Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 12. Sept. 2016 - 7 Verg 5/16

bei uns veröffentlicht am12.09.2016

Tenor

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner sofortigen Beschwerde vom 15. August 2016 gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. Juli 2016, Az.: 1 VK 08/16, bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen zur Beförderung von Schülern an Förderschulen im S. Kreis . Der Antragsgegner schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 3. Februar 2016 auf der Grundlage der Vergabe und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) im Wege des offenen Verfahrens Beförderungsleistungen von Schülerinnen und Schülern des S. Kreises zu ihren jeweiligen Förderschulen in L. und G. in den Losen 1 – 7 aus.

2

Der Antragsteller reichte am 22. März 2016 Angebote zu Beförderungsleistungen der Lose 4, 5, 6 und 7 mit Angebotssummen in Höhe von 291.299,55 € (Los 4), mit 379.124,70 € (Los 5), mit 306.036,65 € (Los 6) und mit 307.544,50 € (Lo7s) ein.

3

Im Ergebnis der formellen Wertung schloss der Antragsgegner den Antragsteller und einen weiteren Bieter wegen Veränderungen an den Vergabeunterlagen vom weiteren Verfahren gemäß § 16 Abs. 4 in Verb. mit § 19 Abs. 3 lit. d) VOL/A EG aus, worüber der Antragsgegner den Antragsteller am 18. April 2016 per Fax informierte. Zur Begründung führte er aus, der Antragsteller habe die Touren nicht vollständig angegeben, Angaben über gefahrene Kilometer fehlten, insbesondere vom Stützpunkt zum ersten Abholpunkt und zurück.

4

Am 25. April 2016 rügte der Antragsteller Verstöße gegen die Vergabevorschriften und leitete am 26. April 2016 das Nachprüfungsverfahren bezüglich der Lose 4, 5, 6 und 7 ein. Zur Begründung führte er aus, es liege kein Ausschlussgrund vor, weil er an den vorgegebenen Vergabeunterlagen keine Änderungen vorgenommen habe, sondern die vom Antragsgegner übersandten geänderten Formulare der Tourenlisten der Anlagen 2.1 und 2.2 verwendet habe. Lediglich an den dafür vorgesehenen Stellen habe er die Abfahrtszeiten, die jeweiligen mit Schülern gefahrenen Kilometern und die vorgegebenen Abholpunkte und die Anzahl der Schüler eingetragen. Streichungen oder Ergänzungen fänden sich nicht. Der Ausschluss sei auch wegen des angeblichen Fehlens von Tourenangaben rechtswidrig. Die Leistungsbeschreibung sei insoweit eindeutig und gehe von der Kilometerangabe ab dem Abholpunkt ohne die Berücksichtigung von Leerstrecken aus. Außerdem sei die Ausschreibung unvollständig, weil nicht sämtliche Eignungsnachweise aufgezählt seien. Darüber hinaus werde nicht hinreichend zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien unterschieden; die Bewertungsmatrix sei intransparent. Im Übrigen sei das Verbot des Nachunternehmereinsatzes vergaberechtswidrig.

5

Der Antragsteller hat beantragt,

6

1. den Antragsgegner zu verpflichten, die jeweiligen Vergabeverfahren aufzuheben, gegebenenfalls bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Berücksichtigung der Auffassung der Vergabekammer zu wiederholen und

7

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung des Unterfertigenden zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung des Antragstellers notwendig war.

8

Der Antragsgegner hat beantragt,

9

1. die Nachprüfungsanträge des Antragstellers zurückzuweisen und

10

2. die Kosten der Verfahren dem Antragsteller aufzuerlegen.

11

Der Antragsgegner hat die Ansicht vertreten, die Nachprüfungsanträge seien bereits mangels Vergaberechtsverstößen unzulässig. Der Antragsteller habe im Vergabeverfahren keine Hinweise auf Unklarheiten, Unvollständigkeiten oder Fehler gegeben, so dass er nun präkludiert sei. Er sei ein fachkundiger Bieter und langjähriger Vertragspartner, dem eventuelle Fehler hätten auffallen müssen. Darüber hinaus fehle ihm die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da er durch die behaupteten Vergabeverstöße nicht in seinen Rechten verletzt sei. Seine Angebote hätten keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags, weil sie unabhängig von den geltend gemachten Verstößen nicht zum Zuge kommen könnten. Sie seien wegen der Änderungen an den Vertragsunterlagen zwingend von der Wertung auszuschließen gewesen. In den Eintragungen des Antragstellers sei eine Änderung der Vergabeunterlagen zu sehen. Die Preise sollten entsprechend den Anlagen 2.1, 2.2 und 4 kalkuliert werden. Nach den Tourenlisten dieser Anlagen habe man gefordert, die gesamten Kilometer der Hin- und Rückfahrt sowie die Einzelpreise pro gefahrenen Kilometer ab Stützpunkt anzugeben. Dies ergebe sich auch nach Ziffer 7. Eventuell bestehende widersprüchliche Angaben habe er mit den Nachsendungen 1 und 2 an alle Bieter ausgeräumt. Der Antragsteller habe jedoch am 4. April 2016 mitgeteilt, dass die Kalkulation der Preise auf der Grundlage der Besetzt-Kilometer erfolgt sei. Daneben habe er einen neuen Preis unter Berücksichtigung der Leerkilometer angegeben. Darin liege ein Ändern bzw. Verhandeln von Angeboten oder Preisen, welches gemäß § 18 EGVOL/A unzulässig sei.

12

Der Antragsgegner teilte mit Email vom 7. Juni 2016 mit, er werde aufgrund des Nachprüfungsverfahrens die streitgegenständlichen Leistungen im Wege der Interimsvergabe vergeben, deren Zeitraum er mit weiterer Email vom 15. Juni 2016 auf das erste Schulhalbjahr 2016/2017 korrigierte.

