Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 26. Juni 2014 - 1 U 110/13

bei uns veröffentlicht am26.06.2014

Tenor

1. Das Verfahren wird wieder aufgenommen und fortgeführt.

2. Die Kostenentscheidung in dem am 30.1.2014 verkündeten Urteil des Senats wird neu gefasst:

Die Kosten der ersten Instanz einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens - Landgericht Halle (3 OH 10/09) - tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Klägerin zu 40 %, im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 69 % und die Beklagte zu 31 %. Die Kosten der Streithilfe trägt die Klägerin zu 69 %; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Streitwertbeschlusses in dem am 30.1.2014 verkündeten Urteil auf

die Gebührenstufe bis 170.000,-- Euro für die Zeit bis zum 20.9.2013 und auf

die Gebührenstufe bis 80.000,-- Euro für die Zeit danach festgesetzt (§ 63 Abs. 3 GKG).

Gründe

I.

1

Mit dem am 19.7.2013 verkündetem Urteil hat das Landgericht Halle die Beklagte verurteilt an die Klägerin 103.361,37 Euro nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte hat ihre Berufung mit Schriftsatz vom 18.9.2013 vor Terminierung und ohne Antragstellung zurückgenommen (Bl. 148 II). Die Klägerin hat (neben weiteren Zinsen auf den Betrag von 103.361,37 Euro) beantragt, die Beklagte zur Zahlung von weiteren 56.000,-- Euro zu verurteilen. Mit seinem am 30.1.2014 verkündeten Urteil hat der Senat die Berufung der Klägerin bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsforderung zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung lautet:

2

Die Kosten der ersten Instanz einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens Landgericht Halle (6 OH 5/11) tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 34 % und die Beklagte zu 66 %. Die Kosten der Streithilfe trägt die Klägerin zu 34 %; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.

3

Mit dem Urteil hat der Senat mit Beschluss den Streitwert für das Berufungsverfahren einheitlich auf die Gebührenstufe bis 170.000,-- Euro festgesetzt. Das Urteil wurde der Beklagten am 7.2.2014 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7.2.2014 hat die Beklagte einen Berichtigungsantrag hinsichtlich des Tenors gestellt (betreffend die Kosten der Streithilfe erster Instanz und hat weiter mit dem am 14.2.2014 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz eine Gehörsrüge erhoben.

4

Sie begründet die Gehörsrüge damit, dass sie vor der (endgültigen) Festsetzung des Streitwertes nicht gehört worden sei. Wäre sie gehört worden, hätte sie klargestellt, dass der Streitwert nur bis zur Rücknahme ihrer Berufung auf die Gebührenstufe bis 170.000,-- Euro festgesetzt werden konnte, für die Zeit danach nur noch auf den Betrag entsprechend dem Berufungsantrag der Klägerin. Bei richtiger Streitwertfestsetzung hätte dies zu ihren Gunsten Auswirkungen auf die Kostengrundentscheidung für das Berufungsverfahren.

5

Der Klägerin wurde rechtliches Gehör gewährt. Mit Beschluss vom 22.5.2014 hat der Senat mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet.

II.

6

Es ist festzustellen, dass das Verfahren wieder aufgenommen und fortgeführt wird (§ 321a Abs. 5 ZPO).

7

Die Gehörsrüge ist zulässig und begründet. Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 30.7.2008 – II ZB 40/07 – [FamRZ 2008, 1925f.]) hat entschieden, dass die Kostengrundentscheidung nicht gemäß § 319 ZPO berichtigt werden kann, sodass der Beklagten ein anderweitiger Rechtsbehelf i.S.v. § 321a Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zur Verfügung steht.

8

Es liegt ein Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör vor, weil ihr keine Gelegenheit zur Stellungnahme vor der endgültigen Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren gegeben wurde. Die endgültige Wertfestsetzung erfolgt grundsätzlich nach Anhörung der Parteien (Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., GKG, § 63, Rn. 24 m.w.N.).

