Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 12. Jan. 2010 - 2 Ss (OWi) 282/09 I 206/09

bei uns veröffentlicht am12.01.2010

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 21.08.2009 - 21 OWi 236/09- wird aufgehoben.

2. Der Beschwerdeführer wird freigesprochen.

3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

1

Nach den vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, befand sich der Betroffene am 25.10.2008 gegen 12.10 Uhr mit einer weiteren Person mit einem Boot auf dem F. See im Landkreis Mecklenburg-Strelitz und angelte dort mit einer Handangel. Der zuständige Fischereiaufseher, der Zeuge B., forderte vom Seeufer aus beide Angler auf, ihm die Fischereierlaubnis und den Fischereischein zur Kontrolle auszuhändigen und ihre Personalien durch den Personalausweis zu belegen und zu diesem Zweck zu ihm ans Ufer zu kommen. Letzteres verweigerten die Angler. Der Zeuge B. beschaffte sich sodann ein Boot und führte die Kontrolle auf dem Wasser durch, wobei der Betroffene sofort die genannten Papiere vorzeigte. Das zuständige Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern erließ daraufhin unter dem Datum vom 06.01.2009 einen Bußgeldbescheid über eine Geldbuße von 150 € unter Hinweis auf §§ 26 Abs. 1 Nr. 27, 29 i.V.m. § 25 Abs. 3 Nr. 1 und 3 LFischG MV. Der Betroffene habe eine vorsätzliche bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dergestalt begangen, als er gegen die Pflicht verstoßen habe, den Fischereiaufsehern jederzeit die Fischereierlaubnis und den Fischereischein zur Kontrolle auszuhändigen und die Personalien durch den Personalausweis zu belegen. Dazu zähle auch die Pflicht, zur Kontrolle an Land zu kommen. Auf den fristgerechten Einspruch des Betroffenen verurteilte das Amtsgericht Rostock den Betroffenen mit Urteil vom 21.08.2009, wegen vorsätzlicher Nichtaushändigung der Fischereierlaubnis und des Fischereischeins zur Prüfung und Nichtangabe der Personalien auf Verlangen (§§ 25 Abs. 3 Nr. 1, 3, 26 Abs. 1 Nr. 27, 29 LFischG MV) zu einer Geldbuße von 150 € und führte dazu u.a. aus, die genannten Aushändigungs- und Vorlagepflichten umfassten auch die Pflicht, sich für diesen Zweck ggf. ans Ufer zu bewegen.

2

Mit am selben Tage beim Amtsgericht Rostock eingegangen Antrag vom 28.08.2009 begehrt der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde sowie die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Amtsgericht Rostock. Der Generalstaatsanwalt hat die Verwerfung des Zulassungsantrags als unbegründet beantragt. Mit Beschluss vom 11.01.2010 hat der Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Rostock die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

II.

3

Die nach Zulassung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zum Freispruch des Betroffenen, denn der festgestellte Sachverhalt erfüllt keinen Ordnungswidrigkeitentatbestand.

4

Gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 27 und 29 LFischG kann gegen denjenigen ein Bußgeld verhängt werden, der entgegen § 25 Abs. 3 Nr. 1 LFischG die Fischereierlaubnis oder den Fischereischein nicht auf Verlangen zur Prüfung vorlegt (Nr. 27) oder der entgegen § 25 Abs. 3 Nr. 3 LFischG seine Personalien nicht auf Verlangen angibt (Nr. 29).

5

Diese Voraussetzungen liegen in der Person des Betroffenen nicht vor, denn er hat unstreitig dem zuständigen Fischereiaufseher, nachdem dieser mit einem Boot längsseits des vom Betroffenen geführten Boots gegangen war, die geforderten Papiere vorgelegt und seine Personalien angegeben.

6

Soweit die Ordnungsbehörde und mit ihr das Amtsgericht einen Verstoß gegen die genannten bußgeldbewehrten Vorschriften darin sehen, dass der Betroffene zuvor der Aufforderung des Fischereiaufsehers nicht gefolgt ist, die genannten Papiere an Land vorzuzeigen und zu diesem Zweck ans Ufer zu kommen, ist dies rechtsfehlerhaft, denn die genannten Normen beinhalten nicht die Pflicht, zur Ermöglichung der Kontrolle an das Ufer zu kommen.

