I. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28.08.2002 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Diese wird seit dem 20.01.2007 in der Justizvollzugsanstalt Straubing vollzogen.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 31.10.2014 beantragte der Sicherungsverwahrte, ihm weitere vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 3 Satz 1, 3 BaySvVollzG (d. h. mehr als die bereits bewilligten vier Ausführungen) und eine externe Einzeltherapie zu gewähren.
Mit Bescheid vom 17.11.2014 hat die Justizvollzugsanstalt Straubing weitere vollzugsöffnende Maßnahmen und die Gewährung einer externen Einzeltherapie abgelehnt. Zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen führt die Anstalt aus, dass der Antragsteller einer therapeutischen Behandlung bedürfe, die er derzeit ablehne. Zusätzliche Lockerungsmaßnahmen könnten den Sicherungsverwahrten in seiner ablehnenden Haltung bestärken. Die in Art. 54 Abs. 3 Satz 3 BaySvVollzG genannten Zwecke der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen machten vorliegend keine zusätzlichen Ausführungen erforderlich. Es sei wegen der Ablehnung der Therapie noch keine Abmilderung der Risikofaktoren eingetreten. Die Sicherungsverwahrung habe auch den Zweck der Schutz der Allgemeinheit. Aufgrund der Weigerungshaltung und der ungünstigen Prognose bestehe die Gefahr, dass der Untergebrachte die Ausführungen zur Flucht nutzt. Die genannten Umstände, insbesondere der fehlende Therapieerfolg, stellten auch zwingende Umstände nach Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG dar. Die externe psychotherapeutische Behandlung sei nicht nach Art. 10 Abs. 2; Art. 3 Abs. 2 BaySvVollzG zu gewähren, da dem Untergebrachten alle erforderlichen therapeutischen Maßnahmen angeboten worden seien. Auch der Sachverständige Dr. N. habe in seinem Gutachten vom 20.12.2013 festgestellt, dass die internen Angebote der Justizvollzugsanstalt ausreichend und keine konkreten Gesichtspunkte ersichtlich sind, die das Vertrauen in eine therapeutische Zusammenarbeit erschüttern würden. Diese Auffassung teile der zuständige Anstaltspsychologe. Zwar stelle der Sachverständige Dr. N. die externe Therapie als Möglichkeit in den Raum, die der Untergebrachte annehmen würde. Der bloße Hinweis des Untergebrachten, generell Misstrauen in die Bediensteten der Vollzugsbehörde zu haben, begründe aber keinen Anspruch auf ein externes Behandlungsangebot.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 30.11.2015 stellte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er ist bezüglich der Versagung der weiteren vollzugsöffnenden Maßnahmen der Auffassung, dass Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG keinen Ermessenspielraum eröffne. Eine Versagung nach Art. 54 Abs. 3 Satz 3 BaySvVollzG sei nur dann möglich, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Sicherungsverwahrten sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen werden. Hierzu habe die Anstalt nicht genügend dargelegt. Es sei nicht ersichtlich, warum nach der vierten Ausführung die Missbrauchsgefahr steigt. Auch sei das Argument, dass weitere Ausführungen die Therapiemotivation noch absenken, aus der Luft gegriffen. Das Bundesverfassungsgericht sei in seiner Entscheidung vom 02.05.2011 davon ausgegangen, dass sich Ausführungen grundsätzlich positiv auf die Therapiemotivation auswirken. Zur Versagung der externen Therapie lässt der Antragsteller ausführen, dass er minderbegabt und „dort abzuholen sei, wo er steht.“ Er sei aufgrund seiner Entwicklung nur begrenzt in der Lage, das für eine therapeutische Behandlung erforderliche Vertrauen aufzubauen. Wenn er derzeit kein Vertrauensverhältnis zu den Anstaltstherapeuten aufbauen könne, sei ihm eine externe Therapie zu gewähren, zu der er bereit sei.
Die Justizvollzugsanstalt bringt mit Schreiben vom 15.01.2015 vor, dass sie Missbrauchsbefürchtungen bei ihrer Entscheidung über weitere Ausführungen nicht berücksichtigt habe.