9

Die Beklagte rügt zutreffend, dass der Streitwert für das Berufungsverfahren nur bis zur Rücknahme ihrer Berufung auf die Gebührenstufe bis 170.000,-- festgesetzt werden konnte. Für die Zeit danach war der Streitwert begrenzt auf den Berufungsantrag der Klägerin (Gebührenstufe bis 80.000,--). Wie die Kostenquote zu ermitteln ist, wenn vor einer abschließenden Entscheidung eine Berufung zurückgenommen wird, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Senat folgt im Grundsatz der sogenannten Mehrkostenmethode (dazu OLG Schleswig Beschluss vom 3.9.2007 – 1 W 37/07 – [OLGR 2008, 89]; hier: zitiert nach juris – allerdings für eine teilweise Klagerücknahme in erster Instanz), wonach die Mehrkosten betragsmäßig zu ermitteln sind und in das Verhältnis zu den tatsächlich angefallenen Kosten gesetzt werden (vgl. dazu das Rechenbeispiel bei Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 10. Aufl., S. 94). Eins zu Eins lassen sich die Grundsätze nicht auf die vorliegende Konstellation übertragen. Grundsätzlich werden die Werte zweier Berufungen für den Streitwert addiert. Damit ließe sich aber nicht abbilden, dass sich die Gerichtskosten nach vollständiger Berufungsrücknahme vor Terminierung gemäß KV 1221 von 4 auf 1 Gebühr ermäßigen. Dies gilt natürlich nur für die Berufung der Beklagten. Man kann das Problem dadurch umgehen, dass man die Gerichtskosten nach den Teilstreitwerten ermittelt und dann addiert. Zwar werden dann rechnerisch 5 Gebühren berücksichtigt, dies kann aber hingenommen werden, weil der Betrag hinter der 4-fachen Gebühr des addierten Betrages zurückbleibt. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr muss es allerdings bei der Addition der beiden Teilstreitwerte bleiben, weil diese mit der Einlegung der Berufung entstanden. Für die Terminsgebühr ist dann die bereits erfolgte Berufungsrücknahme zu berücksichtigen:

10

Gerichtskosten

        

        

        

Streitwert
(§ 47 Abs. 1 S. 2 GKG)

 103.361,00 Euro

1 x

1.026,00 Euro

Streitwert

66.216,70 Euro

4 x
786,00 Euro

3.144,00 Euro

Gesamt

        

        

4.170,00 Euro

RA-Kosten

        

        

        

Streitwert: (VV 3100)

170.000,00 Euro

1,3 x
 1.843,00 Euro

2.395,90 Euro

Streitwert: (VV 3104)

66.216,70 Euro

1,2 x
1.333,00 Euro

1.599,60 Euro

Summe RA-Kosten

        

        

3.995,50 Euro

x 2 Parteien

        

        

7.991,00 Euro

Gesamtkosten

        

        

 12.161,00 Euro

Vergleichsrechnung

        

        

        

Gerichtskosten

        

4 x
786,00 Euro

3.144,00 Euro

RA-Kosten (VV 3100)

        

1,3 x
1.333,00 Euro

1.732,90 Euro

RA-Kosten (VV 3104)

        

1,2 x
1.333,00 Euro

1.599,60 Euro

Summe RA-Kosten

        

        

3.332,50 Euro

x 2 Parteien

        

        

6.665,00 Euro

Gesamtkosten

        

        

9.809,00 Euro

11

Insoweit obsiegt die Klägerin lediglich in Höhe von 15 % (10.216,70 Euro/66.216,70 Euro). Damit ist von einem Verhältnis von 8.337,65 [= 85 % von 9.809,- Euro]/12.161 auszugehen, was eine Kostenquote vom 69 % zu 31 % zu ihren Lasten ergibt.

12

Hinsichtlich der Kosten der Streithilfe erster Instanz liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit des Tenors vor, weil der Senat (BU S. 11) über diese Kosten gemäß § 101 ZPO entschieden hat.


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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil un

Zivilprozessordnung - ZPO | § 101 Kosten einer Nebenintervention


(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juli 2008 - II ZB 40/07

bei uns veröffentlicht am 30.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 40/07 vom 30. Juli 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 319 Abs. 1 Die Kostengrundentscheidung kann nach Eintritt der Rechtskraft nicht in entsprechender Anwendung des

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 03. Sept. 2007 - 1 W 37/07

bei uns veröffentlicht am 03.09.2007

Tenor Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von bis zu 600,-- € zurückgewiesen. Gründe I. 1 Die Klägerin hat

