Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 09. Apr. 2008 - 2 VollzWs 42/08, 2 Vollz Ws 42/08

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2008:0409.2VOLLZWS42.08.0A
bei uns veröffentlicht am09.04.2008

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Lübeck - Strafvollstreckungskammer 5 a -vom 10. Dezember 2007 einschließlich der zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Antrag zurückgewiesen worden ist, dem Antragsteller ab sofort patientenbegleitete Geländeausgänge zu gewähren. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Im aufgehobenen Umfang wird die Sache an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Entscheidung - auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens insgesamt -zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist bei dem Antragsgegner aufgrund eines Urteils des Landgerichts Lübeck vom 7. Juni 1999 zum Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB untergebracht. Anlasstaten waren u.a. sexuelle Nötigung und Beleidigung, nachdem der Antragsteller schon zuvor durch exhibitionistische Handlungen aufgefallen war. Das seinerzeit erkennende Gericht war - sachverständig beraten - vom Vorliegen schwerer Persönlichkeitsstörungen ausgegangen, die durch eine erhebliche Selbstwertproblematik und unverarbeitete, abgespaltene Aggressivität mit Streben nach direkter Erfüllung von Kontaktwünschen und mit aggressiven Impulsen in Zurückweisungs- und Kränkungssituationen gekennzeichnet waren.

2

Im Laufe des Klinikaufenthaltes machte der Antragsteller nach Einschätzung des Antragsgegners beachtliche Fortschritte, und zwar sowohl aufgrund seit Dezember 2005 einvernehmlich zur Triebdämpfung erfolgenden Behandlungen mit Androcur als auch bei der Arbeit an seinen Persönlichkeitsdefiziten im Rahmen psychotherapeutischer Behandlung. Deshalb konnte der Antragsteller am 13. Juni 2006 in den wenig gesicherten Klinikbereich auf die Station FN 10 verlegt werden. Dem Antragsteller wurden in der Folgezeit auch Ausgänge in Personalbegleitung ebenso erlaubt wie Gruppenausführungen in die Stadt N.. Zur Zeit ist der Antragsgegner den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses zufolge mit der Prüfung befasst, ob dem Antragsteller Geländeausgänge in Begleitung seiner Partnerin gewährt werden können.

3

Seit seiner ausdrücklichen Antragsstellung durch die Antragstellervertreterin mit Schriftsatz vom 21. März 2007 im Streit steht die Durchführung von patientenbegleiteten Ausgängen, welche der Antragsgegner mit Schreiben vom 19. April 2007 ablehnte. Nach Beschwerde mit Schriftsatz vom 28. April 2007 erließ der Antragsgegner unter Datum vom 16. August 2007 einen ablehnenden Beschwerdebescheid, in welchem der Antragsgegner zwar einerseits die therapeutischen Fortschritte und eingetretene Nachreifung der Persönlichkeit des Antragstellers hervorhob, andererseits aber eine bisher noch nicht überwundene Oberflächlichkeit im Kontakt zum therapeutischen Team und bei der Aufarbeitung eigener Defizite. Insoweit führt der Beschwerdebescheid eine fehlende Offenheit - aufgezeigt an einer Täuschung über sein Onanierverhalten, den über die Antragstellervertreterin vorgenommenen Bemühungen um Verlegung in eine andere Klinik und an fehlender Thematisierung der zwischenzeitlich eingegangenen Partnerschaft - ebenso an wie den Umstand, dass der Antragsteller „immer wieder Termine mit seinen Therapeuten nicht eingehalten und ihm aufgetragene therapeutische Hausaufgaben nicht erledigt“ habe. Von daher sei nicht zu beanstanden, dass aus Sicht der Klinik jedenfalls patientenbegleiteten Geländeausgängen momentan noch die Stagnation des Antragstellers bei der Offenheit gegenüber seinen inneren Konflikten und seiner Sexualität sowie bei seiner Eigeninitiative zur Entwicklung einer Rückfallprophylaxe entgegen stände.

