Oberlandesgericht Rostock Urteil, 08. Apr. 2015 - 1 U 71/13

bei uns veröffentlicht am08.04.2015

Tenor

1.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 14.05.2013 - 9 O 746/12 (3) - abgeändert und - unter Zurückweisung der Anschlussberufung - die Klage abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

5.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.532,51 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verfolgt gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Folge von Verletzungen an der linken Schulter, die sie sich auf einer Reise mit dem Kreuzfahrtschiff „...“ auf Grund eines Sturzes an Bord des Schiffes zuzog.

2

Wegen des Sachverhalts, des in erster Instanz gewechselten Parteivortrages und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

3

Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Begründend hat es ausgeführt, die Beklagte hafte der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und eines Organisationsverschulden gemäß „§§ 651ff., 823, 831 BGB" auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,00 €, auf Erstattung von Eigenanteilen für Physiotherapie und Arzneimittel in Höhe von 311,46 € und auf Ersatz der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 899,40 €. Festgestellt hat das Erstgericht außerdem, dass die Beklagte verpflichtet sei, sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfallereignis herrühren. Ein über 10.000,00 € hinausreichendes Schmerzensgeld, welches die Klägerin in Höhe von mindestens 15.000,00 € für angemessen erachtet hat, hat das erstinstanzliche Gericht abgewiesen.

4

Das Landgericht ist aufgrund der Angaben der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 ZPO) und der zeugenschaftlichen Einvernahme ihres Ehemannes..., der den Unfallhergang selbst nicht beobachtet hat, davon ausgegangen, dass die Klägerin sich gegen 22:30 Uhr am Vorabend des Reiseendes an Bord des Klubschiffes auf dem Weg vom Treppenhaus in einem langen Gang hin zu ihrer Kabine bewegt habe. Auf beiden Seiten des beleuchteten Ganges hätten Passagiere ihre Koffer abgestellt gehabt, um es dort vom Schiffspersonal wegschaffen zu lassen. Das sei im Rahmen eines Service-Hinweises der Beklagten geschehen, die - unstreitig - in ihren allgemeinen Informationen zur Abreise (Anlage B 4, GA 52) darstellt:

5

„Gäste, die ihr Gepäck - versehen mit der ... Gepäckbanderole - in der Nacht von Donnerstag auf Freitag bis spätestens 02:00 Uhr vor die Kabine stellen, finden ihren Koffer morgens nach Decks sortiert vor dem Schiff im Hafenterminal aufgereiht. ...

6

Jeder Gast identifiziert im Hafenterminal sein Gepäck und bringt es selbst durch den Zoll...

7

Aus Sicherheitsgründen ist es nicht gestattet Koffer nach Räumung der Kabine, in den Kabinengängen und Treppenhäusern des Schiffes ohne Aufsicht stehen zu lassen.“

8

Die aufgestellten Koffer hätten den etwa 1,20 bis 1,50 m breiten Kabinengang verengt; die Klägerin sei dann über die an der Unterseite herausragenden Räder eines auf der rechten Seite des Ganges hochkant abgestellten Koffers gestolpert und zu Boden gefallen. Der Klägerin sei sich nach ihrer Schilderung darüber im Klaren gewesen, dass sie aufgrund der Enge des Kabinengangs und der dort für sie sichtbar stehenden Koffer generell habe aufpassen müssen; nicht ins Bewusstsein geraten sei ihr indes, dass sie „noch extra auf die Räder der Koffer habe achten müssen. Sie habe die Räder der konkreten Koffer vor dem Sturz nicht gesehen“ (UA Bl. 6). Zusammenfassend hat das Gericht erster Instanz im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausgeführt (vgl. UA Bl. 7):

9

„Das Gericht hat auch keine Zweifel daran, dass die Klägerin hier tatsächlich über die heraus stehenden Räder an der unteren Seite eines dort auf dem Kabinengang abgestellten Koffers gestolpert ist. Damit konnte und musste die Klägerin nicht rechnen.“

10

Anzulasten sei der Beklagten ein Überwachungs- und Organisationsverschulden. Hierzu heißt es (UA Bl. 7f.):

11

„Wenn also hier auf Veranlassung der Beklagten die Passagiere ihre Gepäckstücke eigenständig in die Kabinengänge stellen, so muss die Beklagte dafür Sorge tragen, dass Unfallgefahren durch unregelmäßig / diagonal aufgestellte Gepäckstücke, insbesondere durch herausragende Kofferräder nach Möglichkeit ausgeschlossen werden. Hierzu ist aus Sicht des Gerichts eine Kontrolle des Vorgangs erforderlich. Dass die Beklagte hier überhaupt irgendwelche Vorkehrungen getroffen hat, um eine Gefährdung der Passagiere im Zeitraum bis zum Abtransport des Gepäcks auszuschließen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Letztendlich bleibt es den Mitpassagieren überlassen, die Gefährdung anderer Passagiere abzuwenden.“

12

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie rügt eine fehlerhafte rechtliche Würdigung sowie eine falsche Tatsachenfeststellung (vgl. im Einzelnen Berufungsbegründungsschrift vom 13.08.2013, GA 159ff./I).

