Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 29. Juli 2004 - 19 U 94/04

published on 29/07/2004 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 29. Juli 2004 - 19 U 94/04
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Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 06.04.2004 - 6 O 448/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat zu Recht die Haftung des Beklagten gemäß den §§ 823 Abs. 1 BGB, 15 Ziff. 2 AKB, 61 VVG gegenüber der Klägerin bejaht.
Die unterlassene Beweiserhebung über die streitigen Behauptungen der Klägerin, der Beklagte verfüge über die Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse 2 und er habe berufsbezogen Erfahrung im Führen von Lastkraftwagen stellt keinen Verfahrensfehler dar, da das Landgericht auch ohne Feststellung dieser streitigen Behauptungen zutreffend zur Bewertung des Verhaltens des Beklagten als grob fahrlässig kam. Ein ausdrücklicher Hinweis vor der abschließenden Entscheidung, dass eine Beweiserhebung unterbleiben werde, war nicht erforderlich, da auch nach dem Vortrag des Beklagten das erstinstanzliche Gericht eine Beweisaufnahme lediglich erwogen hat, somit auch anstatt eines zu verkündenden Beweisbeschlusses eine andere Entscheidungsform in Betracht kam.
Das Landgericht hat zu Recht ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten angenommen.
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne der §§ 61 VVG, 15 Ziff. 2 AKB setzt objektiv einen besonders groben, über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Verstoß gegen Sorgfalts- und Verkehrspflichten und subjektiv ein in besonderer Weise vorwerfbares Verhalten, also ein beträchtliches und erhebliches schuldhaftes Versagen gegen die zu stellenden Anforderungen an die Achtsamkeit und Sorgfalt voraus (Senat OLGR Karlsruhe 2002, 189 f m.w.N.; OLG Karlsruhe VersR 93, 1096; VersR 92, 1507 f; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 AKB Rdn. 75 m.w.N.). Die Beweislast für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit trifft die Klägerin.
Objektiv grob fehlerhaft und verkehrswidrig verhält sich ein Verkehrsteilnehmer, der - wie der Beklagte - mit einem deutlich die Durchfahrtshöhe überragenden LKW (Differenz: 75 cm) unter einer Brücke durchfährt, auf deren lichte Höhe in einem Abstand von 100 m und direkt vor der Brücke durch Zeichen 265 zu § 41 StVO sowie durch einen an der Unterkante der Brücke von weitem bereits sichtbaren Längsanstrich in rot-weißer Farbe hingewiesen wurde. Aus der aus den Lichtbildern zum Schadensgutachten erkennbaren erhöhten Sitzposition des Fahrers des beschädigten LKWs hätte es sich einem durchschnittlichen Fahrer bei der vom Beklagten behaupteten gefahrenen Geschwindigkeit von 30 km/h ohne weiteres aufdrängen müssen, dass jedenfalls der das Fahrerhaus überragende Kofferaufbau die Unterkante der Brücke bei weitem überragt. Dies gilt umso mehr, da nach dem Schadensgutachten nicht nur der Kofferaufbau, sondern auch der auf dem Fahrerhaus befindliche, höhenmäßig die Oberkante des Kofferaufbaus nicht erreichende Dachspoiler ebenfalls beschädigt wurde, so dass der LKW-Fahrer der sich bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h langsam nähernden Gefahr deutlich bewusst werden musste. Daher ist die Schadensherbeiführung im konkreten Fall objektiv aus grober Unachtsamkeit herbeigeführt worden, auch weil von dem Führer eines LKWs verlangt werden muss, dass er die Maße seines Fahrzeugs kennt und vor dem Durchfahren von Brücken auf entsprechende Beschilderungen besonders achtet. Dass der Beklagte durch Gefahrensituationen entschuldbar abgelenkt war, hat er nicht vorgetragen. Allein die von ihm vorgebrachten Tatsachen, dass sich auf der rechten Seite ein Gehweg befand und links vor der Brücke aus einem Parkplatz ein PKW ausfahren wollte, durfte und konnte einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer nicht so vom Verkehrsgeschehen ablenken, dass er die Hinweise auf die herannahende Gefahr übersehen konnte. Denn eine kritische Verkehrssituation, die die besondere Aufmerksamkeit des Beklagten hätte auf sich ziehen müssen, ist nicht vorgetragen und nicht erkennbar.
