Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 16. Juli 2015 - 19 U 18/15

bei uns veröffentlicht am16.07.2015

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 29. Oktober 2014 (5 O 247/12 Mc) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Dieses Urteil wie auch das angefochtene Urteil des Landgerichts Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger und die Drittwiderbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger und die Drittwiderbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
A.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Miterbin am Nachlass der Erblasserin … geworden oder ob sie pflichtteilsberechtigt ist, weil sie nach Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat.
Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 29. Oktober 2014 (5 O 247/12 Mc; GA II 178 ff.).
Mit diesem Urteil hat das Landgericht festgestellt, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker die Beklagte als Miterbin am Nachlass der verstorbenen …, geb. …, geboren am … 1925, verstorben am … 2012 in …, und zwar zu einem 1/4-Anteil anzusehen und für den aufzustellenden Teilungsplan auch entsprechend zu berücksichtigen hat (Ziff. 1 des Urteilstenors). Des Weiteren hat es die Widerklage und die Drittwiderklage der Beklagten abgewiesen (Ziff. 2 des Urteilstenors). Zudem hat es die Wider-Widerklage des Klägers abgewiesen (Ziff. 3 des Urteilstenors).
Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (LGU 14 ff.).
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren wie auch ihr Widerklage- und Drittwiderklagebegehren weiter.
Die Beklagte beantragt (GA III 340 i.V.m. GA III 275 f.),
unter teilweiser Abänderung des am 29. Oktober 2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Heilbronn (5 O 247/12 Mc)
I. die Klage abzuweisen;
II. den Widerbeklagten (oben Ziff. 2.) und die Drittwiderbeklagten gemäß dem Antrag der Drittstufenwiderklage aus dem Schriftsatz vom 6. Februar 2014 in der Fassung vom 11. März 2014 wie folgt zu verurteilen:
10 
Der Widerbeklagte (oben Ziff. 2.) und die Drittwiderbeklagten werden im Wege der Stufenklage verurteilt,
11 
1. In der ersten Stufe
12 
a) Der Widerbeklagte … (oben Ziff. 2.) und die Drittwiderbeklagten zu 1.-9. … und … (oben Ziff. 3.-11.) werden samtschuldnerisch verurteilt, den Wert der Immobilie im … in H… (Flurstücknummer …) durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zum Stichtag 25. Januar 2012 auf Kosten des Nachlasses zu ermitteln.
13 
b) Es werden die Drittwiderbeklagten zu 7., 8., 9. und 10. …, … und … und … verurteilt, Auskunft über alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen der verstorbenen … zu erteilen, die die Erblasserin seit dem 25. Januar 2002 noch zu Lebzeiten an diese getätigt hat.
14 
2. In der zweiten Stufe werden der Widerbeklagte … (oben Ziff. 2.) und alle Drittwiderbeklagten (… und … und …) für den Fall, dass die Verzeichnisse bzw. Erklärung nicht mit der väterlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollten, verurteilt, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass der Widerbeklagte (oben Ziff. 2.) und die Drittwiderbeklagten nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben haben, als sie dazu im Stande sind.
15 
3. In der dritten Stufe den Widerbeklagten … (oben Ziff. 2.) und die Drittwiderbeklagten zu 1.-9. … und … (oben Ziff. 3.-11.) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte den Pflichtteil in Höhe von 1/8 des sich aus der Auskunft ergebenden Nachlasswertes nebst Zinsen hieraus i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p.a. seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
16 
4. Ferner in der dritten Stufe den Widerbeklagten … (oben Ziff. 2.) und die Drittwiderbeklagten zu 1.-9. … und … (oben Ziff. 3.-12.) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte Pflichtteilsergänzungsansprüche i.H. von 1/8 des sich aus der Auskunft ergebenden fiktiven Nachlasswertes aus den ergänzungspflichtigen Schenkungen der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall, also seit dem 20. Januar 2002, nebst Zinsen hieraus i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p.a. seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
17 
III. Den Widerbeklagten (oben Ziff. 1.) gemäß dem Antrag aus der Widerklageschrift vom 6. Februar 2014 zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung wegen der Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Beklagten gemäß der oben unter II. Beantragten Drittwiderstufenklage in den Nachlass der am … 2012 …, geb. … (Erblasserin), zu dulden.
18 
Der Kläger wie auch die Drittwiderbeklagten zu 1 bis 6 und zu 9 bis 12 beantragen (GA III 340 i.V.m. GA III 319, 314, 317 und 312),
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.
21 
Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
22 
Zu Recht ist das Landgericht in seinem sorgfältig begründeten Urteil vom 29. Oktober 2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass die zulässige Klage begründet ist, wohingegen die zulässigen (Dritt-) Widerklagen in der Sache keinen Erfolg haben.
I.
23 
Gegen die seitens des Landgerichts auf die zulässige Klage hin ausgesprochene Feststellung, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker die Beklagte als Miterbin am Nachlass der verstorbenen … zu einem 1/4-Anteil anzusehen und für den aufzustellenden Teilungsplan entsprechend zu berücksichtigen hat, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
1.
24 
Die zutreffende Würdigung des Landgerichts (LGU 14 f.), der zufolge die Beklagte aufgrund des Testamentes der Erblasserin vom 18. April 2007 (Anlage K 3 im Anlagenheft des Klägers) Erbin zu 1/4 wurde und diese Erbeinsetzungen durch das Testament der Erblasserin vom 18. August 2008 (Anlage K 2 im Anlagenheft des Klägers) nicht widerrufen oder abgeändert wurde, wird seitens der Berufung der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
25 
Vielmehr wendet sich diese lediglich – erfolglos - dagegen, dass das Landgericht (LGU 16 ff.) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Beklagte die - unstreitig erfolgte - Versäumung der Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB (vgl. hierzu LGU 16) nicht wirksam angefochten hat.
2. a)
26 
Nach § 1956 BGB kann die Versäumung der Ausschlussfrist in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden. Als zur Anfechtung berechtigende Gründe kommen ein Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 BGB), ein Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 BGB) oder ein Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) in Betracht.
b)
27 
In diesem Zusammenhang hat das Landgericht (LGU 17) aufgezeigt, dass der Bundesgerichtshof zu § 2306 Abs. 1 BGB a.F. entschieden hat, dass ein Erbe die Annahme der belasteten Erbschaft anfechten kann, wenn sie auf der irrigen Vorstellung des Erben beruhte, er dürfe sie nicht ausschlagen, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren (BGH, Beschl. v. 5. Juli 2006 – IV ZB 39/05, NJW 2006, 3353 Tz. 20 ff.). Insoweit ging der Bundesgerichtshof von einem so genannten beachtlichen Rechtsfolgenirrtum als Unterfall des Inhaltsirrtums aus.
28 
§ 2306 Abs. 1 BGB in der bis zum 1. Januar 2009 geltenden Fassung lautete wie folgt:
29 
„Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so gilt die Beschränkung oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Ist der hinterlassene Erbteil größer, kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil verlangen, wenn ihren Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung der Beschwerung Kenntnis erlangt.“
30 
Demgegenüber heißt es in § 2306 Abs. 1 BGB n.F. nun wie folgt:
31 
„Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist der mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.“
32 
D.h. der Pflichtteilsberechtigte, dem ein Erbteil mit Beschränkungen oder Beschwerungen zugewandt wurde, kann nunmehr generell nur durch Ausschlagung zum Pflichtteilsanspruch gelangen, ohne dass es auf die Höhe des zugewandten Erbteils ankommt.
c)
33 
Zwar ist die seitens des Landgerichts (LGU 21 f.) problematisierte Frage, ob der oben erwähnte Grundsatz der zu § 2306 a.F. ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach wie vor Geltung beansprucht, bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden und wird auch in der Literatur nicht einheitlich beurteilt (befürwortend: Weidlich in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 1954 Rz. 4; Keim, MittBayNot 2010, 85, 87; ders., ZEV 2008, 161, 163; Herzog / Lindner, ZFE 2010, 219, 222; ablehnend: Lange in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 2306 Rz. 28; ders., DNotZ 2009, 732, 736; Mayer in: Bamberger / Roth, BGB, 3. Aufl., § 2306 Rz. 8; Riedel in: Damrau, Praxiskomm. Erbrecht, 2. Aufl., § 2306 Rz. 43; differenzierend. Otte in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 2308 Rz. 7; Birkenheier in: Herberger / Martinek / Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 2306 Rz. 104; Leipold in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 1954 Rz. 9).
d)
34 