Mit Beschluss vom 02.06.2015 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Sie führt bezüglich der vollzugsöffnenden Maßnahmen aus, dass das Gericht eine voll umfängliche Prüfungskompetenz zum Vorliegen der Missbrauchs- und Fluchtgefahr habe. Hingegen sei die Frage, ob vollzugsöffnende Maßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlich sind, nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Die von der Anstalt getroffene Ermessensentscheidung, ob nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG mehr als vier Ausführungen zu gewähren sind, sei schon deshalb rechtmäßig, da Missbrauchsgefahr bestehe. Zur Frage der Gewährung einer externen Therapie legt die Strafvollstreckungskammer dar, dass keine unbedingte Indikation für eine externe Therapie bestehe, da der Sachverständige Dr. N. auch andere Therapien für möglich halte. Nicht ausreichend für die Gewährung einer externen Therapie sei fehlendes Vertrauen zu den internen Therapeuten. Die Anstalt habe bei ihrer Entscheidung die Frage der Erforderlichkeit der externen Therapie ermessensfehlerfrei gewürdigt.
Gegen diesen seinem Verteidiger am 20.07.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 18.08.2015 eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom 14.08.2015 Rechtsbeschwerde eingelegt. Es ist der Auffassung, die Rechtsbeschwerde sei zulässig zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Die im Beschluss des ersten Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11.08.2015 (1 Ws 224/15) zum Ausdruck gekommene Auslegung des Art. 54 BaySvVollzG sei nicht verfassungsgemäß. Das Oberlandesgericht Hamm habe im Beschluss vom 30.09.2014 (1 Ws 367/14) eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Nach Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG seien vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen. Nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG bestehe für die Gewährung von jährlich mehr als vier Ausführungen kein Ermessensspielraum. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ab der fünften Ausführung Fluchtgefahr bestehen soll. Zur externen Therapie trägt der Antragsteller vor, dass von der Anstalt individuelle Angebote zu entwickeln seien soweit standardisierte nicht ausreichen. Dabei gehe es auch darum, wie der Untergebrachte zur Teilnahme motiviert werden kann. Wenn seitens des Untergebrachten tiefes Misstrauen gegen die Anstalt bestehe, müsse ein externer Therapeut hinzugezogen werden. Vorliegend mache auch die lange erfolglose Dauer der Unterbringung die Durchführung einer externen Therapie erforderlich. Nicht zuletzt habe die Strafvollstreckungskammer den Streitwert mit 1.000 € zu niedrig bemessen, angesichts des Interesses des Antragstellers seien 5.000 € angemessen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Der Verteidiger des Antragstellers hat hierzu mit Schreiben vom 07.09.2015 Stellung genommen.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie wurde gemäß Art. 103 BaySvVollzG in Verbindung mit § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt. Auch sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 StVollzG gegeben, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung für Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen, wobei nicht die gerechte Entscheidung des Einzelfalles im Vordergrund steht, sondern die richtungsweisende Beurteilung bestimmter Rechtsfragen und deren höchstrichterliche Durchsetzung (Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 11. Aufl., § 116 Rn. 2).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Bezüglich der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen ist zu klären, welche Erwägungen in die nach Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BaySvVollzG zu treffende Ermessensentscheidung einfließen müssen. Auch wurde über die Frage, ob und ggf. unter welchen Umständen die Anstalt dem Untergebrachten gemäß Art. 10 Abs. 2 BaySvVollzG ein Angebot einer externen Therapie zu machen hat, - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschieden.
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 als unbegründet zurückgewiesen hat, wie dem Antragsteller weitere vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 3 Satz 1 BaySvVollzG versagt worden sind.
a. Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrem Beschluss vom 02.06.2015 bei der Prüfung, ob der Antragsteller Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen jährlich vier Ausführungen hat, zwar zutreffend ausgeführt, dass es sich insoweit um eine Ermessensentscheidung der Anstalt handelt. Eine vom Sicherungsverwahrten ausgehende Missbrauchsgefahr kann allerdings nicht für die Versagung weiterer Ausführungen herangezogen werden, wenn gleichwohl zuvor die Mindestanzahl von jährlich vier Ausführungen gewährt worden ist und keine neuen Umstände vorliegen, aus denen sich eine weitere Erhöhung der Missbrauchsgefahr ergibt.
aa. Rechtsgrundlage für die Frage, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, ist Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BaySvVollzG. Nicht Gegenstand der Prüfung ist, ob vollzugsöffnenden Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG gemäß Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG „zwingende Gründe entgegenstehen“. Aus Art. 54 Abs. 3 Satz 1 BaySvVollzG ergibt sich zweifelsfrei, dass die Ausführungen nach dieser Vorschrift zu gestatten sind, wenn vollzugsöffnende Maßnahmen nach Absatz 1 nicht gewährt werden. Aus welchem Grund diese nicht gewährt werden ist dabei unerheblich. Ausführungen sind somit grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn vollzugsöffnenden Maßnahmen „zwingende Gründe“ entgegenstehen. Ob Ausführungen wegen Missbrauchsgefahr zu versagen sind, ist im Rahmen des Art. 54 Abs. 3 Satz 3 SvVollzG zu prüfen.
