Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 17. Apr. 2018 - 11 U 121/17

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2018:0417.11U212.17.00
bei uns veröffentlicht am17.04.2018

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 25.08.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines Grundstücksüberlassungsvertrags, hilfsweise eine Geldrente.

2

Im Jahr 1997 übertrug der damals 60jährige Kläger sein in S. belegenes Hausgrundstück auf den damals 38jährigen Beklagten. In dem notariellen Vertrag war vereinbart, dass der Kläger, so lange er lebe, in einem Teil des Hauses wohnen bleiben dürfe und von dem Beklagten außerdem eine monatliche Leibrente bekomme. Zudem sollte der Beklagte dem Kläger im Haushalt helfen.

3

In den Jahren danach erfüllte der Beklagte, der in dem anderen Teil des Hauses wohnt, alle Verpflichtungen aus dem Vertrag bis auf die Hilfe im Haushalt. Der Kläger verlangte diese Hilfe nicht; entsprechende Angebote des Beklagten in den ersten Jahren lehnte er im Gegenteil ausdrücklich ab. Nachdem allerdings zwischen den Parteien im Oktober 1999 Streit entstanden war, weigerte sich der Beklagte ausdrücklich, dem Kläger im Haushalt zu helfen. Mit einer im Jahr 2000 erhobenen Klage (Az … LG Lübeck, … OLG Schleswig) beantragte der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der unterlassenen Hilfe im Haushalt monatlich Geld zu zahlen. Diese Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass es dem Kläger nach wie vor zuzumuten sei, dass der Beklagte ihm im Haushalt helfe. Das Urteil, das auch zukünftige Zahlungen betraf, erwuchs in Rechtskraft.

4

Erstmals im Jahr 2012 forderte der Kläger die Hilfe im Haushalt von dem Beklagten ein. Nachdem er diesem im Jahr 2015 fruchtlos eine entsprechende Frist gesetzt hatte, trat er von dem Vertrag über die Überlassung des Grundstücks zurück. Im vorliegenden Verfahren verlangt er von dem Beklagten die Rückabwicklung des Überlassungsvertrages, hilfsweise - wie bereits in dem Verfahren aus dem Jahr 2000 - die Zahlung einer Geldrente an Stelle der Hilfe im Haushalt für die Zeit ab Ablauf der gesetzten Frist.

5

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts und des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, der Kläger habe seinen vertraglichen Anspruch auf Hilfe im Haushalt verwirkt, weil er diesen Anspruch viele Jahre lang - bis zum Jahr 2012 - nicht geltend gemacht habe. In dieser langen Zeit habe sich der Beklagte - auch wegen der Zerrüttung des Verhältnisses zwischen den Parteien - darauf einrichten dürfen, dass der Kläger den Anspruch nicht mehr geltend mache.

7

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er meint, er könne seinen Anspruch auf die Hilfe schon deshalb nicht verwirkt haben, weil dieser Anspruch mangels eigenen Abrufens der Hilfe nicht fällig sei; es sei ihm nämlich unbenommen gewesen, sich selbst zu helfen, so lange das gehe. Wegen der Streitigkeiten habe der Beklagte gerade davon ausgehen müssen, dass er - der Kläger - seinen Anspruch auf die versprochene Hilfe auch durchsetzen werde.

8

Der Kläger beantragt,

9

den Beklagten zu verurteilen, folgende Willenserklärung abzugeben:

10

a) Ich bin mir mit dem Kläger darüber einig, dass das Eigentum am Grundstück Hof- und Gebäudefläche, in S. eingetragen im Grundbuch … Blatt 1720 auf den Kläger übergeht;

11

b) Ich bewillige hiermit die Eintragung des Klägers als Eigentümer des oben bezeichneten Grundstücks in das Grundbuch.

12

sowie hilfsweise:

13

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

14

den Beklagten weiter zu verurteilen, beginnend ab Juni 2017 jeweils fällig im Voraus bis zum 3. eines Monats, monatlich 300,00 € zu zahlen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

18

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.Die Bestätigung des angefochtenen Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO kurz begründet:

19

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Rückabwicklung des Überlassungsvertrages (1.) noch auf Zahlung wegen der unterlassenen Hilfe im Haushalt (2.).

1.

20

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des Überlassungsvertrages zu.

21

a. Der Anspruch auf Rückabwicklung ergibt sich nicht aus §§ 527, 530 BGB, denn es liegt keine Schenkung (unter Auflage) vor. Dies hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt. Auf die dortigen Ausführungen (S. 5/6 des Urteils) kann verwiesen werden.