Die Frage braucht hier jedoch nicht entschieden werden, da die grundlegende Vorschrift des § 119 BGB, nach der sich die Frage des Vorliegens eines rechtlich erheblichen Irrtums im konkreten Einzelfall beurteilt, im Zuge der Gesetzesnovelle nicht geändert wurde.
aa)
35 
Nach den zutreffenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts (LGU 20) lag der Irrtum der Beklagten darin, dass sie irrtümlich davon ausgegangen ist, im Falle einer Ausschlagung keine Teilhabe am Nachlass, insbesondere keinen Pflichtteilsanspruch zu haben; vielmehr habe sie gedacht, durch die Nichtausschlagung wenigstens das Untervermächtnis von 15.000,00 EUR zu erhalten.
36 
So hat sich die Beklagte bei ihrer informatorischen Anhörung im Termin des Landgerichts vom 14. November 2012 dahingehend eingelassen, dass sie im Irrtum gewesen sei, weil es zwei Testamente gegeben habe. In diesem Zusammenhang führte sie folgendes aus: „Ich dachte mir, dass ich zu wenig bekommen habe oder ich etwa gar nichts noch bekomme.“ Dies beziehe sich nicht nur auf die Zahlen, sondern auch auf die Differenz der Felder, d.h. der Äcker. Auf die Frage des Beklagtenvertreters, was sich die Beklagte gedacht habe, wenn sie die Erbschaft ausschlage, antwortete sie wie folgt: „Dass ich nichts bekomme.“ (vgl. S. 2 der Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 14. November 2012; GA I 36).
bb)
37 
Dem steht jedoch bereits der Wortlaut des § 2306 Abs. 1 BGB n.F. entgegen. Nicht zuletzt wurde die Beklagte - wie der Kläger in seiner Berufungserwiderung vom 17. April 2015 (S. 4; GA III 322) aufgezeigt hat – vor Ablauf der Ausschlagungsfrist in dem ihr übermittelten Merkblatt des Nachlassgerichts ausdrücklich auf die Ausschlagungsmöglichkeit und außerdem darauf hingewiesen, dass Pflichtteilsrechte u.U. auch von der Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses abhängig sein können. Dies hat die Beklagte in ihrer Replik vom 23. Juni 2016 (GA III 328 ff.) nicht bestritten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch zwei verschiedene Rechtsanwälte anwaltlich beraten war, wobei sie im Termin des Landgerichts vom 14. November 2012 eingeräumt hat, dass auch bei der ersten Beratung im April 2012 bereits „von Pflichtteil“ die „Rede“ gewesen sei (vgl. S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 14. November 2012:; GA II 36).
38 
Nach alledem lag bei der Beklagten ein nicht schützenswerter Rechtsfolgenirrtum vor.
e)
39 
Zu Recht ist das Landgericht (LGU 22 f.) weiter zu dem Ergebnis gelangt, dass auch eine Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses (§ 119 Abs. 2 BGB) nicht durchgreift.
40 
Soweit die Beklagte bei ihrer informatorischen Anhörung im Termin des Landgerichts vom 14. November 2012 geäußert hat, dass die Angabe im Testament vom 18. April 2007 falsch sei, der zufolge sie bereits 25.000,00 EUR erhalten habe (vgl. S. 2 der Sitzungsniederschrift; GA I 36), begründet dies keinen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, da die Beklagte nach eigenem Bekunden genau wusste, was richtig und als falsch ist.
41 
Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts (LGU 23) liegt auch bezüglich der von der Beklagten (aaO) bei ihrer informatorischen Anhörung erwähnten „Differenz“ der Äcker kein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft vor, da Vorstellungen über den Wert des gesamten Nachlasses oder einzelner Nachlassbestandteile keinen Anfechtungsgrund darstellen (vgl. Leipold in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 1954 Rz. 12 f. m.w.N.).
3. a)
42 
Was die gegen den Kläger gerichtete Widerklage anbetrifft, so ist das Landgericht (LGU 23 ff.) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Umdeutung des ursprünglich angekündigten (Stufen-) Widerklageantrags (vgl. LGU 6 f.) in einen Antrag auf Verurteilung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass der Erblasserin statthaft ist.
43 
Der umgedeutete Antrag (vgl. LGU 7) geht dahin, den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung „wegen der Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Beklagten gemäß der heutigen Drittwiderstufenklage [siehe zu dieser unten unter 4.] in den Nachlass der am … 2012 verstorbenen Frau …, geborene … (Erblasserin) zu dulden“.
b)
44 
Was die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Widerklage im Übrigen betrifft, so ist insbesondere auch – entgegen der Auffassung der Berufungserwiderungen der Drittwiderbeklagten zu 9 bis 11 (GA III 312) wie auch des Klägers (GA III 319 f.) - die erforderliche Konnexität gegeben.
45 
Wie das Landgericht (LGU 24) zutreffend ausführt, genügt für die Annahme der Konnexität, dass den mit Klage und Widerklage verfolgten prozessualen Ansprüchen ein innerlich zusammengehörendes einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 33 Rz. 15 m.w.N.), wobei eine Identität des unmittelbaren Rechtsgrunds nicht erforderlich ist. Im vorliegenden Fall liegt - wie das Landgericht (aaO) zutreffend angenommen hat - allen geltend gemachten Ansprüchen der Erbfall nach … zu Grunde.
c)
46 
In der Sache ist das Landgericht (LGU 24 f.) allerdings zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Widerklage, welche sich gegen den Kläger in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker und damit als Partei kraft Amtes richtet, unbegründet ist.
47 
Denn mangels wirksamer Ausschlagung der Erbschaft steht der Beklagten als Miterbin kein Pflichtteilsanspruch zu; sie kann nicht nach § 2306 Abs. 1 BGB den Pflichtteil verlangen.
4.
48 
Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts (LGU 26 ff.) ist die gegen zehn Erben des Nachlasses sowie die Schwiegertochter der Erblasserin als Beschenkte erhobene Drittwiderstufenklage (vgl. hierzu LGU 7 f.) zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
a)
49 
Was die Zulässigkeit betrifft, so liegt im vorliegenden Fall keine unstatthafte isolierte Drittwiderklage vor, welche sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richten würde.
50 
Denn in diesem Zusammenhang ist – worauf das Landgericht (LGU 26) zu Recht abgestellt hat - zu berücksichtigen, dass zur Durchsetzung eines Pflichtteilsanspruchs in Fällen, in denen wie vorliegend Testamentsvollstreckung angeordnet ist, neben einem Titel gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass auch ein Titel gegen die Erben auf Leistung erforderlich (vgl. Zimmermann in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 2213 Rz. 13).
b)
51 
Zu Recht ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass auch die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft vorliegen, nachdem nicht nur die Erben notwendige Streitgenossen i.S. von § 59 ZPO sind, sondern auch Klagen gegen die Erben und den Testamentsvollstrecker in einem einheitlichen Prozess geltend gemacht werden können (vgl. Zimmermann in: MünchKommBGB, aaO). Vorstehendes gilt auch in Ansehung der gegen die Drittwiderbeklagte zu 12 gerichtete Klage, da auch der gegen diese Nichterbin gerichtete Auskunftsanspruch letztendlich der Vorbereitung der Leistungsklage gegen die Erben auf Zahlung des Pflichtteils dient.
c)
52 
Dass das Landgericht (LGU 27) die Klageänderung als sachdienlich zugelassen hat, begegnet keiner rechtlichen Beanstandung.
53 
Denn durch die Zulassung wird - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - ein sonst zu erwartender neuer Rechtsstreit vermieden, indem die Klage auf Feststellung des Erbteils und Zahlung des Pflichtteils in einem Prozess zusammengefasst werden.
d)
54 
Zu Recht ist das Landgericht (LGU 27 f.) allerdings weiter zu dem Ergebnis gelangt, dass die Drittwiderstufenklage unbegründet ist, da der Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung nicht zustehen.
aa)
55 
Zum einen besteht ein Anspruch gegen die Erben auf Wertermittlung nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB deswegen nicht, da die Beklagte nicht pflichtteilsberechtigt ist, nachdem sie infolge fehlender wirksamer Ausschlagung der Erbschaft Miterbin geworden ist (vgl. LGU 27).
bb)
56 
Des Weiteren besteht wegen der fehlenden Pflichtteilsberechtigung der Beklagten auch kein Anspruch gegen die Drittwiderbeklagten zu 9 bis 11 auf Auskunft nach § 2057 BGB, welcher nach § 2316 BGB auch dem pflichtteilsberechtigten Nichterben zustünde (vgl. LGU 27).
cc)
57 
Letzteres gilt nach zutreffender Auffassung des Landgerichts auch für einen Auskunftsanspruch der Beklagten gegen die Drittwiderbeklagte zu 12. Zwar kann - wie das Landgericht (LGU 28) zutreffend aufzeigt - auch der beschenkte Nichterbe hinsichtlich des fiktiven Nachlasses dann auskunftspflichtig sein, wenn der Erbe zu einer Auskunft nicht in der Lage ist (vgl. BGH, Urt. v. 1. März 1971 – III ZR 37/68, WM 1971, 477 ff.). Im vorliegenden Fall besteht jedoch mangels Pflichtteilsberechtigung der Beklagten kein entsprechender Auskunftsanspruch (so zutreffend LGU 28).
5.
58 
Nach alledem war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
II.
59 
Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
III.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
61 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2314 Auskunftspflicht des Erben