13

Die Beklagte beantragt,

14

das Urteil des Landgerichts Rostock vom 14.05.2013 - 9 O 746/12 (3) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

die Berufung zurück zu weisen.

17

Sie verteidigt das angefochtene Urteil (siehe Schriftsatz vom 20.09.2013, GA 174ff./I) und hat Anschlussberufung erhoben mit den - teilweise klageerweiternden - Anträgen,

18

1. die Beklagte in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Rostock vom 14.05.2013 - 9 O 746/12 (3) zu verurteilen, an die Klägerin Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag von 20.000,00 € (insgesamt) nicht unterschreiten sollte, zu zahlen,

19

2. die Beklagte und Berufungsklägerin zu verurteilen, an die Klägerin und Berufungsbeklagte (neben den bereits erstinstanzlich zugesprochenen Beträgen) weitere 5.000,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar klageerweiternd als Verdienstausfall,

20

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 220,75 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar ebenfalls klageerweiternd als weitere Erstattung von Zuzahlungen zu Heilbehandlungen.

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Anschlussberufung zurück zu weisen.

23

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteischriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im Übrigen ausdrücklich Bezug genommen.

II.

24

Die zulässige Berufung ist begründet. Auf das Rechtsmittel der Beklagten ist die Klage abzuweisen, da der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz (§ 249 BGB) und Zahlung von Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) - unbeschadet davon, ob gestützt auf eine Pflichtverletzung des Reisevertrages (§§ 651a, 280 Abs. 1 BGB), oder auf eine deliktische Haftung (§§ 823 Abs. 1, 831 BGB) - nicht gegeben wirkt (1.). Von daher kann der Anschlussberufung der Klägerin kein Erfolg beschieden sein (2.).

25

1. Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten kausal für den von der Klägerin behaupteten Schaden geworden ist. Solches aber hat grundsätzlich der Geschädigte zu beweisen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 823 Rn. 54 m.w.N.). Ob darüber hinaus der Klägerin ein so überwiegendes Mitverschulden (§ 254 BGB) anzulasten wäre, dass dieses eine Haftung der Beklagten ausschließt (so deren Ansicht, vgl. Schriftsatz vom 13.08.2013, Seite 5 = GA 162/I), bedarf deshalb keiner Entscheidung.

26

a. Zu den Vertragspflichten des Reiseveranstalters nach § 651a BGB rechnet die Erbringung aller vertraglich zugesicherten Leistungen. Solche sind vorliegend nicht streitgegenständlich. Die allgemeinen Fürsorge- und Obhutspflichten, insbesondere soweit es um die dem Veranstalter zumutbaren Maßnahmen zur Abwehr solcher mit der Reise verbundener Gefahren geht, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb auch nicht willentlich in Kauf nimmt, decken sich in der Regel mit den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten (vgl. nur Palandt/Sprau, a.a.O., § 651a Rn. 6 m.w.N.).

27

b. Zu den deliktsrechtlich bedeutsamen Pflichten, die nicht notwendig mit den vertraglichen übereinstimmen, sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu zählen, die einem ordentlichen und gewissenhaften Veranstalter allgemein obliegen und zumutbar sind, insbesondere die sorgfältige Auswahl, Überwachung und Instruktion des Personals, wie auch das Ausräumen von oder die Warnung vor Gefahren, die dem hinreichend sorgfältigen Reisekunden nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einrichten kann (siehe näher Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 209 m.w.N. a.d.Rspr.).

28

aa. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist jedoch nicht erreichbar. Es geht vielmehr um die Risikoabwägung zwischen dem Sicherungspflichtigen und der gefährdeten Person. Der Pflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Sie können von einem Hinweis auf die Gefahr bis zur Beseitigung der Gefahrenquelle reichen. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises für notwendig und ausreichend erachten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Der Dritte ist aber in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, nicht auch vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen er sich ohne weiteres selbst schützen kann, wobei alle Umstände sowohl in der Person des Pflichtigen, wie des Gefährdeten bedeutsam sein können. Im Ergebnis ist eine Gesamtabwägung aller Gesichtspunkte vorzunehmen (vgl. zu allem Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 51 m.w.N. a.d.Rspr.).

