Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 23. Nov. 2006 - 13 U 53/06

bei uns veröffentlicht am23.11.2006

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 17. Februar 2006 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert der Berufung: 81.000,00 Euro

Gründe

Es wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, das landgerichtliche Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung. Außerdem rechtfertigten die vorgetragenen Tatsachen die getroffene Entscheidung nicht. Das Landgericht habe keine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es lasse außer Acht, dass der Geschäftsführer der Klägerin anlässlich des Telefongesprächs vom 23.07.2004 die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Auslieferung der Anlage erklärt habe. Das Landgericht gehe unter Verweis auf den Schriftverkehr der Parteien zu Unrecht von einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung aus. Hätte aus Sicht der Beklagten eine endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung vorgelegen, wäre deren eigene Fristsetzung nicht nachvollziehbar. Die Fristsetzung der Beklagten könne nur den Sinn haben, dass innerhalb der Frist klägerseits geliefert werden sollte. Dies setze voraus, dass die Beklagte gerade nicht von einer endgültigen Leistungsverweigerung ausgegangen sei. Das Landgericht verweise lediglich auf eine informatorische Angabe des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, der erklärt habe, dass der Geschäftsführer der Klägerin anlässlich des Telefongesprächs vom 23.07.2004 nicht erklärt habe, "dass er innerhalb der gesetzten Fristen ordnungsgemäß ausführen werde." Das Landgericht hätte diesen informatorisch vorgetragenen Sachverhalt nicht ohne jegliche Beweisaufnahme zur Grundlage seiner Entscheidung machen dürfen. Zudem sei beachtlich, dass der Beklagten der Beweis dafür obliege, dass aufgrund unzumutbarer Gegebenheiten eine Fristsetzung entbehrlich gewesen sei und Zweifel im Hinblick auf die Entbehrlichkeit zu Lasten der Beklagten gehen würden. Tatsächlich sei eine Fristsetzung erforderlich und keinesfalls unangemessen gewesen. Dies zeige schon die Fristsetzung durch die Beklagte. Trotz eigener Fristsetzung habe die Beklagte nicht abgewartet, sondern den Vertrag gekündigt, obwohl die Leistungsbereitschaft erklärt gewesen sei. Weiter sei beachtlich, dass die Klägerin hätte das Notstromaggregat nicht einbauen dürfen, weil es funktionsunfähig gewesen wäre und im Notfall zu einer Katastrophe geführt hätte. Durch die Bedenkenanmeldung sei die Klägerin lediglich gegenüber der Beklagten frei geworden, nicht aber gegenüber geschädigten Dritten. Den entsprechenden Beweisantritten hätte das Landgericht nachgehen müssen. Die Klägerin sei sich dieser Problematik zum Zeitpunkt der Kündigung des Vertrages durch die Beklagte nicht bewusst gewesen und hätte das Aggregat ausgeliefert, wie es dem Beklagtenvertreter gegenüber geäußert worden sei. Das Lieferverbot sei jedoch von Bedeutung für die Frage, ob die Beklagte habe das Aggregat anfordern dürfen. Diese habe also nicht nur die notwendig einzuhaltenden und selbst gesetzten Fristen nicht abgewartet, bevor sie kündigte, sondern auch nicht beachtet, dass die Leistung zum damaligen Zeitpunkt gar nicht verlangt werden konnte, weil die eigenen Verpflichtungen der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht erfüllt gewesen seien. Nachdem somit eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht vorgelegen habe, sei die Werklohnklage nach § 649 BGB begründet. Die vor dem Zeitpunkt der Fristsetzung gelegene Mitteilung der Klägerin, dass die Ausführung der Arbeiten erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeplant sei, enthalte keine Erklärung, dass die Arbeiten außerhalb der vereinbarten Vertragsfristen erfolgen würden. Bei dieser Mitteilung handele es sich nur um eine reine Planungsmitteilung und keinesfalls um eine Erklärung, dass eine Leistung nicht vorher erfolgen könne. Seitens der Klägerin sei gegenüber der Beklagten keine verbindliche letztgültige Mitteilung im Hinblick auf die Nichtausführung der Arbeiten gemacht worden. Die Beklagte habe die Mitteilung offensichtlich auch nicht so verstanden, weil ansonsten die Nachfristsetzung völlig unverständlich sei. Zudem hätten verbindliche Ausführungsfristen nicht vorgelegen. Sämtliche Umstände, auf die sich die Beklagte im Hinblick auf die Berechtigung eines Auftragsentzuges bzw. einer fristlosen Kündigung stütze, stammten aus der Zeit vor der eigenen Fristsetzung. Mit der Fristsetzung bringe die Beklagte zum Ausdruck, dass die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung nicht vorliegen würden. Schon deshalb hätte die gesetzte Frist eingehalten werden müssen. Durch die Fristsetzung habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass es ihr zumutbar sei, den Fristablauf abzuwarten. Zuvor sei keine Unzumutbarkeit gegeben gewesen. Darauf hinzuweisen sei auch, dass die gesetzte Erklärungsfrist weder in der VOB/B noch im Gesetz vorgesehen sei. Gleichwohl sei die Erklärungsfrist eingehalten worden. Der Geschäftsführer der Klägerin sei sich sicher, eine entsprechende Zusage gemacht zu haben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und im Übrigen wie in erster Instanz.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Geschäftsführer der Klägerin angehört und Rechtsanwalt Spieß als Zeugen vernommen. Insoweit wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 09.11.2006.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten Vergütung nicht verlangen. Der Werklohnanspruch ist entfallen. Die Beklagte hat das Vertragsverhältnis berechtigterweise am 23.07.2004 aus wichtigem Grund gekündigt (§ 8 Nr. 3 VOB/B).