Referenzen

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 40/07
vom
30. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Kostengrundentscheidung kann nach Eintritt der Rechtskraft nicht in entsprechender
Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO geändert werden, wenn der
Streitwert des Verfahrens nach § 63 Abs. 3 GKG abgeändert wird und dies zu
einer (rechnerischen) Unrichtigkeit der Kostenquoten führt. Eine planwidrige
Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO auf diesen
Fall rechtfertigen könnte, liegt nicht vor.
BGH, Beschluss vom 30. Juli 2008 - II ZB 40/07 - LG Koblenz
AG Montabaur
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. Juli 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 17. Oktober 2007 im Kostenpunkt und im Umfang der Anfechtung aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Montabaur vom 30. August 2007 abgeändert: Der Antrag des Klägers, die Kostenentscheidung im Urteil des Amtsgerichts Montabaur vom 18. Januar 2007 im Tenor zu II. abzuändern , wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Kläger auferlegt. Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 600,00 €

Gründe:

1
I. Mit seiner Klage begehrte der Kläger mit dem Antrag zu 1 festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten über seinen Vereinsausschluss unwirksam sei. Mit dem Antrag zu 2 machte er einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.112,21 € geltend. Mit Urteil vom 18. Januar 2007 hat das Amtsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger 69 %, dem Beklagten 31 % auferlegt. Dem lag zugrunde, dass es als Streitwert für den Antrag zu 1 einen Betrag von 500,00 € ansetzte.
2
Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2007 beantragte der Beklagte, den Tenor des Urteils dahin zu ergänzen, dass die Berufung zugelassen werde; hilfsweise legte er gegen die Streitwertentscheidung hinsichtlich des Antrags zu 1 Beschwerde ein. Auch der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 29. Januar 2007 gegen die Bewertung des Antrags zu 1 Streitwertbeschwerde.
3
Das Amtsgericht half mit Beschluss vom 13. Februar 2007 der Streitwertbeschwerde des Klägers ab und erhöhte den Gegenstandswert für den Klageantrag zu 1 auf 2.000,00 €.
4
Der Beklagte legte darauf hin mit Schriftsatz vom 19. Februar 2007 gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 19. Juni 2007 zurücknahm.
5
Bereits am 15. Februar 2007 hatte der Kläger im Hinblick auf die Streitwertänderung vom 13. Februar 2007 beantragt, das Urteil wegen der nunmehr rechnerisch unzutreffenden Kostenentscheidung dahin zu korrigieren, dass er 35,75 % und der Beklagte 65,25 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Das Amtsgericht kam diesem Antrag nach Rückkehr der Akten aus der Berufungsinstanz mit Beschluss vom 30. August 2007 nach und änderte die Kostenentscheidung des Urteils vom 18. Januar 2007 in entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO dergestalt ab, dass diese nunmehr wie folgt lautete : "Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 36 % und der beklagte Verein zu 64 %."
6
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten wies das Landgericht zurück und ließ insoweit die Rechtsbeschwerde zu. Darüber hinaus wurde die hilfsweise erhobene Beschwerde des Beklagten gegen die Änderung der Streitwertfestsetzung, die nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist, zurückgewiesen.
7
II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde des Beklagten hat in der Sache Erfolg.
8
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Berichtigung der Kostenentscheidung sei in analoger Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO zulässig, da nur auf diese Weise der Widerspruch zwischen dem Verbot, eine Kostenentscheidung isoliert anzufechten (§ 99 Abs. 1 ZPO), und der Zulässigkeit einer nachträglichen Änderung der Streitwertfestsetzung (§ 63 Abs. 3 GKG) gelöst werden könne. Es sei Aufgabe der Gerichte, die durch die gebotene Streitwertänderung nachträglich fehlerhaft gewordene Grundlage für die Kostenentscheidung in eine zutreffende Kostengrundentscheidung umzuwandeln. Da eine unmittelbar anwendbare Vorschrift - wie etwa § 107 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Kostenfestsetzungsverfahren - für den hier maßgeblichen Fall nicht vorhanden sei, biete sich die sinngemäße Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO an, um die Gesetzeslücke in angemessener Weise zu schließen.