29

bb. Nach diesem Maßstab ist es rechtlich verfehlt, wenn das Landgericht von einem Überwachungs- und Organisationsverschulden der Beklagten deshalb ausgegangen ist, weil sie keine Kontrollmaßnahmen angestellt hat, um eine Gefährdung der Passagiere durch das im Rahmen ihres Service-Angebots den Reisenden am Vorabend (bis nach Mitternacht 02:00 Uhr) ermöglichte Abstellen ihres Gepäcks in den Kabinengängen des Schiffes bis zum Abtransport durch das Bordpersonal auszuschließen. Für die Vermeidung einer Gefahr vermochten die Reisenden zumutbarer Weise selbst Sorge zu tragen.

30

(i) Unstreitig sind die Kabinengänge auf dem Schiff ausgeleuchtet. Die Koffer waren - auch nach den Angaben der Klägerin - sichtbar im Gang zu den Kabinen aufgestellt. Ihre Einlassung, sie habe sich nicht auf herausragende Laufräder an der Unterseite der vertikal gestellten Koffer vorbereitet und diesen Umstand nicht im Bewusstsein gehabt, vermag im Rahmen der Risikoabwägung die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters nicht zu begründen.

31

Es ist allgemein bekannt, dass die marktüblichen Reisegepäckstücke, insbesondere Koffer größeren Ausmaßes, zur Erleichterung in der Handhabung regelmäßig mit Rollrädern ausgerüstet sind. Diese haben auch keine Größe oder sind in einer Weise gebaut, dass sie zusätzlich zum Raummaß des Koffers eine besondere Gefahrenquelle begründen.

32

(ii) Das Landgericht hat überdies im konkreten Fall unberücksichtigt gelassen, dass der Ehemann der Klägerin als von ihr benannter Zeuge wie folgt ausgesagt hat:

33

„Die Koffer standen auch längs an der Wand und wenn ich gefragt werde, wie breit diese Koffer an der Längsseite waren, dann würde ich sagen, bis zu 45 - 50 cm. Da waren durchaus auch größere Koffer dabei. Die Räder befanden sich unten an den Koffern und ob die hier zur Wand oder zum Gang standen, dass konnte man durchaus sehen.“

34

Schon aufgrund dieser Bekundungen des Zeugen ... ist festzustellen, dass für einen umsichtigen Passagier, der die ihm gebotene Vorsicht und Sorgfalt walten lässt, das Gefahrengut - Koffer mit Rädern - deutlich erkennbar war und er sich in seinem Verhalten darauf einzustellen vermochte. Umgekehrt hat der Zeuge keine Angaben dazu machen können, aus welchen Gründen dies der Klägerin in der konkreten Lage nicht möglich gewesen wäre, denn er hat den Unfall nicht aus eigener Anschauung beobachtet.

35

(iii) Auch die Klägerin selbst hat in ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 ZPO) vor dem Landgericht keine Situation geschildert, die ihre fehlende Aufmerksamkeit, um die Gefahr eines Sturzes über oder wegen der im Kabinengang abgestellten Koffer zu vermeiden, nachvollziehbar zu erklären vermag. Denn insoweit hat sie nur lapidar angegeben:

36

„Der Gang war beleuchtet. Ich habe die Koffer dort auch stehen sehen, als ich in den Gang bog. Es war schon eng und man musste generell aufpassen.

37

Auf weitere Frage, ob die Klägerin auch die Räder gesehen hätte:

38

Also im ersten Moment nicht und mir war eigentlich nicht bewusst, dass ich hier noch extra auf die Räder achten musste. Auf die Räder des konkreten Koffers habe ich vor dem Sturz nicht gesehen. Der Koffer stand hochkant an der Wand und ich bin über die Räder unten am Koffer gestolpert. Wenn ich den Koffer beschreiben soll, dann denke ich, es war ein Hartschalenkoffer und er war dunkel. Ich bin dort an etwas hängen geblieben und als ich dann während bzw. nach dem Sturz dort hingesehen habe, war dort eben dieses Rad, was in den Gang stand und ich denke, dass ich auch darüber gestolpert bin.