13

Mit Beschluss vom 26. Juli 2016 hat die Vergabekammer die Nachprüfungsanträge des Antragstellers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Nachprüfungsanträge seien entweder unzulässig oder unbegründet. Die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer ergebe sich aus § 100 GWB; der maßgebliche Schwellenwert von 209.000 € gemäß §§ 100 Abs. 1, 127 GWB in Verb. § 2 VGV in Verb. mit den einschlägigen EU-Verordnungen 2015/2117, 2015/2171 und 2015/2172 vom 24.11.2015 sei überschritten. Hinsichtlich des Vorwurfs, der Antragsgegner habe keine Plausibilitätskontrolle der Kalkulationen der Beigeladenen zu 1. durchgeführt, fehle es bereits an der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB, weil § 19 Abs. 6 Satz 2 VOL/A EG grundsätzlich nicht bieterschützend sei. Dieses gelte auch hinsichtlich des Ausschlusses von Nachunternehmerleistungen. Der Antragsteller habe nicht vorgetragen, durch diese Festlegung bei der beabsichtigten konkreten Ausgestaltung des eigenen Angebotes beeinträchtigt worden zu sein. Antragsbefugnis sei nicht gegeben, soweit sich der Antragsteller gegen die unvollständige Aufzählung sämtlicher Eignungsnachweise in der Bekanntmachung wende. Zwar liege eine Pflichtverletzung des Antragsgegners vor, diese sei jedoch nicht geeignet, die Wettbewerbsposition des Antragstellers zu schwächen, weil sich der vorgebrachte Mangel im Vergabeverfahren nicht ausgewirkt habe. Im Übrigen wäre der Antragsteller insoweit auch präkludiert, weil er diese gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bis zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes hätte rügen müssen.

14

Gleiches gelte hinsichtlich der Rüge zur Intransparenz der Wertungsmatrix einschließlich fehlender Berechnungsformel. Im Übrigen sei der Vortrag auch unbegründet, weil die Bewertungsmatrix nachvollziehbar sei. Die Rüge des Antragstellers hinsichtlich des Ausschlusses seiner Angebote wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen sei jedenfalls unbegründet. Das Anforderungsprofil des Antragsgegners sei nicht unklar. Vielmehr ergebe sich aus der Bieterinformation vom 23. Februar 2016 ausdrücklich, dass in der ersten Zeile der tatsächliche Beginn und in der letzten Zeile das tatsächliche Ende der Tour für den Auftragnehmer eingetragen werden sollte. Dies sei erforderlich, um die gesamten gefahrenen Kilometer ermitteln zu können, die gemäß Pkt. 7 der Leistungsbeschreibung als Preis pro gefahrenen Kilometer Vertragsgrundlage werden sollten. Damit habe der Antragsgegner durch Angabe der tatsächlichen Start- und Zielposition eine klare Festlegung gegeben. Außerdem habe der Antragsgegner am 8. März 2013 nochmals darauf verwiesen, die Kilometerangabe nachvollziehbar zu gestalten.

15

Mit der hiergegen gerichteten form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederholung des Vergabeverfahrens. Zur Begründung führt er aus, er habe im Hinblick auf die fehlende Plausibilitätskontrolle keine Rüge erhoben, weil ihm die bieterschützende Funktion nicht bewusst gewesen sei. Bezüglich der Frage des Ausschlusses der Nachunternehmerleistungen sei er antragsbefugt, weil dieses Verbot bewirke, dass er einen unvorhergesehenen Fahrzeugausfall einkalkulieren müsse, welcher teurer sei. Diese Kalkulation bewirke geringere Zuschlagschancen. Er sei bezüglich der gerügten Vergabeverstöße hinsichtlich der Bewertungsmatrix auch nicht präkludiert, weil er hiervon keine Kenntnis gehabt habe. Er sei kein erfahrener Bieter; lediglich in den Jahren 1995/1996 habe er sich an einem Vergabeverfahren beteiligt. Ihm sei die Fehlerhaftigkeit erst mit dem Schreiben vom 18. April 2016 deutlich geworden. Die Rüge wegen des Ausschlusses aufgrund von Änderungen in den Verdingungsunterlagen sei auch begründet, weil aus den vorgegebenen Tourenlisten-Formularen nicht erkennbar sei, dass der tatsächliche Beginn und das tatsächliche Ende der Tour einzutragen sei. Es sei gerade nicht ersichtlich, dass Leerkilometer anzugeben seien. Dem stehe auch die Beschreibung des Leistungsumfanges entgegen, wonach die Schülerinnen und Schüler von Abholpunkten abzuholen und zu diesen zurückzubringen seien. Daraus ergebe sich, dass lediglich diese Strecke kalkuliert werden solle. Dies sei auch der Antwort auf die Bieteranfrage vom 8. März 2016 zu entnehmen. Unterstützt werde diese Auslegung von § 4 Abs. 2 des Beförderungsvertrages, der ebenfalls keinen Hinweis auf Leerkilometer enthalte. Ein neutraler Bieter könne den Unterlagen nicht entnehmen, dass – was unüblich sei – die Leerkilometer vom Startpunkt bis zum ersten Abholpunkt einzukalkulieren seien. Außerdem könne er in seiner Kalkulation diese Strecke aussparen; er habe den Ausfall bewusst durch andere Aufträge kompensieren wollen. Dies sei eine zulässige offene Risikokalkulation. Im Hinblick auf die Kalkulation für eine Begleitperson sei nicht ersichtlich gewesen, dass das als Anlage 4 auszufüllende Formblatt als Zusammenfassung aller Touren für ein Los zu verstehen gewesen sei. Vielmehr sei er davon ausgegangen, dass diese Position für jede Tour anzugeben sei, was zu einem höheren Preis geführt habe.

16

Der Antragsteller beantragt,

17

die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über diese zu verlängern.

18

Der Antragsgegner beantragt,

19

den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.

20

Der Antragsgegner hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass vor dem 23. September 2016 kein Zuschlag erfolgen werde. Er hält den Antrag aufgrund dieser Stillhaltererklärung für unzulässig, weil das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers nicht die Interessen der Allgemeinheit überwiege. Im Falle des Überwiegens der nachteiligen Folgen einer Vergabeverzögerung gegenüber den Vorteilen einer Verlängerung der aufschiebenden Wirkung sei der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen. Die sofortige Beschwerde sei außerdem aber auch nicht begründet. Der Nachprüfungsantrag sei aufgrund der Präklusion nicht zulässig, jedenfalls aber nicht begründet. Die wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit seien schon durch die Interimsvergabe beeinträchtigt worden. Da es sich um Leistungen der Daseinsvorsorge handele, sei ein rascher Abschluss des Vergabeverfahrens erforderlich.