Es kann dahin stehen, ob die Beklagte schon zuvor hätte kündigen dürfen. Manches spricht dafür, dass aufgrund des Verhaltens der Klägerin schon früher von einer Erfüllungsverweigerung ausgegangen werden konnte. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 22.07.2004 (K 7) gestaffelte Fristen gesetzt. Daran war die Beklagte gebunden, nachdem sie bis dahin keine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hatte. Ein anderes Verhalten wäre, da widersprüchlich, mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht vereinbar.
10 
Die Fristsetzung ging berechtigterweise dahin, dass die Klägerin aufgefordert wurde, spätestens am 02.08.2004 mit der Ausführung der Leistung vor Ort zu beginnen und die Arbeiten bis spätestens 06.08.2004 fertig zu stellen. Des Weiteren wurde die Klägerin zu Recht aufgefordert, bis spätestens 23.07.2004 12.00 Uhr vorab per Telefax gegenüber dem Beklagtenvertreter oder der Beklagten die Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung "verbindlich zu bestätigen."  
11 
Zu den Fristsetzungen war die Beklagte aufgrund des Verhaltens der Klägerin berechtigt und insbesondere auch zum Abverlangen der fristgebundenen Leistungsbereitschaftserklärung. Letztere ist im Gesetz bzw. in der VOB/B zwar nicht vorgesehen. Angesichts des bisherigen Verhaltens der Klägerin einerseits und der Verpflichtungen der Beklagten gegenüber ihrer Auftraggeberin andererseits hatte die Beklagte jedoch ein Recht darauf, Klarheit zu erhalten und war nicht verpflichtet, bis zum vereinbarten Montagebeginn oder gar bis zum vertraglichen Fertigstellungstermin abzuwarten.
12 
Ist die rechtzeitige Erfüllung eines Bauvertrags durch Hindernisse ernsthaft in Frage gestellt, die im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers liegen, und ist dem Auftraggeber ein weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten, so kann es ausnahmsweise genügen, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine angemessene Frist setzt, die fristgerechte Erfüllbarkeit des Bauvertrages nachzuweisen, und gleichzeitig erklärt, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehen werde (BGH, Urteil vom 21.10.1982 - VII ZR 51/82, NJW 1983, 989).
13 
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten ernsthafte Zweifel an ihrer Leistungsbereitschaft aufkommen lassen. Die Beklagte war ihrerseits vertraglich verpflichtet. Sie durfte deshalb von der Klägerin, auch wenn dies im Vertrag nicht vorgesehen war, eine entsprechende Erklärung verlangen. Dies geschah mit dem Schreiben vom 22.07.2004 (K 7), in welchem es auf S. 3 unter c heißt, dass "vorab per Telefax - bis spätestens morgen, 23.07.04, 12.00 Uhr " bei der Beklagten oder ihren Anwälten eingehend die Leistungsbereitschaft zu erklären sei.
14 
Diese Fristsetzung ist zwar kurz, aufgrund der gesamten Umstände aber angemessen. Es ging lediglich um die Erklärung der Leistungsbereitschaft. Außerdem war der 06.08.2004 wegen der von der Beklagten gegenüber ihrer Auftraggeberin einzuhaltenden Fristen, egal ob die Klägerin sie kannte, als Fertigstellungstermin vereinbart.
15 
Die Nichtausführung hat ihre Ursache im Bereich der Klägerin. Dieser stand ein generelles Leistungsverweigerungsrecht nicht zu. Selbst wenn das von der Beklagten bestellte Notstromaggregat nicht ausreichend gewesen sein sollte, musste die Klägerin liefern. Es ist nicht erkennbar, dass und warum es derart mangelhaft sein sollte, dass die Klägerin die Leistung gänzlich verweigern durfte.
