Oberlandesgericht Köln Urteil, 12. Dez. 2014 - 6 U 28/14
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.01.2014 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O 92/13 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs diätetische Lebensmittel zur Bereitung von Mahlzeitenersatz für eine gewichtskontrollierende Ernährung in der folgenden Aufmachung anzubieten oder in den Verkehr zu bringen:
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der dieser aus der in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Umsätze und ihren Gewinn zu erteilen, die durch Handlungen gemäß Ziffer 1. erzielt wurden.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin – unter Vorlage von Kopien der Rechnungen und Lieferscheine der Beklagten - Auskunft über die Mengen der ausgelieferten Produkte oder bestellten Produkte sowie über die Preise, die für die betreffenden Produkte bezahlt wurden, zu erteilen.
5.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.761,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2013 zu zahlen.
6.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte mit Ausnahme der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten; diese trägt die Nebenintervenientin selbst.
7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt
- hinsichtlich des Unterlassungsgebots 200.000,00 EUR
- hinsichtlich der Auskunft: 15.000,00 €
- im Übrigen 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren, für die vollstreckende Partei 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
8.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unlauterer Produktnachahmung in Anspruch und verlangt Unterlassung, Feststellung von Schadenersatz, Auskunft sowie Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten.
4Die Klägerin stellt diätetische Lebensmittel her, unter anderem das Produkt „Almased“. Dieses ist ein so genanntes Formula-Produkt, das im Rahmen von Formula-Diäten zum Einsatz kommt und zur Zubereitung von Mahlzeitenersatz im Rahmen von Reduktionsdiäten geeignet ist. „Almased“ wird seit den 1980er Jahren angeboten, insbesondere in einer 500g-Dose und seit mindestens zehn Jahren in kerngleicher Aufmachung wie nachfolgend wiedergegeben:
5 6Das Produkt „Almased“ ist Marktführer in dem Produktsegment der diätetischen Lebensmittel zum Mahlzeitenersatz mit einem Umsatz von 80 % in diesem Segment. Die Klägerin bewirbt das Produkt regelmäßig im Fernsehen mit verschiedenen Werbespots sowie in den Printmedien und hat in den letzten Jahren Millionenbeträge in dieser Werbung investiert; wegen der Einzelheiten von Art und Umfang der Werbemaßnahmen wird auf die Ausführungen in der Klageschrift Bezug genommen. Eine Werbefigur der Klägerin ist eine brünette Frau, die in verschiedenen Fernsehspots einen gelben Bikini trägt und die die Klägerin als ihr „Almased-Gesicht“ bezeichnet:
7 8 9Die Klägerin verfügt zur Frontseitengestaltung der Dose über eine Gemeinschaftsmarke wie aus der Anl. K8 zur Klageschrift ersichtlich, aus der sie ausdrücklich jedoch keine Ansprüche herleitet.
10Die Beklagte betreibt ein internationales Einzelhandelsunternehmen als Discounter- Kette. Ihre Preis- und Sortimentspolitik beruht auf dem Prinzip, Basisartikel des täglichen Bedarfs in aller Regel unter Eigenmarken zu günstigen Preisen zu vertreiben. Die Beklagte hat im Februar 2013 das Formula-Produkt „VITA-SED“, das mit der Angabe „Multinorm“ vertrieben wird, in der aus dem Tenor ersichtlichen Ausstattung angeboten und auf den Markt gebracht. Unter der Handelsmarke „Multinorm“ stellen verschiedene Hersteller verschiedene Produkte her, die über die Beklagte vertrieben werden. Das streitgegenständliche Produkt wird von der Streithelferin für die Beklagte produziert.
11Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl von Formula-Produkten zur Herstellung von Fertigdrinks. Hierzu gehören insbesondere die Produkte Multan, Beavita, Yokebe, Sedvital, Rossmann-Wellmix Diät-Vitalkost, dm-Diät Vitalkost u.a., wegen deren Ausstattungen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die von beiden Parteien zur Akte gereichten Ablichtungen aus dem Produktumfeld (Bl.5, 6, 212, 213, 227, 469, 470, 471 d.A.) Bezug genommen wird.