II.

1.

21

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde ist zulässig, er hat in der Sache keinen Erfolg (§ 118 Abs. 2 S. 3 GWB).

22

Gegen den dem Antragsteller am 28. Juli 2016 zugestellten Beschluss der Vergabekammer vom 26. Juli 2016 hat er mit am 15. August 2016 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schreiben sofortige Beschwerde eingelegt und diese begründet (§§ 116, 117 Abs. 1 bis 3 GWB). Der Antragsteller ist auch Beteiligter des vorausgegangenen Verfahrens vor der Vergabekammer gewesen (§ 116 Abs. 1 S. 2 GWB). Auf das vorliegende Vergabenachprüfungsverfahren findet nach der Übergangsvorschrift des § 186 Abs. 2 VergRModG vom 17. Februar 2016 (BGBl. I, S. 203 ff) noch altes Vergaberecht und nicht die am 18. April 2016 in Kraft getretene Neuregelung Anwendung.

23

Der Zulässigkeit steht nicht die Stillhalteerklärung des Antragsgegners entgegen. Zwar hat er erklärt, bis 23. September 2016 keinen Zuschlag erteilen zu wollen. Diese Erklärung ist ersichtlich nicht ausreichend, weil die mündliche Verhandlung zwar auf diesen Tag anberaumt ist; ob jedoch sofort mit einer Entscheidung zu rechnen ist, ist nicht sicher.

2.

24

Ein Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist abzulehnen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen der Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen (§ 118 Abs. 2 S. 2 GWB). Darüber hinaus sind die Erfolgsaussichten der Beschwerde in die Abwägung einzubeziehen (§ 118 Abs. 2 S. 3 GWB). Die im Eilverfahren gebotene summarische Bewertung des Sachstands und die zumindest erforderliche Plausibilitätsprüfung der Rechtsfragen (Bassius in Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht, 2014, § 118, Rn. 25) führen hier zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde verneint werden müssen, auch wenn für die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung i.S.d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB nicht Voraussetzung ist, dass das Obsiegen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren wesentlich wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen. Die Erfolgsaussichten der Beschwerde sind aber gem. § 118 Abs. 2 S. 3 GWB jedenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichtigen (ebenda Rn. 18), besondere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussicht lassen sich § 118 Abs. 2 S. 2 und 3 GWB - auch nach der Umsetzung der Richtlinie 2007/66/EG - nicht entnehmen.

25

Danach erweist sich das Verlängerungsbegehren als unbegründet, denn die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird voraussichtlich keinen Erfolg haben können, weil die Vergabekammer seinen Nachprüfungsantrag zu Recht zurückgewiesen hat. Das Angebot des Antragstellers ist zwingend auszuschließen, so dass ihm letztlich kein Schaden droht.

a)

26

§ 107 Abs. 2 S. 2 GWB fordert für die Antragsbefugnis nicht nur die Verletzung eines subjektiven Rechts des Antragstellers nach § 97 Abs. 7 GWB, sondern auch die Möglichkeit eines hieraus resultierenden Schadens. Dabei ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses gemäß § 19 Abs. 3 lit. d) VOL/A EG zu bewerten. Auf eventuelle weitere Rechtsverletzungen kommt es nicht an. Können sich nämlich die behaupteten weiteren Rechtsverletzungen – hier die Unvollständigkeit der Ausschreibung im Hinblick auf die Eignungskriterien, die intransparente Bewertungsmatrix und das Verbot des Nachunternehmereinsatzes – nicht zum Nachteil des Antragstellers auswirken, weil er den Zuschlag ohnehin wegen des Ausschlusses gemäß § 19 Abs. 3 lit. d) VOL/A EG nicht hätte erhalten dürfen, kann sein Nachprüfungsantrag nicht zum Erfolg führen. Denn ein Schaden droht einem Antragsteller durch die weiteren behaupteten Rechtsverletzungen nicht, wenn er bei objektiver Betrachtung keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlages hat, weil sein Angebot ohnehin hätte ausgeschlossen werden müssen (OLG Naumburg, Beschluss v. 01.11.2000, 1 Verg 7/00; Beschluss vom 18.07.2005, 1 Verg 5/05; alle zitiert nach Juris; OLG Jena, VergabeR 2002, 256; OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 221; OLG Koblenz, NZBau 2000, 445; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 21. November 2001, Verg 17/01, zitiert nach juris; Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Aufl., § 107 GWB Rn. 25 m. N.).

27

Dabei kann in diesem Stadium des Verfahrens zunächst offen bleiben, ob es sich insoweit um eine Frage der Zulässigkeit oder der Begründetheit des Nachprüfungsantrages handelt (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 18.05.2004, VergabeR 2004, 473, 476 - "Mischkalkulationen"; dem folgend: OLG Jena, Beschl. v. 20.06.2005, 9 Verg 3/05, ZfBR 2005, 706 f.).

b)

28

Mit der Rüge des Ausschlusses seines Angebots kann der Antragsteller voraussichtlich nicht durchdringen. Das Angebot des Antragstellers war bereits wegen unzulässiger Änderung an den Vertragsunterlagen gemäß § 19 Abs. 3 lit. d) i.V.m. § 16 Abs. 4 VOL/A EG von der Wertung auszuschließen, die Vergabestelle hatte insoweit kein Ermessen. Unstreitig hat der Antragsteller die Formularerklärung bezüglich der Touren in den Anlagen 2.1 und 2.2 verändert und die Kilometer vom Stützpunkt zum ersten Abholpunkt und vom letzten Abholpunkt zum Stützpunkt nicht angegeben, sondern mit "0" bezeichnet.

