Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 02. Nov. 2015 - 2 Ws 562/15

bei uns veröffentlicht am02.11.2015
vorgehend
Landgericht Regensburg, SR StVK 542/15, 02.06.2015

Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Tenor

I.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing aufgehoben,

1. soweit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Teil des Bescheids der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 als unbegründet zurückgewiesen wurde, mit dem dem Antragsteller weitere vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 3 Sätze 1, 2 BaySvVollzG versagt worden sind; insoweit wird auch der Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 aufgehoben,

2. hinsichtlich der Kostenentscheidung.

II.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

III.

Die Gerichtskosten beider Rechtszüge und die notwendigen Auslagen des Antragstellers tragen der Antragsteller und die Staatskasse je zur Hälfte.

IV.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28.08.2002 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Diese wird seit dem 20.01.2007 in der Justizvollzugsanstalt Straubing vollzogen.

Mit Schreiben seines Verteidigers vom 31.10.2014 beantragte der Sicherungsverwahrte, ihm weitere vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 3 Satz 1, 3 BaySvVollzG (d. h. mehr als die bereits bewilligten vier Ausführungen) und eine externe Einzeltherapie zu gewähren.

Mit Bescheid vom 17.11.2014 hat die Justizvollzugsanstalt Straubing weitere vollzugsöffnende Maßnahmen und die Gewährung einer externen Einzeltherapie abgelehnt. Zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen führt die Anstalt aus, dass der Antragsteller einer therapeutischen Behandlung bedürfe, die er derzeit ablehne. Zusätzliche Lockerungsmaßnahmen könnten den Sicherungsverwahrten in seiner ablehnenden Haltung bestärken. Die in Art. 54 Abs. 3 Satz 3 BaySvVollzG genannten Zwecke der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen machten vorliegend keine zusätzlichen Ausführungen erforderlich. Es sei wegen der Ablehnung der Therapie noch keine Abmilderung der Risikofaktoren eingetreten. Die Sicherungsverwahrung habe auch den Zweck der Schutz der Allgemeinheit. Aufgrund der Weigerungshaltung und der ungünstigen Prognose bestehe die Gefahr, dass der Untergebrachte die Ausführungen zur Flucht nutzt. Die genannten Umstände, insbesondere der fehlende Therapieerfolg, stellten auch zwingende Umstände nach Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG dar. Die externe psychotherapeutische Behandlung sei nicht nach Art. 10 Abs. 2; Art. 3 Abs. 2 BaySvVollzG zu gewähren, da dem Untergebrachten alle erforderlichen therapeutischen Maßnahmen angeboten worden seien. Auch der Sachverständige Dr. N. habe in seinem Gutachten vom 20.12.2013 festgestellt, dass die internen Angebote der Justizvollzugsanstalt ausreichend und keine konkreten Gesichtspunkte ersichtlich sind, die das Vertrauen in eine therapeutische Zusammenarbeit erschüttern würden. Diese Auffassung teile der zuständige Anstaltspsychologe. Zwar stelle der Sachverständige Dr. N. die externe Therapie als Möglichkeit in den Raum, die der Untergebrachte annehmen würde. Der bloße Hinweis des Untergebrachten, generell Misstrauen in die Bediensteten der Vollzugsbehörde zu haben, begründe aber keinen Anspruch auf ein externes Behandlungsangebot.

Mit Schreiben seines Verteidigers vom 30.11.2015 stellte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er ist bezüglich der Versagung der weiteren vollzugsöffnenden Maßnahmen der Auffassung, dass Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG keinen Ermessenspielraum eröffne. Eine Versagung nach Art. 54 Abs. 3 Satz 3 BaySvVollzG sei nur dann möglich, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Sicherungsverwahrten sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen werden. Hierzu habe die Anstalt nicht genügend dargelegt. Es sei nicht ersichtlich, warum nach der vierten Ausführung die Missbrauchsgefahr steigt. Auch sei das Argument, dass weitere Ausführungen die Therapiemotivation noch absenken, aus der Luft gegriffen. Das Bundesverfassungsgericht sei in seiner Entscheidung vom 02.05.2011 davon ausgegangen, dass sich Ausführungen grundsätzlich positiv auf die Therapiemotivation auswirken. Zur Versagung der externen Therapie lässt der Antragsteller ausführen, dass er minderbegabt und „dort abzuholen sei, wo er steht.“ Er sei aufgrund seiner Entwicklung nur begrenzt in der Lage, das für eine therapeutische Behandlung erforderliche Vertrauen aufzubauen. Wenn er derzeit kein Vertrauensverhältnis zu den Anstaltstherapeuten aufbauen könne, sei ihm eine externe Therapie zu gewähren, zu der er bereit sei.

Die Justizvollzugsanstalt bringt mit Schreiben vom 15.01.2015 vor, dass sie Missbrauchsbefürchtungen bei ihrer Entscheidung über weitere Ausführungen nicht berücksichtigt habe.

Mit Beschluss vom 02.06.2015 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Sie führt bezüglich der vollzugsöffnenden Maßnahmen aus, dass das Gericht eine voll umfängliche Prüfungskompetenz zum Vorliegen der Missbrauchs- und Fluchtgefahr habe. Hingegen sei die Frage, ob vollzugsöffnende Maßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlich sind, nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Die von der Anstalt getroffene Ermessensentscheidung, ob nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG mehr als vier Ausführungen zu gewähren sind, sei schon deshalb rechtmäßig, da Missbrauchsgefahr bestehe. Zur Frage der Gewährung einer externen Therapie legt die Strafvollstreckungskammer dar, dass keine unbedingte Indikation für eine externe Therapie bestehe, da der Sachverständige Dr. N. auch andere Therapien für möglich halte. Nicht ausreichend für die Gewährung einer externen Therapie sei fehlendes Vertrauen zu den internen Therapeuten. Die Anstalt habe bei ihrer Entscheidung die Frage der Erforderlichkeit der externen Therapie ermessensfehlerfrei gewürdigt.

