Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 02. März 2006 - 2 UF 209/05

bei uns veröffentlicht am02.03.2006

Gründe

 
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs über Trennungsunterhalt in Anspruch.
Die Parteien sind seit Mai 2000 getrennt lebende Eheleute. Hinsichtlich des Trennungsunterhaltes schlossen sie am 26. März 2002 vor dem Amtsgericht Karlsruhe einen Vergleich, nach dem sich der Beklagte verpflichtete, an die Klägerin ab 1. April 2002 monatlich 103 EUR Trennungsunterhalt zu zahlen. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Abänderung des Vergleichs für die Zeit ab Oktober 2002 in Anspruch. In der Berufungsinstanz (während der Berufungserwiderungsfrist) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe am 22. November 2005 über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2006 den Berufungsantrag mit der Maßgabe verlesen, dass die Berufung im Hinblick auf die Unterbrechung nach § 240 ZPO nur hinsichtlich der Unterhaltsansprüche ab Dezember 2005 weiter verfolgt werde.
II.
Insolvenzforderungen sind nur die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 22. November 2005 bereits entstandenen und fällig gewordenen Trennungsunterhaltsansprüche (vgl. BGH FamRZ 2005, 608, 611). Ob eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO auch hinsichtlich der Trennungsunterhaltsansprüche für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, wird unterschiedlich beurteilt. Überwiegend wird angenommen, dass die Unterbrechung das gesamte Verfahren erfasst (BGH NJW 1966, 51; BGH MDR 2004, 711; MüKo/Feiber, ZPO 2. Aufl., § 240 Rdn. 19; Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl., § 240 Rdn. 11; Uhlenbruck, Insolvenzordnung 12. Aufl., § 85 Rdn. 9; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl., § 240 Rdn. 8). Teilweise wird angenommen, dass keine Unterbrechung eingetreten ist, soweit das Verfahren Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft (OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 821, 822). Dies braucht indessen vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden. Soweit davon ausgegangen wird, dass das gesamte Verfahren unterbrochen ist, ist weiter davon auszugehen, dass die Klägerin durch die Änderung ihres Berufungsantrags in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2006 jedenfalls das Verfahren hinsichtlich der Trennungsunterhaltsansprüche für die Zeit ab Dezember 2005 (konkludent) - trotz § 250 ZPO auch formwirksam (vgl. BGHZ 50, 397, 399/400; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 250 ZPO Rdn. 4) - wieder aufgenommen hat. Da die Klägerin als Gläubigerin nach § 86 InsO sogar gewisse Verfahren, die die Insolvenzmasse betreffen wieder aufnehmen kann, kann sie erst recht Verfahren aufnehmen, die - wie hier nach § 40 InsO - keine Insolvenzforderungen betreffen (so im Ergebnis - "ohne weiteres berechtigt" - auch BGH NJW 1966, 51).
Soweit danach Trennungsunterhaltsforderungen ab Dezember 2005 Gegenstand des Rechtsstreits sind, kam ein Teilurteil nach § 301 ZPO wegen der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen in Teil- und Schlussurteil nicht in Betracht (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 301 ZPO Rdn. 7 m.w.N.). Beide Parteien sind zwischenzeitlich (seit 2003 bzw. 2004) arbeitslos, so dass sowohl für den Zeitraum Oktober 2002 bis November 2005 als auch ab Dezember 2005 von Bedeutung sein wird, ob und ggf. in welchem Umfang den Parteien fiktive Einkünfte zuzurechnen sind.
Andererseits erscheint es dem Senat angemessen, das Verfahren hinsichtlich der vom Insolvenzverfahren nicht erfassten Trennungsunterhaltsansprüche (also der Unterhaltsansprüche ab Dezember 2005) unverzüglich fortzuführen und zu diesem Zweck gemäß § 145 ZPO abzutrennen. Ansonsten würde das Verfahren wegen der Unzulässigkeit eines Teilurteils auch wegen dieser vom Insolvenzverfahren nicht erfassten Ansprüche während des Insolvenzverfahrens praktisch ruhen. Es ist der Klägerin aber nach Auffassung des Senats nicht zuzumuten, hinsichtlich ihrer Trennungsunterhaltsansprüche ab Dezember 2005 - die sie nach § 40 InsO nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend machen kann - die Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens abzuwarten, das vor allem wegen durchzuführender (anderweitiger) Klageverfahren nach §§ 179 f InsO bis zur Beendigung bzw. Aufhebung nach §§ 200 Abs. 1, 289 Abs. 2 Satz 2 InsO länger dauern kann. Der Senat erachtet daher insoweit eine Abtrennung des Verfahrens nach § 145 ZPO für geboten. Zwar wird dadurch die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht ausgeräumt. Indessen berührt diese Widersprechensgefahr die Zulässigkeit der Verfahrenstrennung nicht. Denn die Zulässigkeit der Trennung nach § 145 ZPO unterliegt nicht den gleichen Einschränkungen wie die Zulässigkeit eines Teilurteils nach § 301 ZPO (vgl. BGH NJW 2003, 2386, 2387).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 02. März 2006 - 2 UF 209/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 02. März 2006 - 2 UF 209/05

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 02. März 2006 - 2 UF 209/05 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 240 Unterbrechung durch Insolvenzverfahren


Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Zivilprozessordnung - ZPO | § 145 Prozesstrennung


(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen. (2) Das Gl

Insolvenzordnung - InsO | § 86 Aufnahme bestimmter Passivprozesse


(1) Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, können sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie betreffen: 1. die Aussonderung eines Gegenstands aus

Insolvenzordnung - InsO | § 200 Aufhebung des Insolvenzverfahrens


(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 250 Form von Aufnahme und Anzeige


Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

Insolvenzordnung - InsO | § 40 Unterhaltsansprüche


Familienrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner können im Insolvenzverfahren für die Zeit nach der Eröffnung nur geltend gemacht werden, soweit der Schuldner als Erbe des Verpflichteten haftet. § 100 bleibt unberührt.

Referenzen

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

(1) Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, können sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie betreffen:

1.
die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse,
2.
die abgesonderte Befriedigung oder
3.
eine Masseverbindlichkeit.

(2) Erkennt der Verwalter den Anspruch sofort an, so kann der Gegner einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rechtsstreits nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.

Familienrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner können im Insolvenzverfahren für die Zeit nach der Eröffnung nur geltend gemacht werden, soweit der Schuldner als Erbe des Verpflichteten haftet. § 100 bleibt unberührt.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.

Familienrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner können im Insolvenzverfahren für die Zeit nach der Eröffnung nur geltend gemacht werden, soweit der Schuldner als Erbe des Verpflichteten haftet. § 100 bleibt unberührt.

(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

(2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.