39

Auf Frage, wie groß das Rad war:

40

Das kann ich nicht sicher sagen. Es hat auf jeden Fall nach meiner Erinnerung wohl zu 3/4 herausgestanden.“

41

Nach dieser Wiedergabe des Geschehens durch die Klägerin, das sie in ihrer Anhörung vor dem Senat bestätigt hat, kann noch nicht einmal sicher angenommen werden, dass sie über die Rollräder eines der abgestellten Gepäckstücke gestolpert und zu Fall gekommen ist. Die Klägerin hat insofern allein Mutmaßungen geäußert.

42

(iv) Es erscheint nach den konkreten Umständen weder erforderlich noch dem Reiseveranstalter zumutbar, über die zur Vermeidung einer Gefahr getroffenen Vorsorgemaßnahmen hinaus, zu denen das Ausleuchten des Kabinenganges sowie der an die Reisende erteilte Hinweis, das Reisegepäck am Vorabend vor der Abreise vor der Kabine abstellen zu können, so dass sich darauf Jedermann einzurichten vermag, die Verpflichtung aufzuerlegen, durch eine Überwachung und Kontrolle der Kabinengänge, oder durch fortlaufenden Abtransport des Gepäckgutes während der Abend- und Nachtzeit, zusätzliche Sicherheit zur Gefahrenabwehr zu treffen.

43

(v) Die Klägerin, die vom Senat in der mündlichen Verhandlung zur Vervollständigung des Bildes von dem Unfallhergang persönlich angehört worden ist (§ 141 ZPO), verbleibt demgegenüber auch in der Berufungsinstanz bei ihrer Ansicht, die Beklagte treffe ein Organisations- und Überwachungsverschulden. Da diese mit ihrem Angebot, die Gepäckstücke zum Reiseende für den Abtransport durch das Service-Personal vorübergehend in den Gängen abzustellen, eine zusätzliche Gefahrenquelle geschaffen habe, müsse sie die Passagiere auch dazu anhalten, die Gefahr möglichst gering zu halten. Sicherheitsvorschriften, um einen freien und sicheren Durchgang zu gewährleisten, habe die Beklagte indes nicht ausgegeben. Die Klägerin meint „Gänge (...) sollen ihrer Natur nach zum Zwecke der Bewegung genutzt werden und nicht zum Lagern von Reisegepäck“. Die Beklagte treffe daher „zumindest die Pflicht zur Überwachung, ob der Gang noch durchquerbar ist in einer angemessenen Geschwindigkeit, die für Gänge üblich ist, und man insofern nicht dazu gezwungen ist, einmal links und einmal rechts zu gehen, um allen möglichen Gefahrenquellen auszuweichen“ (Schriftsatz vom 21.11.2014, Seite 1-2 = GA 223-224).

44

Diese von der Klägerin formulierten Anforderungen an eine Verkehrssicherungspflicht im vorliegend streitgegenständlichen Lebenssachverhalt erachtet der Senat für überzogen. Die Klägerin gesteht selber zu, dass sich die den Passagieren erteilte Befugnis, ihr Gepäck zum Abtransport auf den Gängen des Kreuzfahrtschiffes abzustellen, nur auf einen kurzen Zeitraum - gemessen an der Gesamtreise - bezog. Die Beklagte hatte durch die von ihr ausgegebenen allgemeinen Informationen auf diese Situation und auf die zeitlichen Schranken hingewiesen, so dass Jedermann sich darauf einzustellen vermochte. Um den von der Klägerin geforderten freien Durchgang des Kabinenganges zu gewährleisten, hätte die Beklagte faktisch auf allen Decks des Schiffes Personal zum zügigen und unmittelbaren Abtransport des abgestellten Gepäckgutes bereit stellen müssen. Das aber erscheint weder zumutbar noch mit vertretbaren Aufwand durchführbar. Für diesen Fall müsste die Beklagte bei Erwägung der vorhandenen personellen Ressourcen und unter Einbeziehung wirtschaftlicher Überlegungen gänzlich von ihrem Angebot Abstand halten, womit umgekehrt zusätzlich Beschwernisse für die Passagiere beim Verlassen des Schiffes zum Reiseende einher zu gehen drohten, da jeder Einzelne sein Gepäck mit sich vom Schiff zu transportieren hätte, was wiederum zu individuellen Belastungen und allgemeinen Zeitverlusten führen könnte. Bei Abwägung dieser Vor- und Nachteile sowie der mit der vorübergehenden Gepäckabstellung in den Kabinengängen eintretenden Gefahrenlage, die unter Beachtung der aufgezeigten Umstände als eher gering einzustufen ist, wirkt der Vorwurf eines Überwachungsverschulden deshalb unangemessen.