4

Das fristgemäß geltend gemachte Begehren auf gerichtliche Entscheidung dahin, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller ab sofort patientenbegleitete Geländeausgänge zu gewähren und - unter der Bedingung, dass diese im Laufe von drei Monaten beanstandungsfrei verlaufen - unbegleitete Geländeausgänge, hat die Strafvollstreckungskammer insgesamt zurückgewiesen. Hinsichtlich der begehrten Verpflichtung auch zu unbegleiteten Geländeausgängen sei bereits das erforderliche Verwaltungsvorverfahren nicht eingehalten worden. Hinsichtlich der Gewährung patientenbegleiteter Ausgänge sei das Begehren zulässig, aber unbegründet. Der Maßregelvollzug dürfe gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 MVollzG Schl.-H. nur gelockert werden, wenn zu erwarten sei, dass dadurch die Ziele des Maßregelvollzuges gefördert werden und die ihm eingeräumten Möglichkeiten mutmaßlich nicht missbraucht, insbesondere die Allgemeinheit nicht gefährden werde. Den insoweit zu beachtenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum habe der Antragsgegner nicht verletzt. So sei er von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen und habe zu Recht eine doppelte Prognose angestellt, d. h. eine Einschätzung der Auswirkungen von patientenbegleiteten Ausgängen für die Allgemeinheit und für den Antragsteller selbst. Nicht zu beanstanden sei, dass der Antragsgegner es als erforderlich angesehen habe, dass der Antragsteller sein Verhalten nach außen - insbesondere gegenüber den Therapeuten - transparent machen müsse, und deshalb die mangelnde Offenheit zu Verlegungsbemühungen oder auch bei der Thematisierung der Partnerschaft des Antragstellers als negative Lockerungsindikatoren angesehen habe. Ebenso habe der Antragsgegner auf Unzuverlässigkeiten im Rahmen der Therapiemaßnahmen - etwa das Versäumen von Terminen und die Nichterledigung von Hausarbeiten - abstellen dürfen.

5

Gegen diese Entscheidung hat der anwaltlich vertretene Antragsteller rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet:

6

Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde folge bereits aus der Verfassungswidrigkeit von § 17 Abs. 1 Satz 3 MVollzG Schl.-H. entspreche doch diese landesrechtliche Norm nicht den bei Eingriffsregelungen zu beachtenden Grundsätzen der Normenklarheit und der Verhältnismäßigkeit. Auch stehe die Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer im Widerstreit mit der Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 16. März 2007 - 3 VollzWs 1/07 -), derzufolge ein Zusammenhang zwischen belastender Maßnahme und Behandlungserfolg bestehen müsse. Ungeachtet dessen sei die Sachaufklärung fehlerhaft, da nicht ersichtlich sei, auf welchem Wege die Strafvollstreckungskammer zur Überzeugung der Zugrundelegung eines vollständigen Sachverhalts durch die Antragsgegnerin gekommen sei. In der Sache habe die Klinik durch widersprüchliches Vorbringen die Grenzen ihres Ermessens verletzt, sei doch nicht ersichtlich, wie bei patientenbegleiteten Geländeausgängen tatsächlich „tatrelevante Konfliktsituationen“ eintreten sollten. Auch werde der Erprobungscharakter von Vollzugslockerungen ebenso verkannt, wie es keine Eingriffsgrundlage für die Forderungen nach einer - auch die Intimsphäre umfassenden - rückhaltlosen Offenheit gebe.

7

Das als Aufsichtsbehörde im Sinne der §§ 138 Abs. 3, 111 Abs. 2 StVollzG, 3 Abs. 1 b Satz 5 MVollzG Schl.-H. beteiligte Ministerium hat die Verfassungsgemäßheit des § 17 MVollzG Schl.-H. betont. Diese Norm konkretisiere letztlich den Maßstab des § 63 StGB, wonach therapeutischer Erfolg und Verhinderung der Allgemeingefährdung anlässlich der Gewährung von Lockerungen „Hand in Hand“ gehen müssten. Auch sei § 17 MVollzG Schl.-H. keine Eingriffsregelung, sondern diene schrittweise der Wiederherstellung der Freiheit der im Maßregelvollzug untergebrachten Menschen.

II.

8

Die rechtzeitig und in gehöriger Form (§§ 138 Abs. 3, 118 StVollzG) eingelegte Rechtsbeschwerde ist zum überwiegenden Teil statthaft und hat auch in der Sache - vorläufigen - Erfolg insoweit, als die angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurück zu verweisen war.

