Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Mai 2006 - 1 AK 25/05

bei uns veröffentlicht am16.05.2006

Tenor

1. Die Auslieferung des Verfolgten nach Mazedonien aufgrund des Auslieferungsersuchens der mazedonischen Justizbehörden vom 29. Juni 2005 wird für zulässig erklärt.

2. Die Auslieferungshaft hat fortzudauern.

Gründe

 
I.
Der sich seit 09.06.2005 in Auslieferungshaft befindliche Verfolgte wurde durch Urteil des Amtsgerichts T./Mazedonien vom 20.03.2003 wegen Mordes nach Art. 123 Abs. 1 des mazedonischen Strafgesetzbuches in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, weil er nach den dort getroffenen Feststellungen am 20.05.2000 gegen 13 Uhr in T. den A. mit einer Pistole erschossen hatte. Der Verfolgte hat gegen seine Auslieferung Einwendungen erhoben und durch seinen Rechtsbeistand vorgetragen, von den gegen ihn geführten Ermittlungen der mazedonischen Justizbehörden und dem Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht in T. am 20.03.2003 keine Kenntnis gehabt zu haben. Von seiner Verurteilung habe er erst am 22.03.2003 oder kurz danach aus einem Bericht in der in albanischer Sprache erscheinenden Zeitung „Bota Sot“ erfahren. Von der nach mazedonischem Recht bestehenden besonderen Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens binnen Jahresfrist seit Kenntniserlangung von der in Abwesenheit ergangenen Verurteilung habe er nicht gewusst.
Mit Beschlüssen vom 10.08.2005 und 23.11.2005 hat der Senat eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für notwendig erachtet und die mazedonischen Justizbehörden um Vorlage weiterer Auslieferungsunterlagen ersucht. Auf die insoweit eingegangenen ergänzenden Erklärungen vom 27.09.2005 und 13.01.2006 wird verwiesen. Weiterhin hat der Senat die Ausländerakten der Stadt O. bezüglich des Verfolgten, die diesen betreffenden Strafakten der Staatsanwaltschaft H., weitere Ausländerakten und die vom Verfolgten benannten Ausgaben der Zeitschrift „Bota Sot“ beigezogen. Außerdem hat der Senat am 25.04.2006 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und den Verfolgten unter Gewährung rechtlichen Gehörs auch zu den verwerteten Unterlagen persönlich zu dem Auslieferungsersuchen der mazedonischen Justizbehörden angehört sowie dessen Ehefrau FX. in diesem Termin als Zeugin vernommen.
II.
Die Auslieferung des Verfolgten nach Mazedonien ist zulässig.
1. Der Senat nimmt insoweit zunächst Bezug auf die Gründe seines Beschlusses vom 18.07.2005, die in vollem Umfang fortgelten. Nach abschließender Beurteilung ist die Auslieferung des Verfolgten nach Mazedonien gemäß dem Auslieferungsersuchen vom 29.06.2005 in Verbindung mit dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts T. vom 20.03.2003 sowie der Festnahmeanordnung dieses Gerichts vom gleichen Tage zulässig.
2. Ein Hindernis steht der Auslieferung nicht entgegen (§ 73 IRG).
a. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland haben die deutschen Gerichte bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Auslieferungsersuchens grundsätzlich die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens eines ausländischen Strafurteils, zu dessen Vollstreckung der Verfolgte ausgeliefert werden soll, nicht nachzuprüfen. Findet jedoch eine Strafverhandlung in Abwesenheit eines Verfolgten statt, so besteht die Pflicht zu untersuchen, ob die begehrte Auslieferung mit dem nach Art. 25 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG) verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungs-rechtlichen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist. Nach deutschem Verfassungsrecht gehört es zu den elementaren Anforderungen des Rechtsstaats, die insbesondere im Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) Ausprägung gefunden haben, dass niemand zum bloßen Gegenstand eines ihn betreffenden staatlichen Verfahrens gemacht werden darf. Daraus ergibt sich für das Strafverfahren das zwingende Gebot, dass ein Verfolgter im Rahmen der von der Verfahrensordnung des ausländischen Staates aufgestellten angemessenen Regeln die Möglichkeit haben und auch tatsächlich nutzen können muss, auf das Verfahren einzuwirken, sich persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, entlastende Umstände vorzutragen sowie deren umfassende und erschöpfende Nachprüfung und gegebenenfalls auch Berücksichtigung zu erreichen. Danach ist die Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen, in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils insbesondere dann unzulässig, wenn der Verfolgte weder über die Tatsache der Durchführung und des Abschlusses des ihn betreffenden Verfahrens in irgendeiner Weise unterrichtet war, noch ihm die Möglichkeit eröffnet ist, sich nach Erlangung dieser Kenntnis nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich wirksam zu verteidigen (BVerfG NJW 1991, 1411 f.; dass. NStZ 2006, 102 ff.; BGH 47, 120 ff.; Senat wistra 2004, 199 f.). Dabei hängt die Beantwortung der Frage der Zulässigkeit der Auslieferung zur Vollstreckung eines Abwesenheitsurteils entscheidend von den konkreten Umständen des Einzelfalles und davon ab, ob und in welchem Umfang die in einem bestimmten Abwesenheitsverfahren ergangene Verurteilung gegen übergeordnete rechtsstaatliche Grundsätze verstößt. Hatte der Verfolgte mangels konkreter Kenntnis von der Durchführung des gegen ihn gerichteten ausländischen Strafverfahrens und anstehender Hauptverhandlungstermine nicht die Möglichkeit rechtlichen Gehörs und der Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte und wurde er in Abwesenheit verurteilt, so liegt ein durchgreifender rechtlicher Mangel vor, welcher - von der Möglichkeit der Heilung durch ein neues Verfahren abgesehen - eine Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung eines Abwesenheitsurteils unzulässig macht.
b. Für einen Verfolgten, welcher sich jedoch einem ausländischen Strafverfahren willentlich entzieht und der Hauptverhandlung bewusst fernbleibt, besteht im Auslieferungsverfahren ein solcher weitgehender Rechtsschutz nicht (Senat a.a.O.; Schomburg/Lagodny, IRG, 3. Aufl. 1998, § 73 Rn. 78). So liegt ein Verstoß gegen völkerrechtliche Mindeststandards jedenfalls dann nicht vor, wenn der Betroffene von dem gegen ihn anhängigen Verfahren in Kenntnis gesetzt worden ist, sich ihm durch Flucht entzogen hat und im Verfahren von einem ordnungsgemäß bestellten Pflichtverteidiger unter Beachtung rechtsstaatlicher Mindestanforderungen verteidigt werden konnte (BVerfG NJW 1991, 1414 f.; dass. NJW 1987, 830; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996,30; dass. NStZ 1987, 466 f.; dass. StV 1999, 271; Schomburg/Lagodny, a.a.O.).
Gleiches gilt dann, wenn der Verfolgte in Kenntnis vom Hauptverhandlungstermin bewusst auf eine Teilnahme hieran verzichtet und für ihn die Möglichkeit der Wahrnehmung rechtlichen Gehörs vor Gericht, etwa durch Beauftragung eines Anwaltes oder Kontaktaufnahme mit einem bestellten Verteidiger, bestanden hat (vgl. Schomburg/Lagodny, a.a.O., § 73 Rn. 80 ff.; Grützner/ Pötz-Vogel, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl., IRG § 73 Rn. 87). So genießt etwa derjenige keinen Schutz vor Auslieferung, der einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung vor Gericht beauftragt, dem ihm bekanten Hauptverhandlungstermin aber bewusst fernbleibt, weil er dort seine Inhaftierung befürchtet (vgl. Senat, Beschluss vom 20.01.2006, 1 AK 45/05). Diese Grundsätze haben auch Eingang in den Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 13.06.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gefunden. Nach den dort getroffenen Vereinbarungen kann der ersuchte Mitgliedstaat, wenn der Europäische Haftbefehl zur Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel ausgestellt wurde, welche in einem Abwesenheitsurteil verhängt worden ist, und die Person nicht persönlich vorgeladen oder auf andere Weise vom Termin und Ort der Verhandlung, die zum Abwesenheitsurteil geführt hat, unterrichtet wurde, die Überstellung von der Zusicherung abhängig machen, dass der Betroffene eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen kann (Art. 5 Nr. 1 RbEuHb). Eine entsprechende Regelung hatte der deutsche Gesetzgeber auch in das zwischenzeitlich vom BVerfG mit Urteil vom 18.07.2005 (vgl. BVerfG NJW 2005, 2289 ff.) für nichtig erklärte Europäische Haftbefehlsgesetz vom 21.07.2004 aufgenommen (§ 83 Nr. 3 IRG), und eine entsprechende Fassung sieht auch der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 07.02.2006 für ein neues Europäisches Haftbefehlsgesetz vor (vgl. BT-Drs. 16/544, Seiten 11/12).