Gegen diesen seinem Verteidiger am 20.07.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 18.08.2015 eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom 14.08.2015 Rechtsbeschwerde eingelegt. Es ist der Auffassung, die Rechtsbeschwerde sei zulässig zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Die im Beschluss des ersten Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11.08.2015 (1 Ws 224/15) zum Ausdruck gekommene Auslegung des Art. 54 BaySvVollzG sei nicht verfassungsgemäß. Das Oberlandesgericht Hamm habe im Beschluss vom 30.09.2014 (1 Ws 367/14) eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Nach Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG seien vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen. Nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG bestehe für die Gewährung von jährlich mehr als vier Ausführungen kein Ermessensspielraum. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ab der fünften Ausführung Fluchtgefahr bestehen soll. Zur externen Therapie trägt der Antragsteller vor, dass von der Anstalt individuelle Angebote zu entwickeln seien soweit standardisierte nicht ausreichen. Dabei gehe es auch darum, wie der Untergebrachte zur Teilnahme motiviert werden kann. Wenn seitens des Untergebrachten tiefes Misstrauen gegen die Anstalt bestehe, müsse ein externer Therapeut hinzugezogen werden. Vorliegend mache auch die lange erfolglose Dauer der Unterbringung die Durchführung einer externen Therapie erforderlich. Nicht zuletzt habe die Strafvollstreckungskammer den Streitwert mit 1.000 € zu niedrig bemessen, angesichts des Interesses des Antragstellers seien 5.000 € angemessen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Der Verteidiger des Antragstellers hat hierzu mit Schreiben vom 07.09.2015 Stellung genommen.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie wurde gemäß Art. 103 BaySvVollzG in Verbindung mit § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt. Auch sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 StVollzG gegeben, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung für Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen, wobei nicht die gerechte Entscheidung des Einzelfalles im Vordergrund steht, sondern die richtungsweisende Beurteilung bestimmter Rechtsfragen und deren höchstrichterliche Durchsetzung (Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 11. Aufl., § 116 Rn. 2).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Bezüglich der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen ist zu klären, welche Erwägungen in die nach Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BaySvVollzG zu treffende Ermessensentscheidung einfließen müssen. Auch wurde über die Frage, ob und ggf. unter welchen Umständen die Anstalt dem Untergebrachten gemäß Art. 10 Abs. 2 BaySvVollzG ein Angebot einer externen Therapie zu machen hat, - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschieden.

2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 als unbegründet zurückgewiesen hat, wie dem Antragsteller weitere vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 3 Satz 1 BaySvVollzG versagt worden sind.

a. Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrem Beschluss vom 02.06.2015 bei der Prüfung, ob der Antragsteller Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen jährlich vier Ausführungen hat, zwar zutreffend ausgeführt, dass es sich insoweit um eine Ermessensentscheidung der Anstalt handelt. Eine vom Sicherungsverwahrten ausgehende Missbrauchsgefahr kann allerdings nicht für die Versagung weiterer Ausführungen herangezogen werden, wenn gleichwohl zuvor die Mindestanzahl von jährlich vier Ausführungen gewährt worden ist und keine neuen Umstände vorliegen, aus denen sich eine weitere Erhöhung der Missbrauchsgefahr ergibt.

aa. Rechtsgrundlage für die Frage, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, ist Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BaySvVollzG. Nicht Gegenstand der Prüfung ist, ob vollzugsöffnenden Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG gemäß Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG „zwingende Gründe entgegenstehen“. Aus Art. 54 Abs. 3 Satz 1 BaySvVollzG ergibt sich zweifelsfrei, dass die Ausführungen nach dieser Vorschrift zu gestatten sind, wenn vollzugsöffnende Maßnahmen nach Absatz 1 nicht gewährt werden. Aus welchem Grund diese nicht gewährt werden ist dabei unerheblich. Ausführungen sind somit grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn vollzugsöffnenden Maßnahmen „zwingende Gründe“ entgegenstehen. Ob Ausführungen wegen Missbrauchsgefahr zu versagen sind, ist im Rahmen des Art. 54 Abs. 3 Satz 3 SvVollzG zu prüfen.

bb. Der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat im Beschluss vom 11.08.2015 (1 Ws 224/15) überzeugend dargelegt, dass der Vollzugsbehörde bei der Entscheidung, ob der Sicherungsverwahrte gemäß Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BaySvVollzG Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, ein Ermessensspielraum zusteht. Der Senat teilt diese Auffassung. Dem steht auch nicht die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 30.09.2014 - III-1 Vollz (Ws) 367/14, 1 Vollz (Ws) 367/14 -, juris) entgegen, da diese Entscheidung für die nahezu wortgleiche Regelung des § 53 SVVollzG NRW nicht den in § 53 Abs. 3 Satz 2 SVVollzG NRW geregelten Fall der Gewährung von Ausführungen über das gesetzliche Mindestmaß hinaus zum Gegenstand hat.

cc. Wie der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg im genannten Beschluss dargelegt hat, dienen die Ausführungen nach Art. 54 Abs. 3 Satz 3 und 4 BaySvVollzG der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen und dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Die Ausführungen unterbleiben auch dann, wenn die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen jährlich vier Ausführungen hat, sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen. Bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass durch weitere Ausführungen derartige Fortschritte erreichbar sind, sind nach der gesetzlichen Wertung die vorgesehenen jährlich vier Ausführungen regelmäßig ausreichend.

Eine vom Sicherungsverwahrten ausgehende Missbrauchsgefahr im Sinn des Art. 54 Abs. 3 Satz 3 BaySvVollzG kann bei unveränderter Sachlage hingegen nicht zur Versagung weiterer Ausführungen führen, wenn gleichwohl zuvor die Mindestanzahl von jährlich vier Ausführungen gewährt worden ist. Schon bei dieser Entscheidung war nämlich gemäß Art. 54 Abs. 3, Satz 2 BaySvVollzG zu prüfen, ob die Ausführungen deswegen zu versagen sind. Werden diese aber gewährt, kann die Versagung zusätzlicher Ausführungen nur dann auf eine Missbrauchsgefahr gestützt werden, wenn neue Umstände (etwa das Verhalten des Sicherungsverwahrten bei den Ausführungen) vorliegen.

dd. Die Überprüfung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer und des Bescheids der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 ergibt zum einen, dass beide rechtsfehlerhaft davon ausgehen, dass weitere Ausführungen nur dann gewährt werden können, wenn keine zwingenden Gründe nach Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG vorliegen. Zum anderen wurde dem Antragsteller zunächst die Mindestanzahl von jährlich vier Ausführungen gewährt und die Versagung weiterer Ausführungen auch mit der konkreten Gefahr begründet, dass der Antragsteller versucht, sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung zu entziehen. Neue Umstände, aus denen sich das ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.