22

b. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 346, 323 Abs. 1 BGB. Nach § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner seine Leistung nicht erbringt. Das setzt allerdings voraus, dass dem Gläubiger im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ein wirksamer Anspruch auf die Leistung zusteht, dieser also nicht zuvor durch eine rechtsvernichtende Einwendung untergegangen ist. Letzteres ist indes hier der Fall, denn der Anspruch des Klägers auf die Hilfe im Haushalt durch den Beklagten war im September 2015, als der Kläger seinen Rücktritt erklärte, bereits auf Grund von Verwirkung untergegangen.

23

Die Verwirkung ist eine rechtsvernichtende Einwendung aus Treu und Glauben (§ 242 BGB), die von Amts wegen zu beachten ist (statt vieler: Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 242 Rn. 96). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner über einen gewissen Zeitraum hin wegen der Untätigkeit seines Gläubigers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Das Verstreichen eines längeren Zeitraums (Zeitmoment) allein kann die Verwirkung von Rechten nicht begründen. Es müssen besondere Umstände hinzutreten (Umstandsmoment), die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (OLG Koblenz, Urt. v. 07.10.2016, Az. 8 U 1325/15 - Tz. 37 m.w.N.). Der maßgebliche Zeitablauf beginnt - worauf der Kläger in seiner Berufungsbegründung zutreffend hinweist - grundsätzlich erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch erstmals geltend gemacht werden konnte, also fällig war.

24

Der Einwand des Klägers, die jeweilige Verpflichtung zur Haushaltshilfe sei erst nach Anforderung durch ihn fällig geworden, trifft indes nicht zu. Diese Einschränkung ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Im Überlassungsvertrag heißt es:

25

„Der Übernehmer ist verpflichtet, dem Überlasser Hilfestellung im Haushalt zu leisten, d.h. dem Überlasser den Haushalt zu führen (Wäsche waschen u. bügeln, das Haus reinigen, einkaufen pp.).“

26

Diese Regelung bedeutet, dass die Hilfe unabhängig von einer konkreten Aufforderung dauerhaft geschuldet wird. Irgendeine Einschränkung ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen und ergibt sich auch nicht aus den weiteren Umständen. So wie eine Haushaltshilfe auch sonst zumeist wöchentlich tätig wird und Wasch-, Reinigungs- und Aufräumarbeiten, evtl. nach besonderer Weisung erledigt, ist auch hier davon auszugehen, dass eine dauerhafte, wohl zumindest wöchentliche Hilfe geschuldet war. Diese Dauerverpflichtung begann mit dem Abschluss des Überlassungsvertrages, wobei die einzelnen Hilfeleistungen etwa wöchentlich fällig wurden.

27

Für die Frage der Verwirkung ist allerdings hier - ähnlich wie bei Unterhaltsleistungen (vgl. dazu BGH, Urteil v. 16.06.1982, Az. IVb ZR 709/80, NJW 1982, 1999) - danach zu unterscheiden, ob es sich um rückständige oder laufende Hilfeleistungen handelt oder ob es darum geht, dass das Recht auf Haushaltshilfe als solches verwirkt sein soll.

28

Hinsichtlich der rückständigen Hilfeleistungen ist die Möglichkeit der Verwirkung bei Vorliegen der oben dargelegten Voraussetzungen (Zeit- und Umstandsmoment) gegeben. Ob diese Voraussetzungen hinsichtlich der in der Zeit vor 2012 fälligen wöchentlichen Hilfeleistungen vorliegen, kann jedoch dahinstehen, denn damit wäre der mögliche Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Vertrages noch nicht ausgeschlossen. Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung von September 2015 wären nämlich die Leistungen aus der Zeit ab Juni 2012 fällig gewesen, die der Kläger mit Schreiben vom 18.06.2012 gefordert hatte. Verwirkung schiede hier schon wegen der Geltendmachung durch den Kläger und wegen des Fehlens eines ausreichend langen Zeitablaufs aus.

29

Dem Kläger stand aber deshalb kein Anspruch auf Hilfeleistung zu, weil schon im Jahr 2012 das „Stammrecht“ auf die Hilfe im Haushalt verwirkt war.

30

Die Frage, ob ein Recht verwirkt werden kann, kann nicht allgemein beantwortet werden. Gegenstand der Verwirkung können nur subjektive Rechte sein, weil nur bei ihnen davon gesprochen werden kann, ihre Ausübung stehe in Widerspruch zu der länger andauernden Nichtausübung, die bei dem Schuldner auf Grund bestimmter Umstände einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet habe (BGH, Urteil v. 21.10.2005, Az. V ZR 169/04; NJW-RR 2006, 235 - Tz. 10 m.w.N.). Weil es für die Verwirkung auf das Vertrauen des einzelnen Schuldners ankommt, können Gegenstand von Verwirkung auch nur relative Rechte sein, während absolute Rechte, die gegenüber jedermann wirken, selbst nicht der Verwirkung unterliegen (vgl. MüKo-Schubert, BGB, 7. Aufl., § 242 Rn. 358). Deshalb unterliegen dingliche Rechte nicht der Verwirkung, wohl aber die daraus folgenden Ansprüche (allg. M., vgl. nur BGH a.a.O. und MüKo-Schubert, a.a.O.).