9
2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Eine infolge Streitwertänderung (rechnerisch) unrichtig (gewordene) Kostengrundentscheidung kann nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO abgeändert werden.
10
a) In Rechtsprechung und Literatur besteht ganz überwiegend Einigkeit, dass § 319 Abs. 1 ZPO auf einen Fall wie den vorliegenden nicht unmittelbar anwendbar ist, da kein Schreibfehler, Rechnungsfehler und auch keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit des Urteils vorliegt (siehe nur OLG Düsseldorf NJWRR 2002, 211; OLG Köln FamRZ 1994, 56; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 319 Rdn. 9; Musielak in Musielak, ZPO 6. Aufl. § 319 Rdn. 8; Zöller/ Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 319 Rdn. 18; a.A. OLG Frankfurt a.M. NJW 1970, 436, 437: "Weitherzige Auslegung des § 319 ZPO"; ebenso Speckmann, NJW 1972, 232, 235 f.).
11
Dem ist zuzustimmen. Selbst wenn man im Hinblick auf die in § 319 Abs. 1 ZPO genannten "Rechnungsfehler" annehmen wollte, dass nicht nur Verlautbarungsmängel, sondern auch offensichtliche Fehler bei der gerichtlichen Willensbildung über diese Vorschrift korrigierbar wären (vgl. etwa OLG Hamm, MDR 1986, 594; OLG Bamberg FamRZ 2000, 38; offen gelassen von BGHZ 127, 74, 78 f.; a.A. Musielak in Musielak aaO § 319 Rdn. 4 m.w.Nachw.; Wieczorek/Schütze/Rensen, Großkomm.z.ZPO 3. Aufl. § 319 Rdn. 34), wäre die vorliegende Fallkonstellation weder unter das Tatbestandsmerkmal "Rechnungsfehler" noch unter das der "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit" zu subsumieren. Hinsichtlich der Kostengrundentscheidung lag kein Fehler bei der Willensbildung des Gerichts vor, da die Streitwertfestsetzung erst zu einem Zeitpunkt geändert wurde, als die Willensbildung betreffend die Kostengrundentscheidung unter Zugrundelegung der ursprünglichen Streitwertfestsetzung bereits (zutreffend) abgeschlossen und das amtsgerichtliche Urteil rechtskräftig geworden waren. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit" ist jedoch der Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. nur OLG Stuttgart MDR 2001, 892, 893).
12
b) Ob § 319 Abs. 1 ZPO in Fällen nachträglicher rechnerischer Unrichtigkeit der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung infolge einer nach §§ 63 Abs. 3, 68 GKG zulässigerweise geänderten Streitwertfestsetzung entsprechend anzuwenden ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
13
aa) Von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur wird eine entsprechende Anwendbarkeit von § 319 Abs. 1 ZPO auf die vorliegende Fallkonstellation für zulässig gehalten. Dies wird entweder mit dem Bedürfnis nach einer Auflösung des (angeblichen) Widerspruchs zwischen § 99 Abs. 1 ZPO und § 63 Abs. 3 GKG begründet (OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 211, 212; NJWRR 1992, 1407 f. sowie OLGR Düsseldorf 1997, 291, 292). Von anderen wird zur Begründung auf allgemeine Gerechtigkeitserwägungen abgestellt (OLG Hamm MDR 2001, 1186; OLG Köln MDR 1980, 761, 762; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 66. Aufl. § 319 Rdn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 2 Rdn. 81: "Gesamtanalogie zu den §§ 319, 107"; Stein/Jonas/Leipold aaO § 319 Rdn. 9; Zöller/Vollkommer aaO; HKZPO /Saenger 2. Aufl. § 319 Rdn. 12; Hartmann, Kostengesetz 37. Aufl. § 63 GKG Rdn. 40).
14