12Die Klägerin hat die Beklagte und die Streithelferin wegen des Vertriebes der „VITA-SED“-Dose mit inhaltsgleichen Schreiben vom 27.02.2013 abgemahnt. Die Streithelferin hat eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, die die Klägerin nach ergänzender Erklärung einer Kostenübernahmebereitschaft angenommen hat. Gegen die Beklagte hat die Klägerin eine einstweilige Verfügung der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln (Az. 31 O 96/13) erwirkt. Nachdem die Beklagte keine Abschlusserklärung abgegeben hat, hat die Klägerin das vorliegende Hauptsachenverfahren eingeleitet, in dem die Beklagte der Streithelferin den Streit verkündet hat und diese dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist.
13Die Antragstellerin hat Bewerbung und Vertrieb des „VITA-SED“-Produkts der Beklagten als unlautere Nachahmung ihrer „Almased“-Produktausstattung gemäß § 4 Nr. 9 a) und b) UWG beanstandet und ihren Unterlassungsanspruch ergänzend auf Nr. 13 der „Schwarzen Liste“ i.V.m. § 3 Abs. 3 UWG sowie § 5 Abs. 2 UWG gestützt.
14Sie hat beantragt,
151.
16die Beklagte unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen,
17es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs diätetische Lebensmittel zur Bereitung von Mahlzeitenersatz für eine gewichtskontrollierende Ernährung in der aus dem Tenor ersichtlichen Aufmachung anzubieten oder in den Verkehr zu bringen;
182.
19festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der dieser aus der in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;
203.
21die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die Umsätze und ihren Gewinn zu erteilen, die durch Handlungen gemäß Ziffer 1. erzielt wurden;
224.
23die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin – unter Vorlage von Kopien der Rechnungen und Lieferscheine der Beklagten - Auskunft über die Mengen der ausgelieferten Produkte oder bestellten Produkte sowie über die Preise, die für die betreffenden Produkte bezahlt wurden, zu erteilen;
245.
25die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.761,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
26Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Die Kammer für Handelssachen, an die der Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten verwiesen worden ist, hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.
29Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie beanstandet insbesondere, dass das angefochtene Urteil unzureichende Feststellungen zum Grad der wettbewerblichen Eigenart der Produktaufmachung der „ALMASED“-Dose enthalte, der im Hinblick auf die bestehende Wechselwirkung der maßgeblichen Umstände im Rahmen des § 4 Nr. 9 UWG nicht offen bleiben könne. Tatsächlich sei von einem erheblich gesteigerten Grad der wettbewerblichen Eigenart auszugehen, der auch dann nicht geschwächt wäre, wenn im wettbewerblichen Umfeld einzelne Elemente der eigenen Produktausstattung in abgewandelter Form verbreitet seien. Abgesehen davon, dass auch insoweit auf den Gesamteindruck abzustellen sei, habe die Beklagte nicht dargelegt, dass die bezeichneten Produkte aus dem wettbewerblichen Umfeld schon seit längerem auf dem Markt sind und welchen Bekanntheitsgrad oder Marktanteil sie haben. Die Prüfung des Vorliegens einer Nachahmung sei im angefochtenen Urteil rechtsfehlerhaft erfolgt, weil die gegenüberstehenden Produktaufmachungen durch das Landgericht direkt gegenübergestellt und im Detail miteinander verglichen worden seien. Auch seien bei der Bestimmung des Grades der Übereinstimmung der gegenüberstehenden Produktaufmachungen unzulässigerweise nur Elemente von Produktausstattungen aus dem wettbewerblichen Umfeld der Parteien in die Prüfung einbezogen worden. Die Herkunftstäuschung sei unter fehlerhafter Tatsachenfeststellung und unter Verstoß gegen materielles Recht verneint, eine Rufausbeutung erst gar nicht geprüft worden. Neben den bereits in erster Instanz genannten Anspruchsgrundlagen stützt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch nunmehr ergänzend auch auf § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 3 UWG und § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFBG.