9

1. Was die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 138 Abs. 3, 116 Abs. 1 StVollzG betrifft, fehlt es an dieser jedoch - insoweit war die Rechtsbeschwerde bereits als unzulässig zu verwerfen -, soweit die - uneingeschränkt erhobene - Rechtsbeschwerde auch die Zurückweisung des bedingt gestellten Antrags auf unbegleitete Geländeausgänge durch die Strafvollstreckungskammer angreift. Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer die Abweisung dieses Antrages nämlich schon mit der fehlenden Durchführung des gemäß § 21 MVollzG Schl.-H. vorgeschriebenen Verwaltungsvorverfahrens begründet; weshalb insoweit eine Rechtsbeschwerde zur „Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ im Sinne des § 116 Abs. 1 StVollzG statthaft sein sollte, erschließt sich nicht.

10

Anders liegt dies indes hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung von patientenbegleiteten Geländeausgängen, weil die angefochtene Entscheidung insoweit mehrere allgemein zu beantwortende Rechtsfragen aufwirft, die von den Besonderheiten des vorliegenden Einzelfall getrennt werden können und auch in anderen vergleichbaren Fällen Bedeutung erlangen können (vgl. zu diesem Kriterium zuletzt Senat, Beschluss vom 14. Juli 2007 - 2 VollzWs 208/07 -). Denn in Rede steht zum einen generell die vom Antragsteller thematisierte Verfassungsgemäßheit des § 17 Abs. 1 Satz 3 MVollzG Schl.-H. selbst und zum anderen die Frage, ob die angefochtene Entscheidung bei der in ihr erfolgten Überprüfung von Beurteilungsspielraum und Entscheidungsermessen der Klinik insoweit noch von zulässigen Kriterien ausgegangen ist, als sie eine Anknüpfung generell an „mangelnde Offenheit“ des Antragstellers und „Unzuverlässigkeiten im Rahmen der Therapiemaßnahmen“ für zulässig erachtet hat.

11

2. Soweit die Rechtsbeschwerde damit statthaft ist, hat sie auch in der Sache -vorläufigen - Erfolg.

12

Hierbei hält der Senat allerdings § 17 Abs. 1 Satz 3 MVollzG Schl.-H. bei zutreffender Auslegung für durchaus verfassungsgemäß (a). Jedoch beruht die angefochtene Entscheidung insoweit auf einer Rechtsverletzung (§ 116 Abs. 2 StVollzG), als „mangelnde Offenheit“ und „Unzuverlässigkeiten im Rahmen der Therapiemaßnahmen“ durchgängig - also auch ohne feststellbar konkreten Bezug zum Unterbringungszweck - als geeigneter Versagungsgrund für Lockerungen des Maßregelvollzuges angesehen (b) und schon auf der Basis der bisherigen Feststellungen ein Fehlgebrauch von Beurteilungsspielraum und Entscheidungsermessen verneint worden ist (c).

13

a) Was die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegenüber § 17 Abs. 1 Satz 3 MVollzG Schl.-H. betrifft, ist auch nach Auffassung des Senats § 17 MVollzG Schl.-H. insgesamt an den gesteigerten Anforderungen zu messen, die das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit insbesondere für Eingriffsnormen aufstellt.

14

Keinesfalls ist § 17 MVollzG Schl.-H. schon deshalb keine Eingriffsnorm, weil - wie es das beteiligte Ministerium formuliert hat - es „nicht um Eingriffe in die ohnehin gerichtlich festgelegte Freiheitsentziehung“ gehe, „sondern um die schrittweise Wiederherstellung der Freiheit der im Maßregelvollzug untergebrachten Menschen“. So zutreffend damit auch das Ziel von Vollzugslockerungen beschrieben wird, darf nicht auf diese Weise die hergebrachte, aber aus heutiger Sicht zu recht obsolet gewordene Figur des „besonderen Gewaltverhältnisses“, in welches der Untergebrachte bereits aufgrund der Aufnahme in die Unterbringung gelangt ist, wieder etabliert werden. Vielmehr wird durch die Versagung der begehrten Lockerung der Untergebrachte in seinem einfachgesetzlich durch §§ 136 StVollzG, 2 MVollzG Schl.-H. konkretisierten und grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rehabilitierungs- und Resozialisierungsinteresse im Sinne eines Eingriffs berührt. Unter dem Aspekt des notwendigen Grundrechtschutzes kann es sich nämlich bei § 17 MVollzG Schl.-H. nicht anders verhalten als bei den nach § 11 StVollzG im Strafvollzug zu gewährenden Vollzugslockerungen, welche das Bundesverfassungsgericht ebenfalls in Zusammenhang mit dem Resozialisierungsinteresse des Strafgefangenen als grundrechtlich geschützt angesehen hat (BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 2 BVR 11/03 - unter II 1 a; zum grundrechtlichen Schutz des Resozialisierungsinteresses allgemein BVerfGE 35, 202, 235 f, seither ständige Rechtsprechung).