Dass die Justizvollzugsanstalt im Schreiben vom 15.01.2015 vorbringt, bei ihrer Entscheidung Missbrauchsbefürchtungen nicht berücksichtigt zu haben, ist angesichts des anders lautenden Bescheids der Justizvollzugsanstalt unerheblich.

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer kann somit insoweit keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Gemäß § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG entscheidet der Senat selbst an Stelle der Strafvollstreckungskammer über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, da der Bescheid der Justizvollzugsanstalt an denselben Mängeln leidet und die Sache spruchreif ist. Auch der Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 ist deshalb insoweit aufzuheben.

Die Justizvollzugsanstalt Straubing wird somit über diesen Teil des Antrags des Sicherungsverwahrten unter Beachtung der obigen Rechtsausführungen neu zu befinden haben.

b. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit der Antragsteller geltend macht, Anspruch auf Gewährung einer Behandlung durch einen anstaltsexternen Therapeuten zu haben.

aa. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt Art. 10 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 BaySvVollzG in Betracht. Danach sind Sicherungsverwahrten geeignete Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen anzubieten, die sie befähigen, künftig ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung zu führen. Soweit standardisierte Angebote nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Behandlungsangebote zu entwickeln. Soweit erforderlich, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.

bb. Die Frage, ob die von der Anstalt nach Art. 10 BaySvVollzG angebotenen Behandlungsmaßnahmen ausreichend oder ob dem Sicherungsverwahrten darüber hinaus weitere Angebote zu machen sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung.

cc. Mit Art. 10 BaySvVollzG soll nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) klargestellt werden, dass zur Behandlung zunächst auf bewährte Maßnahmen und Methoden zurückgegriffen werden kann und muss, wobei diese jeweils dem aktuellen Stand der Wissenschaft gemäß anzuwenden sind. Soweit diese Maßnahmen jedoch nicht zum Erfolg führen, ist im Sinn des vom Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 128, Rn. 113) formulierten Individualisierungsgebots ein auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Sicherungsverwahrter abgestimmtes Behandlungsangebot zu entwickeln, was durch Kombination von Elementen verschiedener Behandlungsprogramme, aber auch durch Konzeption neuer Ansätze geschehen kann.

Zu Art. 10 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BaySvVollzG wird in den Gesetzesmaterialien (a. a. O.) weiter ausgeführt, dass dort die Zusammenarbeit von Bediensteten verschiedener Berufsgruppen in multidisziplinären Behandlungsteams geregelt wird. Diese werden im Regelfall psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten, Sozialpädagogen und Angehörige des Krankenpflegedienstes und des allgemeinen Vollzugsdienstes umfassen. Hinzu kommen entsprechend dem jeweiligen Behandlungskonzept Pädagogen, Angehörige weiterer Pflegeberufe und Arbeitstherapeuten. Auf Stationen mit intensiver medizinischer Betreuung wird regelmäßig auch ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie zum Behandlungsteam gehören. Es wird von den jeweiligen Gegebenheiten (Belegungszahlen und Zusammensetzung der Sicherungsverwahrten) abhängen, ob einzelne Berufsgruppen mit fest angestellten Beschäftigten oder durch anderweitig verpflichtete externe Kräfte vertreten sind.

Der Gesetzgeber ist somit davon ausgegangen, dass die Therapie grundsätzlich von der Vollzugseinrichtung mit eigenem Personal selbst durchgeführt wird und das Behandlungsteam im Einzelfall durch außenstehende Fachkräfte unterstützt wird. Eine vollständige Übertragung der Therapie an einen außenstehenden Therapeuten war hingegen nicht beabsichtigt. Diese Auslegung ergibt sich im Übrigen auch aus dem Wortlaut der Vorschrift: Bedienstete verschiedener Fachrichtungen wirken in enger Abstimmung zusammen. Externe Fachkräfte werden soweit erforderlich einbezogen.

Bei einem inhaltlich ausreichenden Therapieangebot der Anstalt besteht deshalb grundsätzlich kein Anspruch auf alleinige Beauftragung eines externen Therapeuten.

dd. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 (a. a. O.). Zwar kommt danach der Behandlung des Sicherungsverwahrten mit dem Ziel der Reduzierung der Gefährlichkeit nach dem ultima-ratio-Prinzip der Sicherungsverwahrung entscheidende Bedeutung zu. Im therapeutischen Bereich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden. Dabei muss - insbesondere mit zunehmender Vollzugsdauer - sichergestellt sein, dass mögliche Therapien nicht nur deshalb unterbleiben, weil sie im Hinblick auf Aufwand und Kosten über das standardisierte Angebot der Anstalten hinausgehen (Individualisierungs- und Intensivierungsgebot).

Vorliegend steht aber nicht die Therapiemethode im Streit. Der Sachverständige Dr. N. hat hierzu in seinem Gutachten ausgeführt, dass dem Antragsteller sämtliche für ihn geeigneten Einzel- und Gruppenbehandlungen angeboten wurden und weitere erfolgversprechende Maßnahmen derzeit nicht denkbar sind. Dies stellt auch der Antragsteller nicht in Frage. Vielmehr scheiterte die Aufnahme einer Therapie während der gesamten Unterbringung an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft des Sicherungsverwahrten, die er mit einem generellen tiefen Misstrauen in die Behandler der Anstalt begründet. Dies stellt - auch in der Zusammenschau mit der langen Vollzugsdauer der Unterbringung - keinen ausreichenden Grund dar, um vom Grundsatz der anstaltsinternen Therapie abzuweichen und diese anstaltsextern durchzuführen (vgl. EGMR, Urteil vom 22.03.2012, Rn. 96 - 36035/04 -, juris). Es sind keine nachvollziehbaren Gründe erkennbar, worauf das pauschale und generelle Misstrauen des Antragstellers gründet. Der Sicherungsverwahrte hat keinen Anspruch darauf, sich seine Therapeuten nach willkürlich erscheinenden Kriterien selbst auszusuchen. Auch die gesetzliche Verpflichtung der Anstalt (Art. 4 BaySvVollzG), die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an Therapiemaßnahmen zu wecken und zu fördern, ändert daran nichts.