bb. Der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat im Beschluss vom 11.08.2015 (1 Ws 224/15) überzeugend dargelegt, dass der Vollzugsbehörde bei der Entscheidung, ob der Sicherungsverwahrte gemäß Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BaySvVollzG Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, ein Ermessensspielraum zusteht. Der Senat teilt diese Auffassung. Dem steht auch nicht die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 30.09.2014 - III-1 Vollz (Ws) 367/14, 1 Vollz (Ws) 367/14 -, juris) entgegen, da diese Entscheidung für die nahezu wortgleiche Regelung des § 53 SVVollzG NRW nicht den in § 53 Abs. 3 Satz 2 SVVollzG NRW geregelten Fall der Gewährung von Ausführungen über das gesetzliche Mindestmaß hinaus zum Gegenstand hat.
cc. Wie der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg im genannten Beschluss dargelegt hat, dienen die Ausführungen nach Art. 54 Abs. 3 Satz 3 und 4 BaySvVollzG der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen und dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Die Ausführungen unterbleiben auch dann, wenn die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.
Im Rahmen der Ermessensentscheidung, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen jährlich vier Ausführungen hat, sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen. Bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass durch weitere Ausführungen derartige Fortschritte erreichbar sind, sind nach der gesetzlichen Wertung die vorgesehenen jährlich vier Ausführungen regelmäßig ausreichend.
Eine vom Sicherungsverwahrten ausgehende Missbrauchsgefahr im Sinn des Art. 54 Abs. 3 Satz 3 BaySvVollzG kann bei unveränderter Sachlage hingegen nicht zur Versagung weiterer Ausführungen führen, wenn gleichwohl zuvor die Mindestanzahl von jährlich vier Ausführungen gewährt worden ist. Schon bei dieser Entscheidung war nämlich gemäß Art. 54 Abs. 3, Satz 2 BaySvVollzG zu prüfen, ob die Ausführungen deswegen zu versagen sind. Werden diese aber gewährt, kann die Versagung zusätzlicher Ausführungen nur dann auf eine Missbrauchsgefahr gestützt werden, wenn neue Umstände (etwa das Verhalten des Sicherungsverwahrten bei den Ausführungen) vorliegen.
dd. Die Überprüfung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer und des Bescheids der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 ergibt zum einen, dass beide rechtsfehlerhaft davon ausgehen, dass weitere Ausführungen nur dann gewährt werden können, wenn keine zwingenden Gründe nach Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG vorliegen. Zum anderen wurde dem Antragsteller zunächst die Mindestanzahl von jährlich vier Ausführungen gewährt und die Versagung weiterer Ausführungen auch mit der konkreten Gefahr begründet, dass der Antragsteller versucht, sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung zu entziehen. Neue Umstände, aus denen sich das ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.
Dass die Justizvollzugsanstalt im Schreiben vom 15.01.2015 vorbringt, bei ihrer Entscheidung Missbrauchsbefürchtungen nicht berücksichtigt zu haben, ist angesichts des anders lautenden Bescheids der Justizvollzugsanstalt unerheblich.
Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer kann somit insoweit keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Gemäß § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG entscheidet der Senat selbst an Stelle der Strafvollstreckungskammer über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, da der Bescheid der Justizvollzugsanstalt an denselben Mängeln leidet und die Sache spruchreif ist. Auch der Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 17.11.2014 ist deshalb insoweit aufzuheben.
Die Justizvollzugsanstalt Straubing wird somit über diesen Teil des Antrags des Sicherungsverwahrten unter Beachtung der obigen Rechtsausführungen neu zu befinden haben.
b. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit der Antragsteller geltend macht, Anspruch auf Gewährung einer Behandlung durch einen anstaltsexternen Therapeuten zu haben.
aa. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt Art. 10 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 BaySvVollzG in Betracht. Danach sind Sicherungsverwahrten geeignete Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen anzubieten, die sie befähigen, künftig ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung zu führen. Soweit standardisierte Angebote nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Behandlungsangebote zu entwickeln. Soweit erforderlich, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.
bb. Die Frage, ob die von der Anstalt nach Art. 10 BaySvVollzG angebotenen Behandlungsmaßnahmen ausreichend oder ob dem Sicherungsverwahrten darüber hinaus weitere Angebote zu machen sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung.
cc. Mit Art. 10 BaySvVollzG soll nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) klargestellt werden, dass zur Behandlung zunächst auf bewährte Maßnahmen und Methoden zurückgegriffen werden kann und muss, wobei diese jeweils dem aktuellen Stand der Wissenschaft gemäß anzuwenden sind. Soweit diese Maßnahmen jedoch nicht zum Erfolg führen, ist im Sinn des vom Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 128, Rn. 113) formulierten Individualisierungsgebots ein auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Sicherungsverwahrter abgestimmtes Behandlungsangebot zu entwickeln, was durch Kombination von Elementen verschiedener Behandlungsprogramme, aber auch durch Konzeption neuer Ansätze geschehen kann.