31

Wenn es bei Palandt-Grüneberg (a.a.O., Rn. 88) allerdings heißt, dass nur der entstandene Anspruch, nicht aber das „Stammrecht“ verwirkt werden kann, so tritt der Senat dem in dieser Pauschalität nicht bei. Vielmehr ist hier zu differenzieren. Das „Stammrecht“ als solches zeichnet sich dadurch aus, dass es eine grundsätzlich bestehende Rechtsposition bezeichnet, der konkrete einzelne Ansprüche entspringen können (vgl. BeckOK-Gutzler, SGB I, § 40 Rn. 6). Das „Stammrecht“ kann damit sowohl ein absolutes Recht (z.B. das allen gegenüber bestehende Eigentumsrecht, dem bestimmte gegen Einzelne gerichtete Unterlassungsansprüche folgen können) als auch ein relatives Recht (z.B. das nur bestimmten Personen gegenüber bestehende Unterhaltsrecht, aus dem Ansprüche auf monatliche Unterhaltszahlungen hervorgehen) sein. Soweit es ein relatives Recht ist, kommt grundsätzlich eine Verwirkung in Betracht. Die bei Palandt-Grüneberg (a.a.O.) zitierten Urteile des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 128) und des Kammergerichts (NZM 2008, 129) stützen die dortige pauschale Aussage nicht. In dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um die Verwirkung von Unterhaltsrückständen, also gerade nicht um das „Stammrecht“ auf Unterhalt. Das Kammergericht, dessen Entscheidung Betriebskostenansprüche zum Gegenstand hatte, nimmt die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zwar in Bezug, ohne allerdings inhaltlich darauf einzugehen. Es kam in der Entscheidung des Kammergerichts letztlich auch auf diese Frage nicht an. Zum einen ist schon nicht ersichtlich, dass es dort um ein „Stammrecht“ in dem oben dargestellten Sinn ging; zum anderen fehlte es dort sowohl an dem Zeit- als auch an dem Umstandsmoment.

32

Ebenso ist auch die Auffassung von Schubert (MüKo-Schubert a.a.O.), dass - ebenso wie dingliche Rechte und Mitgliedsrechte - auch das „Stammrecht“ auf Unterhalt nicht verwirkt werden könne, nur im Ergebnis richtig. Allerdings liegt dies nicht daran, dass dieses Stammrecht ein absolutes Recht wäre. Wie die von Schubert dafür in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 16.06.1982, Az. IVb ZR 709/80, NJW 1982, 1999) ausführt, finden die sich aus § 242 BGB ergebenden allgemeinen Grundsätze der Verwirkung im Bereich des Unterhaltsrechts deshalb keine Anwendung, weil es dort mit §§ 1611 Abs. 1 S. 2, 1579 ggf. iVm § 1361 Abs. 3 BGB besondere Vorschriften gibt, die abschließende Regelungen darstellen und für die Fälle des Wegfalls des Unterhaltsrechts aufgrund des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung verdrängen (BGH., a.a.O - Tz. 9).

33

Dass relative „Stammrechte“ grundsätzlich der Verwirkung unterliegen können, ist auch in anderen Rechtsgebieten anerkannt.

34

So ist die Möglichkeit der Verwirkung des Erbanspruchs anerkannt worden (BGH WM 1977, 688 BeckOK/Sutschet BGB § 242 Rn. 151.). Im Arbeitsrecht unterliegen die aus dem Arbeitsvertrag herrührenden Stammrechte (z.B. der Anspruch auf Urlaubsentgelt) grundsätzlich der Verwirkung; in besonderen Fällen kann die Verwirkung jedoch wegen der vorrangigen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ausgeschlossen sein. Für die tarifvertraglich abgesicherten Rechte schließt nur die besondere Vorschrift des § 4 Abs. 4 S. 2 TVG eine Verwirkung aus (vgl. BeckOK/Sutschet, a.a.O. Tn. 145). Im Sozialrecht können bei wiederkehrenden Leistungen grundsätzlich sowohl der einzelne Anspruch als auch das Stammrecht der Verwirkung unterliegen, wobei letzteres dort nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (BeckOK/Gutzler SGB I § 40 Rn. 6; für das Betriebsrentenrecht: Schumann DB 2010, 1591).