16 
Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur behaupteten Untauglichkeit bzw. Vorschriftswidrigkeit des geforderten Notstromaggregats bedarf es nicht. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 22.06.2004 (K 6) ergibt sich eindeutig, dass für den Fall, dass die Betriebszustände A (Weiterverkaufsbetrieb bei Stromausfall) und B (Notfall, z.B. Brand) zusammentreffen sollten, die Anlage lediglich die Notfallversorgung übernehmen sollte und nicht den Weiterverkauf ermöglichen. Das erscheint zudem selbstverständlich, jedenfalls dann, wenn das Aggregat aus Kapazitätsgründen nicht beides ermöglicht. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung der Klägerin nicht nachvollziehbar, dass sie mit der Lieferung gegen Gesetze oder sonstige Vorschriften verstoßen und trotz ihrer Bedenkenanmeldung für Schäden haften würde. Es ist nicht dargetan, dass das Aggregat auch die Notfallversorgung alleine nicht leisten kann.
17 
Zu Recht hat die Beklagte von der Klägerin eine schriftliche Mitteilung (Telefax) gefordert. Die VOB/B und der Vertrag sehen Derartiges zwar nicht vor. Gemäß § 8 Nr. 5 VOB/B muss lediglich die Kündigung schriftlich erfolgen. Allerdings ist zu beachten, dass es eine umfangreiche Korrespondenz gab und die Klägerin mit Schreiben vom 21.07.2004 (B 14) der Beklagten mitteilte, sie habe "die Projektbearbeitung des ganzen Auftrags gestoppt. Weitere Tätigkeiten werden erst nach vollständiger und abschließender Klärung des Vorgangs vorgenommen."  Angesichts einer solchen schriftlichen Äußerung der Klägerin, die sich zudem auch sonst schreibgewandt zeigte, durfte die Beklagte eine schriftliche Erklärung über die Leistungsbereitschaft verlangen.
18 
Eine solche schriftliche und rechtzeitig eingegangene Erklärung der Klägerin liegt nicht vor. Das Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 23.07.2004 (K 8) ist nicht ausreichend. Dieses wurde, auch wenn die Klägerin das anders behauptet, erst nach Eingang der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung verfasst und ausweislich  des Schreibens des Beklagtenvertreters vom 23. Juli 2004 (B 15) um 14. 57 Uhr versandt. Der Klägervertreter erklärte im Termin vom 12.01.2006 vor dem Landgericht zudem auf Nachfrage (Bl. 74), dass es eine schriftliche Bestätigung, dass verbindlich zugesagt worden sei, die beauftragte Leistung innerhalb der genannten Fristen auszuführen, nicht gebe. Es gebe die telefonische Bestätigung.
19 
Ihre Behauptung, sie habe ihre Leistungsbereitschaft vor dem Ausspruch der Kündigung anlässlich eines Telefonats ihres Geschäftsführers mit dem Beklagtenvertreter bekundet, hat die Klägerin nicht bewiesen. Zwar ist grundsätzlich die Beklagte dafür nachweispflichtig, dass sie berechtigterweise aus wichtigem Grund gekündigt hat. Diesen Nachweis hat sie jedoch dadurch geführt, dass die Beklagte ihre Leistungsbereitschaft nicht rechtzeitig schriftlich erklärt hat. Der Nachweis, dass die Leistungsbereitschaft mündlich erklärt wurde, obliegt der Klägerin. Sie hat, wenn sie Vergütung nach § 649 S. 2 BGB verlangt, die Voraussetzungen zu beweisen (Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 649 Rn. 29), wozu auch der Nachweis, zur vertragsgemäßen Leistung bereit gewesen zu sein, gehört (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.07.2006, 10 U 66/06, OLGR 2006, 773).
20 
Dieser Nachweis ist der Klägerin nicht gelungen. Vielmehr ist der Senat sogar davon überzeugt, dass die Klägerin anlässlich des Telefonats ihres Geschäftsführers mit dem Beklagtenvertreter am 23.07.2004 die Leistungsbereitschaft gerade nicht bekundete. Der Geschäftsführer der Klägerin gab anlässlich seiner Anhörung im Termin vom 09.11.2006 an, Rechtsanwalt xxx eine Lieferzusage ohne Bedingungen gegeben zu haben. Rechtsanwalt xxx bekundete anlässlich seiner anschließenden Vernehmung als Zeuge allerdings glaubhaft, Ergebnis des Telefongesprächs sei gewesen, dass die Klägerin die Anlage nicht liefern werde. Der Geschäftsführer der Klägerin habe wegen der bereits geäußerten Bedenken nicht liefern wollen und auf dem Abschluss einer Freistellungsvereinbarung bestanden. Besonders glaubhaft erscheinen die Bekundungen, weil der Zeuge sich an die Aussage des Geschäftsführers erinnerte, selbst wenn er liefern würde, würde er wegen seiner Bedenken nicht montieren und anschließen. Diese Äußerung war dem Zeugen noch konkret vor Augen, weil der Geschäftsführer im Konjunktiv sprach. Daraus wie aus den übrigen Bekundungen ergibt sich, dass die Klägerin nicht lieferbereit war. Dafür spricht auch, dass das Telefonat annähernd eine Stunde dauerte, obwohl der Geschäftsführer der Klägerin nach seiner Behauptung seine Leistungsbereitschaft bekunden wollte und dies tat. Nachdem er erst gegen ca. 11.50 Uhr anrief, obwohl ihm Frist bis 12.00 Uhr gesetzt war, ist nicht verständlich, weshalb das Gespräch bis gegen 12.45 Uhr dauerte, wenn er nur seine Leistungsbereitschaft bekunden wollte.