Zu Art. 10 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BaySvVollzG wird in den Gesetzesmaterialien (a. a. O.) weiter ausgeführt, dass dort die Zusammenarbeit von Bediensteten verschiedener Berufsgruppen in multidisziplinären Behandlungsteams geregelt wird. Diese werden im Regelfall psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten, Sozialpädagogen und Angehörige des Krankenpflegedienstes und des allgemeinen Vollzugsdienstes umfassen. Hinzu kommen entsprechend dem jeweiligen Behandlungskonzept Pädagogen, Angehörige weiterer Pflegeberufe und Arbeitstherapeuten. Auf Stationen mit intensiver medizinischer Betreuung wird regelmäßig auch ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie zum Behandlungsteam gehören. Es wird von den jeweiligen Gegebenheiten (Belegungszahlen und Zusammensetzung der Sicherungsverwahrten) abhängen, ob einzelne Berufsgruppen mit fest angestellten Beschäftigten oder durch anderweitig verpflichtete externe Kräfte vertreten sind.
Der Gesetzgeber ist somit davon ausgegangen, dass die Therapie grundsätzlich von der Vollzugseinrichtung mit eigenem Personal selbst durchgeführt wird und das Behandlungsteam im Einzelfall durch außenstehende Fachkräfte unterstützt wird. Eine vollständige Übertragung der Therapie an einen außenstehenden Therapeuten war hingegen nicht beabsichtigt. Diese Auslegung ergibt sich im Übrigen auch aus dem Wortlaut der Vorschrift: Bedienstete verschiedener Fachrichtungen wirken in enger Abstimmung zusammen. Externe Fachkräfte werden soweit erforderlich einbezogen.
Bei einem inhaltlich ausreichenden Therapieangebot der Anstalt besteht deshalb grundsätzlich kein Anspruch auf alleinige Beauftragung eines externen Therapeuten.
dd. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 (a. a. O.). Zwar kommt danach der Behandlung des Sicherungsverwahrten mit dem Ziel der Reduzierung der Gefährlichkeit nach dem ultima-ratio-Prinzip der Sicherungsverwahrung entscheidende Bedeutung zu. Im therapeutischen Bereich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden. Dabei muss - insbesondere mit zunehmender Vollzugsdauer - sichergestellt sein, dass mögliche Therapien nicht nur deshalb unterbleiben, weil sie im Hinblick auf Aufwand und Kosten über das standardisierte Angebot der Anstalten hinausgehen (Individualisierungs- und Intensivierungsgebot).
Vorliegend steht aber nicht die Therapiemethode im Streit. Der Sachverständige Dr. N. hat hierzu in seinem Gutachten ausgeführt, dass dem Antragsteller sämtliche für ihn geeigneten Einzel- und Gruppenbehandlungen angeboten wurden und weitere erfolgversprechende Maßnahmen derzeit nicht denkbar sind. Dies stellt auch der Antragsteller nicht in Frage. Vielmehr scheiterte die Aufnahme einer Therapie während der gesamten Unterbringung an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft des Sicherungsverwahrten, die er mit einem generellen tiefen Misstrauen in die Behandler der Anstalt begründet. Dies stellt - auch in der Zusammenschau mit der langen Vollzugsdauer der Unterbringung - keinen ausreichenden Grund dar, um vom Grundsatz der anstaltsinternen Therapie abzuweichen und diese anstaltsextern durchzuführen (vgl. EGMR, Urteil vom 22.03.2012, Rn. 96 - 36035/04 -, juris). Es sind keine nachvollziehbaren Gründe erkennbar, worauf das pauschale und generelle Misstrauen des Antragstellers gründet. Der Sicherungsverwahrte hat keinen Anspruch darauf, sich seine Therapeuten nach willkürlich erscheinenden Kriterien selbst auszusuchen. Auch die gesetzliche Verpflichtung der Anstalt (Art. 4 BaySvVollzG), die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an Therapiemaßnahmen zu wecken und zu fördern, ändert daran nichts.
3. Die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StVollzG, § 467 Abs. 1 StPO.
4. Der Senat setzt unter Berücksichtigung des Interesses des Sache für den Antragsteller und dessen finanziellen Situation den Beschwerdewert auf 1.000 € (jeweils 500 € für beide Streitgegenstände) fest.