35

Für die Haushaltshilfe als Teil der Gegenleistung des Beklagten für die Überlassung des Grundstücks durch den Kläger ist auch keine Vorschrift ersichtlich, die als Spezialvorschrift die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung ausschließen würde. Insbesondere sind hier nicht die unterhaltsrechtlichen Maßstäbe heranzuziehen. Die Anwendung der unterhaltsrechtlichen Maßstäbe hat das OLG Zweibrücken zwar für die Verwirkung des Leibrentenanspruchs aus einem Grundstücksüberlassungsvertrag bejaht (OLG Zweibrücken, Urteil vom 13.03.2007, Az. 5 U 52/06). Dort handelte es sich jedoch um eine Grundstücksüberlassung gegen Zahlung einer Leibrente im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zwischen Mutter und Sohn. Hier liegt der unterhaltsrechtliche Charakter der Vereinbarung auf der Hand. Die unterhaltsrechtlichen Maßstäbe finden hier dagegen keine Anwendung. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestand keine Unterhaltsverpflichtung. Der Überlassungsvertrag enthielt sowohl die Leibrente als auch die Haushaltshilfe als Gegenleistung für die Verschaffung des Eigentums an dem Grundstück im Rahmen eines rein vermögensrechtlichen Leistungsaustausches.

36

Kann nach alledem also auch das „Stammrecht“ des Klägers auf Hilfe im Haushalt verwirkt werden, so steht fest, dass die Verwirkung dieses „Stammrechts“ bereits 2012 eingetreten war, denn die Voraussetzungen der Verwirkung lagen schon zu diesem Zeitpunkt vor.

37

Da das „Stammrecht“ der Haushaltshilfe nicht fällig wird, ist für das Zeitmoment auf den Zeitpunkt der erstmaligen Entstehung dieses Rechts abzustellen, als auf den Zeitpunkt, in dem der Kläger die Möglichkeit hatte, die Hilfe einzufordern. Dies war schon mit dem Vertragsschluss im Jahr 1997 der Fall. Mithin waren im Jahr 2012 bereits 15 Jahre verstrichen, in denen der Beklagte die Hilfe nicht geltend machte. Selbst wenn erst die Klage auf Zahlung eines Geldbetrages anstelle der Hilfeleistung im Jahr 2000 oder sogar erst der Abschluss des Rechtsstreits im Oktober 2003 als maßgeblicher Zeitpunkt anzunehmen wäre, wären seit diesen Zeitpunkten bis zur Geltendmachung des Rechts im Jahr 2012 bereits 12 bzw. 9 Jahre verstrichen.

38

Es lagen im Jahr 2012 auch solche Umstände vor, die in dem Beklagten das Vertrauen darauf begründen konnten und begründet hatten, dass der Kläger sein Recht auf Haushaltshilfe durch den Beklagten nicht mehr geltend machen werde. Die Anforderungen, die an das Umstandsmoment zu stellen sind, stehen in Abhängigkeit von dem Zeitmoment. Je kürzer der Zeitraum ist, umso gravierender müssen die Umstände erscheinen, die das Vertrauen des Schuldners rechtfertigen können; umgekehrt kommt, je länger der verstrichene Zeitraum ist, desto geringere Bedeutung den Umständen zu, aus denen sich das Vertrauen ergibt (MüKo-Schubert, a.a.O., Rn. 363).

39

Als vertrauensbildender Umstand ist anzusehen, dass der Kläger sein Recht auf Hilfe im Haushalt von dem Beklagten auch im Jahr 2003 nicht geltend machte, nachdem er durch das Urteil des 7. Senats vom 23.10.2003 im vorangegangenen Rechtsstreit hatte erkennen müssen, dass eine Geldzahlung anstelle einer Hilfeleistung nicht in Betracht kommt. Es war zu erwarten, dass er nunmehr die nach dem Urteil des Oberlandesgerichts zumutbare Hilfeleistung einfordern würde, um entweder von dem Beklagten tatsächliche Hilfe zu erlangen oder aber über den Umweg des Schadenersatzes doch einen Geldbetrag zu erlangen. Blieb dieses Einfordern aus, so durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass der Kläger die Hilfe auch zukünftig nicht mehr wollte, gerade auch angesichts der sich danach entwickelnden Streitigkeiten zwischen den Parteien. Tatsächlich hatte sich der Beklagte auch darauf eingestellt, denn er bot seine Hilfe, anders als unmittelbar nach dem Vertragsschluss, auch nicht mehr an. Weitere Umstände, die belegen, dass der Beklagte sich tatsächlich darauf eingestellt hatte, keine Haushaltshilfe mehr leisten zu müssen, trägt der Beklagte zwar nicht vor. Sie sind aber auch nicht mehr erforderlich. Bei der notwendigen Gesamtbetrachtung reicht der ausgeführte Umstand in Verbindung mit dem langen Zeitraum von mindestens neun Jahren aus, um im Jahr 2012 das aufgebaute Vertrauen des Beklagten als schutzwürdig anzusehen und die Verwirkung des Rechts auf Haushaltshilfe anzunehmen.