21 
Da die Klägerin ihre Lieferbereitschaft nicht rechtzeitig erklärte, war die Kündigung der Beklagten berechtigt. Die Beklagte musste nicht auch den Ablauf der weiteren Fristen abwarten. Sie hatte der Klägerin zu Recht eine Erklärungsfrist gesetzt.
22 
Folge der Kündigung bzw. Auftragsentziehung nach § 8 Nr. 3 VOB/B ist der Verlust des Werklohnanspruchs, weshalb die Klage zu Recht abgewiesen wurde. Die Klägerin hat bis zur Kündigung nicht geliefert. Dass sie das Aggregat nach ihrer Behauptung bereits hergestellt hatte, ist unerheblich.
23 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
24 
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 ZPO) nicht zuzulassen.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 649 Kostenanschlag


(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar i

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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 11. Juli 2006 - 10 U 66/06

bei uns veröffentlicht am 11.07.2006

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19.01.2006 (Az. 22 O 167/05) dahin abgeändert , dass die Beklagte an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger 8.500,- EUR nebs

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(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19.01.2006 (Az. 22 O 167/05) dahin abgeändert , dass die Beklagte an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger 8.500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit 26.04.2005 zu bezahlen hat.

2. Im übrigen wird die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen .

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 17.000,- EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerinnen begehren von der Beklagten die vertraglich vereinbarte Vergütung für zwei Auftritte unter ihrem Künstlernamen ..., zu denen es wegen streitiger Umstände nicht gekommen ist.
Am 10.2.2005 hatten die Parteien zwei Verträge über jeweils einen Auftritt der Klägerinnen jeweils am 15.4.2005 in Clubs der Beklagten in ... und ... zur Gage von jeweils 8.500,-- EUR vereinbart, wobei der Auftritt in ... einvernehmlich auf einen Club der Beklagten in ... am gleichen Tag umdisponiert wurde. Die Gage sollte jeweils vor Beginn des Auftritts in bar bezahlt werden. Eine Uhrzeit für den Auftritt der Klägerinnen wurde schriftlich nicht vereinbart. Der Inhalt der mündlichen Vereinbarung ist strittig.
Während die Klägerinnen vortragen lassen, sie seien in der Nacht vom 15.4. auf den 16.4.2005 kurz vor Mitternacht im Club der Beklagten in . ... eingetroffen und hätten dann ihren Auftritt abgesagt, weil die vereinbarte Gage aufgrund finanzieller Schwierigkeiten der Beklagten vor Ort zur Auszahlung nicht bereit gestanden habe und dies auf Nachfrage auch im Club in ... nicht der Fall gewesen wäre, behauptet die Beklagte, die Klägerinnen seien erst gegen 2.30 Uhr im Club ... in ... erschienen, obwohl vereinbart gewesen sei, dass die Klägerinnen ab 22.00 Uhr Autogramme an die Besucher im Club verteilen und ab 23.00 Uhr ihren musikalischen Auftritt in ... und in ... ab 2.00 Uhr durchführen sollten. Weil zu der späten Ankunftszeit der Klägerinnen die Vorbereitung und Durchführung ihrer musikalischen Auftritte keinen Sinn mehr machte, seien diese von der Beklagten abgesagt worden.