(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichniss

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1944 Ausschlagungsfrist


(1) Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen. (2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2306 Beschränkungen und Beschwerungen


(1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1956 Anfechtung der Fristversäumung


Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2057 Auskunftspflicht


Jeder Miterbe ist verpflichtet, den übrigen Erben auf Verlangen Auskunft über die Zuwendungen zu erteilen, die er nach den §§ 2050 bis 2053 zur Ausgleichung zu bringen hat. Die Vorschriften der §§ 260, 261 über die Verpflichtung zur Abgabe der eidess

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2006 - IV ZB 39/05

bei uns veröffentlicht am 05.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 39/05 vom 5. Juli 2006 in der Nachlasssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHZ: ja _____________________ BGB §§ 119 Abs. 1, 1954 Die irrige Vorstellung des unter Beschwerungen als Alleinerbe eingesetzten Pflichttei

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(1) Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen.

(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 entsprechende Anwendung.

(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.

Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.

(2) Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 39/05
vom
5. Juli 2006
in der Nachlasssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHZ: ja
_____________________
Die irrige Vorstellung des unter Beschwerungen als Alleinerbe eingesetzten
Pflichtteilsberechtigten, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen
Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren, rechtfertigt die Anfechtung einer
auf dieser Vorstellung beruhenden Annahme der Erbschaft.
BGH, Beschluss vom 5. Juli 2006 - IV ZB 39/05 - OLG Hamm
LG Arnsberg
…………..
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
am 5. Juli 2006

beschlossen:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 13. April 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2) hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Gegenstandswert: 3000 €

Gründe:


A.


1
Die Beschwerdeführerin erstrebt eine Klärung der Erbfolge im Erbscheinsverfahren. Der Erblasser hat seinen Sohn, den Beteiligten zu 1), als Alleinerben eingesetzt, aber mit zahlreichen Vermächtnissen beschwert. Die Beteiligte zu 2) wurde als Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Das am 24. Juli 2003 eröffnete Testament wurde mit dem Eröffnungsprotokoll u.a. dem Beteiligten zu 1) durch Schreiben vom 30. Juli 2003 zugesandt. Dieser hat am 8. Oktober 2003 notariell beglaubigt folgende Erklärung abgegeben: "Am 07.07.2003 ist mein Vater ... verstorben. Mein Vater ... hat ein Testament hinterlassen, wonach ich ... zum Alleinerben berufen bin. Da ich die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen habe, gilt die Erbschaft als angenommen. Ich fechte hiermit die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums an und schlage die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ohne jede Bedingung aus. Der Nachlaß ist derart mit Vermächtnissen belastet, daß mein Pflichtteil gefährdet ist. Dieser Umstand war mir zum Zeitpunkt der Annahme nicht bekannt. Wäre mir dieser Umstand bekannt gewesen, hätte ich die Erbschaft zu keiner Zeit annehmen wollen."
2
Diese Erklärung ging am 13. Oktober 2003 beim Nachlassgericht ein. Auf ihrer Grundlage beantragte die Beteiligte zu 2) vor der Rechtspflegerin des Nachlassgerichts einen Erbschein, der die gesetzliche Erbfolge nach Wegfall des Beteiligten zu 1) ausweisen sollte. Dieser Erbschein wurde am 1. April 2004 erteilt. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20. April 2004 hat die Beteiligte zu 2) die Einziehung des Erbscheins gemäß § 2361 BGB angeregt und die Auffassung vertreten , die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist durch den Beteiligten zu 1) sei unwirksam. Am Verfahren sind außer den bereits Genannten auch die im Erbschein vom 1. April 2004 aufgeführten gesetzlichen Erben sowie eine testamentarisch bedachte Vermächtnisnehmerin beteiligt.
3
Das Amtsgericht als Nachlassgericht hat nach Durchführung von Ermittlungen die Einziehung des Erbscheins durch Beschluss vom 9. Dezember 2004 abgelehnt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) blieb ohne Erfolg. Auf ihre weitere Beschwerde hat das Oberlandesgericht die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (vgl. FamRZ 2006, 578 = ZEV 2006, 168).

B.


4
Auch die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg.
5
I. 1. Das Oberlandesgericht möchte der Feststellung des Landgerichts folgen, wonach der Beteiligte zu 1) die durch Vermächtnisse beschwerte Erbschaft u.a. deshalb nicht ausgeschlagen habe, weil er irrig glaubte, andernfalls den Pflichtteil, auf den es ihm ankam, zu verlieren. Das Oberlandesgericht hält einen solchen Rechtsirrtum für einen nach §§ 119 Abs. 1, 1955, 1956 BGB erheblichen Inhaltsirrtum und damit die zugleich mit der Anfechtung erklärte Ausschlagung des Beteiligten zu 1) für wirksam. Es möchte deshalb die weitere Beschwerde zurückweisen.