3. Die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StVollzG, § 467 Abs. 1 StPO.

4. Der Senat setzt unter Berücksichtigung des Interesses des Sache für den Antragsteller und dessen finanziellen Situation den Beschwerdewert auf 1.000 € (jeweils 500 € für beide Streitgegenstände) fest.

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Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 121 Kosten des Verfahrens


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Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 119 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. (2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der

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(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung

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Oberlandesgericht Nürnberg

Az. 1 Ws 224/15

Beschluss

vom 11. August 2015

5 Ws 248/15 Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg

SR StVK 631/14 Landgericht Regensburg, StVK b. d. AG Straubing

LEITSATZ

In dem Strafvollzugsverfahren gegen

B.

Verteidiger: Rechtsanwalt S.

wegen schwerer räuberischer Erpressung

hier: Rechtsbeschwerde

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 1. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 11.08.2015 folgenden Beschluss

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten B. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 09. März 2015 in dessen Ziffern 1. bis 3. aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Rechtsbeschwerdeführer ist aufgrund Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.06.2014 (13 KLs 203 Js 12373/03) seit 30.01.2012 in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Seit 25.06.2013 befindet er sich in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in der Justizvollzugsanstalt Straubing.

Mit Bescheid vom 03.12.2014 lehnte die Justizvollzugsanstalt Straubing den Antrag des Untergebrachten auf Gewährung von Begleitausgang nach Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG ab. Sie begründete dies mit dargelegten Befürchtungen des Missbrauchs der Vollzugslockerungen durch den Sicherungsverwahrten und mit der Gefahr, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen. Auch stellte sie fest, dass Ausführungen, welche über das gesetzliche Mindestmaß nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG hinausgingen, zwar in Betracht kämen, aber von der Erholung eines Sachverständigengutachtens zu Flucht- oder Missbrauchsgefahren abhingen. Auf die Darlegungen der Justizvollzugsanstalt im genannten Bescheid wird Bezug genommen.

Hiergegen wendete sich der Sicherungsverwahrte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15.12.2014, eingegangen bei Gericht am 19.12.2014. Er beantragte, die Justizvollzugsanstalt Straubing unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.12.2014, soweit darin über vier Ausführungen pro Jahr hinaus weitere vollzugsöffnende Maßnahmen versagt worden sind, zu verpflichten, ihm vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren, beziehungsweise hilfsweise die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer erneut zu bescheiden. Auf die Ausführungen in der Begründung des Antrags wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 09.03.2015 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.

Gegen den am 13.03.2015 zugestellten Beschluss legte der Untergebrachte mit Schreiben des beigeordneten Rechtsanwalts Scharmer vom 09.04.2015, eingegangen bei Gericht am 13.04.2015, Rechtsbeschwerde ein, welche im selben Schreiben auch begründet wurde.

Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft von 22.04.2015 erwiderte der Rechtsbeschwerdeführer mit anwaltlichem Schreiben vom 18.05.2015. Auf die jeweiligen Ausführungen wird Bezug genommen.

II.

A. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Sie wurde gemäß Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt. Auch sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 116 StVollzG gegeben, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen, wobei nicht die gerechte Entscheidung des Einzelfalles im Vordergrund steht, sondern die grundlegende Klärung bestimmter Rechtsfragen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Teil P Rn. 91 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da obergerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 BaySvVollzG bislang nicht vorhanden ist und der zu entscheidende Einzelfall deren Entwicklung erfordert.

B. Die Rechtsbeschwerde hat auch zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer ging im Beschluss vom 09.03.2015 bei der Prüfung der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus, so dass die darauf beruhende Entscheidung keinen Bestand haben kann (dazu unten 1. und 3. a)). Die Entscheidung über zu gewährende Ausführungen nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG (dazu unten 2.) steht hiermit in unmittelbarem Zusammenhang. Die Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG ist gegenüber der Entscheidung über Ausführungen vorrangig, so dass Letztere nicht bestehen bleiben kann (dazu unten 3. b)).

Auf Antrag des Rechtsbeschwerdeführers ist der angefochtene Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing daher in dessen Ziffern 1. bis 3. aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. Bei der Bestellung des Beistandes mit Ziffer 4. des Beschlusses hat es sein Bewenden (dazu unten 4.).

1. Es ist tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Hierbei handelt es sich um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Die Vollzugsbehörde hat daher hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum.

a) Vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG, nämlich Begleitausgang und Ausgang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG), Langzeitausgang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 2 BaySvVollzG) sowie Außenbeschäftigung und Freigang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 3 BaySvVollzG) werden gemäß Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG mit Zustimmung des Sicherungsverwahrten und nach Anhörung der Strafvollstreckungskammer zum Erreichen der Vollzugsziele gewährt, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Sicherungsverwahrte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Begehung von Straftaten missbrauchen.