15

Den hierbei zu stellenden Anforderungen genügt § 17 MVollzG Schl.-H. aber insgesamt durchaus, weil die Anknüpfungskriterien „Erfolg der Behandlung“ und „Gefährdung der Allgemeinheit“(§ 17 Abs. 1 Satz 2 MVollzG Schl.-H.) bzw. Förderung der „Ziele des Maßregelvollzuges“ und „Missbrauchsgefahr“ (§ 17 Abs. 1 Satz 3 MVollzG Schl.-H.) ausdrücklich benannt und verknüpft werden. Hierbei ist ähnlich der Situation bei § 11 StVollzG auch gegen die Koppelung von - Beurteilungsspielräume beinhaltenden - unbestimmten Rechtsbegriffen auf der Tatbestandsseite mit Entscheidungsermessen auf der Rechtsfolgeseite als solches nichts zu erinnern. Denn zum einen ist schon nicht vorstellbar, wie der Gesetzgeber in praktikabler Form die denkbaren Mannigfaltigkeiten von Verhaltens- und Therapiesituationen mit erkennbarem Gewinn weiter typisieren könnte. Zum anderen kann mit der jetzigen Fassung des § 17 MVollzG Schl.-H. dem Einschätzungs- und Prognosecharakter der entsprechenden Wertungen der Klinik ebenso hinreichend Rechnung getragen werden, wie selbst die Annahme von Beurteilungsspielräumen selbstverständlich die Gerichte nicht von der Pflicht zur hinreichend präzisen Überprüfung entbindet (vgl. zu § 11 StVollzG BVerfG NStZ 1998, 430, 431).

16

Insoweit ist es schließlich auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren, eine beabsichtigte Lockerung des Maßregelvollzuges nicht nur gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 MVollzG Schl.-H. an der zu erwartenden Gefährdung der Allgemeinheit zu messen, sondern gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 MVollzG Schl.-H. zugleich an der Förderung des Ziele des Maßregelvollzuges. Denn nicht nur ist - und insoweit determinieren, wie noch näher auszuführen sein wird, § 63 StGB und § 136 StVollzG das landesrechtliche Maßregelvollzugsrecht - einzig rechtmäßiger Unterbringungsgrund gerade die Gefährlichkeit des Straftäters aufgrund eines seine Bestrafung ausschließenden seelischen Defektzustandes. Vielmehr würde es die Verfolgung des auch im Interesse des Untergebrachten liegenden Therapieerfolges konterkarieren - und insoweit muss und darf der Untergebrachte auch vor sich selbst geschützt werden -, wenn eine Vollzugslockerung schon bei zwar günstiger Gefährlichkeitsprognose, aber insgesamt ungünstiger Prognose für den Therapieerfolg gewährt werden müsste. Verfassungskonform kann und sollte § 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 MVollzG Schl.-H. allerdings dahin einschränkend ausgelegt werden, dass bei günstiger Gefährdungsprognose Vollzugslockerungen bereits bei neutralen Auswirkungen für den Therapieerfolg gewährt werden dürfen.