6
An dieser Entscheidung sieht es sich durch die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts gehindert (BayObLG NJW-RR 1995, 904, 906; ZEV 1998, 431, 432), wonach bei Annahme der Erbschaft der Verlust des in § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehenen Ausschlagungsrechts sowie des nach Ausschlagung zu beanspruchenden Pflichtteilsanspruchs nur mittelbare Rechtsfolgen sind, auf deren Unkenntnis eine Anfechtung der unmittelbar erklärten Erbschaftsannahme nicht gestützt werden könne. Diese Rechtsprechung erfasst auch den vorliegenden Fall, obwohl der Beteiligte zu 1) - anders als in den vom Bayerischen Obersten Landesgericht entschiedenen Fällen - die Erbschaft nicht durch ausdrückliche Erklärung angenommen, sondern lediglich nicht fristgerecht ausgeschlagen hat. Denn die Versäumung der Ausschlagungsfrist wird hinsichtlich ihrer Anfechtbarkeit durch § 1956 BGB der Erklärung einer Annahme gleichgestellt. Dies gilt auch für die Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB wegen eines Irrtums etwa über die Folgen des Ablaufs der Ausschlagungsfrist (RGZ 143, 419, 423 f.; OLG Hamm OLGZ 1985, 286, 287 f.; MünchKomm-BGB/Leipold, 4. Aufl. § 1956 Rdn. 7 f.). Wie das vorlegende Oberlandesgericht weiter zutreffend ausführt, würde deshalb der hier vorliegende Irrtum über das Bestehen des dem Erben in § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeräumten Ausschlagungsrechts , folge man dem Bayerischen Obersten Landesgericht, als eine nur mittelbare Folge der gemäß § 1956 BGB zu fingierenden Annahmeerklärung deren Anfechtung nicht rechtfertigen. Vielmehr würde der angegriffene Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Sache zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich eines zusätzlichen Irrtums des Beteiligten zu 1) über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses (§ 119 Abs. 2 BGB), nämlich die Unkenntnis einer erheblichen Nach- lassverbindlichkeit während der Ausschlagungsfrist, zurückverwiesen werden müssen.
7
Damit sind die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FGG gegeben. Dass das Bayerische Oberste Landesgericht inzwischen nicht mehr besteht , ändert hier nichts an der Zulässigkeit der Vorlage (vgl. RGZ 148, 207, 209). Der Bundesgerichtshof hat über die weitere Beschwerde zu entscheiden.
8
2. Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 27, 29 FGG). Die Befugnis der Beteiligten zu 2) zur weiteren Beschwerde folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Das Landgericht hat die Beteiligte zu 2) auch zur Erstbeschwerde zutreffend für gemäß §§ 19, 20 FGG befugt gehalten. Gegen die Ablehnung der Einziehung eines Erbscheins beschwerdeberechtigt ist jeder, der die Erteilung eines (anderen) Erbscheins beantragen kann. Die Beteiligte zu 2) ist als Testamentsvollstreckerin befugt, Erbscheinsanträge zu stellen (vgl. Winkler, Der Testamentsvollstrecker 17. Aufl. Rdn. 726; MünchKomm-BGB/Zimmermann, aaO § 2203 Rdn. 10; MünchKomm-BGB/J. Mayer, § 2361 Rdn. 49). Ihrer Beschwerdebefugnis steht nicht entgegen, dass der Erbschein, dessen Einziehung sie betreibt, auf ihren eigenen Antrag erteilt worden ist. Im Erbscheinsverfahren ist der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln; ob ein bereits erteilter Erbschein unrichtig und daher nach § 2361 BGB einzuziehen ist, muss ohne Rücksicht auf Vorbringen und Anträge der Beteiligten entschieden werden. Deshalb kann auch derjenige, dem ein Erbschein antragsgemäß erteilt worden ist, gegen dessen Erteilung Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung einlegen (BayObLG FamRZ 1991, 617, 618; NJW-RR 1995, 904; OLG Hamm ZEV 2003, 31, 32).