In Teil 11 des BaySvVollzG sollte nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) die Forderung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 128, 326 ff.) nach einem freiheitsorientierten Vollzug und der Schaffung eines klaren, inhaltlich abgestuften Regelungskonzepts für vollzugsöffnende Maßnahmen umgesetzt werden. Diese seien die wesentlichen Elemente der Entlassungsvorbereitung. Ihnen käme zudem besondere Bedeutung für die Prognose der Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten zu. Vollzugsöffnende Maßnahmen dienten der Eingliederung des Sicherungsverwahrten und wirkten möglichen schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung entgegen. Sie seien daher ein wesentliches Instrumentarium zur Umsetzung der Gestaltungsgrundsätze nach Art. 3 BaySvVollzG (freiheitsorientierte und therapiegerichtete Ausgestaltung) sowie zum Erreichen der Vollzugsziele nach Art. 2 BaySvVollzG (Minderung der Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten, dessen Befähigung, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit ohne Straftaten zu führen, und Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten).

b) Im Anschluss hieran sieht es der Senat als tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG an, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Der Wortlaut des Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG ist - wie das OLG Hamm für die ähnlich formulierte Vorschrift § 53 Abs. 2 des SVVollzG NRW ausführte (OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2014, 1 Ws 367/14, zitiert nach juris) - insoweit nicht eindeutig. Allerdings legt die Gesetzesformulierung, dass vollzugsöffnende Maßnahmen einerseits zum Erreichen der Vollzugsziele gewährt und andererseits nicht zwingende Gründe entgegenstehen dürfen, nahe, dass es sich hierbei um ein positives Tatbestandsmerkmal einerseits und ein negatives Tatbestandsmerkmal andererseits handelt. Beide Kriterien werden gleichwertig in einem Satz formuliert. Dessen Wortlaut kann nicht entnommen werden, dass nur das Verständnis des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass vollzugsöffnende Maßnahmen an sich schon der Erreichung der Vollzugsziele dienten und insoweit kein Tatbestandsmerkmal vorliege. Vielmehr erscheint die Anknüpfung an die Vollzugsziele aufgrund deren zentraler Bedeutung so wichtig, dass sich die Formulierung nicht nur in einer Allgemeinverständnisbekundung des Gesetzgebers erschöpft, sondern ein Tatbestandsmerkmal darstellt (entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2014, 1 Ws 367/14). Vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG, die sich hinsichtlich der Erreichung der Vollzugsziele lediglich neutral verhalten, oder deren Erreichung gar zuwider laufen würden, haben demnach zu unterbleiben, selbst wenn zwingende Gründe im Sinne von Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG der Gewährung nicht entgegenstünden. So ist nicht jede denkbare Vollzugslockerung bereits zu jedem Zeitpunkt im Blick auf die Vollzugsziele sinnvoll. Beispielsweise haben vollzugsöffnende Maßnahmen zur Ermöglichung einer Paartherapie zu unterbleiben, wenn diese das Zusammenleben des Untergebrachten mit der Partnerin vorbereiten soll, dessen Entlassung aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung jedoch in naher und mittlerer Zukunft ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis hängt die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG daher davon ab, dass diese einerseits dem Erreichen der Vollzugsziele dienen und andererseits keine zwingenden Gründe i. S. v. Art 54 Abs. 2 BaySvVollzG entgegenstehen. Beides sind unbestimmte Rechtsbegriffe, unter welche die jeweils zu ermittelnden Tatsachen zu subsumieren sind. Erachtet die Vollzugsbehörde die positiven und negativen Voraussetzungen für eine einzelne vollzugsöffnende Maßnahme für gegeben, ist diese zu gewähren. Ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite besteht nicht.

c) Der Umfang der gerichtlichen Nachprüfbarkeit ist hinsichtlich beider Tatbestandsmerkmale des Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG eingeschränkt.

aa) Während die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe seitens der Behörden grundsätzlich der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt und die Gerichte die Auffassung der Verwaltung auch durch ihre eigene ersetzen können (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage, Teil P Rn. 86 m. w. N.), handelt es sich bei der Frage, ob konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird, um eine Prognoseentscheidung, bei welcher der Verwaltung eine Einschätzungsprärogative zugestanden wird. Wegen ihrer Nähe zum Gefangenen sind die Vollzugsbehörden besser als die Gerichte in der Lage, die Entscheidung zur Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtung zu treffen (vgl. BGHSt 30, 320 ff. für Lockerungen des Strafvollzugs). Die gerichtliche Kontrolle durch die Strafvollstreckungskammer beschränkt sich daher darauf, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollständig ausermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Ist die Sache nicht spruchreif, weil die Vollzugsbehörde den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hat, ist der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Vollzugsbehörde zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtauffassung der Strafvollstreckungskammer zu bescheiden. Das Gericht darf die Prognose der Vollzugsbehörde nicht durch seine eigene ersetzen. Infolge dessen ist es auch nicht seine Aufgabe, Tatsachen selbst zu ermitteln, welche die angefochtene Entscheidung rechtfertigen können, von der Vollzugsbehörde aber bisher nicht berücksichtigt worden sind (BGH, a. a. O.).

bb) Eine solche Einschätzungsprärogative steht den Vollzugsbehörden auch hinsichtlich des weiteren Tatbestandsmerkmals, des Erreichens der Vollzugsziele, zu. Es handelt sich bei der Frage, ob die Bewilligung einer konkreten vollzugsöffnenden Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Auch hinter dieser Entscheidung steht eine Vielzahl von objektiven Umständen und subjektiven Eindrücken, welche durch die sachnäheren Vollzugsbehörden besser beurteilt werden können, als durch die in der Folgezeit angerufenen Gerichte. Die Vollzugsbehörde hat somit auch hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Zur Überprüfbarkeit gelten die obigen (1. c) aa)) Ausführungen entsprechend.

2. Bezüglich der Frage, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, steht der Vollzugsbehörde dagegen ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen.

a) Werden vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG nicht gewährt, ist dem Sicherungsverwahrten gemäß Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG mit seiner Zustimmung das Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht Vollzugsbediensteter für eine bestimmte Tageszeit (Ausführung) zu gestatten. Sie dienen der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen und dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Die Ausführungen unterbleiben auch dann, wenn die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.