c. Von einer solche Sachverhaltsgestaltung ist vorliegend auszugehen. Der Senat ist nach den Mitteilungen der mazedonischen Justizbehörden, der eigenen Einlassung des Verfolgten, soweit ihr geglaubt werden konnte, und nach durchgeführter Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Verfolgte sichere Kenntnis (vgl. hierzu Senat StV 2004, 547 ff.) von dem Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht in T. am 20.03.2003 hatte, sich bewusst für ein Fernbleiben entschieden und für ihn zudem die Möglichkeit der Einwirkung auf den Prozessverlauf bestanden hat.
10 
3. Allerdings ergab sich in tatsächlicher Hinsicht diese Erkenntnis nicht bereits aus den Mitteilungen der mazedonischen Justizbehörden vom 27.09.2005 und 13.01.2006, welche auf die Aufklärungsersuchen des Senates vom 10.08.2005 und 23.11.2005 eingegangen sind. Auf ein Wissen des Verfolgten vom Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in T. ließ sich hieraus nicht schließen, vielmehr soll sich der Verfolgte danach in den Jahren 2001 und 2002 in Italien oder im Kosovo aufgehalten haben, weshalb er von den mazedonischen Justizbehörden für amtliche Benachrichtigungen als unerreichbar angesehen wurde. Der Erklärung vom 27.09.2005 war jedoch in Übereinstimmung mit der eigenen Einlassung des Verfolgten durch seinen Rechtsbeistand zu entnehmen, dass der Verfolgte im Verfahren vor dem Amtsgericht T. und in der dortigen Hauptverhandlung am 20.03.2003 durch einen von seinem Vater beauftragten und bevollmächtigten Verteidiger, Rechtsanwalt M. aus T., vertreten worden war.
11 
In Anbetracht dieses Umstandes durfte sich der Senat mit der Einlassung des Verfolgten, vom Termin zur Hauptverhandlung keine Kenntnis gehabt zu haben, nicht ohne weiteres zufrieden geben, vielmehr gebot der im Auslieferungsverfahren herrschende Amtsermittlungsgrundsatz über die Erklärungen des ersuchenden Staates hinaus eine Überprüfung dieser Angaben auf ihre Wahrhaftigkeit (§ 30 Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 IRG). Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass im Auslieferungsverfahren den Verfolgten keine Beweislast trifft und der Grundsatz „in dubio pro reo“ zwar nicht unmittelbar gilt, jedoch Zweifel am tatsächlichen Bestehen eines Auslieferungshindernisses grundsätzlich zu Lasten des ersuchenden Staates gehen (vgl. Grützner/Pötz-Vogel, a.a.O, IRG, § 73 Rn. 124; BVerfGE 64, 46 ff, 59; Senat NStZ-RR 2004, 345 ff.). Solche Zweifel hegt der Senat indes nicht, vielmehr beruht seine Überzeugung um das vorherige sichere Wissen des Verfolgten von dem Hauptverhandlungstermin nach durchgeführter Beweisaufnahme auf folgenden Gründen:
12 
(wird ausgeführt)
13 
4. Da für den Verfolgten sonach die Möglichkeit der persönlichen Anwesenheit in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in T. und der Einflussnahme hierauf durch Kontaktaufnahme mit dem von seinem Vater beauftragten Rechtsanwalt bestanden hat, ist der ihm nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und den völkerrechtlichen Mindeststandards gewährte Anspruch auf Wahrung rechtlichen Gehörs durch die mazedonischen Justizbehörden trotz des ergangenen Abwesenheitsurteil im Ergebnis nicht verletzt worden. Auf die Frage, ob ihm nach der mazedonischen Strafprozessordnung gleichwohl noch ein Rechtsbehelf zur Wiederaufnahme des Verfahrens zusteht, kommt es deshalb nicht an. Auch der Vorlage einer entsprechende Zusicherung der mazedonischen Justizbehörden nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen bedarf es nicht.
III.
14 
Die Auslieferungshaft hat fortzudauern (§ 26 IRG). Es besteht auch weiterhin die erhebliche, anderweitig nicht abwendbare Gefahr, dass der Verfolgte ohne Anordnung von Haft versuchen würde, sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung zu entziehen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Mai 2006 - 1 AK 25/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Mai 2006 - 1 AK 25/05