9
II. Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.
10
1. Das Landgericht hat im Ergebnis mit Recht festgestellt, der Beteiligte zu 1) habe sich bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist jedenfalls darüber geirrt, dass er die mit Vermächtnissen belastete Erbschaft hätte ausschlagen müssen, um den von ihm erstrebten Pflichtteilsanspruch zu erlangen (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Ausschlagungsfrist wurde spätestens durch den Zugang des am 30. Juli 2003 an den Beteiligten zu 1) abgesandten Schreibens des Nachlassgerichts über die Eröffnung und den Inhalt des Testaments in Lauf gesetzt; sie endete mithin am 11. oder 12. September 2003 (§§ 1944, 2306 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB). Nach dem Vortrag des Beteiligten zu 1) ging ihm das eröffnete Testament schon am 25. Juli 2003 zu; danach lief die Ausschlagungsfrist bereits am 5. September 2003 ab. Jedenfalls ist die Feststellung nicht zu beanstanden , dass der Beteiligte zu 1) seinen Irrtum erst unmittelbar vor seiner notariellen Erklärung vom 8. Oktober 2003 erkannt hat. Die Anfechtungsfrist des § 1954 BGB ist also gewahrt.
11
Der a) Beteiligte zu 1) hat am Ende seines Schreibens an das Nachlassgericht vom 19. Mai 2004 vorgetragen, er sei dem Rechtsirrtum erlegen gewesen, dass ihm der Pflichtteil auch dann zustehe, wenn er das Erbe nicht ausschlage. Auf Fragen des Nachlassgerichts dazu, wann er Kenntnis von der Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, von der Fristgebundenheit der Ausschlagungserklärung und den Rechtsfolgen des Fristablaufs erhalten habe, antwortete der Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 11. Juni 2004 u.a., dass man eine Erbschaft wegen Überschuldung ausschlagen könne, sei ihm seit längerem bekannt. Er habe aber aus dem Buch "ZDF-WISO - Erben und Vererben", das er Anfang September 2003 gekauft habe, den Eindruck gewonnen, dass er die Erbschaft nicht ausschlagen dürfe, weil er sonst das Pflichtteilsrecht verliere , dass er aber den Rest, der auf den Pflichtteil fehle, auch dann herausverlangen könne, wenn das Ererbte nicht den Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils erreiche. Auf weitere Nachfrage des Nachlassgerichts teilte der Beteiligte zu 1) mit, von der Fristgebundenheit der Ausschlagung habe er am 26. September 2003 durch ein Schreiben der Beteiligten zu 2) erfahren und daraufhin den Notar aufgesucht, der die Erklärung vom 8. Oktober 2003 beglaubigt hat.
12
b) Die Beteiligte zu 2) macht mit ihren Rechtsmitteln geltend, von einem Irrtum, das Pflichtteilsrecht stehe dem Beteiligten zu 1) auch ohne Ausschlagung zu, sei in der Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2003 nicht einmal andeutungsweise die Rede. Die Behauptung, dass der Beteiligte zu 1) bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist dem genannten Irrtum unterlegen habe, werde bestritten. Die Vorinstanzen hätten die Beteiligten nicht darauf hingewiesen, dass die Anfechtung unter diesem Gesichtspunkt begründet sein könne. Die Auszüge aus erbrechtlichen Erläuterungsbüchern, auf die sich der Beteiligte zu 1) beziehe, seien der Beteiligten zu 2) nicht zugänglich gemacht worden. Der Beteiligte zu 1) habe bereits in seinem Schreiben an die Beteiligte zu 2) vom 21. August 2003 im Hinblick auf die vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisse seine Enttäuschung über das Testament zum Ausdruck gebracht mit der Begründung, wenn er enterbt worden wäre, würde der ihm gesetzlich zustehende Pflichtteil ungefähr doppelt so hoch sein. Da der Beteiligte zu 1) am Ende dieses Schreibens die Beteiligte zu 2) aufgefordert habe, ein Nachlassverzeichnis gemäß § 2215 BGB zu erstellen, habe er die Erbschaft durch schlüssiges Verhalten angenommen. Die erstmals mit den Schreiben vom 19. Mai und 11. Juni 2004 vorgebrachten Anfechtungsgründe seien verfristet.
13
c) Diese Rügen greifen nicht durch.
14
aa) Das Landgericht hat im Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 21. August 2003 keine Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten gesehen. Diese tatrichterliche Würdigung ist nicht rechtsfehlerhaft, weil das Schreiben gerade offen lässt, welche Konsequenzen der Beteiligte zu 1) aus seiner Enttäuschung über das Testament ziehen werde. In diesem Zusammenhang kommt der Inanspruchnahme des dem Erben zustehenden Anspruchs auf ein Nachlassverzeichnis aus § 2215 BGB keine entscheidende Bedeutung für eine Annahme der Erbschaft zu, wie das Oberlandesgericht mit Recht angenommen hat. Denn das Nachlassverzeichnis diente (ebenso wie weitere Nachforschungen des Beteiligten zu 1)) erst einer Klärung des Nachlasswertes. Von dessen Höhe hing es ab, ob und in welchem Umfang der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung der Vermächtnisse beeinträchtigt werden würde. Mithin kann hier von einer Annahme der Erbschaft nicht vor Ablauf der Ausschlagungsfrist ausgegangen werden (§§ 1943, 1944 BGB).
15
Bereits bb) das Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 21. August 2003 zeigt, dass er sich mit der Frage beschäftigte, wie er trotz der im Testament angeordneten Vermächtnisse jedenfalls die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils erhalten könne. Der Beteiligte zu 1) hat am 29. August 2003 die Räume des Erblassers und den Nachlassbestand besich- besichtigt und Bankordner eingesehen. Mit Schreiben vom 1. September 2003 teilte der Beteiligte zu 1) der Beteiligten zu 2) mit, da er den gesetzlichen Pflichtteil haben wolle, bitte er sie, die im Testament angeordneten Vermächtnisse nicht zur Ausführung zu bringen. Angesichts der in diesem Schreiben zum Ausdruck kommenden Entscheidung des Beteiligten zu 1), auf jeden Fall seinen Pflichtteil in Anspruch zu nehmen, auch wenn der letzte Wille des Erblassers deshalb nicht in vollem Umfang erfüllt werde, hätte sich aufgedrängt, die Erbschaft innerhalb der noch laufenden Frist im Hinblick auf § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB auszuschlagen. Es liegt nahe, dass dies nur deshalb nicht geschehen ist, weil der Beteiligte zu 1) die Notwendigkeit einer Ausschlagung und die hierfür bestehende Frist nicht gekannt hat.
16