30Die Beklagte und die Streithelferin beantragen Zurückweisung der Berufung und verteidigen das angefochtene Urteil. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen, nach dem die Produktaufmachungen der „Almased“-Dose und der „VITA-SED“-Dose im Gesamteindruck unähnlich seien und alle Gestaltungsmerkmale der „Almased“-Dose auf dem Markt vielfach aufträten; die „VITA-SED“-Dose lehne sich weniger an die Produktausstattung der Klägerin an als die Wettbewerbsprodukte. Die Beklagte und die Streithelferin behaupten, dass die von beiden Parteien in das Verfahren einbezogenen Produkte aus dem wettbewerblichen Umfeld nach wie vor auf dem Markt präsent seien; das Produkt „Multan“ lasse sich mindestens bis ins Jahr 2004 zurückverfolgen, „Beavita“ sei seit August 2013, „dm Diät Vitalkost“ sowie „Wellmix Vitalkost“ seien seit Oktober bzw. Juli 2011 und „Sedvital Slimsystem“ sei seit Anfang 2012 auf dem deutschen Markt; belastbare Zahlen zum Umfang des Vertriebes der Produkte seien nicht existent, aber auch nicht erforderlich.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zur Akte gereichten Originalprodukte der Parteien Bezug genommen.
32II.
33Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
341.
35Die Zivilkammer ist im Rahmen des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens ursprünglich rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass ein Unterlassungsanspruch besteht. Dieser ist begründet aus §§ 3, 4 Nr. 9 a), 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, jedenfalls auch aus § 4 Nr. 9 b) UWG.
36Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 21 – LIKEaBIKE; GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 951 Tz. 14 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Tz. 15 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2014, 25, 26f. – Kinderhochstuhl „Sit up“, jeweils m. w. N.).
37a.
38Die „Almased“-Dose der Klägerin weist eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart auf:
39Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren Gestaltung Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 19 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 1052 Tz. 18 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2013, 24, 25 – Gute Laune Drops, jeweils m. w. N.). Abzustellen ist dabei nicht auf einzelne Gestaltungsmerkmale, sondern auf den durch seine prägenden Merkmale hervorgerufenen Gesamteindruck des jeweiligen Produkts (BGH GRUR 2010, 80 Tz. 32 – LIKEaBIKE; Senat, WRP 2013, 1500 Tz. 9 – PANDAS).
40aa.
41Im Ansatz ist auch das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Produktgestaltung der „Almased“-Dose der Klägerin von Hause aus wettbewerbliche Eigenart aufweist, ohne jedoch den Grad der wettbewerblichen Eigenart hinreichend zu bestimmen. Dieser Grad bestimmt den Schutzumfang der Produktaufmachung und ist im Hinblick auf die bestehende Wechselwirkung mit der Art und Weise und Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen bedeutsam.
42Die „Almased“-Dose der Klägerin besitzt wettbewerbliche Eigenart aufgrund ihres Gesamteindrucks, der sich aus den einzelnen, vom Landgericht auf Seite 16 des angefochtenen Urteils zutreffend aufgeführten Gestaltungsmerkmalen zusammensetzt. Die Dose besitzt ein charakteristisches Design bestehend aus der Grundfarbe Gelb mit einem Farbverlauf nach oben heller werdend in Richtung Weiß, dem grünen Schriftzug „Almased“ mit einem darunter liegenden ebenfalls grünen Dreieck, der Kennzeichnung der angegebenen Inhaltsstoffe Soja, Joghurt und Honig durch drei ineinander verschlungene Pfeile in drei unterschiedlichen Farben, die jeweils einen Kreis bilden und insgesamt den Eindruck eines Dreiecks erwecken, einem roten Störer mit der Aufschrift „100 % Natur“ und schließlich der runden Dosenform in der Produktgröße 500g mit weißem Deckel. Die „Almased“-Dose stellt in ihrer konkreten Ausgestaltung kein Allerweltsprodukt dar, sondern ist in ihrer Gesamterscheinung auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb hinzuweisen geeignet. Die Ausformung und Kombination der vom Landgericht aufgezählten Designmerkmale verleiht dem Produkt ein individuelles Gesamterscheinungsbild, das aus Sicht des Verbrauchers den Rückschluss auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zulässt.
43bb.
44Eine Schwächung der mangels besonderer Originalität von Hause allerdings nur durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart durch das Umfeld ist nicht anzunehmen. Eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart käme nur in Betracht, wenn im Produktumfeld nicht nur einzelne Gestaltungselemente verwendet, sondern andere Produkte einen vergleichbaren Gesamteindruck aufweisen würden (vgl. Senat GRUR-RR 2014, 117, juris Tz. 16 m.w.N. - Knoppers).