Hinsichtlich der Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtung hat die Vollzugsbehörde - entsprechend den obigen Ausführungen unter 1. c) - auch insoweit eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum.

b) Art. 54 Abs. 3 S. 2 BaySvVollzG legt sodann die Mindestzahl an Ausführungen auf viermal pro Jahr fest. Nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) soll der Sicherungsverwahrte hinsichtlich zusätzlicher Ausführungen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben. Dies trägt der Gesetzestext auch. So führt die Formulierung „Ausführungen erfolgen mindestens vier Mal im Jahr“ ohne weitere Normierungen dazu, dass die Vollzugsbehörde selbst zur Entscheidung berufen ist, ob Ausführungen jenseits der vier Pflichtausführungen zu bewilligen und wie viele solcher Ausführungen sachgerecht und angemessen sind. Hierbei steht der Vollzugsbehörde ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte für die Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen. Zwar kann der Untergebrachte nicht verlangen, dass für weitere Ausführungen unbegrenzt personelle oder sonstige Mittel seitens der Justizvollzugsanstalt aufgewendet werden. Auf der anderen Seite hat die Justizvollzugsanstalt jedoch die Rechte der Untergebrachten zu wahren, was eine angemessene personelle Ausstattung der Justizvollzugsanstalten bedingt (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015, 2 BvR 1753/14, zitiert nach juris, für beantragte Ausführungen eines Strafgefangenen mit Verurteilung zu lebenslanger Haft).

3. a) Der Prüfungsmaßstab, den die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing bei der Frage der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG herangezogen hat, entspricht nicht den vorgenannten Vorgaben. Die Strafvollstreckungskammer ging davon aus, hinsichtlich des Vorliegens von Missbrauchs- und Fluchtgefahr eine vollumfängliche Prüfungskompetenz zu besitzen, während sie der Anstalt bezüglich der Frage des Erreichens der Vollzugsziele und der Umsetzung der Maßnahmen einen „Beurteilungs- und Ermessensspielraum“ zubilligte. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei Zugrundelegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs eine andere Bewertung, gegebenenfalls auch aufgrund zunächst von der Justizvollzugsanstalt festzustellender Tatsachen, möglich ist.

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob dem Sicherungsverwahrten weitere Ausführungen über die Mindestzahl von vier Ausführungen jährlich hinaus zustehen, ging die Strafvollstreckungskammer zutreffend davon aus, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Allerdings kann die Entscheidung unabhängig von der konkreten Prüfung des Ermessens keinen Bestand haben, da diese in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit der aufzuhebenden Entscheidung über die Gewährung von Begleitausgängen steht. Sollte es zur Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySVollzG kommen, würden sich die Ausführungen erledigen. Die Entscheidung über die beantragten Ausgänge muss daher vorrangig erfolgen.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015, 2 BvR 1753/14) Zweifel an der Tragfähigkeit des Bescheides der Justizvollzugsanstalt bezüglich der aktuellen Versagung von Ausführungen über die gesetzliche Mindestzahl hinaus bestehen. Es wären Überlegungen zur Förderung des Untergebrachten, insbesondere der Erhaltung von dessen Lebenstauglichkeit, durch zusätzliche Ausführungen einerseits und zu den organisatorischen Möglichkeiten der Vollzugsbehörde andererseits angezeigt. Es ist fraglich, ob das angedachte Gutachten für die Entscheidung, ob vier oder mehr Ausführungen zu gewähren sind, weiter führt. Vom Vorliegen der Ausnahmetatbestände Art. 54 Abs. 3 S. 3 und 4 BaySvVollzG geht die Vollzugsanstalt jedenfalls nicht aus.

c) Somit ist die Sache unter Aufhebung der Entscheidungen Ziffer 1. bis 3. zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückzuverweisen.

4. Bestand hat Ziffer 4. des angefochtenen Beschlusses. Die Beiordnung wurde zutreffend vorgenommen, da die Voraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG gegeben sind.

(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(3) Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle tun.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

Gründe

Oberlandesgericht Nürnberg

Az. 1 Ws 224/15

Beschluss

vom 11. August 2015

5 Ws 248/15 Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg

SR StVK 631/14 Landgericht Regensburg, StVK b. d. AG Straubing

LEITSATZ

In dem Strafvollzugsverfahren gegen

B.

Verteidiger: Rechtsanwalt S.

wegen schwerer räuberischer Erpressung

hier: Rechtsbeschwerde

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 1. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 11.08.2015 folgenden Beschluss

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten B. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 09. März 2015 in dessen Ziffern 1. bis 3. aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Rechtsbeschwerdeführer ist aufgrund Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.06.2014 (13 KLs 203 Js 12373/03) seit 30.01.2012 in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Seit 25.06.2013 befindet er sich in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in der Justizvollzugsanstalt Straubing.

Mit Bescheid vom 03.12.2014 lehnte die Justizvollzugsanstalt Straubing den Antrag des Untergebrachten auf Gewährung von Begleitausgang nach Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG ab. Sie begründete dies mit dargelegten Befürchtungen des Missbrauchs der Vollzugslockerungen durch den Sicherungsverwahrten und mit der Gefahr, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen. Auch stellte sie fest, dass Ausführungen, welche über das gesetzliche Mindestmaß nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG hinausgingen, zwar in Betracht kämen, aber von der Erholung eines Sachverständigengutachtens zu Flucht- oder Missbrauchsgefahren abhingen. Auf die Darlegungen der Justizvollzugsanstalt im genannten Bescheid wird Bezug genommen.

Hiergegen wendete sich der Sicherungsverwahrte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15.12.2014, eingegangen bei Gericht am 19.12.2014. Er beantragte, die Justizvollzugsanstalt Straubing unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.12.2014, soweit darin über vier Ausführungen pro Jahr hinaus weitere vollzugsöffnende Maßnahmen versagt worden sind, zu verpflichten, ihm vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren, beziehungsweise hilfsweise die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer erneut zu bescheiden. Auf die Ausführungen in der Begründung des Antrags wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 09.03.2015 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.

Gegen den am 13.03.2015 zugestellten Beschluss legte der Untergebrachte mit Schreiben des beigeordneten Rechtsanwalts Scharmer vom 09.04.2015, eingegangen bei Gericht am 13.04.2015, Rechtsbeschwerde ein, welche im selben Schreiben auch begründet wurde.

Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft von 22.04.2015 erwiderte der Rechtsbeschwerdeführer mit anwaltlichem Schreiben vom 18.05.2015. Auf die jeweiligen Ausführungen wird Bezug genommen.