cc) Fraglich könnte allenfalls sein, ob dieser Irrtum bis zum Ende der Ausschlagungsfrist fortdauerte und ob er der Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2003 zugrunde gelegt worden ist. Dass bei Erfüllung der vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisse für den Beteiligten zu 1) weniger als sein Pflichtteil verbleiben würde, hat er zwar schon vor Ablauf der Ausschlagungsfrist erkannt, wie sein Schreiben an die Beteiligte zu 2) vom 1. September 2003 zeigt. Der Beteiligte zu 1) sah darin aber keine Gefährdung seines Anspruchs auf den Pflichtteil, weil er irrig meinte , auch ohne Ausschlagung der Erbschaft vom Nachlass jedenfalls den Pflichtteil beanspruchen zu können. Die Gefährdung des Pflichtteils ergab sich also gerade aus der Unkenntnis des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass jedenfalls auch diese Fehlvorstellung mit der Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2003 gemeint sei, konnte das Landgericht der notariell beglaubigten Erklärung bei verständiger Auslegung unter Berücksichti- gung der glaubhaften Angaben des Beteiligten zu 1) rechtsfehlerfrei entnehmen.
17
dd) Soweit die Beteiligte zu 2) geltend macht, das Landgericht habe nicht darauf hingewiesen, dass ein Irrtum über die Notwendigkeit einer Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht komme, wird übersehen, dass schon das Amtsgericht seine Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt gestützt hatte. Im Übrigen werden keine zusätzlichen , bisher unberücksichtigt gebliebenen Beweismittel vorgetragen; die Beteiligte zu 2) behauptet vielmehr lediglich, dass ein derartiger Sachverhalt , den sie selbst schon wiederholt bestritten habe, auch von den übrigen Beteiligten mit Nachdruck bestritten worden wäre. Das hätte der Feststellung eines solchen Irrtums indessen im Ergebnis nicht entgegengestanden. Die Feststellung eines solchen Irrtums steht auch nicht in Widerspruch zu der weiteren Behauptung des Beteiligten zu 1), er habe die Ausschlagungsfrist vor dem Schreiben der Beteiligten zu 2) vom 26. September 2003 nicht gekannt. Es liegt im Gegenteil eher fern, dass der Beteiligte zu 1), wenn er die Notwendigkeit einer Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht kannte, gleichwohl über deren Fristgebundenheit unterrichtet gewesen wäre. Das kann aber auf sich beruhen, weil eine eventuelle Kenntnis der Ausschlagungsfrist jedenfalls nichts daran änderte, dass der Beteiligte zu 1) irrig glaubte, die Erbschaft keinesfalls ausschlagen zu dürfen, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren. Zweifel an dem Vorliegen eines Irrtums über die Notwendigkeit einer Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB ergeben sich schließlich nicht daraus, dass der Beteiligte zu 1) einräumt, sich mit Hilfe von erbrechtlichen Erläuterungsbüchern informiert zu haben. Er hat daraus eine Seite in Kopie vorgelegt, wonach nicht pflichtteilsberechtigt ist, wer das Erbe ausschlägt; weiter heißt es dort, wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten mit Vermächtnissen beschwere, so dass das Vererbte nicht den Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils erreiche, habe der Pflichtteilsberechtigte das Recht, den Rest herauszuverlangen. Diese Kopie ist ausweislich der Akten dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) vom Nachlassgericht zur Kenntnis gebracht worden. Selbst wenn in den vom Beteiligten zu 1) zu Rate gezogenen Erläuterungsbüchern auch die Regelung in § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht unerwähnt geblieben sein sollte, ließe sich nicht ausschließen, dass der Beteiligte zu 1) diesen Hinweis übersehen oder als Laie dessen Bedeutung nicht zutreffend erfasst hat. Deshalb kam es auf die von der Beteiligten zu 2) vermisste Vorlage der Erläuterungsbücher zur Einsicht für alle Beteiligten nicht entscheidend an.
18
Der 2. danach jedenfalls rechtsfehlerfrei festgestellte Irrtum des Beteiligten zu 1) über die Notwendigkeit einer Ausschlagung der belasteten Erbschaft zur Erhaltung seines Anspruchs auf den Pflichtteil ist ein erheblicher Anfechtungsgrund.
19
a) Worauf die Anfechtung gestützt werden kann, richtet sich allein nach § 119 BGB; die Sonderregeln der §§ 1954, 1955, 1957 BGB für Frist, Form und Wirkung der Anfechtung ändern oder erweitern die Anfechtungsgründe nicht (BayObLG ZEV 1998, 431, 432). Mithin kommt hier (abgesehen von einem Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften ) insbesondere ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung in Betracht. Ein solcher Inhaltsirrtum kann auch darin gesehen werden, dass der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen er- zeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden. Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt aber nach ständiger Rechtsprechung nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum (vgl. BGHZ 134, 152, 156 m.w.N.).
20
b) Im Sinne dieser Unterscheidung geht das Bayerische Oberste Landesgericht - wie einleitend erwähnt - bei der Anfechtung einer ausdrücklich erklärten Erbschaftsannahme davon aus, dass die unmittelbar angestrebte Rechtsfolge einer solchen Erklärung allein das Ziel sei, die Stellung als Erbe einzunehmen; der infolgedessen eintretende Verlust des Wahlrechts nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB sei dagegen nur eine mittelbare Rechtsfolge, deren Unkenntnis die Anfechtung nicht rechtfertige (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 904, 906; ZEV 1998, 431, 432). Dem ist die Literatur weithin gefolgt (so MünchKomm-BGB/Leipold, aaO § 1954 Rdn. 9; Staudinger/Otte, BGB 2000 § 1954 Rdn. 6; Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1954 Rdn. 2; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 8 VII 2 d). Wird die Erbschaft dagegen nicht durch ausdrückliche Erklärung, sondern etwa durch schlüssiges Verhalten des Erben angenommen (pro herede gestio), lässt das Bayerische Oberste Landesgericht eine Anfechtung zu, wenn der Erbe weder weiß noch will, dass er durch sein Verhalten das Recht verliert, die Erbschaft auszuschlagen (BayObLGZ 1983, 153, 162 f.; NJW 1988, 1270, 1271; zustimmend Kipp/Coing, Erbrecht 14. Aufl. § 89 I 2) .