29

aa) Gemäß § 19 Abs. 3 lit. d VOL/A EG i. V. m. § 16 Abs. 4 Satz 1 VOL/A EG sind Angebote, bei denen Änderungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden, zwingend von der Angebotswertung auszuschließen. Das Verbot der Änderung der Vorgaben der Vergabeunterlagen trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer Wettbewerb vergleichbare Angebote verlangt. Durch diese Bestimmung sollen die Transparenz des Vergabeverfahrens und die Gleichbehandlung aller Bieter sichergestellt werden: jeder Bieter darf nur anbieten, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat und sich nicht durch eine Abweichung von den Vergabeunterlagen einen – wie der Antragsteller hier – (kalkulatorischen) Vorteil verschaffen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Juni 2010, VII-Verg 5/10, zitiert nach Juris; Müller-Wrede, VOL/A, 4. Aufl., § 19 EG, Rn. 128). Der durch eine Ausschreibung eröffnete Wettbewerb kann nur dann gewährleistet werden, wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen unterbunden werden, weil anderenfalls die Vergleichbarkeit der Angebote leidet. Angebote, die gegen § 16 Abs. 4 Satz 1 VOL/A EG verstoßen, müssen deshalb von der Wertung ausgeschlossen werden (vgl. zur insoweit identischen Vorgängerregelung des § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A bereits BGH, Urteil vom 8. September 1998, NJW 1998, 3644). Nur wenn Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden, wird der transparente und diskriminierungsfreie Wettbewerb der Bieter gewährleistet (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.10.2003, Az.: Verg 49/02, zitiert nach ibr-online). Die Bieter müssen daher grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung auch so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat. Weicht der Bieter im Rahmen seines Angebotes von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, so führt dies zum zwingenden Ausschluss nach §19 EG Abs. 3 lit. d VOL/A. Diesem Regelungs- und Schutzzweck entspricht dabei ein weites Verständnis des Begriffs der "Änderung". Eine solche liegt immer vor, wenn das Angebot von den Vergabeunterlagen abweicht, also immer dann, wenn Angebot und Nachfrage sich nicht decken (BGH VergabeR 2007, 73).

30

Zur Entscheidung der Frage, ob ein Bieter im Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen ist, sind die Vergabeunterlagen ggf. aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, auszulegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Juni 2004, VII-Verg 20/04, zitiert nach Juris; Müller-Wrede in Müller-Wrede, Kom. zur VOL/A, 4. Aufl., § 19 EG VOL/A, Rn. 128; Dittmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kom. zur VOL/A, 3. Aufl., § 16 EG VOL/A, Rn. 80). Die Vergleichbarkeit der Angebote wäre empfindlich beeinträchtigt, wenn den Bietern die Möglichkeit eingeräumt würde, die Unterlagen nach ihrem rechtlichen Dafürhalten zu korrigieren. Hat ein Bieter Zweifel an der rechtlichen oder auch fachlichen oder rechnerischen Richtigkeit der Vergabeunterlagen, obliegt es ihm vielmehr, diese vor Ablauf der Angebotsfrist dem Auftraggeber – z. B. im Wege einer Bieteranfrage – anzuzeigen (vgl. Müller-Wrede, a. a. O., § 19 EG, Rn. 131).

31

bb) Ob das Angebot eines Bieters von den Vertragsunterlagen abweicht und diese damit ändert, ist anhand der Leistungsbeschreibung einschließlich sämtlicher Anlagen, wie Erläuterungen, etwaigen Datenblättern etc., durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Für die Auslegung der Vertragsunterlagen ist ein objektiver Maßstab anzulegen und auf den Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters, der mit der Leistung vertraut ist, abzustellen (BGH NJW 2002, 1954; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2016 – 15 Verg 1/16 –, juris, Rn 44). Maßgeblich ist hierfür nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern es kommt darauf an, wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung verstehen muss (BGH, NZBau 2002, 500; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2016 – 15 Verg 1/16 –, juris, Rn 44; Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, a.a.O., § 8 EG VOL/A Rn. 54).

32

Dies setzt voraus, dass Gegenstand und Inhalt der Leistung entsprechend § 8 Abs. 1 EG VOL/A eindeutig beschrieben sind (OLG Karlsruhe, a.a.O.; Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, a.a.O., § 8 EG VOL/A Rn. 56; Lausen in Müller-Wrede, a.a.O., § 16 EG VOL/A Rn. 107). Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen führen somit nicht zum Angebotsausschluss (BGH Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, zitiert nach juris; KG Berlin, Beschluss vom 21. November 2013, Verg 22/13, zitiert nach Juris).

33

Eine Leistungsbeschreibung ist dann eindeutig und vollständig, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistung mit allen dafür maßgebenden Bedingungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs zweifelsfrei erkennen lässt, keine Widersprüche in sich, zu den Plänen oder zu anderen vertraglichen Regelungen enthält und alle für die Leistung spezifischen Bedingungen und Anforderungen benennt (Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, a.a.O., § 8 EG VOL/A Rn. 19). Hierzu zählt auch, dass die Leistungsbeschreibung den Bietern ermöglichen muss, ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten zu kalkulieren. Dabei müssen die Bieter die für die Auftragsdurchführung wesentlichen Begleitumstände kennen oder zumindest zuverlässig abschätzen können (Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, a.a.O., § 8 EG VOL/A Rn. 29).

34

cc) Die Vorgaben des Antragsgegners zur Berechnung der Kilometerangaben waren eindeutig.

35

Ein verständiger Bieter könnte eindeutig und zweifelsfrei erkennen, dass die Kilometer ab dem tatsächlichen Fahrtbeginn zu kalkulieren waren. Die Tourenlisten lassen insoweit keinen Spielraum zu, sondern sind unmissverständlich. Bis zum ersten Abholpunkt sind die seit Beginn der Fahrt gefahrenen Leer-Kilometer anzugeben.

36

Die Vergabeunterlagen des Antragsgegners (Tourenlisten 2.1 - Hinfahrt und 2.2 - Rückfahrt) in der fortgeschriebenen Fassung vom 23. Februar 2016 regelten, dass am Kilometerpunkt "0" der Fahrtbeginn des Auftragnehmers ist; das Fahrtende nach dem letzten Abholpunkt liegt und hierfür weitere Kilometer anzugeben sind. Dem entspricht auch die "Nachsendung 1" vom 23. Februar 2016. Dort heißt es:

37

Gemäß Punkt VII. der Leistungsbeschreibung ist der Preis pro gefahrenen Kilometer Vertragsgrundlage. Die Kalkulationsdatei wurde dahingehend überarbeitet, dass in der ersten Zeile der tatsächliche Beginn und in der letzten Zeile das tatsächliche Ende der Tour für den Auftragnehmer einzutragen ist, um die gesamte Strecke kalkulieren zu können."