7

Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus § 25 Abs. 3 Nr. 1 und 3 LFischG MV noch aus § 26 Abs. 1 Nr. 27 und 29 LFischG MV. Ausdrücklich ist nur die - in § 26 bußgeldbewehrte - Pflicht geregelt, den Fischereischein oder die Fischereierlaubnis auszuhändigen und die Personalien anzugeben und durch den Personalausweis zu belegen. Eine darüber hinausgehende Pflicht des Betroffenen zur aktiven Mitwirkung an einer derartigen Kontrolle dergestalt, dass er sich beim Fischen auf einem Gewässer zu diesem Zweck ans Ufer begeben muss, ist gesetzlich nicht geregelt und deshalb auch nicht bußgeldbewehrt.

8

Eine solche Pflicht oder eine entsprechende Bußgeldbewehrung ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der angeführten Regelungen. Zwar kann der materielle Gehalt einer Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sowie aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte über den Wortlaut der Norm hinausgehen, jedoch markiert der mögliche Wortsinn aus der Sicht des Bürgers die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (BVerfGE 71, 108, 115; Göhler, OWiG, 15.Aufl. 2009, § 3 Rdnr. 6 m.w.N.). Dabei sind im Hinblick auf den mit der Erfüllung eines Bußgeldtatbestandes verbundenen Unrechtsvorwurf an die Bestimmtheit des Tatbestandes einer mit Geldbuße bewehrten Handlung besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die mit Geldbuße bedrohte Handlung muss so genau gekennzeichnet sein, dass für den Bürger vorausschauend erkennbar ist, ob sein Handeln mit einer Geldbuße geahndet werden könnte (BVerfGE 81, 228, 237; Göhler a.a.O., Rdnr. 5)

9

Bei einer solchermaßen vorzunehmenden Auslegung der Handlungsgebote des § 25 Abs. 3 Nr. 1 und 3 LFischG MV und der entsprechenden Bußgeldtatbestände der § 26 Abs. 1 Nr. 27, 29 LFischG MV ist eine bußgeldbewehrte Verpflichtung, zum Zwecke der Kontrolle ggf. ans Ufer zu kommen, nicht zu erkennen. Bereits nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 3 1. Halbsatz verlangt dieser, dass die zu kontrollierende Person vom Fischereiaufseher "angetroffen" worden sein muss. "Angetroffen" meint dabei offensichtlich ein räumlich enges Zusammentreffen, das zum einen ohne weitere Zwischenschritte die körperliche Übergabe der genannten Erlaubnisse ("aushändigen") als zum anderen die gleichzeitige, nämlich die gemäß § 25 Abs. 6 "bei Ausübung der Befugnisse" zu erfolgende Legitimierung des Kontrollierenden ("Dienstausweis vorzuzeigen") ermöglicht. Wollte man den Wortsinn des § 25 auf eine Pflicht des zu Kontrollierenden zur Anlandung auf Zuruf vom Ufer aus erweitern, liefe die dem Kontrollierenden obliegende Legitimationspflicht entgegen der Regelung des § 25 Abs. 6 -jedenfalls zunächst- ins Leere. Gegen eine solche Pflicht spricht auch, dass der Gesetzgeber in § 25 Abs. 3 1. Halbsatz das Antreffen sowohl auf als auch an Gewässern geregelt hat. Ersteres liefe jedenfalls zum Teil leer, wollte man eine Pflicht zum Anlanden auf Zuruf als vom Sinn und Zweck der Norm gedeckt ansehen.

10

Gegen die weite Auslegung des Wortlauts spricht auch, dass aus der o.g. maßgeblichen Sicht des betroffenen Bürgers gerade das von der Behörde abgeforderte Anlanden den entscheidenden Eingriff in die Freiheitsrechte darstellt. Das Fischereirecht steht als Ausfluss aus Art. 2 GG lediglich unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und ist zur Gewährleistung einer effektiven Sicherung dieses Erlaubnisvorbehalts mit einem - insoweit tiefgreifenden - verdachtsunabhängigen Kontrollrecht verbunden. Bei dieser Kontrolle werden jedoch die Rechte des Betroffenen im Hinblick auf die Verdachtsunabhängigkeit der Überprüfung insoweit gewahrt, als er sein Freiheitsrecht während dieser Kontrolle ohne Einschränkung weiter ausüben kann. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, während der Kontrolle das Fischen einzustellen. Gerade das wird ihm aber mit der Aufforderung, ans Ufer anzulanden, abgefordert und geht damit über den vom LFischG MV vorgesehenen Eingriff deutlich hinaus. Will die zuständige Behörde Kontrollen von nicht an, sondern auf Gewässern fischenden Personen durchführen, ist sie daher gehalten, sich der zu diesem Zweck eingeräumten Ermächtigung von Kontrollen auf dem Gewässer zu bedienen, wie sie es im vorliegenden Fall nach der berechtigten Weigerung des Betroffenen auch getan hat.