II.

A. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Sie wurde gemäß Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt. Auch sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 116 StVollzG gegeben, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen, wobei nicht die gerechte Entscheidung des Einzelfalles im Vordergrund steht, sondern die grundlegende Klärung bestimmter Rechtsfragen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Teil P Rn. 91 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da obergerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 BaySvVollzG bislang nicht vorhanden ist und der zu entscheidende Einzelfall deren Entwicklung erfordert.

B. Die Rechtsbeschwerde hat auch zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer ging im Beschluss vom 09.03.2015 bei der Prüfung der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus, so dass die darauf beruhende Entscheidung keinen Bestand haben kann (dazu unten 1. und 3. a)). Die Entscheidung über zu gewährende Ausführungen nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG (dazu unten 2.) steht hiermit in unmittelbarem Zusammenhang. Die Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG ist gegenüber der Entscheidung über Ausführungen vorrangig, so dass Letztere nicht bestehen bleiben kann (dazu unten 3. b)).

Auf Antrag des Rechtsbeschwerdeführers ist der angefochtene Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing daher in dessen Ziffern 1. bis 3. aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. Bei der Bestellung des Beistandes mit Ziffer 4. des Beschlusses hat es sein Bewenden (dazu unten 4.).

1. Es ist tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Hierbei handelt es sich um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Die Vollzugsbehörde hat daher hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum.

a) Vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG, nämlich Begleitausgang und Ausgang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG), Langzeitausgang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 2 BaySvVollzG) sowie Außenbeschäftigung und Freigang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 3 BaySvVollzG) werden gemäß Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG mit Zustimmung des Sicherungsverwahrten und nach Anhörung der Strafvollstreckungskammer zum Erreichen der Vollzugsziele gewährt, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Sicherungsverwahrte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Begehung von Straftaten missbrauchen.

In Teil 11 des BaySvVollzG sollte nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) die Forderung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 128, 326 ff.) nach einem freiheitsorientierten Vollzug und der Schaffung eines klaren, inhaltlich abgestuften Regelungskonzepts für vollzugsöffnende Maßnahmen umgesetzt werden. Diese seien die wesentlichen Elemente der Entlassungsvorbereitung. Ihnen käme zudem besondere Bedeutung für die Prognose der Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten zu. Vollzugsöffnende Maßnahmen dienten der Eingliederung des Sicherungsverwahrten und wirkten möglichen schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung entgegen. Sie seien daher ein wesentliches Instrumentarium zur Umsetzung der Gestaltungsgrundsätze nach Art. 3 BaySvVollzG (freiheitsorientierte und therapiegerichtete Ausgestaltung) sowie zum Erreichen der Vollzugsziele nach Art. 2 BaySvVollzG (Minderung der Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten, dessen Befähigung, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit ohne Straftaten zu führen, und Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten).

b) Im Anschluss hieran sieht es der Senat als tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG an, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Der Wortlaut des Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG ist - wie das OLG Hamm für die ähnlich formulierte Vorschrift § 53 Abs. 2 des SVVollzG NRW ausführte (OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2014, 1 Ws 367/14, zitiert nach juris) - insoweit nicht eindeutig. Allerdings legt die Gesetzesformulierung, dass vollzugsöffnende Maßnahmen einerseits zum Erreichen der Vollzugsziele gewährt und andererseits nicht zwingende Gründe entgegenstehen dürfen, nahe, dass es sich hierbei um ein positives Tatbestandsmerkmal einerseits und ein negatives Tatbestandsmerkmal andererseits handelt. Beide Kriterien werden gleichwertig in einem Satz formuliert. Dessen Wortlaut kann nicht entnommen werden, dass nur das Verständnis des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass vollzugsöffnende Maßnahmen an sich schon der Erreichung der Vollzugsziele dienten und insoweit kein Tatbestandsmerkmal vorliege. Vielmehr erscheint die Anknüpfung an die Vollzugsziele aufgrund deren zentraler Bedeutung so wichtig, dass sich die Formulierung nicht nur in einer Allgemeinverständnisbekundung des Gesetzgebers erschöpft, sondern ein Tatbestandsmerkmal darstellt (entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2014, 1 Ws 367/14). Vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG, die sich hinsichtlich der Erreichung der Vollzugsziele lediglich neutral verhalten, oder deren Erreichung gar zuwider laufen würden, haben demnach zu unterbleiben, selbst wenn zwingende Gründe im Sinne von Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG der Gewährung nicht entgegenstünden. So ist nicht jede denkbare Vollzugslockerung bereits zu jedem Zeitpunkt im Blick auf die Vollzugsziele sinnvoll. Beispielsweise haben vollzugsöffnende Maßnahmen zur Ermöglichung einer Paartherapie zu unterbleiben, wenn diese das Zusammenleben des Untergebrachten mit der Partnerin vorbereiten soll, dessen Entlassung aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung jedoch in naher und mittlerer Zukunft ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis hängt die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG daher davon ab, dass diese einerseits dem Erreichen der Vollzugsziele dienen und andererseits keine zwingenden Gründe i. S. v. Art 54 Abs. 2 BaySvVollzG entgegenstehen. Beides sind unbestimmte Rechtsbegriffe, unter welche die jeweils zu ermittelnden Tatsachen zu subsumieren sind. Erachtet die Vollzugsbehörde die positiven und negativen Voraussetzungen für eine einzelne vollzugsöffnende Maßnahme für gegeben, ist diese zu gewähren. Ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite besteht nicht.

c) Der Umfang der gerichtlichen Nachprüfbarkeit ist hinsichtlich beider Tatbestandsmerkmale des Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG eingeschränkt.