Nach der Vernehmung der Zeugen ... und ... hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 19.1.2006 die Klage abgewiesen. Die Klägerinnen hätten nicht bewiesen, dass sie ihre Leistung wie vertraglich vereinbart zur richtigen Zeit angeboten hätten. Angesichts der für Werbezwecke hergestellten Aufnahme der Klägerinnen persönlich, in der sie ankündigen, ab 22.00 Uhr im Club der Beklagten in ... zu sein, den wirtschaftlichen Interessen der Zeugen ... sowie der fehlenden Plausibilität ihrer Angaben sei das Gericht überzeugt, dass diese beiden Zeugen vor Gericht gelogen hätten. Da die Klägerinnen den Beweis der Erfüllung ihrer vertragsgemäßen Leistungspflichten nicht geführt hätten, stünde ihnen ein Anspruch auf Gage nicht zu. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Würdigung des Landgerichts wird auf das Urteil vom 19.1.2006 verwiesen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerinnen, mit der sie ihren ursprünglichen Leistungsantrag in Höhe von 17.000,-- EUR nebst Zinsen weiter verfolgen. Das Landgericht habe die Beweislastverteilung verkannt. Die Beklagte habe nach ihrem Vortrag vor Gericht von ihrem Kündigungsrecht gemäß § 649 BGB Gebrauch gemacht. Um den Vergütungsanspruch nach § 649 Satz 2 BGB ablehnen zu können, obliege der Beklagten die Beweislast für einen außerordentlichen Kündigungsgrund. Dieser Beweis sei von der Beklagten nicht geführt worden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der von der Beklagten benannte Zeuge ... alleiniger Gesellschafter der Beklagten und bei ihr angestellt sei. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass die Leistungszeit mit Fixcharakter vereinbart worden sei. Im übrigen habe das Landgericht die vereinbarte Auftrittszeit zu Unrecht mit der von den Klägerinnen in den Werbespots angekündigten Anwesenheit im Club gleich gesetzt.
Außerdem hätte der Zeuge ... zur Produktion der drei Werbespots, die auf der vorgelegten CD festgehalten sind, und zu den Zahlungsschwierigkeiten der Beklagten vernommen werden müssen.
Die Klägerinnen beantragen:
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 22 O 167/05 - vom 19.01.2006 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen EUR 17.000,-- nebst 8%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit 26.04.2005 zu bezahlen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Die Beklagte behauptet, die Auftritte seien für den 15.4.2005 und damit vor Mitternacht vereinbart worden. Unstreitig seien die Klägerinnen für einen Auftritt an diesem Tag zu spät erschienen. Es habe deshalb ein absolutes Fixgeschäft und daher Unmöglichkeit vorgelegen. Deshalb sei keine Kündigung erfolgt, sondern ein Hinweis auf die eingetretene Unmöglichkeit. Die vereinbarte Leistungszeit müssten die Klägerinnen beweisen, insbesondere eine Leistungszeit am 16.4.2005 statt am 15.4.2005. Ein Anspruch aus §§ 4, 9 des Vertrags bestünde nicht. Aus § 4 werde kein Anspruch geltend gemacht. Ein Anspruch aus § 9 sei nicht bewiesen. Die Ausführungen des Landgerichts seien auch im Hinblick auf die Beweiswürdigung zutreffend.
13 
Der Senat hat durch Vernehmung der Zeugen Beweis erhoben.
II.
14 
Die Berufung der Klägerinnen ist zulässig und teilweise begründet.
15 
1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Parteien zwei Werkverträge über musikalische Aufführungen der Klägerinnen geschlossen haben (vgl. Palandt-Sprau, BGB 65. Aufl., Einführung vor § 631 RN 29 „Veranstaltung, Aufführung“).
16 
Unstrittig wurden die Werkverträge gekündigt. Die Fälligkeit eines etwaigen Vergütungsanspruchs der Klägerinnen ist daher weder von einer Abnahme noch von der Vereinbarung einer Vorleistungspflicht abhängig.
17 
2. a) Anspruch nach fristloser Kündigung / Rücktritt der Klägerinnen :
18 
Die Klägerinnen verfolgen einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung des vertraglich vereinbarten, vor Auftritt zu erfüllenden Vergütungsanspruchs durch die Beklagte nach eigener Kündigung in der Berufungsinstanz jedenfalls nicht ausdrücklich, sondern höchstens durch eine Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag weiter. Die pauschale Bezugnahme auf den Sachvortrag in erster Instanz stellt jedoch keine ausreichende Berufungsbegründung dar (vgl. Zöller-Gummer / Häßler, ZPO 25. Aufl., § 520 RN 40). Gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO steht daher der Sachvortrag und die Rechtsbehauptung der Klägerinnen, ihr Zahlungsanspruch ergebe sich aus einer Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit deren Zahlungspflichten, nicht mehr zur Überprüfung des Berufungsgerichts.
19 
Danach scheidet auch ein Anspruch gemäß § 4 der Verträge (Ansprüche bei Rücktritt der Künstler) aus.
20 
b) Die Klägerinnen stützen ihren Anspruch nunmehr auf § 649 Satz 2 BGB, weil die Beklagte die Werkverträge gekündigt habe.
