Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 10. Okt. 2011 - 6 WF 104/11

bei uns veröffentlicht am10.10.2011

Tenor

1. Das Amtsgericht – Familiengericht – in Saarbrücken wird angewiesen, das Verfahren 54 F 98/11 UG mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten der zweiten Instanz werden nicht erstattet.

Gründe

Die Untätigkeitsbeschwerde des Vaters ist zulässig und begründet.

Unbeschadet des Umstandes, dass bislang keine anfechtbare Endentscheidung des Familiengerichts vorliegt, ist die eingelegte Beschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf statthaft. Zwar ist eine solche Beschwerde, mit dem die Untätigkeit des Erstgerichts gerügt wird, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Anerkanntermaßen ist es aber gleichwohl als statthaftes Rechtsmittel für den Fall der Verweigerung oder unzumutbaren Verzögerung einer Rechtsgewährung anzusehen. Es entspricht einem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, in derartigen Fällen die Beschwerde zu eröffnen (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 173, 174; Senatsbeschluss vom 16. Februar 1999 – 6 WF 4/99 –, NJW-RR 1999, 1290; Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 18. Januar 2011 – 9 WF 125/10 –, jeweils m.w.N.). Denn Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG begründet einen Anspruch des einzelnen Bürgers auf effektiven Rechtsschutz in bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten, der gebietet, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden. Ob im Lichte dieses Justizgewährungsanspruchs eine Verfahrensdauer unangemessen lang ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Bestimmend sind vor allem die Natur des Verfahrens und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten. In umgangsrechtlichen Verfahren ist bei der Beurteilung, welche Verfahrensdauer noch als angemessen erachtet werden kann, zu berücksichtigen, dass jede Verfahrensverzögerung wegen einer eintretenden Entfremdung häufig rein faktisch zu einer (Vor-)Entscheidung führen kann, zumal sich das kindliche Zeitempfinden vom objektiven Zeitempfinden eines Erwachsenen unterscheidet. Ebenso ist die mit dem gerichtlichen Verfahren einhergehende Belastung für die Betroffenen bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer zu bedenken (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 689; 2008, 2258). In seit dem 1. September 2009 eingeleiteten Kindschaftsverfahren ist auch der vom Gesetzgeber in § 155 Abs. 1 FamFG allgemein verbriefte und in § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG besonders ausgestaltete Vorrang- und Beschleunigungsgrundsatz in den Blick zu nehmen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 18. Januar 2011 – 10 WF 3/11 –, juris).

Solch unzumutbare Verzögerung erfährt die Behandlung des Antrags des Vaters vorliegend. Dieser hat das Hauptsacheverfahren am 21. März 2011 eingeleitet; eine Verfahrensförderung und insbesondere die Anberaumung eines Anhörungstermins ist indes bislang unterblieben. Denn das Familiengericht geht aktenersichtlich davon aus, dass es das Verfahren – in hier gegebener Abwesenheit eines Verfahrenskostenhilfegesuchs des Vaters – erst fort zu betreiben habe, wenn der Vater den vom Familiengericht angeforderten Kostenvorschuss eingezahlt haben wird.

Diese Handhabung verletzt den Vater bei den gegebenen Umständen in seinem Justizgewährungsanspruch.

Nach § 12 FamGKG darf die Tätigkeit des Familiengerichts von der Sicherstellung oder Zahlung der Kosten nicht in weiterem Umfang abhängig gemacht werden, als dies im FamFG, in der ZPO und im FamGKG vorgesehen ist. Das Familiengericht ist aktenersichtlich der Auffassung, der Vater sei im vorliegenden Verfahren Antragskostenschuldner nach §§ 14 Abs. 3, 21 FamGKG und habe auf dieser Grundlage Vorschuss zu leisten. Es hat aber verkannt, dass § 21 S. 1 FamGKG nicht einschlägig ist. Denn das vorliegende Umgangsverfahren ist kein Verfahren, das im Sinne dieser Vorschrift „nur durch Antrag eingeleitet werden“ kann. Die mögliche Art der Verfahrenseinleitung ist nach materiellem Recht zu bestimmen und ein Umgangsverfahren nach § 1684 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BGB kann auch von Amts wegen eingeleitet werden (hierzu Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2011, § 2, Rz. 163 m.w.N.; BT-Drucks. 16/6308, S. 237), so dass eine Vorschussanforderung, nachdem auch eine andere Rechtsgrundlage hierfür nicht ersichtlich ist, nicht in Betracht kommt (vgl. Schneider/Wolf/Wolpert, HK-FamGKG, § 14, Rz. 82; Volpert, FPR 2010, 327, jeweils m.z.w.N.).

Ist mit dieser Maßgabe der seit Antragseingang im Hauptsacheverfahren eingetretene Verfahrensstillstand nicht zu rechtfertigen, so hat der Senat dem Familiengericht die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Anweisung zu erteilen, wobei dem Familiengericht die Auswahl der konkreten verfahrensfördernden Maßnahmen, insbesondere die Bestimmung des Termins für eine anzuberaumende mündliche Anhörung der Beteiligten, vorbehalten zu bleiben hat (Senatsbeschluss a.a.O.; Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts, a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O., jeweils m.w.N.).

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 81 FamFG, 20 FamGKG.

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.

(3) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten zu dem Termin anordnen.

(4) Hat das Gericht ein Verfahren nach Absatz 1 zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ausgesetzt, nimmt es das Verfahren in der Regel nach drei Monaten wieder auf, wenn die Beteiligten keine einvernehmliche Regelung erzielen.

In weiterem Umfang als das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Zivilprozessordnung und dieses Gesetz es gestatten, darf die Tätigkeit des Familiengerichts von der Sicherstellung oder Zahlung der Kosten nicht abhängig gemacht werden.

(1) In Ehesachen und selbständigen Familienstreitsachen soll die Antragsschrift erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. Wird der Antrag erweitert, soll vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden; dies gilt auch in der Rechtsmittelinstanz.

(2) Absatz 1 gilt nicht für den Widerantrag, ferner nicht für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, auf Anordnung eines Arrests oder auf Erlass eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung.

(3) Im Übrigen soll in Verfahren, in denen der Antragsteller die Kosten schuldet (§ 21), vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden.

(1) In Verfahren, die nur durch Antrag eingeleitet werden, schuldet die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat. Dies gilt nicht

1.
für den ersten Rechtszug in Gewaltschutzsachen und in Verfahren nach dem EU-Gewaltschutzverfahrensgesetz,
2.
im Verfahren auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung auf Rückgabe des Kindes oder über das Recht zum persönlichen Umgang nach dem Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz,
3.
für einen Minderjährigen in Verfahren, die seine Person betreffen, und
4.
für einen Verfahrensbeistand.
Im Verfahren, das gemäß § 700 Abs. 3 der Zivilprozessordnung dem Mahnverfahren folgt, schuldet die Kosten, wer den Vollstreckungsbescheid beantragt hat.

(2) Die Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs schuldet jeder, der an dem Abschluss beteiligt ist.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.