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I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer angeblich fehlerhaften Behandlung, sowie die Feststellung, dass er auch für zukünftige materielle und immaterielle Schäden einzustehen habe.
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Der Beklagte operierte die Klägerin im Juli 1980, nachdem bei dieser eine Narbenhernie (Narbenbruch) der am rechten Oberbauch befindlichen, auf eine im Jahre 1949 durchgeführte Gallenoperation zurückzuführenden Narbe aufgetreten war. Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil der Beklagte die Klägerin nicht auf die Notwendigkeit der Entfernung des für die Subkutannaht verwendeten Fadens hingewiesen habe, was zu stechenden Schmerzen im Oberbauch bis zum 18.12.1996 geführt habe, als der Faden sichtbar geworden und entfernt worden sei, abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz sowie die tatsächlichen Feststellungen wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens und mit der Auffassung weiter, dass der Beklagte sie - unter den Gesichtspunkten der Sicherungsaufklärung und der Risikoaufklärung - spätestens im Oktober 1980, als sie nochmals bei ihm gewesen sei, auf die Notwendigkeit der Entfernung des Fadens und die Folgen bei einem Verbleib hätte aufklären müssen.
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Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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II. Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung eine Haftung des Beklagten wegen einer angeblich fehlerhaften Behandlung der Klägerin abgelehnt.
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1. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei und für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend den Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe sie im Juli 1980 weder bei ihrer Entlassung aus der Klinik am 22.07.1980 noch bei einer Vorstellung am 28.07.1980 darauf hingewiesen, dass nach ca. vier bis acht Wochen der noch in der Wunde befindliche nichtresorbierbare Faden entfernt werden müsse, als nicht bewiesen angesehen. Diese Beweiswürdigung des Landgerichts greift die Berufung nicht an.
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Ein unterbliebener Hinweis auf die Notwendigkeit der Entfernung des Nahtmaterials im Juli 1980 wäre ein Verstoß gegen die therapeutische Aufklärungspflicht (Sicherungsaufklärung) und damit ein Behandlungsfehler, den der Patient zu beweisen hat (BGH VersR 1986, 1121, 1122; VersR 1991, 308, 309; VersR 2000, 725, 727; VersR 1994, 1228, 1229; Senat, Urteil vom 14.01.2004 - 7 U 204/01 -). Beweiserleichterungen wegen fehlender - ggfs. gebotener (BGH VersR 1997, 1357) - Dokumentation kommen der Klägerin nicht zugute, auch wenn der Beklagte die Krankenunterlagen vernichtet hat, sodass die von ihm behauptete Dokumentation dieses Hinweises nicht nachweisbar ist. Der Beklagte durfte nach Abschluss der Behandlung im Herbst 1980 die Krankenunterlagen Ende 1990 vernichten. § 12 Abs. 2 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der Fassung vom 10.12.1986 (Ärzteblatt 1987, 85, 88) sieht eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist vor, soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht, die hier nicht ersichtlich ist. Die in der Berufsordnung niedergelegte Regelung beruht auf §§ 9 Abs. 1, 10 Nr. 15 des Kammergesetzes für Baden-Württemberg vom 31.05.1976 (GBl. S. 473, 475) und ist rechtlich verbindlich.
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2. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte bei einem nach dem Vortrag der Klägerin stattgefundenen weiteren Behandlungstermin Ende Oktober 1980 nicht verpflichtet, einen nochmaligen Hinweis auf die Notwendigkeit, das Nahtmaterial zu entfernen, zu geben oder die Entfernung persönlich vorzunehmen.
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a) Die Klägerin meint, das Landgericht habe gem. § 529 ZPO für die Berufungsinstanz bindend festgestellt, dass ein solcher Behandlungstermin nach dem 20.10.1980 stattgefunden habe (Urteil S. 4 f.). Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Tatsachenfeststellungen entfalten gem. § 314 ZPO keine Bindungswirkung, wenn der Tatbestand in sich widersprüchlich ist (vgl. nur BGHZ 140, 335, 339 m. w. N. = NJW 1999, 1339; NJW 2000, 3007 m. w. N.). Dies gilt auch, wenn sich Tatbestand und die in den Urteilsgründen getroffenen Feststellungen widersprechen (BGH NJW 1992, 1107, 1108; 1996, 2306). Dann scheidet auch eine Bindungswirkung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aus, da Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellung bestehen.