45Bei der Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes obliegt es zunächst dem Anspruchsteller, die klagebegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, insbesondere also die Merkmale darzutun, aus denen sich die wettbewerbliche Eigenart ergibt. Stützt er sich auf eine dem Erzeugnis innewohnende Eigenart, wird häufig die Vorlage des Produkts ausreichen, für das der Nachahmungsschutz begehrt wird. Ist der Anspruchsteller insoweit seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen, ist es grundsätzlich Sache des Anspruchsgegners, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind (BGH, GRUR 1998, 477, 479 - Trachtenjanker; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.78). Insbesondere muss er dabei die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH, GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen; Senat GRUR-RR 2014, 25, 28 - Kinderhochstuhl "Sit-Up"; Senat Urteil v. 18.07.2014, Az. 6 U 4/14, zitiert nach juris, Rn, 46 ff – Freischwinger-Stuhl).
46Dazu ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden. Bei der Prüfung der "hinreichenden Bekanntheit" des nachgeahmten Produkts kann diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden (BGH, GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1188 Tz. 27 - Regalsystem; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rn. 9.41a).
47Der Vortrag der Beklagten und Streithelferin ist nach den aufgezeigten Maßstäben tatsächlich für alle Entgegenhaltungen unzureichend. Ansatzweise vorgetragen haben sie zur Marktpräsenz der - teilweise auch von der Klägerin in den Rechtsstreit eingeführten Produkte - erstmals in der Berufungserwiderung. Die Klägerin hat sich dazu in ihrer Replik vom 27.10.2014 mit Nichtwissen erklärt und den Vortrag im Übrigen als unzureichend und unerheblich gerügt.
48Zu dem Produkt „Beavita“ (Bl. 398 d.A.) hat die Beklagte vorgetragen, dieses sei seit August 2013 auf dem Markt. Die Klägerin verweist demgegenüber zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die im selben zeitlichen Rahmen oder – wie im Streitfall – sogar erst danach liegende Aufnahme des Vertriebs der Drittprodukte nicht zu einer Einschränkung der Annahme wettbewerblicher Eigenart zu Gunsten der klägerischen Ausstattung führt (vgl. BGH GRUR 1985, 876, juris Tz. 15 – Tchibo/Rolex). Im Übrigen fehlt es zu „Beavita“ an jedem Vortrag zur Marktbedeutung, Werbeaufwand und/oder Art und Umfang des Vertriebes.
49Zu dem Produkt „Multan“ (Bl. 399 d.A.) hat die Beklagte vorgetragen, dass sich seine Marktpräsenz bis in das Jahr 2004 zurückverfolgen lasse. Die Klägerin rügt dieses Vorbringen zu Recht als unsubstantiiert, da nicht ersichtlich ist, auf welche konkrete Aufmachung sich diese Zeitangabe bezieht. Eine von ihr durchgeführte Google-Recherche hat zumindest zwei abweichende Produktgestaltungen von „Multan“ ergeben. Im Übrigen weist die Ausstattung von „Multan“, auf die sich bereits die Klägerin erstinstanzlich bezogen hat, zwar die gleiche Form und eine ähnliche farbliche Gestaltung auf, weicht jedoch in einem für den maßgeblichen Gesamteindruck der „Almased“-Dose prägenden Gestaltungsmerkmal ab, indem die Inhaltsstoffe in natura auf einem Teller abgebildet sind und nicht stilisiert durch kreisförmig ineinander führende Pfeile wiedergegeben werden. Dadurch gewinnt die „Multan“-Dose insgesamt eine andere Gesamtanmutung.
50Auch zu dem ebenfalls bereits erstinstanzlich von der Klägerin eingeführten Produkt „Yokebe“ (Bl. 400 d.A.) hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte keine Angaben zu dessen Marktpräsenz gemacht. Jedenfalls weist dieses insbesondere aufgrund der überwiegend grünen Grundfarbe, aber auch aufgrund der gänzlich anders gestalteten, mittig platzierten Angabe der Inhaltsstoffe einen deutlich abweichenden Gesamteindruck auf.