38

Aus diesen Angaben ergab sich für einen durchschnittlichen, mit der Art der Ausschreibung vertrauten Bieterkreis, dass in den Tourenlisten der Fahrtbeginn und nicht der erste bzw. letzte Abholpunkt als Beginn/Ende der Kilometerberechnung anzugeben war, sondern der für den jeweiligen Auftragnehmer tatsächliche Fahrtbeginn bzw. Fahrtende. Auch der Begriff "Tour" ist entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht missverständlich. Vielmehr ergibt sich der Umfang der Touren aus den Anlagen zur Leistungsbeschreibung, in denen jeweils die Abholpunkte und die Anzahl der zu befördernden Schüler für jedes Los beschrieben ist. Die Ausschreibungsunterlagen sind insoweit weder missverständlich noch auslegungsbedürftig. Es kommt nicht darauf an, ob diese Art und Weise der Ausschreibung üblich ist.

39

Den Bietern wurden am 23. Februar 2016 die überarbeiteten Tourenlisten zur Verfügung gestellt. Dem folgte sodann noch die Nachsendung 2 vom 8. März 2016, wonach in der ersten Zeile in der Spalte "Abfahrtszeit" die Startzeit des Fahrers anzugeben sei und die (hierzu korrespondierende) Kilometerangabe nachvollziehbar sein muss.

40

Unerheblich ist, ob die Vorgaben des Antragsgegners zur Berechnung der Fahrtkilometer wirtschaftlich plausibel waren oder auch – worauf der Antragsteller seine Argumentation stützt – eine andere Kalkulation (ohne Leerkilometer) möglich war. Selbst eine falsche Leistungsbeschreibung kann eindeutig sein, weil auch eine solche sicherstellt, dass alle Bieter sie in gleicher Weise verstehen (BGH, Beschluss vom 1. August 2008, zitiert nach juris; Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, a.a.O., § 8 EG VOL/A Rn. 21). Auf weitere Möglichkeiten der Ausgestaltung der Kalkulation wegen möglicher Abweichung von der Üblichkeit kann sich der Antragsteller daher nicht stützen. Entscheidend ist vielmehr, dass für einen Bieter hinreichend klar war, dass er nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen die Kilometer ab Fahrtbeginn zu kalkulieren hat.

41

Dies war auch für den Antragsteller ohne weiteres erkennbar. Denn er hat mit seiner Beschwerdebegründung vorgetragen, er habe bewusst die Anfahrt zum ersten Abholpunkt mit der Kilometerangabe "0" versehen, weil er die Unterkalkulation durch andere Aufträge habe kompensieren wollen. Daraus entnimmt der Senat, dass der Antragsteller die Vergabeunterlagen eindeutig verstanden hat und die ersten Leer-Kilometer bewusst nicht einkalkulieren wollte. Ein derartiges Angebot hat der Antragsgegner jedoch nicht ausgeschrieben.

42

Nach Bewertung des Senates ergaben sich damit auch für den Antragsteller als verständigen Bieter, auf den bei der Auslegung der Vergabeunterlagen abzustellen ist, keine Unklarheiten.

43

Der Ausschluss des Angebots des Antragstellers musste gemäß § 19 Abs. 3 lit. d) VOL/A EG zwingend erfolgen.

3.

44

Der rechtmäßige oder gar zwingende Ausschluss nimmt einem Bieter ohne Rücksicht auf die Wertungsfähigkeit anderer Angebote den Anspruch auf Gleichbehandlung nach § 97 Abs. 2 GWB und wird nach summarischer Prüfung zur Zurückweisung der Beschwerde führen.

4.

45

Die einheitliche Kostenentscheidung ist erst mit der die Beschwerdeinstanz abschließenden Entscheidung zu treffen.


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Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2012 - X ZR 130/10

bei uns veröffentlicht am 03.04.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 130/10 Verkündet am: 3. April 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Sektorenauftraggeber sind

1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,
2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn
a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder
b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.

(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3

1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt,
2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder
3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

Für die Vergabe von Bauaufträgen sind Abschnitt 1 und Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 anzuwenden. Im Übrigen ist Teil A Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2) anzuwenden.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.

(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn diese Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben:

1.
Rechtsdienstleistungen, die eine der folgenden Tätigkeiten betreffen:
a)
Vertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt in
aa)
Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor nationalen oder internationalen Gerichten, Behörden oder Einrichtungen,
bb)
nationalen oder internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren,
b)
Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, sofern diese zur Vorbereitung eines Verfahrens im Sinne von Buchstabe a dient oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Rechtsberatung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird,
c)
Beglaubigungen und Beurkundungen, sofern sie von Notaren vorzunehmen sind,
d)
Tätigkeiten von gerichtlich bestellten Betreuern, Vormündern, Pflegern, Verfahrensbeiständen, Sachverständigen oder Verwaltern oder sonstige Rechtsdienstleistungen, deren Erbringer durch ein Gericht dafür bestellt oder durch Gesetz dazu bestimmt werden, um bestimmte Aufgaben unter der Aufsicht dieser Gerichte wahrzunehmen, oder
e)
Tätigkeiten, die zumindest teilweise mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind,
2.
Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, es sei denn, es handelt sich um Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 73000000-2 bis 73120000-9, 73300000-5, 73420000-2 und 73430000-5 fallen und bei denen
a)
die Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit werden und
b)
die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird,
3.
den Erwerb, die Entwicklung, die Produktion oder die Koproduktion von Sendematerial für audiovisuelle Mediendienste oder Hörfunkmediendienste, wenn diese Aufträge von Anbietern von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden, die Ausstrahlungszeit oder die Bereitstellung von Sendungen, wenn diese Aufträge an Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden,
4.
finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus durchgeführte Transaktionen,
5.
Kredite und Darlehen, auch im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten oder
6.
Dienstleistungen, die an einen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nummer 1 bis 3 vergeben werden, der ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht hat, die Leistungen zu erbringen.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Wettbewerbe anzuwenden, die hauptsächlich den Zweck haben, dem öffentlichen Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Bei öffentlichen Aufträgen und Wettbewerben, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte umfassen, ohne verteidigungs- oder sicherheitsspezifische Aufträge zu sein, ist dieser Teil nicht anzuwenden,