40

Bestand also ab diesem Zeitpunkt das Recht des Klägers nicht mehr, konnte auch das Schreiben vom 18.06.2012 das Recht nicht mehr aufleben lassen. Die Fristsetzung im Jahr 2015 ging daher ins Leere; der Kläger hatte keinen Anspruch auf Haushaltshilfe mehr und damit auch kein Rücktrittsrecht.

41

c. Auch auf § 313 Abs. 3 S. 1 BGB kann der Kläger kein Rücktrittsrecht stützen. Seinen Anspruch auf Hilfe im Haushalt hat er nach dem Gesagten verwirkt und seine weiteren Ansprüche aus dem Grundstücksüberlassungsvertrag setzen den Fortbestand seines anfänglich guten Verhältnisses zu dem Beklagten nicht voraus. Deshalb kann dem Kläger das Festhalten an dem unveränderten Vertrag trotz des Zerwürfnisses zwischen den Parteien zugemutet werden (§ 313 Abs.1 BGB).

2.

42

Der Hilfsantrag auf Zahlung ist zulässig (a.), aber ebenfalls unbegründet (b.).

43

a. Der Antrag auf Zahlung eines Geldbetrages für rückständige Hilfeleistungen und auf zukünftige monatliche Zahlung ist zulässig. Insbesondere steht diesem Begehren nicht der Einwand der Rechtskraft wegen des vorangegangenen, vom 7. Senat 2003 rechtskräftig entschiedenen Streitverfahrens entgegen. Auch wenn es sich bei dem Antrag auf zukünftige Zahlungen um denselben Klagantrag handelt, steht der Einwand der Rechtskraft einer erneuten Entscheidung nicht entgegen. Der 7. Senat hatte die Abweisung des Antrags damit begründet, dass die vom Kläger vorgetragenen, bis zur mündlichen Verhandlung im September 2003 eingetretenen Umstände die Anpassung des Überlassungsvertrages gemäß § 313 Abs. 1 BGB nicht erforderten, weil dem Kläger die Entgegennahme der tatsächlichen Haushaltsleistung noch zumutbar sei. Damit hat der 7. Senat lediglich ausgesprochen, dass die Klage damals unbegründet war. Eine generelle Verneinung des Anspruchs ging damit nicht einher. Deshalb steht die Rechtskraft des Urteils einer Geltendmachung des Anspruchs auf zukünftige Zahlung wegen neuer, nach 2003 eingetretener Umstände nicht im Wege.

44

b. Der Hilfsantrag ist indes insgesamt unbegründet. Der Antrag umfasst die unterlassene Hilfe im Haushalt in der Zeit ab Juli 2015 bis in die Zukunft. Wie sich aus den Ausführungen zu Ziff. 1 ergibt, stand dem Kläger allerdings ab 2012 wegen Verwirkung schon kein Anspruch auf die Haushaltshilfe mehr zu, so dass ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB ebenso ausscheidet wie ein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB.

3.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 BGB, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 BGB.


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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 313 Störung der Geschäftsgrundlage


(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kan

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 346 Wirkungen des Rücktritts


(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. (2)

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung


#BJNR001950896BJNE031602377 (1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1361 Unterhalt bei Getrenntleben


(1) Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen; für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheit

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 40 Entstehen der Ansprüche


(1) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. (2) Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 530 Widerruf der Schenkung


(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht. (2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerru

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 97 Zubehör


(1) Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Eine Sache ist ni

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 708 Haftung der Gesellschafter


Ein Gesellschafter hat bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 527 Nichtvollziehung der Auflage


(1) Unterbleibt die Vollziehung der Auflage, so kann der Schenker die Herausgabe des Geschenkes unter den für das Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigte

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Okt. 2005 - V ZR 169/04

bei uns veröffentlicht am 21.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 169/04 Verkündet am: 21. Oktober 2005 Wilms Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Unterbleibt die Vollziehung der Auflage, so kann der Schenker die Herausgabe des Geschenkes unter den für das Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern, als das Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter berechtigt ist, die Vollziehung der Auflage zu verlangen.

(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.

(2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerrufs nur zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder am Widerruf gehindert hat.

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit

1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist,
2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat,
3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war.