51Gleiches gilt im Ergebnis für das Produkt „SedVital SlimSystem“ (Bl. 401). Bei diesem ist zunächst zu bemerken, dass es als Einziges im wettbewerblichen Umfeld – neben den Produkten der Parteien - in der Produktbezeichnung den Bestandteil „Sed“ aufweist. Soweit die Beklagte darlegt, es werde seit Anfang 2012 vertrieben, gilt das zu dem Produkt „Beavita“ Ausgeführte: Die Aufnahme des Vertriebs des Drittprodukts nur gut ein Jahr vor der Einführung des streitgegenständlichen Produkts der Beklagten führt nach den zitierten Rechtsprechungsgrundsätzen nicht zu einer Einschränkung der Annahme wettbewerbliche Eigenart der seit vielen Jahren vertriebenen klägerischen Ausstattung. Im Übrigen fehlt es auch hier an Vortrag zu einer hinreichenden Marktbedeutung des Produkts.
52Ob die über die Drogeriemärkte „Rossmann“ bzw. „dm“ vertriebenen Produkte „Wellmix Diät Vitalkost“ (Bl. 403 d.A.) bzw. „dm-Diät Vitalkost“ (Bl. 402 d.A.), deren Vertriebsbeginn von der Beklagten mit Juli 2011 bzw. Oktober 2011 angegeben wird, in einem nach der genannten Maßgabe bereits ausreichenden Zeitraum vertrieben worden sind, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Vertrieb über die bekannten Drogeriemärkte für die Annahme einer gewissen Marktpräsenz ausreicht. Jedenfalls sind beide Produkte in ihren maßgeblichen Grundelementen, etwa der Grundfarbe blau, der durch Sechsecke wiedergegebenen Inhaltsstoffe und des hälftig aus einem Foto bestehenden, geteilten Verpackungsaufbaus bei dem Produkt von „dm“, oder der in einer Schleife wiedergegebenen Inhaltsstoffe und der in roter Farbe abgesetzten Produktbezeichnung, die sich in der roten Farbe des Deckels wieder findet, bei dem Produkt von „Rossmann“ anders ausgestaltet bzw. mit anderen Ausstattungsmerkmalen kombiniert, woraus sich eine andere Gesamtanmutung ergibt. Entsprechendes gilt auch für das Produkt „Body Slim Vitalkost“ (Bl. 404), das schon aufgrund der ins Auge springenden Farbgebung Lila, aber auch des dreigeteilten Verpackungsaufbaus im Gesamteindruck erheblich abweicht.
53In der Berufungsinstanz stützt sich die Beklagte zusätzlich auf die Produkte „Sunlife Diätdrink Blance“ (Bl. 469), „Nutrimexx Diätdrink“ und „Alsiroyal Fatburner Diät-Drink“ (Bl. 470 d.A.), bei denen sich schon auf den ersten Blick kaum Übereinstimmungen mit „Almased“ feststellen lassen. Das Produkt Produkt “Optisterol“ (Bl. 471d.A.) weist zwar zumindest hinsichtlich der Grundfarbe gelb und der grünen Produktbezeichnung mit roter Unterschrift gewisse Übereinstimmung mit dem Produkt der Klägerin auf, auch dieses wird jedoch erst seit Anfang des Jahres 2014 vertrieben und ist damit sogar erst zeitgleich mit dem erstinstanzlichen Urteil in den Markt eingeführt worden. Es ist schon deshalb nicht geeignet, der Ausstattung der „Almased“-Dose die Hinweisfunktion zugunsten der Klägerin zu nehmen.
54cc.
55Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann schließlich aufgrund seiner hohen Bekanntheit gesteigert sein (BGH, GRUR 2012, 1155 = WRP 2012, 1379 Tz. 38 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1189 Tz. 27 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 = WRP 2013, 1339 Tz. 25 – Einkaufswagen III).
56Auch das Landgericht ist insoweit zutreffend von einer gesteigerten Bekanntheit infolge der unstreitigen Marktanteile und der intensiven Bewerbung des Produkts ausgegangen. „Almased“ wird seit mindestens zehn Jahren in kerngleicher Ausstattung vertrieben und ist mit großem Abstand Marktführer in dem Produktsegment der diätetischen Lebensmittel zu Mahlzeitenersatz mit einem Umsatz von 80 % in diesem Segment. Die Klägerin bewirbt das Produkt regelmäßig im Fernsehen mit verschiedenen Werbespots sowie in den Printmedien und hat in den letzten Jahren Millionenbeträge in dieser Werbung investiert. Der entsprechende, von der Beklagten im übrigen nicht bestrittene Vortrag zu Bekanntheit und Werbeaufwendungen wird bestätigt durch den als Anlage K 23 vorgelegten Artikel aus der Zeitung „Die Welt“ (Bl. 244 ff d.A.), in dem die Erfolgsgeschichte des Diätpulvers der Klägerin beschrieben wird. Diese Bekanntheit führt zu einer erheblichen Steigerung der originär durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart, die dementsprechend im Ergebnis schon als hoch angesehen werden kann.