21 
§ 649 Satz 2 BGB setzt jedoch voraus, dass das Rechtsverhältnis unter den Parteien durch eine ordentliche Kündigung beendet worden ist. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund führt ebenso wie ein Rücktritt wegen Leistungsverzugs in der Regel nicht zur Anwendung dieser Vorschrift (vgl. BGH NZBau 2001, 621). Hier hat die Beklagte ihre Kündigungserklärung bzw. ihren Rücktritt wegen des von ihr behaupteten Leistungsverzuges der Klägerinnen erklärt und damit - zumindest vorrangig - keine ordentliche Kündigungserklärung im Sinn des § 649 Satz 1 BGB abgegeben. Allerdings kann eine unwirksame außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung ausgelegt bzw. umgedeutet werden, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, dass diese dem Willen des Erklärenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung gegenüber deren Empfänger zum Ausdruck gekommen ist (BGH a.a.O.; NJW 2003, 3474, 3475; NJW-RR 2004, 1539, 1540).
22 
Voraussetzung für eine solche Auslegung der Kündigung in eine ordentliche Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB ist demnach, dass die von der Beklagten gewollte außerordentliche Kündigung unwirksam wäre. Das ist nach Sachlage für die beiden streitgegenständlichen Verträge unterschiedlich zu beurteilen.
23 
1. a) Auftritt in ...
24 
Für diesen Vertrag ist von einer wirksamen fristlosen Kündigung der Beklagten auszugehen.
25 
aa) Ein Schadensersatzanspruch wegen der grundlosen Kündigung eines Vertrages und damit wegen dessen Nichterfüllung setzt voraus, dass derjenige, der den Schadensersatzanspruch geltend macht, selbst zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten in der Lage war und bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrages die vereinbarte Gegenleistung verdient hätte und ihm insoweit durch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden ist (BGH WM 1974, 327, 328). Dabei hat grundsätzlich der Gläubiger, der wegen grundloser Erfüllungsverweigerung seines Vertragspartners Schadensersatz verlangt, die Voraussetzungen dieses Anspruchs darzutun und damit auch nachzuweisen, dass er selbst zu Erfüllung der ihm obliegenden Vertragspflichten imstande gewesen wäre (BGH a.a.O. Seite 329).
26 
Im wesentlichen nicht anders liegt es beim Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB. Dessen Aufgabe ist es, den Unternehmer schadlos zu stellen, also dafür zu sorgen, dass ihm aus der Kündigung weder Vorteile noch Nachteile erwachsen (Staudinger - Peters BGB 13. Aufl., Bearb. 2003 § 649 RN 21; 22). Beim ungekündigten Werkvertrag nach § 632 BGB hat der Unternehmer, der eine Vergütung verlangt, den Vertragsabschluss und die Fälligkeitsvoraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch, also insbesondere die erbrachte vertragsgemäße Werkleistung, zu beweisen. Im Rahmen des § 649 Satz 2 BGB werden die Anspruchsvoraussetzungen in der Weise modifiziert, dass der Unternehmer eine Abnahme nicht beweisen muss und an die Stelle der Vertragserfüllung die Bereitschaft des Unternehmers tritt, die vertragsgemäße Leistung rechtzeitig zu erbringen. Ansonsten wäre ein Unternehmer durch eine ordentliche Kündigung ungerechtfertigt bevorzugt, wenn trotz Fehlens seiner Leistungsbereitschaft er allein aufgrund der Kündigung des Werkvertrags nach § 649 S. 2 BGB für nicht erbrachte Leistungen einen Vergütungsanspruch hätte.
27 
Die Klägerinnen müssen deshalb beweisen, dass sie zur vereinbarten Zeit für ihren Auftritt an der vereinbarten Örtlichkeit bereit gewesen wären.
28 
Ein Ausnahmefall, in dem die Beweislast auf die Beklagte übergeht (BGH a.a.O.), liegt hier nicht vor. Zum Zeitpunkt der unstrittigen Kündigung des Vertrags bezüglich des Auftritts in ... mussten die Klägerinnen bereits erfüllungsbereit sein. Auf einen hypothetischen Geschehensablauf bezüglich der Herstellung der Erfüllungsbereitschaft der Klägerinnen bis zu einem künftigen Leistungszeitpunkt kam es danach nicht an.
29 
bb) Die Klägerinnen konnten nicht zur Überzeugung des Senats beweisen, dass mündlich ihre Anwesenheit und ihr Auftritt in ... erst für eine Zeit nach Mitternacht vereinbart worden wäre und sie rechtzeitig in ... eingetroffen sind.
30 
Die Zeugen haben vor dem Senat je nach Lager, aus dem sie stammen, völlig konträre Angaben gemacht.