45

c. Angesichts dieses Ergebnisses kann dahinstehen, ob sich der Sturz der Klägerin überhaupt so wie von ihr behauptet (Sturz über vor der Kabine abgestellte Koffer) zugetragen hat, oder ob ein anderer Geschehensablauf in Betracht zu ziehen ist. Auch insofern ergeben sich allerdings erhebliche Zweifel, da in der Unfallbericht (Anlage B 2, GA 49/I) als Unfallort das Wort „Treppe“ in das Protokoll eingetragen ist. Der dazu in erster Instanz befragte Zeuge hat nicht ausschließen wollen und können, dass es sich dabei um einen von ihm gefertigten Texteintrag handelt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 26.03.2013, Seite 5 = GA 86/I). Da er selbst beim Sturz seiner Ehefrau, der Klägerin, nicht unmittelbar vor Ort gewesen ist, ließe sich dieser Umstand nicht anders deuten, als dass sein Vermerk auf eine Schilderung der Klägerin zurück geht. Damit aber wäre auch der Klagevortrag zum Unfallhergang, den die Beklagte in Abrede gestellt hat, nicht als erwiesen anzusehen.

46

d. Für eine Wiederholung der Beweisaufnahme bestand kein Anlass. Denn der Senat geht als Berufungsgericht vom selben objektiven Erklärungswert der Angaben des in erster Instanz als Zeugen vernommenen Herrn ... und der Äußerungen der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO aus, er legt diesen Erklärungen bei der rechtlichen Beurteilung einer Pflichtverletzung allerdings ein anderes Gewicht als das Landgericht bei (vgl. insofern Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 529 Rn. 8 a.E. m.w.N.).

47

2. Da die Klage schon dem Grunde nach reif zur Abweisung ist, bedarf es mit der Anschlussberufung der Klägerin, die sich klageerweiternd zur Höhe eines ihr gegebenen Anspruchs verhält, keiner Befassung.

III.

48

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

49

2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

50

3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu noch fordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

51

4. Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren ergibt sich aus §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO, wobei sich der Senat bei der Ansetzung des Schmerzensgeldanspruches, den die Klägerin in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, daran orientiert hat, dass der entsprechende Betrag nicht höher als der vom Landgericht ausgeurteilte Anspruch zu bemessen gewesen wäre, wenn die Klage Erfolg gehabt hätte (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 35. Aufl., § 3 Rn. 63 m.w.N.). Zu dem weiteren Schmerzensgeldbetrag von 10.000,00 € sind die zusätzlichen Leistungsforderungen der Klägerin hinzu zu setzen; danach ergibt sich zusammen genommen ein Streitwert von 26.532,51 €.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Rostock Urteil, 08. Apr. 2015 - 1 U 71/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Rostock Urteil, 08. Apr. 2015 - 1 U 71/13

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Rostock Urteil, 08. Apr. 2015 - 1 U 71/13 zitiert 15 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 253 Immaterieller Schaden


(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbs

Zivilprozessordnung - ZPO | § 141 Anordnung des persönlichen Erscheinens


(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 651a Vertragstypische Pflichten beim Pauschalreisevertrag


(1) Durch den Pauschalreisevertrag wird der Unternehmer (Reiseveranstalter) verpflichtet, dem Reisenden eine Pauschalreise zu verschaffen. Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen. (2) Eine Pausch

Referenzen

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Durch den Pauschalreisevertrag wird der Unternehmer (Reiseveranstalter) verpflichtet, dem Reisenden eine Pauschalreise zu verschaffen. Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.

(2) Eine Pauschalreise ist eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise. Eine Pauschalreise liegt auch dann vor, wenn

1.
die von dem Vertrag umfassten Reiseleistungen auf Wunsch des Reisenden oder entsprechend seiner Auswahl zusammengestellt wurden oder
2.
der Reiseveranstalter dem Reisenden in dem Vertrag das Recht einräumt, die Auswahl der Reiseleistungen aus seinem Angebot nach Vertragsschluss zu treffen.

