/03
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Tenor

a) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.2003 - 20 O 101/03 - wird zurückgewiesen.

b) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

c) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,-- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

d) Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens:  15.000,-- EUR

Gründe

I. Der Kläger, ein nach § 4 Unterlassungsklagegesetz rechtsfähiger Verband, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der im Klageantrag näher bezeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch, die für die Übertragung von Wertpapieren auf ein anderes Depot Gebühren vorsehen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Klauseln, soweit diese die Übertragung von Wertpapieren betreffen, die mangels Existenz gegenständlich nicht zurückgegeben werden könnten (Bucheffekten), den Kunden unangemessen benachteiligen.
Sie hat beantragt
der Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB) die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Depotverträgen über Wertpapiere zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:
a) Übertragung von Wertpapieren:
innerhalb der Kreissparkasse Böblingen EUR 3,00 (inklusive MwSt) pro Wertpapiergattung
b) Übertragung von Wertpapieren:
innerhalb der Sparkassenorganisation EUR 3,00 (inklusive MwSt) pro Wertpapiergattung
c) Übertragung von Wertpapieren:
10 
an netzfremde Institute EUR 15,00 (inklusive MwSt) pro Wertpapiergattung
11 
Die Beklagte hat beantragt
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie ist der Auffassung, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Nachprüfung entzogen seien, da die Übertragung von Wertpapieren auf ein anderes Depot eine zusätzliche, vom Depotvertrag nicht umfasste Leistung darstelle.
14 
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 20.05.2003 stattgegeben. Es ist dabei davon ausgegangen, dass die Übertragung von nicht existierenden Wertpapieren auf ein anderes Depot an die Stelle der zu einem Depotvertrag gehörenden Rückgabepflicht trete, mithin die Bestimmungen von einer gesetzlich vorgesehenen Leistung zum Nachteil der Kunden abweichen würden.
15 
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie geltend macht, dass es sich bei körperlich nicht dokumentierten Werten nicht um Wertpapiere i. e. S. handele, weshalb diese auch nicht mit körperlich vorhandenen Wertpapieren gleichgestellt werden dürften. Unter Berücksichtigung der Regelungen in § 9 a Abs. 3 Satz 2 Depotgesetz, wonach unabdingbares Wesensmerkmal einer Dauerglobalurkunde sei, dass kein Anspruch auf Auslieferung von einzelnen Wertpapiere bestehe, sei die Annahme einer Rückgabepflicht verfehlt. Das Fehlen eines Herausgabeanspruchs gegen die depotführende Bank sei den Kunden auch bekannt, weshalb in der Übertragung von Bucheffekten auch kein Äquivalent zur Herausgabe, sondern eine zusätzliche Leistung zu sehen sei.
16 
Die Beklagte beantragt
17 
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.2003 (Aktenzeichen 20 O 101/03) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
18 
Der Kläger hält das angegriffene Urteil für zutreffend und beantragt
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
II. Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
21 
Das Landgericht ist mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen werden kann, zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten verwendeten Geschäftsbedingungen, soweit sie Gebühren für die Übertragung von sogenannten Bucheffekten vorsehen, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB unterliegen und eine unangemessene Benachteiligung der Kunden enthalten.
22 
Das Landgericht ist bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Geschäftsbedingungen von allgemein anerkannten Grundsätzen ausgegangen. Danach unterliegen AGB-Bestimmungen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB nicht, wenn diese die Art und den Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu bezahlenden Preis oder das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Neben- oder Sonderleistung regeln, für die keine rechtlichen Regelungen bestehen (BGH NJW 1996, 2032; 1998, 383). Dagegen stellen Entgeltregelungen, die eine nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte Sonderleistung zum Gegenstand haben, sondern den für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders erforderlichen Aufwand auf den Kunden abwälzen, eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und fallen in den Anwendungsbereich der §§ 307 bis 309 BGB (BGH NJW 1997, 2752 f.; 1997, 2752 f.; 1998, 383; BGH NJW-RR 1999, 125).
23 