1.
soweit der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewährleistet werden kann, zum Beispiel durch Anforderungen, die auf den Schutz der Vertraulichkeit der Informationen abzielen, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens zur Verfügung stellt,
2.
soweit die Voraussetzungen des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfüllt sind,
3.
wenn die Vergabe und die Ausführung des Auftrags für geheim erklärt werden oder nach den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern; Voraussetzung hierfür ist eine Feststellung darüber, dass die betreffenden wesentlichen Interessen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewährleistet werden können, zum Beispiel durch Anforderungen, die auf den Schutz der Vertraulichkeit der Informationen abzielen,
4.
wenn der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, die Vergabe oder Durchführung nach anderen Vergabeverfahren vorzunehmen, die festgelegt sind durch
a)
eine im Einklang mit den EU-Verträgen geschlossene internationale Übereinkunft oder Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem oder mehreren Staaten, die nicht Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, oder ihren Untereinheiten über Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen für ein von den Unterzeichnern gemeinsam zu verwirklichendes oder zu nutzendes Projekt,
b)
eine internationale Übereinkunft oder Vereinbarung im Zusammenhang mit der Stationierung von Truppen, die Unternehmen betrifft, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder einem Staat haben, der nicht Vertragspartei des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums ist, oder
c)
eine internationale Organisation oder
5.
wenn der öffentliche Auftraggeber gemäß den Vergaberegeln einer internationalen Organisation oder internationalen Finanzierungseinrichtung einen öffentlichen Auftrag vergibt oder einen Wettbewerb ausrichtet und dieser öffentliche Auftrag oder Wettbewerb vollständig durch diese Organisation oder Einrichtung finanziert wird. Im Falle einer überwiegenden Kofinanzierung durch eine internationale Organisation oder eine internationale Finanzierungseinrichtung einigen sich die Parteien auf die anwendbaren Vergabeverfahren.

Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand haben, erfüllen die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1, wenn

1.
dadurch der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird und
2.
die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn diese Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben:

1.
Rechtsdienstleistungen, die eine der folgenden Tätigkeiten betreffen:
a)
Vertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt in
aa)
Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor nationalen oder internationalen Gerichten, Behörden oder Einrichtungen,
bb)
nationalen oder internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren,
b)
Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, sofern diese zur Vorbereitung eines Verfahrens im Sinne von Buchstabe a dient oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Rechtsberatung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird,
c)
Beglaubigungen und Beurkundungen, sofern sie von Notaren vorzunehmen sind,
d)
Tätigkeiten von gerichtlich bestellten Betreuern, Vormündern, Pflegern, Verfahrensbeiständen, Sachverständigen oder Verwaltern oder sonstige Rechtsdienstleistungen, deren Erbringer durch ein Gericht dafür bestellt oder durch Gesetz dazu bestimmt werden, um bestimmte Aufgaben unter der Aufsicht dieser Gerichte wahrzunehmen, oder
e)
Tätigkeiten, die zumindest teilweise mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind,
2.
Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, es sei denn, es handelt sich um Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 73000000-2 bis 73120000-9, 73300000-5, 73420000-2 und 73430000-5 fallen und bei denen
a)
die Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit werden und
b)
die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird,
3.
den Erwerb, die Entwicklung, die Produktion oder die Koproduktion von Sendematerial für audiovisuelle Mediendienste oder Hörfunkmediendienste, wenn diese Aufträge von Anbietern von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden, die Ausstrahlungszeit oder die Bereitstellung von Sendungen, wenn diese Aufträge an Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden,
4.
finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus durchgeführte Transaktionen,
5.
Kredite und Darlehen, auch im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten oder
6.
Dienstleistungen, die an einen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nummer 1 bis 3 vergeben werden, der ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht hat, die Leistungen zu erbringen.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Wettbewerbe anzuwenden, die hauptsächlich den Zweck haben, dem öffentlichen Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.

(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 130/10 Verkündet am:
3. April 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Straßenausbau
VOB/A 2006 § 8 Nr. 3, § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b

a) Zu der Ausschlusssanktion für Angebote, welche geforderte Erklärungen
nicht enthalten, korrespondiert die Verpflichtung der Auftraggeber, die
Vergabeunterlagen so eindeutig zu formulieren, dass die Bieter diesen Unterlagen
deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen
wann abzugeben sind. Genügen die Vergabeunterlagen dem nicht, darf der
Auftraggeber ein Angebot nicht ohne Weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden
Erklärung aus der Wertung nehmen.

b) Will ein Bieter im Schadensersatzprozess geltend machen, die Verpflichtung,
seine vorgesehenen Nachunternehmer schon zum Ende der Angebotsfrist
namhaft zu machen oder gar die sie betreffenden Eignungsnachweise bis
dahin beizubringen, sei unzumutbar gewesen und habe deshalb unbeachtet
bleiben können, muss er die tatsächlichen Umstände darlegen, aus denen
sich die Unzumutbarkeit ergeben soll.
BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 30. September 2010 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:



1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in einem von ihr durchgeführten Vergabeverfahren betreffend den Ausbau einer Kreisstraße das von der Klägerin eingereichte Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat.