17

Ebenfalls verfassungskonformer Auslegung bedürfen die in § 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 MVollzG Schl.-H. normierten Merkmale der Gefährdungsprognose selbst. Vermag hiernach eine Vollzugslockerung nur erfolgen, „wenn zu erwarten ist, dass… der untergebrachte Mensch die ihm eingeräumten Möglichkeiten mutmaßlich nicht missbrauchen, insbesondere die Allgemeinheit nicht gefährden wird“, darf aus der Koppelung einer Prognose („wenn zu erwarten ist“) mit der Anknüpfung an einen nur „mutmaßlichen“ Missbrauch der Lockerung keineswegs auf die - einer „Erwartung“ letztlich zuwider laufende - Geeignetheit jeglichen Gefahrenverdachts zur Versagung einer Vollzugslockerung geschlossen werden. Sicher darf schon nach allgemeinem Verständnis das Ausmaß des zu fordernden Gefahrenverdachts von der Art des drohenden Schadens abhängig gemacht werden; bei Gefahr für Leib und Leben rechtfertigt schon ein geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts die Versagung einer begehrten Lockerung als bei Gefahr für Sachen. Andererseits mag etwa eine zu befürchtende Überschreitung der Ausgangsfrist zwar einen Missbrauch des gewährten Ausgangs darstellen, für sich allein aber noch nicht eine Gefährdung der Allgemeinheit. Zu § 11 Abs. 2 StVollzG hat der Senat festgestellt, „dass das Vorliegen von Flucht- oder Missbrauchsbefürchtungen im Sinne des § 11 Abs. 2 StVollzG aufgrund konkreter Tatsachen bezogen auf die konkrete Lockerungsmaßnahme festgestellt werden muss“ (Senat, Beschluss vom 4. Oktober 2007 - 2 VollzWs 392/07 -, SchlHA 207, 542 ff.). Die Sachlage verhält sich im Maßregelvollzug aber nur insoweit anders, als aufgrund des therapiebedürftigen seelischen Defekts des Untergebrachten über eine etwaige Entweichung hinaus in der Tendenz häufiger die Gefährdung der Allgemeinheit durch Begehung weiterer Straftaten befürchten werden muss. Ungeachtet dessen ändert sich jedoch unter Verhältnismäßigkeitsaspekten nichts an der auch für den Maßregelvollzug notwendigen Konkretheit der Anknüpfungspunkte einer Gefahrenprognose; nur allgemeine Sicherheitsüberlegungen oder vage Befürchtungen reichen folglich keineswegs.

18

b) Bestehen somit keinesfalls durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendung insbesondere des § 17 Abs. 1 Satz 3 MVollzG Schl.-H., so hat die Strafvollstreckungskammer gleichwohl bei ihrer - in ihrem Ansatz nicht zu beanstandenden - Überprüfung der Einhaltung der Grenzen von Beurteilungsspielraum und Ermessensausübung des Antragsgegners (zur Anwendung des in § 115 Abs. 5 StVollzG enthaltenen Maßstabs vgl. auch Senat a.a.O.) die zu beachtenden Kriterien nicht vollständig erkannt.

19

Hierbei vermag der Senat der Strafvollstreckungskammer noch darin zu folgen, dass „mangelnde Offenheit“ des Untergebrachten und „Unzuverlässigkeiten im Rahmen der Therapiemaßnahmen“ grundsätzlich Indikatoren für einen nicht erreichten Therapiefortschritt und die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Untergebrachten für die Allgemeinheit sein können. Kommunikative Offenheit und sozialintegriertes Verhalten - auch in die Abläufe eines Klinikbetriebes - können und dürfen zwar nicht dem Untergebrachten abgezwungen werden. Ebenso verweist der Antragsteller zu Recht darauf, dass ihm auch unter den Bedingungen eines therapeutisch geprägten Klinikalltags ein unverzichtbares Minimum an Privatheit im Denken und Fühlen zuzugestehen ist. Fehlt es aber in prägendem Maße an kommunikativer Offenheit und sozialer Integration, kann und muss die Klinik diesen Befund im Rahmen einer nach § 17 MVollzG Schl.-H. zu treffenden Prognose- und Abwägungsentscheidung berücksichtigen. Insoweit muss ein sich gegenüber jedem therapeutischen Zugang vollständig verschließender Untergebrachter aber durchaus auch die Konsequenzen dessen tragen, dass er den Entscheidungsverantwortlichen bei der Prognose seines künftigen Verhaltens eben nicht eine durch Kenntnis seines Denkens und Fühlens erweiterte Einschätzungsperspektive ermöglicht hat.