(3) Reiseleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
die Beförderung von Personen,
2.
die Beherbergung, außer wenn sie Wohnzwecken dient,
3.
die Vermietung
a)
von vierrädrigen Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Absatz 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung vom 3. Februar 2011 (BGBl. I S. 126), die zuletzt durch Artikel 7 der Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl. I S. 522) geändert worden ist, und
b)
von Krafträdern der Fahrerlaubnisklasse A gemäß § 6 Absatz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980), die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 18. Mai 2017 (BGBl. I S. 1282) geändert worden ist,
4.
jede touristische Leistung, die nicht Reiseleistung im Sinne der Nummern 1 bis 3 ist.
Nicht als Reiseleistungen nach Satz 1 gelten Reiseleistungen, die wesensmäßig Bestandteil einer anderen Reiseleistung sind.

(4) Keine Pauschalreise liegt vor, wenn nur eine Art von Reiseleistung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 mit einer oder mehreren touristischen Leistungen im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 4 zusammengestellt wird und die touristischen Leistungen

1.
keinen erheblichen Anteil am Gesamtwert der Zusammenstellung ausmachen und weder ein wesentliches Merkmal der Zusammenstellung darstellen noch als solches beworben werden oder
2.
erst nach Beginn der Erbringung einer Reiseleistung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ausgewählt und vereinbart werden.
Touristische Leistungen machen im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 keinen erheblichen Anteil am Gesamtwert der Zusammenstellung aus, wenn auf sie weniger als 25 Prozent des Gesamtwertes entfallen.

(5) Die Vorschriften über Pauschalreiseverträge gelten nicht für Verträge über Reisen, die

1.
nur gelegentlich, nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung und nur einem begrenzten Personenkreis angeboten werden,
2.
weniger als 24 Stunden dauern und keine Übernachtung umfassen (Tagesreisen) und deren Reisepreis 500 Euro nicht übersteigt oder
3.
auf der Grundlage eines Rahmenvertrags für die Organisation von Geschäftsreisen mit einem Reisenden, der Unternehmer ist, für dessen unternehmerische Zwecke geschlossen werden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Durch den Pauschalreisevertrag wird der Unternehmer (Reiseveranstalter) verpflichtet, dem Reisenden eine Pauschalreise zu verschaffen. Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.

(2) Eine Pauschalreise ist eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise. Eine Pauschalreise liegt auch dann vor, wenn

1.
die von dem Vertrag umfassten Reiseleistungen auf Wunsch des Reisenden oder entsprechend seiner Auswahl zusammengestellt wurden oder
2.
der Reiseveranstalter dem Reisenden in dem Vertrag das Recht einräumt, die Auswahl der Reiseleistungen aus seinem Angebot nach Vertragsschluss zu treffen.

(3) Reiseleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
die Beförderung von Personen,
2.
die Beherbergung, außer wenn sie Wohnzwecken dient,
3.
die Vermietung
a)
von vierrädrigen Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Absatz 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung vom 3. Februar 2011 (BGBl. I S. 126), die zuletzt durch Artikel 7 der Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl. I S. 522) geändert worden ist, und
b)
von Krafträdern der Fahrerlaubnisklasse A gemäß § 6 Absatz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980), die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 18. Mai 2017 (BGBl. I S. 1282) geändert worden ist,
4.
jede touristische Leistung, die nicht Reiseleistung im Sinne der Nummern 1 bis 3 ist.
Nicht als Reiseleistungen nach Satz 1 gelten Reiseleistungen, die wesensmäßig Bestandteil einer anderen Reiseleistung sind.

(4) Keine Pauschalreise liegt vor, wenn nur eine Art von Reiseleistung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 mit einer oder mehreren touristischen Leistungen im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 4 zusammengestellt wird und die touristischen Leistungen

1.
keinen erheblichen Anteil am Gesamtwert der Zusammenstellung ausmachen und weder ein wesentliches Merkmal der Zusammenstellung darstellen noch als solches beworben werden oder
2.
erst nach Beginn der Erbringung einer Reiseleistung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ausgewählt und vereinbart werden.
Touristische Leistungen machen im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 keinen erheblichen Anteil am Gesamtwert der Zusammenstellung aus, wenn auf sie weniger als 25 Prozent des Gesamtwertes entfallen.

(5) Die Vorschriften über Pauschalreiseverträge gelten nicht für Verträge über Reisen, die

1.
nur gelegentlich, nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung und nur einem begrenzten Personenkreis angeboten werden,
2.
weniger als 24 Stunden dauern und keine Übernachtung umfassen (Tagesreisen) und deren Reisepreis 500 Euro nicht übersteigt oder
3.
auf der Grundlage eines Rahmenvertrags für die Organisation von Geschäftsreisen mit einem Reisenden, der Unternehmer ist, für dessen unternehmerische Zwecke geschlossen werden.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.