2
Zu den Vergabeunterlagen gehörte folgender, dem Formblatt 211 des Vergabehandbuchs VHB 2008 entsprechender Vordruck zur Beibringung von Eignungsnachweisen:
3
Des Weiteren umfassten die Vergabeunterlagen die Formblätter 233 und 234, auf denen die Vergabestelle durch Ankreuzen entsprechender Kästchen kenntlich machen konnte, ob gegebenenfalls vorgesehene Nachunternehmer bereits bei Angebotsabgabe namhaft gemacht werden sollten. Diese Kästchen waren im Streitfall nicht angekreuzt.
4
Die Klägerin benannte zwar mit dem Angebot ihre vorgesehenen Nachunternehmer , reichte die dazugehörigen Eignungsnachweise aber erst nach Ablauf der Angebotsfrist, im Rahmen eines Bietergesprächs, ein und wurde deshalb bei der Zuschlagserteilung nicht berücksichtigt.
5
Ihre Klage auf Feststellung, dass die Beklagte ihr den aus der Nichtberücksichtigung ihres Angebots entstandenen Schaden zu ersetzen habe, hatte in erster Instanz Erfolg; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:



6
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, das Angebot der Klägerin sei zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Der Wille der Vergabestelle, die Eignungsnachweise der eventuell vorgesehenen Nachunternehmer bis zum Ablauf der Angebotsfrist vorgelegt zu bekommen, sei nach den gesamten Umständen klar zum Ausdruck gebracht worden und hätte von der Klägerin beachtet werden müssen. Da die Klägerin somit geforderte Erklärungen nicht abgegeben habe, sei ihr Angebot zu Recht ausgeschlossen worden. Jedenfalls bei Bauvorhaben der hier in Rede stehenden Größenordnung sei das Ansinnen der Vergabestelle, die Eignungsweise für die eventuell vorgesehenen Nachunternehmer schon mit der Einreichung des Angebots übermittelt zu bekommen, in der Regel auch nicht unzumutbar. Allein die Möglichkeit, dass die Interessenlage eine andere sein könne, wie der Bundesgerichtshof sie in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 - Nachunternehmererklärung) dargestellt habe, rechtfertige es allein nicht, von dem Wortlaut der Vergabeunterlagen abzuweichen, für den die Vergabestelle sich entschieden habe.
8
II. Dagegen wendet die Klägerin sich mit Erfolg.
9
1. a) Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davonausgegangen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A in der auch im Streitfall anzuwendenden Fassung Angebote, die unvollständig waren, weil sie geforderte Erklärungen nicht enthielten, regelmäßig ohne Weiteres von der Wertung auszuschließen waren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - X ZR 243/05, NZBau 2005, 594 mwN; Urteil vom 18. September 2007 - X ZR 89/04, VergabeR 2008, 69). Es entspricht aber - und zwar gerade mit Blick auf die Ausschlusssanktion für die Abgabe unvollständiger Angebote - ebenso der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass aus den Vergabeunterlagen für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen muss, welche Erklärungen von ihnen verlangt werden (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Die Vergabestellen trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.
10
b) Dafür, ob die in vorformulierten Vergabeunterlagen vorgesehenen Erklärungen diesen Anforderungen genügen, ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10). Die diesbezügliche Würdigung durch den Tatrichter unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn vorformulierte Angebotsunterlagen wie die im Formblatt 211 enthaltenen sind allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar, deren Revisibilität in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321; Urteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 ff.). Sie unterscheiden sich von Letzteren nur in dem für die Entscheidung des Streitfalls unerheblichen Gesichtspunkt, dass mit allgemeinen Geschäftsbedingungen die vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner nach Vertragsschluss gestaltet werden, während vorformulierte Bedingungen für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren wie im Formblatt 211 die Konditionen festlegen, unter denen die Bieter sich an den mehr oder minder streng formalisierten, zum Zwecke des Vertragsschlusses geführten Vergabeverfahren (offenes, nicht offenes Verfahren bzw. Verhandlungsverfahren , öffentliche, beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe) beteiligen können.
11
2. Wird in den Vergabeunterlagen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter schon bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen ist, darf die Vergabestelle ein Angebot , in dem diese Erklärung fehlt, nicht ohne Weiteres ausschließen. Vielmehr muss sie dem betreffenden Bieter Gelegenheit geben, die Erklärung nachzureichen. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach und erteilt sie einem anderen Bewerber den Zuschlag, macht sie sich gegenüber dem ausgeschlossenen Bieter schadensersatzpflichtig, wenn eigentlich ihm der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
12
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte die Beklagte das Angebot der Klägerin nicht ohne Weiteres ausschließen dürfen.
13
a) Den Vergabeunterlagen ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, was den Bietern in Bezug auf die die Nachunternehmer betreffenden Eignungsnachweise obliegt. Der Text zu Nr. 3 des Formblatts 211 ist infolge der sprachlichen Verkürzung, in der er gefasst ist, vielmehr mehrdeutig und missverständlich und dieser Mangel kann auch nicht im Wege der Auslegung durch die Bieter behoben werden. Seinem Wortsinn nach, infolge der Verwendung der Präposition "durch" und der Konjunktion "und" ("Vorlage ... durch den Bieter und ggf. Nachunternehmer"), müssten die Nachunternehmer selbst die sie betreffenden Eignungsnachweise beibringen. Es mag zwar sein, dass die Klausel, so verstanden, einem durchschnittlichen Bieter ungewöhnlich vorkommen wird. Das führt aber nicht zu einem eindeutigen Verständnis der Vergabeunterlagen und rechtfertigt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, dass der durchschnittliche Bieter darüber im Bilde war, was von ihm verlangt war. Das Formular kann ebenso gut dahin verstanden werden, dass die eigenen Pflichten des Bieters sich darin erschöpfen, die Nachunternehmer aufzufordern, die geforderten Eignungsnachweise einzureichen, was im Übrigen umso näher liegt, als der Bieter, um diese Anforderung zu erfüllen, ohnehin auf die Kooperation der Nachunternehmer angewiesen ist.