(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,

1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat,
2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre,
3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 169/04 Verkündet am:
21. Oktober 2005
Wilms
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 242 Ce, 862 Abs. 1, 906, 1004 Abs. 1

a) Sollen mit dem aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Unterlassungsanspruch
wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen
auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus; die im Rahmen
des Einwands der Verwirkung für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche
Frist beginnt jeweils neu zu laufen.

b) Das Fehlen einer notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigung stellt für die
Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nur ein Kriterium von mehreren
dar. Entscheidend ist eine Würdigung aller Umstände, ausgerichtet am Empfinden
eines "verständigen Durchschnittsmenschen", insbesondere unter Berück-
sichtigung der nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Grenz- oder
Richtwerte.
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 - OLG Stuttgart
LG Rottweil
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


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Die Klägerin zu 2 ist Nießbrauchsberechtigte eines Hausgrundstücks, welches sie seit 1991 mit dem Kläger zu 1, ihrem Ehemann, bewohnt. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet sich das Grundstück der Beklagten , die dort ein von ihrem verstorbenen Ehemann übernommenes Fuhrunternehmen betreibt.
2
Der Ehemann der Beklagten erhielt 1970 die Genehmigung zum Bau eines Wohnhauses mit zwei Pkw-Garagen und zwei Lkw-Garagen „als Fuhrgeschäft“ sowie für eine oberirdische Heizöllagerung von 12.000 Litern. Das Wohnhaus mit den zwei Pkw-Garagen wurde erstellt, die beiden Lkw-Garagen hingegen nicht. Statt dessen legte der Ehemann der Beklagten Abstellplätze für bis zu drei Lkw an. Er errichtete zudem eine 1972 nachträglich zugelassene Eigenverbrauchstankstelle, die inzwischen stillgelegt wurde. Von einer 1978 erteilten Genehmigung für den Neubau einer Montagegrube machte er keinen Gebrauch. Heute besteht der Fuhrpark aus zwei oder drei Lastkraftwagen, davon mindestens zwei Tanklastzügen, die als Gefahrguttransporter eingesetzt werden.
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Seit 1998 wenden sich die Kläger mit zahlreichen Eingaben an Behörden und an den Petitionsausschuss des Landtags Baden-Württemberg sowie mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage vergeblich gegen den - zeitweilig bis zu acht Lastkraftwagen umfassenden - Fuhrbetrieb. Sie fühlen sich durch Anund Abfahrten der Lastzüge, durch Dieselabgase und insbesondere durch an Samstagen ausgeführte Wartungs- und Reparaturarbeiten beeinträchtigt.
4
Das Landgericht hat die vorliegende Klage, mit der die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Benutzung ihres Grundstücks als Fuhrbetrieb mit Tanklastzügen und Hängerzügen sowie für die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten verlangen, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.


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Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist es bei der Prüfung der Wesentlichkeit und der Ortsüblichkeit von Immissionen ein sachgerechter Ansatz, ob die emittierende Anlage mit oder ohne behördliche Genehmigung betrieben wird. Ein nicht genehmigter Betrieb könne nicht ortsüblich sein. Das Fehlen der notwendigen Genehmigung spreche zudem so lange für eine Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks, wie nicht feststehe, dass die Anlage ohne Einschränkungen genehmigungsfähig sei. Nach den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in einem zwischen den Klägern und der Gemeinde geführten Rechtsstreit sei der gesamte Fuhrbetrieb der Beklagten materiell baurechtswidrig und in seiner Ausprägung nicht genehmigungsfähig. Damit sei nach den von dem Bundesgerichtshof aufgestellten Darlegungs - und Beweisregeln vorgegeben, dass von dem Betrieb der Beklagten Einwirkungen ausgingen, welche die Benutzung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigten. Da die Genehmigungsfähigkeit einer typisierenden Betrachtung folge, komme es nicht darauf an, ob hier Lärmschutzvorschriften eingehalten seien. Ob Immissionsunterlassungsansprüche verwirkt werden könnten, brauche nicht entschieden zu werden, denn die Voraussetzungen für eine Verwirkung lägen nicht vor.
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Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