11

Vorstehende Auffassung wird auch von den entsprechenden Regelungen der §§ 163b, 163c StPO bestätigt, wonach die betroffenen Personen lediglich zur passiven Duldung von Maßnahmen zu ihrer Identifizierung, nicht jedoch zu einer aktiven Mitwirkung verpflichtet sind.

12

Auch § 29 Abs. 2 SOG MV sieht lediglich ein "Anhalterecht" der Polizei zum Zwecke der Identitätsfeststellung vor, nicht jedoch eine Verpflichtung des Betroffenen, sich zum Zwecke der Kontrolle zur Polizei zu begeben.

13

Entgegen der Auffassung der Bußgeldbehörde ist die Aufforderung, mit dem Boot ans Ufer zu kommen, auch nicht von der Regelung des § 25 Abs. 2 Nr. 4 LFischG MV gedeckt, wonach der Fischereiaufseher ermächtigt ist, Führer von Wasserfahrzeugen aufzufordern, einen bestimmten Hafen anzulaufen. Bereits nach dem Wortsinn ist der hier zu Grunde liegende Sachverhalt, das Anlanden an einem Seeufer, nicht vom Begriff des Anlaufens eines Hafens gedeckt. Selbst wenn man diesen Begriff als erfüllt ansehen wollte, besteht diese Befugnis gemäß § 25 Abs. 2 1. Halbsatz nur dann, wenn dies zur Erfüllung der Aufgabe erforderlich ist. Das ist aber nicht bereits dann der Fall, wenn damit die Arbeit der Kontrollbehörde erleichtert werden würde, sondern nur dann, wenn es keine einfachere und weniger in die Grundrechte des Fischenden eingreifende Möglichkeit der Kontrolle gäbe. Das war aber vorliegend, wie die auf dem Gewässer durchgeführte Kontrolle auch ergeben hat, ersichtlich der Fall.

III.

14

Nachdem der festgestellte Sachverhalt unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt und diesbezügliche Feststellungen auch nicht mehr zu erwarten sind, war der Betroffene vom Senat freizusprechen, § 79 Abs. 3 OWiG, § 354 Abs. 1 StPO.

IV.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO.

V.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO)

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 12. Jan. 2010 - 2 Ss (OWi) 282/09 I 206/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 12. Jan. 2010 - 2 Ss (OWi) 282/09 I 206/09

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 12. Jan. 2010 - 2 Ss (OWi) 282/09 I 206/09 zitiert 9 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 304 Zulässigkeit


(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 79 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn 1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich

Strafprozeßordnung - StPO | § 163b Maßnahmen zur Identitätsfeststellung


(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festge

Strafprozeßordnung - StPO | § 163c Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung


(1) Eine von einer Maßnahme nach § 163b betroffene Person darf in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerläßlich festgehalten werden. Die festgehaltene Person ist unverzüglich dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie

Referenzen

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig.

(2) Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden.

(1) Eine von einer Maßnahme nach § 163b betroffene Person darf in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerläßlich festgehalten werden. Die festgehaltene Person ist unverzüglich dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie ergriffen worden ist, zum Zwecke der Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung vorzuführen, es sei denn, daß die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen würde, als zur Feststellung der Identität notwendig wäre. Die §§ 114a bis 114c gelten entsprechend.

(2) Eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität darf die Dauer von insgesamt zwölf Stunden nicht überschreiten.

(3) Ist die Identität festgestellt, so sind in den Fällen des § 163b Abs. 2 die im Zusammenhang mit der Feststellung angefallenen Unterlagen zu vernichten.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.