57b.
58Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; GRUR 2009, 1069 Tz. 20 – Knoblauchwürste). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 34 – Handtaschen; GRUR 2010, 80 Tz 41 – LIKEaBIKE; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.43).
59Eine nahezu identische Übernahme ist gegeben, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (BGH, GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst I; GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Eine nachschaffende Übernahme liegt dagegen bereits vor, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist und sich nicht deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (vgl. BGH, GRUR 1992, 523, 524 – Betonsteinelemente; Senat, Urt. v. 18. 7. 2014 – 6 U 4/14; KG, GRUR-RR 2003, 84, 85 – Tatty Teddy; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275, 280 = juris Tz. 55; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.37).
60Vorliegend bestehen zwischen den Produktaufmachungen von „Almased“ und „VITA-SED“ so deutliche Ähnlichkeiten in den prägenden Gestaltungsmerkmalen beider Produktaufmachungen, dass von einer nachschaffenden Leistungsübernahme durch die Beklagte bzw. Streithelferin auszugehen ist, in der das Original der Klägerin als Vorbild erkennbar bleibt und die Beklagte sich nicht hinreichend von diesem absetzt (vgl. zu diesem Kriterium Senat, a.a.O., juris Rn.18 m.w.N. – Knoppers).
61Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers, der die in Rede stehenden Produktaufmachungen keiner analysierenden Betrachtung unterzieht und unmittelbar miteinander vergleicht, sondern auf Grund seines Erinnerungseindrucks in Beziehung setzt (vgl.Senat, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.), lehnt sich die angegriffene Aufmachung der Beklagten bzw. Streithelferin an die Gesamtanmutung der „Almased“-Dose in einer Weise an, die über eine bloße Übernahme der gestalterischen Grundidee hinausgeht, die für sich genommen keinem Sonderschutz zugänglich wäre und deshalb auch nicht im Wege des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für einen Wettbewerber monopolisiert werden darf (BGH, GRUR 2005, GRUR 2005, 166 [168] = WRP 2005, 88 – Puppenausstattungen; GRUR 2009, 1069 = WRP 2009, 1374 [Rn. 21] – Knoblauchwürste; Senat, WRP 2012, 1128 – „Die Blaue Couch“; Urteil vom 26.07.2013 – 6 U 28/13 – Pandas). Um eine solche Grundidee handelt es sich bei der Angabe der Inhaltsstoffe Soja, Joghurt und Honig auf der Verpackung, um auf wesentliche Zutaten des Produkts hinzuweisen. Dass auch die Streithelferin auf ihrer Produktverpackung die identischen drei Inhaltsstoffe nennt, kann insofern für sich genommen noch nicht den Vorwurf einer unlauteren Nachahmung begründen. Darin erschöpft sich die Ähnlichkeit der Produktaufmachungen der Parteien aber nicht.