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Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils enthält keine Angaben über die einzelnen ambulanten Vorstellungstermine nach der Narbenkorrektur. Aus den Entscheidungsgründen (S. 4 f. unter c) lässt sich nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, ob das Landgericht einen weiteren Besuch der Klägerin beim Beklagten im Oktober 1980 zu ihren Gunsten unterstellt, oder ob es einen solchen für bewiesen hält. Die Formulierung: „Insbesondere ein weiterer Besuch der Klägerin beim Beklagten im Oktober 1980 begründet nicht die Überzeugung der Kammer von einem Behandlungsfehler“ lässt beide Deutungen zu. Die am Ende des Absatzes verwendete Formulierung „bei dem späteren Termin“ weist auf eine Feststellung hin, die allerdings insoweit dem Tatbestand widerspricht, als dort auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen wird und der Beklagte diesen Termin dort und bei seiner Parteivernehmung, auf die der Tatbestand des Urteils ebenfalls verweist, bestritten hat.
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b) Darauf kommt es jedoch nicht an, da den Beklagten - sollte der Termin Ende Oktober 1980 stattgefunden haben - keine Verpflichtung traf, in diesem Termin von sich aus nach der Entfernung des Fadens zu fragen. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen (Urteil S. 4 f.). Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass die Klägerin selbst in den Schreiben vom 20.10.1980 angekündigt hat, einen neuen Termin beim Beklagten zu vereinbaren, weil die Verletzung mit nachfolgender Eiterung an der rechten Schläfe immer noch sichtbar sei (I 123). Die Klägerin behauptet auch selbst nicht, in dem Termin Ende Oktober 1980 den Beklagten auf die Narbenkorrektur im Bereich des Oberbauchs angesprochen zu haben. Dann aber hatte der Beklagte keinerlei Anlass, seinen im Juli 1980 nach Abschluss der Behandlung gegebenen therapeutischen Hinweis (s. 1.) auf das Ziehen der Fäden nochmals zu wiederholen. Denn nach dem von ihm angegebenen Zeitraum von vier bis acht Wochen hätte die Entfernung der Fäden spätestens Ende September und somit ca. einen Monat vor dem angeblichen Termin im Oktober erfolgt sein müssen. Ohne irgendwelche Anhaltspunkte musste der Beklagte auch anlässlich der nochmaligen Vorstellung der Beklagten wegen einer anderen Verletzung nicht damit rechnen, dass die Entfernung des Nahtmaterials von der Beklagten nicht veranlasst worden war.
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c) Entgegen der Auffassung der Klägerin war das Unterlassen eines solchen Hinweises auch kein Verstoß gegen die gebotene Risiko- oder Verlaufsaufklärung, die die Narbenkorrektur zum rechtswidrigen Eingriff werden ließe. Zum einen ist dies bereits aufgrund der zeitlichen Abfolge denknotwendig ausgeschlossen. Zum anderen wäre ein solches Risiko - soweit die Klägerin meinen sollte, sie hätte vor der Narbenkorrektur über etwaige Risiken bei Belassen des Nahtmaterials in der Wunde aufgeklärt werden müssen - nicht aufklärungspflichtig. Stellt sich das Belassen des Nahtmaterials bzw. ein fehlender Hinweis auf die Notwendigkeit der Entfernung als Behandlungsfehler dar, so ist über ihn und seine Konsequenzen von vornherein nicht aufzuklären (BGH NJW 1985, 2193; vgl. auch BGH NJW 1995, 779, 781 a. E.). Der Beklagte erfüllte seine Pflicht aus dem Behandlungsvertrag zur therapeutischen Aufklärung (nur diese ist hier von Bedeutung) mit dem Hinweis darauf, dass der Faden gezogen werden musste. Versäumnisse in diesem Bereich begründen, wie ausgeführt, allein eine Haftung wegen fehlerhafter Behandlung (vgl. nur BGH NJW 1989, 2318 = BGHZ 107, 102). Der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Oldenburg (MedR 95, 326) lag ein vollständig anderer Sachverhalt zugrunde. Dort hat das Gericht die unterbliebene therapeutische (nicht Selbstbestimmungs-)Aufklärung über einen verbliebenen Fremdkörper als Körperverletzung durch Unterlassen beurteilt. Darum geht es hier jedoch nicht, da das Nahtmaterial zum Zeitpunkt der Belehrung zu Recht in der Wunde verblieb und später nach ausdrücklichem Hinweis entfernt werden sollte.
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3. Liegt demnach kein Behandlungsfehler vor, kommt es nicht mehr darauf an, ob der 1996 entfernte Faden aus der Operation durch den Beklagten im Jahre 1980 stammte.
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