31 
Zur Vereinbarung über eine Auftrittszeit waren sich die Zeugen, soweit sie hierzu Angaben machen konnten, einig, dass ein solcher Zeitpunkt vereinbart worden war.  Welche Uhrzeiten dies für ... und ... sein sollten, blieb jedoch unklar.  Wie schon beim Landgericht machten hierzu die Zeugen ... einerseits sowie der Zeuge ... andererseits unterschiedliche Angaben. Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Auftrittszeitpunkte an das Management der Klägerinnen widersprachen sich die Angaben der Zeugen ... um einen Tag. Andererseits ist nicht nachvollziehbar, warum das Management der Klägerinnen diese Zeitpunkte erst so spät erfahren haben will, wenn doch zuvor eine Radiospot mit den Klägerinnen vorbereitet worden war, in dem von einer konkreten Uhrzeit die Rede war. Es war danach zu erwarten, dass bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt - wie vom Zeugen angegeben - der Zeitpunkt der Auftritte fixiert worden ist.
32 
Eine Anwesenheit der Klägerinnen bereits ab Eröffnung des Clubs in ... und ein Auftritt bereits um 23:00 Uhr mag unüblich sein. Einen Anscheinsbeweis für die Vereinbarung eines Auftritts in einer Discothek erst nach Mitternacht gibt es jedoch nicht. Im übrigen mag zwar ein so früher Auftritt in einem Club unüblich sein. Er kann jedoch wirtschaftlich sinnvoll sein, um den Club möglichst früh zu füllen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigten, dass die Klägerinnen zwei Auftritte in der gleichen Nacht an zwei unterschiedlichen Orten zu bewältigen hatten.
33 
Eine Indizwirkung für die Vereinbarung eines frühen Auftrittszeitpunkts kommt den Radio-Werbespots zu, in denen die Klägerinnen in ihrer Muttersprache Englisch ihr Kommen ankündigen. Unabhängig davon, ob die Klägerinnen ihre Ankunft in ... für 22:00 Uhr ankündigten oder lediglich auf ihren Auftritt hinweisen und das Publikum aufforderten, ab 22:00 Uhr im Club zu sein, musste diese Äußerung, für die Klägerinnen ersichtlich, vom Publikum gemäß § 133 BGB dahin verstanden werden, dass die Besucher des Clubs... in ... sie ab 22.00 Uhr erleben könnten. Ob dies im Rahmen einer Autogrammstunde oder durch ein Konzert ab dieser Uhrzeit geschehen sollte, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn es zum Inhalt der mündlich ergänzten Verträge nicht auf die Kenntnis der Klägerinnen,  sondern von deren Management ankommen mag (§ 166 Abs. 1 BGB), legt deren Äußerung im Werbespot eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien nahe. Die Klägerinnen haben danach eine Auftrittszeit in ... ab Mitternacht nicht bewiesen.
34 
Das Landgericht hat zwar die Zeugenaussagen und die weiteren Umstände gewürdigt, aber keine Feststellung getroffen, wann die Klägerinnen im Club der Beklagten in ... eingetroffen sind.
35 
Nach der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerinnen kurz vor 24:00 Uhr am 15.04.2005 im Club der Beklagten in ... angekommen sind. Zwar haben die Zeugen der Parteien zur Ankunftszeit unvereinbare Angaben gemacht. Der Tankbeleg der Esso-Station ... in ... vom 16.04.2005, 01:20 Uhr, stützt jedoch die Angaben der Zeugen ... und ... . Die Zeugen haben bekundet, dass nach dem Eintreffen im Club in ... erfolglosen Gesprächen über den Auftritt der Klägerinnen und dem Abendessen auf der Rückfahrt zum Hotel nach ... die beiden Fahrzeuge des Trosses der Klägerinnen bei ... eine Tankstelle angefahren hätten. Die auf dem Tankbeleg ausgewiesene Zeit passt nur zu diesen Angaben. Wäre auf dem Hinweg getankt worden, hätten die Klägerinnen mit ihren Begleitern, geleitet durch ein Navigationssystem, deutlich vor 2:00 Uhr im Club der Beklagten in ... sein müssen, während die Zeugen der Beklagten eine Ankunft nicht vor 02:00 Uhr oder deutlich nach 02:00 Uhr bekundet hatten.
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Die Tankstelle ... liegt auf dem Weg von ... nach ... .Es ist deshalb plausibel, dass die Klägerinnen an dieser Tankstelle vorbeigekommen sind. Angesichts der Angaben des Zeugen ... gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Tankbeleg nicht die Klägerinnen betrifft, auch wenn er sich an den konkreten Tankvorgang nicht erinnern konnte. Zu dem Vortrag der Klägerinnen passt auch, dass der Tankbeleg das Tanken an zwei Zapfsäulen ausweist, nachdem die Klägerinnen ausweislich der Zeugenangaben ... mit zwei Fahrzeugen unterwegs waren. Ob die Tankstelle ... auf der Straßenseite Richtung oder Richtung ... gelegen ist, kann dahingestellt bleiben.