20

Allerdings war der Antragsgegner - und dies hat die Strafvollstreckungskammer nicht vollständig berücksichtigt - bei der Anknüpfung an Tatbestände mangelnder Offenheit oder Unzuverlässigkeit als Versagungsgrund für eine erstrebte Vollzugslockerung nicht völlig frei. Denn keinesfalls kann etwa aus jedwedem deviantem Verhalten des Untergebrachten im Klinikinnenbetrieb auf Therapiedefizite oder auf das Ausmaß seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit geschlossen werden. Auch muss der Untergebrachte sich Lockerungen nicht etwa erst durch Wohlverhalten „verdienen“. § 17 MVollzG Schl.-H. eignet sich schon deshalb nicht zur Schließung einer im Verhältnis zu den disziplinarrechtlichen Möglichkeiten des Strafvollzuges (§§ 102 ff. StVollzG) im Maßregelvollzug möglicherweise bestehenden Lücke, weil - völlig zutreffend - § 17 MVollzG Schl.-H. eine Versagung von Vollzugslockerungen nur aus Gründen der Gefährdung der Zwecke des Maßregelvollzuges und der Allgemeinheit selbst zulässt, nicht aber bereits bei bloßer Gefährdung des Ablaufes des Klinikinnenbetriebes (im Ergebnis ähnlich für den Entzug von Gegenständen im Maßregelvollzug aufgrund von § 12 Abs. 3 Satz 1 HmbMVollzG OLG Hamburg, Beschluss vom 16. März 2007 - 3 VollzWs 1/07 -, Recht und Psychiatrie 2007, 203 ff.). Es versteht sich von selbst, dass dieser Zusammenhang auch nicht etwa dadurch umgangen werden darf, dass erwähnte Störungen des Klinikinnenbetriebes in jedem Fall als mangelnde „Compliance“ im Sinne mangelnden Therapieerfolgs begriffen werden.

21

Zu fordern, aber auch ausreichend ist vielmehr eine konkrete Verknüpfung zwischen einem durch Benennung konkreter Tatsachen zu beschreibenden Verhalten des Untergebrachten und der Gefährdung des Unterbringungszwecks (im Ergebnis ebenso bereits OLG Hamburg a.a.O.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die in § 2 Abs. 1 MVollzG Schl.-H. beschriebene Zielsetzung des Maßregelvollzugs, den Untergebrachten „insbesondere durch ärztliche, psychotherapeutische und sonstige geeignete therapeutische Maßnahmen zu behandeln sowie auf eine selbständige Lebensführung außerhalb einer Einrichtung des Maßregelvollzugs vorzubereiten und sozial und beruflich einzugliedern“ durch § 136 Satz 2 StVollzG beschränkt ist, heißt es doch dort: „Soweit möglich, soll er (der Untergebrachte) geheilt oder sein Zustand so weit gebessert werden, dass er nicht mehr gefährlich ist“. Dies ist jedoch wiederum in Orientierung an § 63 StGB danach zu bestimmen, ob und inwieweit der Untergebrachte defektbedingt „erhebliche Straftaten“, insbesondere natürlich den Anlasstaten gleichkommende Straftaten begehen würde (vgl. auch Beschluss des 1. Strafsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 5. Februar 2008 - 1 Ws 534/07 -). Es mag sein, dass aus einem Regeln des Anstaltsinnenbetriebs verletzenden Verhalten eines Untergebrachten bei entsprechender Art, Schwere und Häufigkeit auf eine fehlende Absprachefähigkeit geschlossen werden kann und muss sowie letztlich auch auf die Gefahr, dass der Untergebrachte außerhalb der Klinik bestimmten schädlichen Reizen nicht in jeder Hinsicht widerstehen kann. Die Unterbringung im Maßregelvollzug mandatiert jedoch nicht zur generellen Ertüchtigung in allgemeiner Lebensführung; der insoweit erreichte Grad darf deshalb - für sich betrachtet - auch kein ausschlaggebendes Kriterium für die Gewährung von Vollzugslockerungen sein. An mangelnde Offenheit des Antragstellers und an Tatbestände von Unzuverlässigkeit hätten somit die Strafvollstreckungskammer und zuvor auch der Antragsgegner bzw. die Klinik nur dann anknüpfen dürfen, wenn und soweit sich aus diesen Anknüpfungspunkten spezifische Anzeichen gerade für die fortbestehende Gefahr der defektbedingten Begehung von den Anlasstaten entsprechenden Straftaten oder anderen erheblichen Straftaten durch den Antragsteller ergeben würden.