21
Dagegen hat das Oberlandesgericht Hamm bei einer Ausschlagungserklärung , die in der Vorstellung erfolgt war, dadurch werde die (unter Beschränkungen und Beschwerungen angeordnete, den Pflichtteil nicht übersteigende) Erbschaft in Pflichtteilsansprüche umgewandelt, diese Umwandlung als die primär erstrebte Rechtsfolge und nicht etwa nur als Nebenfolge der Ausschlagung angesehen (OLGZ 1982, 41, 49 f.). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die im Antrag auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe liegende schlüssige Annahme der (beschwerten ) Erbschaft für anfechtbar gehalten, weil der seinen Pflichtteil begehrende Erbe geglaubt habe, nur so seinen Pflichtteilsanspruch sichern zu können, und nicht gewusst habe, dass er die Erbschaft gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschlagen müsse, um den Pflichtteil zu erlangen; es hat die Ansicht gebilligt, der Wegfall des Pflichtteilsanspruchs sei als ungewollte Hauptfolge der Annahme anzusehen (FamRZ 2001, 946, 947; zustimmend Muscheler in: Groll (Hrsg.), Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung 2. Aufl. unter C II Rdn. 101). Im Schrifttum hat vor allem Keim die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts angegriffen und geltend gemacht, im Fall einer den Pflichtteil zwar übersteigenden, aber beschränkten oder beschwerten Erbschaft (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB) sei der Verlust des Pflichtteilsrechts infolge Annahme der Erbschaft deren wichtigste Rechtswirkung. "Mit der ausdrücklichen Annahme einer Erbschaft glaubt der Rechtsunkundige niemals, dass er gerade damit eine maßgebliche Beteiligung am Nachlass verlieren könnte, oder umgekehrt, dass er ausgerechnet durch die Ausschlagung eine wertmäßig größere Beteiligung am Erbe erhalten hätte" (ZEV 2003, 358, 360). Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliegen, sieht das vorlegende Oberlandesgericht in den rechtlichen Auswirkungen einer Erbschaftsannahme auf das Pflichtteilsrecht eine der Hauptwirkungen des Rechtsgeschäfts, weil das Gesetz in § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB die Möglichkeit der Ausschlagung gerade zu dem Zweck eröffne, unbelastet von Beschränkungen und Beschwerungen den Pflichtteil geltend machen zu können. Dem hat Haas in einer Anmerkung zugestimmt und seine bisher abweichende Ansicht aufgegeben (Haas/Jeske, ZEV 2006, 172).
22
c) Auch der Senat schließt sich der Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts an. Man kann die unmittelbaren und wesentlichen Rechtsfolgen schon einer ausdrücklich erklärten Annahme der Erbschaft nicht generell darauf beschränken, dass der Erklärende die sich aus der letztwilligen Verfügung ergebende Rechtsstellung des Erben einnehmen will. Wenn der zugedachte Erbteil zwar größer als der Pflichtteil ist, dem Erben aber Beschränkungen oder Beschwerungen auferlegt sind, gehört zu den unmittelbaren und wesentlichen Wirkungen der Erklärung einer Annahme der Erbschaft keineswegs nur, dass der Erbe die ihm zugedachte Rechtsstellung einnimmt, sondern ebenso, dass er das von § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB eröffnete Wahlrecht verliert, sich für den möglicherweise dem Werte nach günstigeren Pflichtteilsanspruch zu entscheiden. Für die hier vorliegende Annahme durch Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist kann nichts anderes gelten, gleich ob die Ausschlagungsfrist bewusst oder unbewusst nicht genutzt worden ist. Der Verlust des Pflichtteilsrechts als Rechtsfolge solchen Verhaltens prägt dessen Charakter nicht weniger als das Einrücken in die Rechtsstellung des Erben ; beide Folgen sind zwei Seiten derselben Medaille.