aa) Während die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe seitens der Behörden grundsätzlich der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt und die Gerichte die Auffassung der Verwaltung auch durch ihre eigene ersetzen können (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage, Teil P Rn. 86 m. w. N.), handelt es sich bei der Frage, ob konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird, um eine Prognoseentscheidung, bei welcher der Verwaltung eine Einschätzungsprärogative zugestanden wird. Wegen ihrer Nähe zum Gefangenen sind die Vollzugsbehörden besser als die Gerichte in der Lage, die Entscheidung zur Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtung zu treffen (vgl. BGHSt 30, 320 ff. für Lockerungen des Strafvollzugs). Die gerichtliche Kontrolle durch die Strafvollstreckungskammer beschränkt sich daher darauf, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollständig ausermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Ist die Sache nicht spruchreif, weil die Vollzugsbehörde den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hat, ist der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Vollzugsbehörde zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtauffassung der Strafvollstreckungskammer zu bescheiden. Das Gericht darf die Prognose der Vollzugsbehörde nicht durch seine eigene ersetzen. Infolge dessen ist es auch nicht seine Aufgabe, Tatsachen selbst zu ermitteln, welche die angefochtene Entscheidung rechtfertigen können, von der Vollzugsbehörde aber bisher nicht berücksichtigt worden sind (BGH, a. a. O.).

bb) Eine solche Einschätzungsprärogative steht den Vollzugsbehörden auch hinsichtlich des weiteren Tatbestandsmerkmals, des Erreichens der Vollzugsziele, zu. Es handelt sich bei der Frage, ob die Bewilligung einer konkreten vollzugsöffnenden Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Auch hinter dieser Entscheidung steht eine Vielzahl von objektiven Umständen und subjektiven Eindrücken, welche durch die sachnäheren Vollzugsbehörden besser beurteilt werden können, als durch die in der Folgezeit angerufenen Gerichte. Die Vollzugsbehörde hat somit auch hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Zur Überprüfbarkeit gelten die obigen (1. c) aa)) Ausführungen entsprechend.

2. Bezüglich der Frage, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, steht der Vollzugsbehörde dagegen ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen.

a) Werden vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG nicht gewährt, ist dem Sicherungsverwahrten gemäß Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG mit seiner Zustimmung das Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht Vollzugsbediensteter für eine bestimmte Tageszeit (Ausführung) zu gestatten. Sie dienen der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen und dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Die Ausführungen unterbleiben auch dann, wenn die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.

Hinsichtlich der Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtung hat die Vollzugsbehörde - entsprechend den obigen Ausführungen unter 1. c) - auch insoweit eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum.

b) Art. 54 Abs. 3 S. 2 BaySvVollzG legt sodann die Mindestzahl an Ausführungen auf viermal pro Jahr fest. Nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) soll der Sicherungsverwahrte hinsichtlich zusätzlicher Ausführungen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben. Dies trägt der Gesetzestext auch. So führt die Formulierung „Ausführungen erfolgen mindestens vier Mal im Jahr“ ohne weitere Normierungen dazu, dass die Vollzugsbehörde selbst zur Entscheidung berufen ist, ob Ausführungen jenseits der vier Pflichtausführungen zu bewilligen und wie viele solcher Ausführungen sachgerecht und angemessen sind. Hierbei steht der Vollzugsbehörde ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte für die Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen. Zwar kann der Untergebrachte nicht verlangen, dass für weitere Ausführungen unbegrenzt personelle oder sonstige Mittel seitens der Justizvollzugsanstalt aufgewendet werden. Auf der anderen Seite hat die Justizvollzugsanstalt jedoch die Rechte der Untergebrachten zu wahren, was eine angemessene personelle Ausstattung der Justizvollzugsanstalten bedingt (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015, 2 BvR 1753/14, zitiert nach juris, für beantragte Ausführungen eines Strafgefangenen mit Verurteilung zu lebenslanger Haft).

3. a) Der Prüfungsmaßstab, den die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing bei der Frage der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG herangezogen hat, entspricht nicht den vorgenannten Vorgaben. Die Strafvollstreckungskammer ging davon aus, hinsichtlich des Vorliegens von Missbrauchs- und Fluchtgefahr eine vollumfängliche Prüfungskompetenz zu besitzen, während sie der Anstalt bezüglich der Frage des Erreichens der Vollzugsziele und der Umsetzung der Maßnahmen einen „Beurteilungs- und Ermessensspielraum“ zubilligte. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei Zugrundelegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs eine andere Bewertung, gegebenenfalls auch aufgrund zunächst von der Justizvollzugsanstalt festzustellender Tatsachen, möglich ist.

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob dem Sicherungsverwahrten weitere Ausführungen über die Mindestzahl von vier Ausführungen jährlich hinaus zustehen, ging die Strafvollstreckungskammer zutreffend davon aus, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Allerdings kann die Entscheidung unabhängig von der konkreten Prüfung des Ermessens keinen Bestand haben, da diese in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit der aufzuhebenden Entscheidung über die Gewährung von Begleitausgängen steht. Sollte es zur Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySVollzG kommen, würden sich die Ausführungen erledigen. Die Entscheidung über die beantragten Ausgänge muss daher vorrangig erfolgen.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015, 2 BvR 1753/14) Zweifel an der Tragfähigkeit des Bescheides der Justizvollzugsanstalt bezüglich der aktuellen Versagung von Ausführungen über die gesetzliche Mindestzahl hinaus bestehen. Es wären Überlegungen zur Förderung des Untergebrachten, insbesondere der Erhaltung von dessen Lebenstauglichkeit, durch zusätzliche Ausführungen einerseits und zu den organisatorischen Möglichkeiten der Vollzugsbehörde andererseits angezeigt. Es ist fraglich, ob das angedachte Gutachten für die Entscheidung, ob vier oder mehr Ausführungen zu gewähren sind, weiter führt. Vom Vorliegen der Ausnahmetatbestände Art. 54 Abs. 3 S. 3 und 4 BaySvVollzG geht die Vollzugsanstalt jedenfalls nicht aus.

c) Somit ist die Sache unter Aufhebung der Entscheidungen Ziffer 1. bis 3. zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückzuverweisen.

4. Bestand hat Ziffer 4. des angefochtenen Beschlusses. Die Beiordnung wurde zutreffend vorgenommen, da die Voraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG gegeben sind.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Arnsberg zurückverwiesen.


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(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.

(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.

(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.

(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.