Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 21. Aug. 2008 - 1 Ws 421/08
Tenor
1. Auf Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 31. Juli 2008 aufgehoben, soweit der Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 26. April 2007 wieder in Vollzug gesetzt wurde.
Es verbleibt bei der Außervollzugsetzung des vorgenannten Haftbefehls gemäß Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 13. Juni 2007 mit den dortigen Auflagen und Weisungen.
2. Die weitergehende, auf Aufhebung des vorgenannten Haftbefehls gerichtete Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Angeklagte, jedoch wird die Gebühr auf die Hälfte ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Beschwerdeverfahren fallen zur Hälfte der Staatskasse zur Last; im übrigen trägt der Angeklagte diese selbst.
Gründe
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Die Beschwerde des Angeklagten richtet sich gegen den im Anschluss an die Urteilsverkündung bekannt gegebenen Beschluss der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 31. Juli 2008, durch den der mit Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 13. Juni 2007 außer Vollzug gesetzte Haftbefehl desselben Gerichts vom 26. April 2007 wieder in Vollzug gesetzt wurde. Primäres Ziel der Beschwerde ist die Aufhebung des Haftbefehls; hilfsweise strebt der Angeklagte die Wiederherstellung des mit der Außervollzugsetzung geschaffenen Zustands an.
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Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Zwar sind die Voraussetzungen des § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StPO weiterhin zu bejahen. Die weiteren Voraussetzungen des – hier allein in Betracht kommenden – § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO liegen aber offensichtlich nicht vor.
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Als „Widerrufsgrund“ im Sinne dieser Norm hat die Strafkammer lediglich angeführt, der Beschwerdeführer sei „ mit Urteil der Kammer vom heutigen Tage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 9 verurteilt worden “. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Begründung nicht tragfähig ist; insbesondere dann nicht, wenn die Verurteilung – wie hier – wegen derselben Taten (im Sinne des § 264 StPO) erfolgte, die schon Gegenstand des außer Vollzug gesetzten Haftbefehls sind.
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Mit einer Verurteilung entfällt die durch die Haftverschonung begründete Vertrauensgrundlage nur, wenn es zu einer deutlich höheren Strafe kommt als vom Haftrichter (siehe dazu BVerfG v. 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07 – juris Rn. 22 - StV 2008, 25 m.w.N. ) bei der Verschonung erwartet (OLG Köln v. 23.01.2008 - 2 Ws 33/08 - juris - StV 2008, 258). Dazu findet sich in den Akten nichts. Keine der früheren Haftentscheidungen enthält zur Straferwartung konkrete Ausführungen. Im Haftbefehl heißt es lediglich, der Beschwerdeführer müsse mit einer „ erheblichen Freiheitsstrafe “ rechnen. In dem Außervollzugssetzungebeschluss wird überhaupt nicht auf eine mögliche Strafhöhe eingegangen. Es lässt sich somit nicht feststellen, dass nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttert haben, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären. Eine solche Feststellung wäre aber notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO (BVerfG a.a.O., siehe auch BGH v. 16.09.2004 - 4 StR 84/04 - juris Rn. 18 - StV 2004, 636).
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Dass sich der Beschwerdeführer mit dem Ziel des Freispruchs verteidigt hatte, ist entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft schon deshalb unerheblich, weil er damit nur ein Recht in Anspruch genommen hatte, das jedem Beschuldigten zusteht. In übrigen war auch dem Haftrichter bekannt, dass der Beschwerdeführer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet. Schließlich gibt es – ohne das es entscheidend darauf ankäme – auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beschwerdeführer habe sich nur deshalb nach der Außervollzugsetzung dem Verfahren gestellt, weil er nicht ernsthaft mit der Möglichkeit der Verurteilung zu einer „ erheblichen Freiheitsstrafe “ gerechnet hatte (siehe dazu auch OLG Koblenz v. 30.06.1999 - 2 Ws 392/99 - juris - StraFo 1999, 322; Beschl. v. 09.02.2004 - 2 Ws 72/04).
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Kosten: § 473 Abs. 4 StPO
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(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
- 1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält, - 2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder - 3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde - a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder - b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder - c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).
(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
- 1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden, - 2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen, - 3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen, - 4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
- 1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt, - 2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder - 3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
- 1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden, - 2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen, - 3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen, - 4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
- 1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt, - 2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder - 3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - H., vom 25. März 2004 aufgehoben.
Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem Urteil des Landgerichts H. vom 13. Februar 1984 wird zum 1. Februar 2006 für erledigt erklärt.
Die Dauer der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht wird auf fünf Jahre bestimmt.
Die Sache wird an das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - H. zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht zurückgegeben.
Die dem Untergebrachten im Beschwerdeverfahren entstandenen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
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auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.