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1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 139 ZPO verstoßen habe. Entgegen ihrer Ansicht war es nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass es hinsichtlich der möglichen Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ihren Vortrag zu dem sogenannten Umstandsmoment für nicht ausreichend hielt.
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Zwar trifft es zu, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen kann, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urt. v. 27. April 1994, XII ZR 16/93, WM 1994, 1823, 1824 m.w.N.). Aber diese Situation war hier nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht, wie die Beklagte meint, die Klageabweisung (auch) damit begründet, die Kläger müssten sich den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen. Vielmehr hat es den Gesichtspunkt der Verwirkung lediglich angesprochen, ohne darüber eine Entscheidung zu treffen. Zudem bestand für das Berufungsgericht auch deshalb keine Hinweispflicht , weil das Problem der Verwirkung von Beginn an eine der zentralen Fragen des Rechtsstreits und auch Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war; dabei hat es den Parteien den weiteren Verfahrenslauf aufgezeigt, falls der Gesichtspunkt der Verwirkung nicht zum Tragen kommen sollte. Bei dieser Sachlage war die Beklagte auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, umfassend zu den beiden Elementen der Verwirkung, dem Zeit- und dem Umstandsmoment, vorzutragen. Außerdem schließt die Vorgehensweise des Berufungsgerichts die Annahme aus, es habe eine Überraschungsentscheidung zu Lasten der Beklagten getroffen.
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2. Ebenfalls erfolglos macht die Revision geltend, der Anspruch der Kläger gegen die Beklagte sei verwirkt. Allerdings kann hier offen bleiben, ob - wie das Berufungsgericht gemeint hat - das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt ist; denn es fehlt an dem ebenfalls notwendigen Zeitmoment.
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a) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (ständige Rechtsprechung, siehe nur Senat, BGHZ 122, 308, 315 m.w.N.; BGH, Urt. v. 14. November 2002, VII ZR 23/02, NJW 2003, 824). Die Verwirkung ist somit ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB); sie kann im gesamten Privatrecht eingewendet werden (Senat, BGHZ 122, 308, 314). Verwirkt werden können nur subjektive Rechte, weil nur bei ihnen davon gesprochen werden kann, ihre Ausübung stehe in Widerspruch zu der länger andauernden Nichtausübung, die bei dem Schuldner einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet hat (BGH, Beschl. v. 1. Juli 1994, BLw 95/93, WM 1994, 1944, 1945). Der Verwirkung unterliegen dingliche Rechte nicht, wohl aber die daraus folgenden Ansprüche (Bamberger /Roth/Grüneberg, BGB, § 242 Rdn. 163; MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdn. 298; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 242 Rdn. 107; Soergel /Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 242 Rdn. 335; Staudinger/J. Schmidt, BGB [1995], § 242 Rdn. 538). Mithin bestehen keine Bedenken, auch die aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach §§ 862 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB dem Einwand der Verwirkung auszusetzen (vgl. Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556).
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b) Bei Unterlassungsansprüchen der hier vorliegenden Art ist zu unterscheiden : Sollen wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus (Bamberger/Roth/Grüneberg, aaO; Palandt/Heinrichs, aaO; ebenso RG JW 1935, 1775 für den Schadensersatzanspruch). Die für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche Frist beginnt jeweils neu zu laufen, so dass es in der Regel - mit Ausnahme besonders langer Unterbrechungen - an dem Zeitmoment fehlt. Ob das auch für die Abwehr ununterbrochen andauernder Einwirkungen gilt (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301 für den Beginn der Ausschlussfrist des § 864 Abs. 1 BGB), kann offen bleiben. Solche Immissionen sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
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3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks durch Immissionen angenommen, die von dem Grundstück der Beklagten herrühren. Die Feststellungen in dem Berufungsurteil rechtfertigen das nicht.
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a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht - stillschweigend - davon ausgegangen, dass den Klägern ein Unterlassungsanspruch nach §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 1065 BGB gegen die Beklagte als Betreiberin des störenden Fuhrunternehmens zustehen kann; richtig ist auch, dass ein solcher Anspruch nicht nach § 864 Abs. 1 BGB durch Fristablauf erloschen und die Zulässigkeit der Immissionen am Maßstab des § 906 BGB zu messen ist (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301).
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b) Fehlerhaft hat das Berufungsgericht aber den Vortrag der Beklagten für unerheblich gehalten, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der in den Vorschriften der TA-Lärm für Mischgebiete enthaltenen Grenzwerte. Das zeigt, dass das Berufungsgericht die für seine Ansicht herangezogene Rechtsprechung des Senats missverstanden hat. Es hat die für den Erfolg des Unterlassungsanspruchs notwendige Unterscheidung zwischen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks und einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB) verkannt. In seinem Urteil vom 30. Oktober 1998 hat der Senat nicht den Grundsatz aufgestellt, dass die von einem Betrieb auf ein Nachbargrundstück einwirkenden Immissionen als wesentlich anzusehen sind, wenn dieser bauplanungsrechtlich nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist; vielmehr hat er es lediglich für rechtlich unbedenklich gehalten, bei der Erheblichkeitsprüfung die Tatsache mit zu berücksichtigen, dass die für den Betrieb notwendige behördliche Genehmigung fehlt (BGHZ 140, 1, 6 f.). Hinsichtlich der ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks hat der Senat entschieden, dass eine vorhandene Genehmigung nicht automatisch die Ortsüblichkeit begründet, sondern dafür nur