14
Überdies steht dem Verständnis, das die Vergabestelle der Klausel beigelegt wissen möchte, nämlich dass jeder Bieter für jeden einzelnen vorgesehenen Nachunternehmer die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. a bis f VOB/A 2006 mit dem Angebot einreichen sollte, die Verwendung des Adverbs "gegebenenfalls" ("ggf.") entgegen. Der Text zu Nr. 3 des Vordrucks 211 mag so verstanden werden können, dass der Bieter, sofern er einen Nachunternehmereinsatz beabsichtigt, die diese Unternehmen betreffenden Eignungsnachweise (mit dem Angebot) beizubringen hat. Ebenso gut, insbesondere in Anbetracht des unklaren Sprachgebrauchs, kann aus Bietersicht aber, wie schon das Landgericht gemeint hat, gefordert sein, dass diese Nachweise nur unter weiteren Umständen, zumindest erst auf weitere Anforderung durch die Vergabestelle eingereicht werden müssen. Das gilt umso mehr, als dieses Verständnis der Vergabeunterlagen, auf dessen Grundlage das Angebot der Klägerin nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, durch den weiteren Inhalt der Vergabeunterlagen, und zwar der Formblätter 233 und 234, gestützt wird. Die Vergabeunterlagen bilden eine Einheit und das Verständnis, das die Adressaten sich von bestimmten Passagen bilden, kann vom Erklärungsgehalt anderer, sachlich damit zusammenhängender Teile beeinflusst werden. So verhält es sich hier. So, wie der Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 sich aus der Sicht der Bieter darstellte, waren diese schon nicht aufgefordert, bei Angebotsabgabe anzugeben, ob sie überhaupt Nachunternehmer einzusetzen beabsichtigten. Wenn die Nachunternehmer schon nicht namentlich benannt werden mussten, lag es fern, Formblatt 211 so zu verstehen, dass gleichwohl die sie betreffenden Eignungsnachweise mit dem Angebot einzureichen waren. Dies konnte vielmehr die Bieter nur in der Annahme bestärken, dass die Eignungsnachweise erst auf nachträgliche Anforderung einzureichen waren.
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b) Der Hinweis des Berufungsgerichts, selbst die Klägerin habe nicht angenommen , dass die Nachunternehmer nicht mit dem Angebot benannt werden mussten, ist nicht stichhaltig. Dass die Klägerin die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer in den Angebotsunterlagen namentlich benannt hat, obwohl das nach dem Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 für diesen Zeitpunkt noch nicht gefordert war, zeigt allenfalls, dass in sich widersprüchliche Vergabeunterlagen widersprüchliches Bieterverhalten nach sich ziehen können. Tragfähige Schlussfolgerungen dazu, welchen objektiven Erklärungsgehalt die Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit haben, lassen sich daraus nicht ziehen.
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4. Danach kommt es nicht auf den Einwand der Klägerin an, sie habe auch deshalb nicht ausgeschlossen werden dürfen, weil die Forderung, die Eignungsnachweise nach § 8 Nr. 3 Buchst. a bis f VOB/A 2006 für sämtliche vorgesehenen Nachunternehmer schon mit dem Angebot einzureichen, eine unzumutbare Belastung darstelle. Dazu sind jedoch folgende Bemerkungen angezeigt.
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a) Das Berufungsgericht hat bei Einnahme seines gegenteiligen Standpunkts die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missverstanden. Es vertritt nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe die Auffassung, dass, wenn die Beibringung der Nachweise zu diesem frühen Zeitpunkt in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gefordert wird, entgegenstehende, die Frage der Zumutbarkeit dieser Forderung betreffende Interessen der Bieter ohnehin nicht berücksichtigt werden könnten. Das ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wird durch diese auch nicht nahegelegt. Vielmehr hat der Senat zu früheren Fassungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen entschieden, dass Angebote von Bietern auszuschließen waren, wenn in den Vergabeunterlagen geforderte Angaben, die zu machen den Bieter nicht unzumutbar belastete, nicht in den Angebotsunterlagen enthalten waren (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Februar 2003 - X ZR 43/02, BGHZ 154, 32, 43). Daraus folgt im Gegenschluss, dass der öffentliche Auftraggeber nicht be- rechtigt war, ein Angebot aus der Wertung zu nehmen, wenn der Bieter eine Anforderung nicht erfüllt hatte, die diesen unzumutbar belastete. Für diese Rechtsfolge kann es naturgemäß nicht darauf ankommen, ob diese Anforderung in den Vergabeunterlagen mit eindeutigem Wortlaut gestellt worden ist oder nicht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2008 (X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 14 - Nachunternehmererklärung ), das das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang erörtert. Dort war den Vergabeunterlagen bereits bei interessengerechter Auslegung ein Inhalt beizulegen, der nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Bieter führte. Für die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass unzumutbare Anforderungen bei klarem Wortlaut hingenommen werden müssen, bietet die Entscheidung indes keine Anhaltspunkte.
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b) Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 10. Juni 2008 ausgeführt, dass es die Bieter unzumutbar belasten "kann", wenn den Bietern durch die Vergabeunterlagen ein unverhältnismäßiger Erklärungsaufwand bereitet wird (aaO Rn. 14). Dementsprechend ist die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit von diesbezüglichen Anforderungen in den Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen zu beurteilen. Das Unternehmen, das Unzumutbarkeit geltend macht, muss die dafür maßgeblichen Umstände dartun. Die Interessenlage kann durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob es sich um ein vergleichsweise kleines Bauvorhaben mit einem voraussichtlich überschaubaren Bieterkreis handelt, bei dem für den Einsatz von Nachunternehmern nach Art der zu erbringenden Leistung außerdem möglicherweise ohnehin nur beschränkter Raum ist, oder um ein größeres oder großes Bauvorhaben , bei dem die Bewerber erfahrungsgemäß umfänglich Nachunternehmer einsetzen werden. Handelt es sich um einen Fall der letzteren Art, kann es eher unzumutbar sein, wenn jeder Bieter für jeden Nachunternehmer schon mit dem Angebot unter Umständen umfangreiche Eignungsnachweise beibringen muss, wofür er zudem auf die zeitnahe Kooperation seitens dieser Unternehmen angewiesen ist. Wenn es, wie der Senat im Urteil vom 10. Juni 2008 zum Ausdruck gebracht hat (aaO Rn. 14), schon eine unzumutbare Belastung darstellen kann, wenn alle Bieter mit dem Angebot sämtliche Nachunternehmer namentlich benennen müssen, gilt dies umso mehr für eine formularmäßige Klausel, die es dem Auftraggeber erlaubt, durch bloßes Ankreuzen - zudem als erste angebotene Alternative - zu bestimmen, dass alle Bieter sogar die Eignungsnachweise für alle vorgesehenen Nachunternehmer bereits mit dem Angebot beibringen sollen.

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5. Nach allem wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug der nach seiner bisherigen Rechtsauffassung konsequenterweise offen gelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Klägerin, wie diese geltend macht, der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Stendal, Entscheidung vom 30.04.2010 - 21 O 144/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 30.09.2010 - 1 U 50/10 -

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.