Aus diesen Umständen folgt auch das subjektiv gesteigerte Verschulden des Beklagten. Dabei kann, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, dahingestellt bleiben, ob der Beklagte Erfahrung im Umgang mit LKWs hatte und über die Fahrerlaubnis der Klasse 2 verfügt. Denn von ihm als erfahrenem Kraftfahrer - er wird von seinem Arbeitgeber im Außendienst zu Transporten von Bäckereibedarfsartikeln eingesetzt - ist zu verlangen, dass er sich vor Fahrtantritt mit einem von ihm selten benutzten LKW über dessen Maße kundig macht und vor Brückendurchfahrten auf Gefahrenhinweise besonders achtet und sein Fahrverhalten darauf einstellt. Wenn der Beklagte vorträgt, es sei ihm zum Unfallzeitpunkt nicht bewusst gewesen bzw. er habe es vergessen gehabt, mit einem LKW zu fahren, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Denn zum einen hätte sich ihm angesichts der auch im Vergleich zu dem von ihm üblicherweise gefahrenen Kastenwagen deutlich spürbar erhöhten Sitzposition im LKW die herannahende Gefahr aufdrängen müssen, zumal die durchfahrene Brücke erst in einer zweiten, markierten Stufe deutlich erkennbar ihre gefahrbringende niedrige Höhe erreicht. Zum anderen zeigt das „Vergessen“ des Führens eines LKWs die erhöhte Unachtsamkeit auf, mit der der Beklagte in der konkreten Situation sein Fahrzeug führte. Das Vorbringen des Beklagten dahingehend, dass das Lenken des fraglichen LKWs sich von demjenigen eines PKWs nicht wesentlich unterscheide, vermag der Senat nicht zu teilen. Unabhängig vom Fahrverhalten des LKWs lassen allein die räumlichen Verhältnisse in dessen Führerhaus den Eindruck nicht entstehen, der Beklagte befinde sich in einem PKW-Kombi oder „seinem“ Kastenwagen, zumal sich der Beklagte umso mehr der Tatsache gewärtig sein musste, einen LKW (bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 to) zu lenken, weil er nach seinem eigenen Vorbringen dieses Fahrzeug während einem Zeitraum von mehreren Jahren erst viermal gefahren hat und sich darauf beruft, im Umgang mit Lastkraftwagen keine Erfahrung zu besitzen.
Der grobe Sorgfaltsverstoß des Beklagten wird auch nicht durch das Vorliegen eines Augenblicksversagens entkräftet (BGH VersR 89, 582; VersR 92, 1085). Die Schuld wird dann gemindert, wenn dem Verkehrsteilnehmer sein Fehlverhalten bei einer seine Konzentration erfordernden Dauertätigkeit aus einem Augenblicksversagen heraus gleichsam als „Ausrutscher“ unterläuft, es sich somit um ein bei der menschlichen Unzulänglichkeit typisches einmaliges Versagen handelt. Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Denn die gravierende Unaufmerksamkeit des Beklagten setzte nicht erst unmittelbar vor Erreichen der Brücke ein, sondern begann spätestens 100 m davor, wo das erste Hinweisschild auf die Durchfahrtshöhe stand und er in der Folge sämtliche weiteren Gefahrenhinweise missachtete.
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Die Besonderheiten, die der Entscheidung des OLG Rostock (VersR 04, 475) zugrunde lagen, sind vorliegend nicht gegeben. Dort besaß der Fahrer keinerlei Erfahrung im Umgang mit Lastkraftwagen, war ortsunkundig und befand sich zudem in einer Stresssituation, als er einem Radfahrer ausweichen musste, was dazu führte, dass er unter der dortigen Brücke an einer Stelle hindurchfahren musste, wo die Durchfahrtshöhe zu gering war. Im vorliegenden Falle war der Beklagte ortskundig, er war nicht in seiner Aufmerksamkeit verkehrsbedingt vom Verkehrsgeschehen abgelenkt und fuhr im Übrigen zum vierten Mal dem beschädigten LKW.
11 
Ob dem Beklagten gegenüber seinem Arbeitgeber, der unstreitig nicht Halter und Eigentümer des beschädigten LKWs ist, Freistellungsansprüche zustehen, berührt Haftpflichtansprüche außerhalb des Betriebsorganismus stehender Dritter nicht (BGHZ 108, 305 ff.).
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
13 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, bestand nicht.
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
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published on 08/04/2016 00:00

Tenor 1. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 12.353,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Die Gerichtskosten u
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Annotations

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.

(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.

(2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen angegeben. Andere Zusatzzeichen enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Die besonderen Zusatzzeichen zu den Zeichen 283, 286, 277, 290.1 und 290.2 können etwas anderes bestimmen, zum Beispiel den Geltungsbereich erweitern.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.