einen Anhalt bietet; das Fehlen einer notwendigen Genehmigung schließt allerdings die Ortsüblichkeit aus (BGHZ 140, 1, 9), jedenfalls dann, wenn es auch an der Genehmigungsfähigkeit fehlt (vgl. Wenzel, NJW 2005, 241, 245). Das verdeutlicht, dass bei der für die Feststellung der Wesentlichkeit erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände das Fehlen der öffentlich-rechtlichen Genehmigung nur ein einzelnes Kriterium ist. Es kann zu dem Ergebnis führen, dass die von dem Betriebsgrundstück ausgehenden Emissionen die Benutzung des Nachbargrundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen und deshalb kein Unterlassungsanspruch des Nachbarn besteht. Dass der Betrieb aus öffentlich-rechtlichen Gründen wegen fehlender Genehmigung nicht aufrechterhalten bleiben dürfte, ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks somit nicht von alleiniger Bedeutung. Maßgeblich bleibt, ob im konkreten Fall von dem Betrieb Immissionen ausgehen, die sich nach dem Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" als wesentlich darstellen (Senat BGHZ 148, 261, 264 m.w.Nw.). Dabei können die nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Regelwerke, in denen Grenz- oder Richtwerte für Immissionen festgelegt sind, nicht außer Betracht gelassen werden.
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4. Unter diesen Gesichtspunkten wird das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der maßgeblichen Grenzwerte.
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a) Trifft das zu, ist zunächst von der Unwesentlichkeit der Lärmbeeinträchtigung für die Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks auszugehen (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB); es ist dann Sache der Kläger, Umstände darzulegen und zu beweisen, welche diese Indizwirkung erschüttern (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Dazu haben sie bisher nichts vorgetragen, weil sie zu Unrecht davon ausgegangen sind, von der Beklagten wegen der fehlenden baurechtlichen Genehmigung die Unterlassung der Benutzung des Grundstücks zum Befahren, Abstellen sowie zur Reparatur und Wartung von Lastkraftwagen verlangen zu können. Insoweit müssen die Kläger gegebenenfalls Gelegenheit zu weiterem Vortrag erhalten.
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b) Bestätigt sich der Vortrag der Beklagten nicht, werden die maßgeblichen Grenz- oder Richtwerte also überschritten, rechtfertigt das allerdings nicht ohne weiteres die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks , sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, grundstücks, sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, aaO). Der Beklagten wird damit nicht die Möglichkeit abgeschnitten, eine nur unwesentliche Beeinträchtigung darzulegen und zu beweisen.
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c) Die indizielle Bedeutung der Einhaltung oder Nichteinhaltung von Grenz- oder Richtwerten muss das Berufungsgericht beachten. Es kann im Rahmen seines Beurteilungsspielraums unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen von dem Regelfall abweichen und trotz Unterschreitens der Werte eine wesentliche Beeinträchtigung annehmen oder eine solche trotz Überschreitens der Werte verneinen.
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5. Das Berufungsgericht wird auch Feststellungen zu der Wesentlichkeit der von den Klägern ebenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen durch das Einsickern von Schweröl in den Boden und durch die Abgase der LkwMotoren treffen müssen. Falls es wegen einer oder mehrerer Immissionen eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks feststellt, wird es aufzuklären haben, ob sie durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Verneint es die Ortsüblichkeit, muss es den Klägern die Möglichkeit zu einer Anpassung ihres Unterlassungsantrags geben. Die Parteien und das Berufungsgericht haben nämlich bisher übersehen, dass der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen kann, es also grundsätzlich ihm überlassen bleibt, auf welchem Weg er die Beeinträchtigung abwendet; daher kann der Beeinträchtigte in der Regel lediglich die Vornahme geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigung verlangen und der Urteilsausspruch nur allgemein auf Unterlassung von Störungen bestimmter Art lauten (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Hier haben die Kläger jedoch bisher die Verurteilung der Beklagten zu einer konkreten Maßnahme beantragt, die das Berufungsgericht auch ausgesprochen hat. Das ist aber nur dann zulässig, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet oder wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise jedoch nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, aaO). Dazu fehlt es bisher an Parteivortrag und an Feststellungen des Berufungsgerichts.

III.


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Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Krüger Klein Lemke
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Rottweil, Entscheidung vom 02.02.2004 - 3 O 351/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 U 27/04 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen; für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gilt § 1610a. Ist zwischen den getrennt lebenden Ehegatten ein Scheidungsverfahren rechtshängig, so gehören zum Unterhalt vom Eintritt der Rechtshängigkeit an auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

(2) Der nicht erwerbstätige Ehegatte kann nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann.

(3) Die Vorschrift des § 1579 Nr. 2 bis 8 über die Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit ist entsprechend anzuwenden.

(4) Der laufende Unterhalt ist durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente ist monatlich im Voraus zu zahlen. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats stirbt. § 1360a Abs. 3, 4 und die §§ 1360b, 1605 sind entsprechend anzuwenden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.

(2) Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben wird, es sei denn, daß in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen wird.

(2) Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft. Die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf.

Ein Gesellschafter hat bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.