bb) Nach anderer Auffassung kommt eine analoge Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO in einem Fall wie dem vorliegenden nicht in Betracht. Dies wird u.a. damit begründet, dass ansonsten eine mit § 99 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbarende Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung ermöglicht würde (OLG Stuttgart MDR 2001, 892, 893; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1532; LG Frankfurt a.M. NJW-RR 1998, 67, 68), bzw. dass eine weitherzige Auslegung des § 319 Abs. 1 ZPO zu einer vom Gesetz nicht mehr gedeckten Durchbrechung der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung führe (OLG Köln FamRZ 1994, 56; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1532; Schneider, MDR 1980, 762 f.; ablehnend auch KG NJW 1975, 2107; Musielak in Musielak aaO § 319 Rdn. 8; ders. in MünchKommZPO 3. Aufl. § 319 Rdn. 10; Wieczorek/ Schütze/Rensen aaO § 319 Rdn. 34; Wiesemann, Die Berichtigung gerichtlicher Entscheidungen im Zivil-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsprozess S. 154 f.; Wolter; Die Urteilsberichtigung nach § 319 ZPO S. 79 ff.).
15
cc) Der Senat schließt sich der letztgenannten Meinung (bb) an. Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO im vorliegenden Fall rechtfertigen würde, liegt nicht vor.
16
Zwar kann das Prozessgericht gemäß § 63 Abs. 3 GKG bis längstens zum Ablauf von sechs Monaten nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache den Streitwert ändern, was auf Antrag zu einer entsprechenden Änderung der Kostenfestsetzung nach § 107 Abs. 1 Satz 1 ZPO führt. Hieraus kann jedoch, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber der "Kostengerechtigkeit" Vorrang gegenüber der Rechtskraft der Kostenentscheidung eingeräumt habe.
17
(a) Eine dem § 107 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechende Bestimmung in Bezug auf eine nachträgliche Änderung der Kosten(grund)entscheidung des Urteils infolge einer Streitwertänderung fehlt im Gesetz. Stattdessen sieht § 99 Abs. 1 ZPO ausdrücklich vor, dass die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig ist, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Isolierte Kostenrechtsmittel sind lediglich in im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen wie etwa denjenigen des § 99 Abs. 2 ZPO, des § 91 Abs. 2 ZPO oder des § 269 Abs. 5 ZPO vorgesehen, bei denen es sich jedoch um Ausnahmefälle handelt (vgl. Musielak/Wolst aaO § 99 Rdn. 1).
18
(b) Darüber hinaus folgt aus § 318 ZPO, dass das Gericht an die Entscheidung , die in den von ihm erlassenen End- bzw. Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden ist, wobei die Kostenentscheidung gemäß § 308 Abs. 2 ZPO zwingender Bestandteil des Endurteils ist. Nur dann, wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen worden ist, ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen (§ 321 Abs. 1 ZPO). Zu Recht weist die Rechtsbeschwerdebegründung darauf hin, dass es sich bei der Vorschrift des § 319 ZPO um eine Ausnahmevorschrift von dem in § 318 ZPO niedergelegten Grundsatz der innerprozessualen Bindung des Gerichts handelt, deren Anwendungsbereich im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit entsprechend eng am Wortlaut zu orientieren ist.
19
(c) Aus alledem folgt, dass eine analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO zu einer im Gesetz ausdrücklich nicht vorgesehenen isolierten "Anfechtbarkeit" der Kostengrundentscheidung führen würde.
20
Der mit diesem Ergebnis verbundene Wertungswiderspruch zwischen der Abänderbarkeit des Streitwerts und der mangelnden Möglichkeit, die Kostengrundentscheidung dem geänderten Streitwert anzupassen, kann mithin nur durch ein Eingreifen des Gesetzgebers, dem die Problematik seit langem bekannt ist, beseitigt werden.
21
(d) An dieser Entscheidung ist der Senat nicht im Hinblick auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 13. Dezember 2000 (IV B 33/00, BFH/NV 2001, 791) gehindert. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren hat der Bundesfinanzhof den Streitwert sowie die Kosten (grund)entscheidung während des anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens , mithin vor Rechtskraft des Urteils abgeändert.
22
III. Auf die Rechtsmittel des Beklagten war die ursprüngliche Kostengrundentscheidung im Urteil des Amtsgerichts Montabaur vom 18. Januar 2007 wieder herzustellen.
23
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Goette Kurzwelly Kraemer
Caliebe Drescher