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Die Klägerinnen sind danach am 15.4.2005 erst kurz vor 24.00 Uhr im Club der Beklagten in ... eingetroffen. Nachdem sie in ... aus Zeitmangel nicht zu Abend essen konnten, haben sie in ... zuerst Pizza gegessen. Die Klägerinnen konnten deshalb frühestens zwischen 0:30 Uhr und 1:00 Uhr für einen Auftritt zur Verfügung stehen. Eine Verspätung von 2 ½ bis 3 Stunden zu einem öffentlichen Auftritt rechtfertigt angesichts der damit verbundenen Ärgernisse des Veranstalters und der Besucher eine fristlose außerordentliche Kündigung des Werkvertrags (vgl. auch BGH NJW-RR 2003, 13) und einen Rücktritt nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB
38 
Des Nachweises eines absoluten oder relativen Fixgeschäfts bedurfte es bei der vorliegenden Sachlage für den Club ... nicht.
39 
Gleichzeitig steht bei einem vereinbarten Beginn der Veranstaltung ab 22.00 Uhr fest, dass die Klägerinnen zum vereinbarten Leistungszeitpunkt nicht leistungsbereit waren, so dass ihnen auch im Fall einer ordentlichen Kündigung eine Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB nicht zusteht.
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cc) Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 9 der Verträge (Absage des Veranstalters) wurde nicht bewiesen, weil dieser Anspruch ebenfalls die vertragsgemäße Erfüllungsbereitschaft des Künstlers voraussetzt.
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b) Auftritt in ...
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Das Landgericht hat nicht zwischen der Kündigung des Veranstaltungsvertrags für die Lokalität in ... und derjenigen für die Lokalität in ... unterschieden.
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Hier steht den Klägerinnen ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 649 S. 2 BGB in Höhe von 8.500,- EUR zu.
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aa) Nach dem Abendessen im Club ... in ... wären die Klägerinnen ab ca. 01:00 Uhr zur Fahrt nach ... bereit gewesen. (vgl. oben 3 a) bb) und Uhrzeit auf dem Tankbeleg). Der Zeuge ... hat glaubhaft seine Bereitschaft und die Bereitschaft der Klägerinnen bekundet, in ... aufzutreten, auch wenn in ... der Auftritt (wenn auch nach Angaben des Zeugen nicht wegen Zeitverzugs, sondern wegen Geldmangels) entfallen war. Die Zeugen der Beklagten, insbesondere auch der Zeuge ... , haben dem nichts entgegengesetzt, weil sie sich - ihren eigenen Angaben zufolge - um ... nicht gekümmert hätten. Bei einer Fahrtzeit von einer Stunde wären die Klägerinnen gegen 02:00 Uhr im Club der Beklagten in ... und damit auch nach dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, der erneut vom Zeugen ... und dem Geschäftsführer der Beklagten vor dem Senat bestätigt wurde, zur vereinbarten Leistungszeit rechtzeitig erfüllungsbereit gewesen.
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Das Verhalten der Klägerinnen bot daher der Beklagten für den Club in ... weder einen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Vertrags noch ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 2 BGB.
46 
bb) Die Kündigung der Beklagten ist daher insoweit als ordentliche Kündigung nach § 649 S. 1 BGB zu behandeln. Nach der Beweiswürdigung unter a) haben die Klägerinnen den Senat überzeugt, vertragsgerecht erfüllungsbereit gewesen zu sein. Ihnen steht daher die vereinbarte Vergütung von 8.500,- EUR zu. Aufwendungen haben die Klägerinnen durch die Kündigung des Auftritts in ... nicht erspart. Von... aus wäre ... bei einer anderen Fahrtroute auf dem Weg nach ... in das Nachtquartier gelegen gewesen, so dass Fahrtkosten nicht erspart worden wären. Ein einträglicher anderweitiger Auftritt wäre in der Kürze der Zeit nicht mehr zu organisieren gewesen.
47 
cc) Dem Ausspruch zu den Zinsen liegen die §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 2 BGB zu Grunde. Durch die Vereinbarung des Zahlungszeitpunkts zum Beginn des Auftritts der Klägerinnen in ... am 16.04.2005 gegen 02:00 Uhr war die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt.
48 
4. Eine Vernehmung des Zeugen ... ist nicht erforderlich. Dieser ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Belang, weil das Gericht sich über den Inhalt der Werbespots durch das Abhören der CD einen unmittelbaren eigenen Eindruck verschaffen und die Ankündigung der Klägerinnen zu ihrem Auftrittszeitpunkt selbst wahrnehmen kann. Ob die Beklagte ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Zeugen ... erfüllt hat, ist ebenfalls für die Entscheidung dieses Rechtsstreits unerheblich.
49 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.  Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen die §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO zu Grunde.
50 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.