22

c) Ob dies überhaupt der Fall sein kann, erscheint dem Senat nach Aktenlage eher als zweifelhaft. Denn jedenfalls ohne Kenntnis der näheren Umstände der konkreten Vorfälle erschließt sich entgegen dem Ansatz der Strafvollstreckungskammer nicht, weshalb das Versäumen von Terminen oder die Nichterledigung von Hausarbeiten bedeutsam für die - wie erläutert - zu stellende Prognose sein kann. Ähnlich verhält es sich, soweit es die von der Strafvollstreckungskammer ebenfalls als Negativindikator in Bezug genommenen Bemühungen des Antragstellers über seine Verfahrensbevollmächtigte auf Verlegung in eine andere Klinik betrifft. Angesichts der zu den Sexualstraftaten gehörenden Anlasstaten der Unterbringung kann es sich jedoch anders verhalten, soweit es die Thematisierung der offenbar während der Unterbringung eingegangenen Partnerschaft des Antragstellers anbelangt.

23

Allerdings leidet auch insoweit wie auch im Übrigen der angefochtene Beschluss daran, dass die Strafvollstreckungskammer den Antragsgegner weder zu ergänzenden und konkretisierenden Darlegungen veranlasst noch aufgrund eigener Ermittlungen ergänzende Feststellungen getroffen hat, die eine Beurteilung des Einschätzungs- und Entscheidungsermessen des Antragsgegner bzw. zuvor der Klinik im Hinblick auf die Einhaltung der unter b) genannten Anforderungen zulassen. Hätten aber zum Zeitpunkt der Ausübung des Einschätzungs- und Entscheidungsermessens hinreichende und konkrete Umstände vorgelegen, welche Versagungsgründe für die erstrebte Vollzugslockerung dargestellt hätten, und hätte die Entscheidung der Antragsgegnerin auch tatsächlich auf diesen beruht, so könnte materiell von einem Ermessensfehler nicht gesprochen werden (vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt, 6. Aufl., Rn. 31, 41 zu § 39 VwvfG; Senat, Beschluss vom 17. Januar 2008 - 2 VAs 2/08 - zur Ermessenausübung im Rahmen des § 35 BtMG).

24

Damit ist die Sache noch nicht spruchreif, so dass dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht eine eigene Sachentscheidung verwehrt ist und daher das Verfahren an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen war (§ 119 Abs. 4 Satz 2 und 3 StVollzG). Im Rahmen ihrer erneuten Befassung wird die Strafvollstreckungskammer den Antragsgegner zu ergänzenden und konkretisierenden Darlegungen zu veranlassen sowie diese ggf. durch eigene Ermittlungen zu ergänzen und die derart gewonnenen Ergebnisse im Hinblick auf die Ausübung von Einschätzungs- und Entscheidungsermessen des Antragsgegners erneut zu überprüfen haben.


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


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Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 116 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Re

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung


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Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 119 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. (2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 11 Lockerungen des Vollzuges


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(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend.

(2) Für die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Bezüge die Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen. Zuständig für die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde; die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen. Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben.

(3) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.

(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend.

(2) Für die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Bezüge die Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen. Zuständig für die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde; die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen. Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben.

(3) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.

(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

Die Behandlung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet sich nach ärztlichen Gesichtspunkten. Soweit möglich, soll er geheilt oder sein Zustand so weit gebessert werden, daß er nicht mehr gefährlich ist. Ihm wird die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene

1.
außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2.
für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf.

(2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Die Behandlung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet sich nach ärztlichen Gesichtspunkten. Soweit möglich, soll er geheilt oder sein Zustand so weit gebessert werden, daß er nicht mehr gefährlich ist. Ihm wird die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil.

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene

1.
außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2.
für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf.

(2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

Die Behandlung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet sich nach ärztlichen Gesichtspunkten. Soweit möglich, soll er geheilt oder sein Zustand so weit gebessert werden, daß er nicht mehr gefährlich ist. Ihm wird die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift;
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist;
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist;
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt;
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.

(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.

(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.

(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.