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht zu Recht die beanstandeten Klauseln wegen ihrer Geltung für gegenständlich nicht vorhandene Wertpapiere als kontrollfähige Nebenbestimmungen angesehen. Dass die streitgegenständlichen Bestimmungen auch die Übertragung von Bucheffekten erfassen, ist zwischen den Parteien unstreitig, weshalb es der Anwendung des Grundsatzes der kundenfeindlichsten Auslegung nicht bedarf.
24 
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen, ist die Rechtsnatur des Depotvertrages. Dieser stellt einen gemischten Vertrag dar, bei dem die Verwahrung der Wertpapiere ein wesentlicher Bestandteil ist. Aus den Vorschriften über das Verwahrverhältnis ( §§ 695, 697 BGB) ergibt sich, dass die Rückgabe der verwahrten Gegenstände eine gesetzliche Pflicht des Verwahrers darstellt und damit keine zusätzlich zu vergütende Leistung.
25 
Dies hat auch die Beklagte durch die Abgabe einer Unterwerfungserklärung anerkannt, in der sie auf die Erhebung von Gebühren für die Aushändigung im Depot befindlicher Wertpapiere an Kunden verzichtet hat.
26 
Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt sich aber  die Verpflichtung zur kostenlosen Beendigung des Verwahrverhältnisses nicht auf die Rückgabe der gegenständlich vorhandenen Wertpapiere, sondern umfasst auch die sogenannten Bucheffekten, bei denen eine Rückgabe im eigentlichen Sinne nicht möglich ist und daher im Wege der Übertragung auf ein anderes Depot zu erfolgen hat.
27 
Der Auffassung, dass bei Bucheffekten die Beendigung des Depotvertrages nur durch eine zusätzlich zu vergütende Leistung möglich ist, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Aus § 9 a Abs.3 DepotG, der bei Sammelurkunden die Möglichkeit einräumt, das Recht auf Auslieferung von Einzelurkunden auszuschließen, kann nicht abgeleitet werden, dass die Beendigung des Depotvertrags hinsichtlich der im Depot geführten Bucheffekten anders als bei den tatsächlich existierenden Wertpapieren nicht zu den vertraglich geschuldeten Leistungen der depotführenden Bank gehört. Eine derartige Auslegung des Depotvertrages und die damit verbundene Differenzierung zwischen den Arten der Wertpapiere entspricht nicht der bei der Auslegung des Depotvertrags nach §§ 133, 157 BGB zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessenlage.
28 
Der Depotvertrag unterscheidet hinsichtlich der Depotgebühren nicht zwischen rückgabefähigen Wertpapieren und sogenannten Bucheffekten, bei denen eine Rückgabe nicht möglich ist. Wenn aber die Rückgabe von verwahrten Wertpapieren zu den typischerweise zu erbringenden Pflichten im Rahmen eines Depotvertrages gehört, wird diese Leistung durch die Zahlung der vereinbarten Depotgebühren abgegolten. Es entspricht daher einem sachgerechtem Interessenausgleich, die Beendigung des Depotvertrages hinsichtlich Bucheffekten hinsichtlich der Gebührenfreiheit gleich zu behandeln. Der mit der Übertragung von Wertpapieren für die Bank verbundene Aufwand ist auch gegenüber der Auslieferung von Wertpapieren als solcher, die in der Regel erst von der depotführenden Bank beschafft werden müssen, keineswegs größer, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Annahme nicht unbillig erscheint, dass bei Bucheffekten deren Übertragung an die Stelle der Rückgabe tritt.
29 
Demnach weicht die Klausel von gesetzlichen Vorgaben ab und unterliegt daher der Inhaltskontrolle.
30 
Hieraus folgt zugleich, dass die Klausel insoweit den Kunden unangemessen benachteiligt, als dieser neben der allgemeinen Depotgebühr für die Übertragung von Bucheffekten bei der Beendigung des Depotverhältnisses mit weiteren Gebühren belastet wird. Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil verwiesen werden.
31 
Aus dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion folgt, dass die Klausel nicht teilweise aufrechterhalten werden kann, so dass die Klausel insgesamt unwirksam ist ( vgl. BGH NJW 2003, 1521).
32 
Demnach erweist sich die Berufung als unbegründet.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
34 
Die Revision wird aus beiden in § 543 Abs.2 ZPO angeführten Gründen zugelassen, zumal die AGB der Beklagten verbandsweit und über den Bezirk des OLG Stuttgart hinaus Anwendung finden.
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo
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Tenor 1. Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB) die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeine Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Depotverträ
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Annotations

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Der Hinterleger kann die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern, auch wenn für die Aufbewahrung eine Zeit bestimmt ist. Die Verjährung des Anspruchs auf Rückgabe der Sache beginnt mit der Rückforderung.

Die Rückgabe der hinterlegten Sache hat an dem Ort zu erfolgen, an welchem die Sache aufzubewahren war; der Verwahrer ist nicht verpflichtet, die Sache dem Hinterleger zu bringen.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.