Vorinstanzen:
AG Montabaur, Entscheidung vom 30.08.2007 - 10 C 288/06 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 17.10.2007 - 12 T 99/07 -

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von bis zu 600,-- € zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von ca. 15.000,-- € begehrt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung einen Teilbetrag von ca. 12.000,-- € anerkannt. Die Klägerin hat die darüber hinausgehende Klage sodann mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Das Landgericht hat ein Teilanerkenntnis- und Kostenschlussurteil erlassen, durch das es den Beklagten zur Zahlung des anerkannten Betrages verurteilt und die Kosten zu 8 % der Klägerin und zu 92 % dem Beklagten auferlegt hat. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er eine Kostentragungspflicht der Klägerin zu mindestens 20 % erstrebt.

II.

2

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 99 Abs. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Beschwerdewert übersteigt den Wert von 200,-- € (§ 567 Abs. 2 ZPO). Der Wert der Hauptsache ist höher als 600,-- € (§ 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO).

3

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn das Landgericht hat der Klägerin zu Recht nicht mehr als 8 % der Kosten auferlegt.

4

Nach Teilanerkenntnis und Teilrücknahme ist eine einheitliche Kostenentscheidung im Urteil zu treffen. Wegen des Grundsatzes der Kosteneinheit sind die auf die Rücknahme entfallenden Kosten, die gemäß § 269 Abs. 3 ZPO der Kläger zu tragen hat, nicht auszusondern, sondern es ist nach ganz herrschender Meinung einheitlich durch Schlussurteil zu entscheiden und eine Kostenquote zu bilden. Dabei ist die Quote nicht einfach nach dem Verhältnis des zurückgenommenen Teils zu dem Gesamtstreitwert zu bilden, weil dabei unberücksichtigt bleiben würde, dass die später im Verlaufe des Rechtsstreits anfallenden Gebühren ggf. nach einem geringeren Streitwert zu berechnen sind. Wie die Quote stattdessen zu berechnen ist, ist umstritten.

5

Nach einer Auffassung (Schneider, Die Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl., S. 197 ff.) entspricht die Teilrücknahme einem Teilunterliegen gemäß § 92 Abs. 1 ZPO. Für jede Gebühr sei eine dem Streitwert und dem Unterliegen bzw. Obsiegen angepasste Quote zu bilden und der Anteil betragsmäßig zu ermitteln. Die so ermittelten Beträge seien anschließend zu addieren und in das Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Gesamtkosten zu setzen. Daraus ergebe sich die auszusprechende Kostenquote.

6

Nach anderer Auffassung (Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 6. Aufl., Rn. 174 m.w.N.) wird die Kostenquote dadurch ermittelt, dass die Mehrkosten, die auf den zurückgenommenen Teil entfallen, errechnet und diese in das Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten gesetzt werden.

7

Der Senat folgt der zweiten Meinung. Nach der ersten Meinung würde der Beklagte allein dadurch besser gestellt, dass der Kläger zunächst mehr als den anerkannten Betrag verlangt. Dafür ist kein Grund ersichtlich. Zudem würde nach der ersten Methode für den Kläger der Anreiz für eine teilweise Klagrücknahme entfallen. Schließlich liegt - anders als bei einem Teilunterliegen - keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den zurückgenommenen Teil vor, weil bei einer Klagrücknahme rückwirkend die Rechtshängigkeit entfällt. Eine von der Gegenmeinung angenommene Vergleichbarkeit von Teilrücknahme und Teilunterliegen ist daher nicht gegeben.

8

Nach der Mehrkostenmethode hat das Landgericht der Klägerin die Kosten mit 8 %  zumindest nicht zu einem zu niedrigen Anteil auferlegt.

9

Auf der Grundlage eines Streitwertes von 15.183,14 € sind vorliegend folgende Gebühren entstanden:

10
1 Gebühr nach GKG KV 1211 à 242,-- € =    242,00 €
2 x 1,3 Gebühren nach RVG KV 3100 à 735,80 € = 1.471,60 €
2 x 1,2 Gebühren nach RVG KV 3104 à 679,20 € = 1.358,40 €
zusammen 3.072,00 €.
11

Auf der Grundlage des um den zurückgenommenen Teil reduzierten Streitwertes in Höhe von 12.006,-- € wären folgende Gebühren entstanden:

12
1 Gebühr nach GKG KV 1211 à 219,00 €    219,00 €
2 x 1,3 Gebühren nach RVG KV 3100 à 683,80 €= 1.367,60 €
2 x 1,2 Gebühren nach RVG KV 3104 à 631,20 € = 1.262,40 €
zusammen 2.849,00 €.
13

Die Mehrkosten in Höhe von 223,-- € machen nicht mehr als 8 % der tatsächlich angefallenen Kosten aus, so dass die sofortige Beschwerde unbegründet ist.

14

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.