23
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) war daher zurückzuweisen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Arnsberg, Entscheidung vom 13.04.2005 - 6 T 1/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.09.2005 - 15 W 188/05 -

(1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.

(2) Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.

(2) Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.

(2) Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.

Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind.

(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.

(2) Die Kosten fallen dem Nachlass zur Last.

Jeder Miterbe ist verpflichtet, den übrigen Erben auf Verlangen Auskunft über die Zuwendungen zu erteilen, die er nach den §§ 2050 bis 2053 zur Ausgleichung zu bringen hat. Die Vorschriften der §§ 260, 261 über die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung finden entsprechende Anwendung.

(1) Der Pflichtteil eines Abkömmlings bestimmt sich, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle der gesetzlichen Erbfolge eine Zuwendung des Erblassers oder Leistungen der in § 2057a bezeichneten Art zur Ausgleichung zu bringen sein würden, nach demjenigen, was auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten bei der Teilung entfallen würde. Ein Abkömmling, der durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, bleibt bei der Berechnung außer Betracht.

(2) Ist der Pflichtteilsberechtigte Erbe und beträgt der Pflichtteil nach Absatz 1 mehr als der Wert des hinterlassenen Erbteils, so kann der Pflichtteilsberechtigte von den Miterben den Mehrbetrag als Pflichtteil verlangen, auch wenn der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils erreicht oder übersteigt.

(3) Eine Zuwendung der in § 2050 Abs. 1 bezeichneten Art kann der Erblasser nicht zum Nachteil eines Pflichtteilsberechtigten von der Berücksichtigung ausschließen.

(4) Ist eine nach Absatz 1 zu berücksichtigende Zuwendung zugleich nach § 2315 auf den Pflichtteil anzurechnen, so kommt sie auf diesen nur mit der Hälfte des Wertes zur Anrechnung.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.