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Mai 2006 - 1 AK 25/05 zitiert 7 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 73 Grenze der Rechtshilfe


Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leis

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 83 Ergänzende Zulässigkeitsvoraussetzungen


(1) Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn 1. der Verfolgte wegen derselben Tat, die dem Ersuchen zugrunde liegt, bereits von einem anderen Mitgliedstaat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sankti

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 30 Vorbereitung der Entscheidung


(1) Reichen die Auslieferungsunterlagen zur Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung nicht aus, so entscheidet das Oberlandesgericht erst, wenn dem ersuchenden Staat Gelegenheit gegeben worden ist, ergänzende Unterlagen beizubringen. Für ihre Be

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 26 Haftprüfung


(1) Befindet sich der Verfolgte in Auslieferungshaft, so entscheidet das Oberlandesgericht über deren Fortdauer, wenn der Verfolgte seit dem Tag der Ergreifung, der vorläufigen Festnahme oder der letzten Entscheidung über die Fortdauer der Haft insge

Referenzen

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn

1.
der Verfolgte wegen derselben Tat, die dem Ersuchen zugrunde liegt, bereits von einem anderen Mitgliedstaat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann,
2.
der Verfolgte zur Tatzeit nach § 19 des Strafgesetzbuchs schuldunfähig war oder
3.
bei Ersuchen zum Zweck der Strafvollstreckung die verurteilte Person zu der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen ist oder
4.
die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer sonstigen lebenslangen freiheitsentziehenden Sanktion bedroht ist oder der Verfolgte zu einer solchen Strafe verurteilt worden war und eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe oder Sanktion auf Antrag oder von Amts wegen nicht spätestens nach 20 Jahren erfolgt.

(2) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 jedoch zulässig, wenn

1.
die verurteilte Person
a)
rechtzeitig
aa)
persönlich zu der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, geladen wurde oder
bb)
auf andere Weise tatsächlich offiziell von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, in Kenntnis gesetzt wurde, sodass zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass die verurteilte Person von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte, und
b)
dabei darauf hingewiesen wurde, dass ein Urteil auch in ihrer Abwesenheit ergehen kann,
2.
die verurteilte Person in Kenntnis des gegen sie gerichteten Verfahrens, an dem ein Verteidiger beteiligt war, eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat oder
3.
die verurteilte Person in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen Verteidiger bevollmächtigt hat, sie in der Verhandlung zu verteidigen, und sie durch diesen in der Verhandlung tatsächlich verteidigt wurde.

(3) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 auch zulässig, wenn die verurteilte Person nach Zustellung des Urteils

1.
ausdrücklich erklärt hat, das ergangene Urteil nicht anzufechten, oder
2.
innerhalb geltender Fristen keine Wiederaufnahme des Verfahrens oder kein Berufungsverfahren beantragt hat.
Die verurteilte Person muss zuvor ausdrücklich über ihr Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren, an dem sie teilnehmen kann und bei dem der Sachverhalt, einschließlich neuer Beweismittel, erneut geprüft und das ursprüngliche Urteil aufgehoben werden kann, belehrt worden sein.

(4) Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 ferner zulässig, wenn der verurteilten Person unverzüglich nach ihrer Übergabe an den ersuchenden Mitgliedstaat das Urteil persönlich zugestellt werden wird und die verurteilte Person über ihr in Absatz 3 Satz 2 genanntes Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder ein Berufungsverfahren sowie über die hierfür geltenden Fristen belehrt werden wird.

(1) Reichen die Auslieferungsunterlagen zur Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung nicht aus, so entscheidet das Oberlandesgericht erst, wenn dem ersuchenden Staat Gelegenheit gegeben worden ist, ergänzende Unterlagen beizubringen. Für ihre Beibringung kann eine Frist gesetzt werden.

(2) Das Oberlandesgericht kann den Verfolgten vernehmen. Es kann sonstige Beweise über die Zulässigkeit der Auslieferung erheben. Im Fall des § 10 Abs. 2 erstreckt sich die Beweiserhebung über die Zulässigkeit der Auslieferung auch darauf, ob der Verfolgte der ihm zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig erscheint. Art und Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Oberlandesgericht, ohne durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.

(3) Das Oberlandesgericht kann eine mündliche Verhandlung durchführen.

(1) Befindet sich der Verfolgte in Auslieferungshaft, so entscheidet das Oberlandesgericht über deren Fortdauer, wenn der Verfolgte seit dem Tag der Ergreifung, der vorläufigen Festnahme oder der letzten Entscheidung über die Fortdauer der Haft insgesamt zwei Monate zum Zweck der Auslieferung in Haft ist. Die Haftprüfung wird jeweils nach zwei Monaten wiederholt. Das Oberlandesgericht kann anordnen, daß die Haftprüfung innerhalb einer kürzeren Frist vorgenommen wird.

(2) Befindet sich der Verfolgte in vorläufiger Auslieferungshaft oder in einstweiliger Unterbringung in einem Erziehungsheim (§ 71 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes), so gilt Absatz 1 entsprechend.