62Im Gesamteindruck nähert sich die Produktausstattung der Antragsgegnerin derjenigen des Originals vielmehr auch in Bezug auf die konkrete Umsetzung der gestalterischen Grundidee an, wobei gerade die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sind, die die wettbewerbliche Eigenart des Produkts ausmachen, für das Schutz beansprucht wird (vgl. zu diesem Aspekt BGH, GRUR 2007, 795 = WRP 2007, 1076 [Rn. 32] – Handtaschen): So entsprechen sich die mittig platzierte stilisierte Wiedergabe der Inhaltsstoffe durch Kreise mit ineinander verweisenden Pfeilen in drei verschiedenen Farben, die insgesamt den Eindruck eines Dreiecks vermitteln, mag dieses bei „VITAL-SED“ auch etwas kompakter erscheinen. Es bestehen weitere Übereinstimmungen bei der Auswahl und Anordnung der zentralen Gestaltungsmittel: So hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Produktbezeichnung „VITA-SED“ ebenso wie „Almased“ aus drei Silben besteht, bei denen die zweite Silbe auf A endet und die dritte Silbe „SED“ mit der Produktbezeichnung der Klägerin identisch ist; es kann weder festgestellt werden, dass das Suffix „SED“ im relevanten Produktumfeld - wie von der Beklagten behauptet – „häufig“ verwendet wird, da sich dieser allein bei dem Produkt „Sedvital“ und dort vorangestellt und auch mit ansonsten abweichender Ausstattung wiederfindet, noch ist anzunehmen, dass dieser rein beschreibend ist, da dem Verkehr weder bekannt noch für den Verbraucher hinreichend erkennbar ist, dass die genannte Buchstabenfolge für „Soja Eiweiß Diät“ stehen soll. Hinzu kommt - neben einer einheitlichen Form und dem Material der Dose und ihres jeweils weißen Deckels - die ähnliche Hintergrundfarbe der Dose in den Grundfarben gelb/weiß, wobei bei der Klägerin die Farbe gelb dominiert, die nach oben hin heller wird, die sich in identischem Farbton aber im unteren und seitlichen Bereich der „VITA-SED“-Dose wiederfindet; soweit letztere auch in der Mitte und oben zu etwa 2/3 der Gesamtfläche in Weiß gehalten ist, handelt es sich nicht um eine Farbe, die - wie etwa eine Signalfarbe oder ein anderer bunter Farbton - deutlich von dem „Almased-Gelb“ abweicht. Hinzu kommt schließlich der einheitliche Aufbau der Verpackung mit der oben angebrachten Produktbezeichnung, den darunter befindlichen Angaben über Wirkungsweise und Anwendungsziele, dem Störeraufdruck und insbesondere der mittig platzierten Kennzeichnung der Inhaltsstoffe. Sämtliche Gestaltungsmittel von „VITA-SED“ führen zu einer insgesamt die Aufmachung des Originalerzeugnisses der Klägerin nachahmenden Gestaltung. Der Senat verkennt nicht, dass einige dieser Merkmale für sich genommen naheliegend oder sogar branchenüblich sein mögen und dass überdies bei fast jedem Einzelelement auch Unterschiede feststellbar sind: Die Farbe der Produktbezeichnung ist eine andere, bei „VITA-SED“ überwiegt Weiß als Grundfarbe, das „Dreieck“ der Inhaltsstoffe ist kompakter, die Pfeile verweisen jeweils in den anderen Kreis, die Dose der Beklagten enthält zudem die Angabe der Handelsmarke „Multinorm“ und das Foto einer brünetten Frau. Das letztgenannte Gestaltungselement, d.h. das Foto einer Werbefigur bzw. eines Webegesichts, ist als „Zutat“ ohnehin ein übliches Werbemittel, das im Streitfall auch im Hinblick darauf nicht zur hinreichenden Unterscheidung geeignet ist, dass auch die Klägerin in der Werbung für ihr Produkt das in hohem Maße ähnliche Werbegesicht einer brünetten Frau auftreten lässt. Dieses wird der Verbraucher daher nach dem maßgeblichen Erinnerungseindruck auch und gerade mit der Klägerin verbinden. Jedenfalls überwiegen in der Kombination aller Einzelmerkmale und im maßgeblichen Gesamteindruck die für eine nachschaffende Leistungsübernahme sprechenden Aspekte.
63c.
64Auch wenn bei einer lediglich nachschaffenden Übernahme die Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart und die sonstigen, die Unlauterkeit begründenden Merkmale höher sind als bei einer (fast) identischen Übernahme (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.36), führt die Gesamtabwägung vor dem Hintergrund der aufgrund einer hohen Bekanntheit gesteigerten wettbewerblichen Eigenart von „Almased“ gleichwohl zu dem Ergebnis, dass hier eine wettbewerblich unzulässige Nachahmung vorliegt.
65aa.
66Diese ist bereits unter dem Gesichtspunkt einer Herkunftstäuschung gemäß § 4 Nr. 9 a) UWG anzunehmen.
67Unter den genannten Umständen wird ein erheblicher Anteil der angesprochenen Verbraucher die Produkte zwar wegen der unterschiedlichen Produktbezeichnungen „Almased“ und „VITA-SED“ nicht unmittelbar miteinander verwechseln. Aufgrund der einander angenäherten Ausstattungen der Verpackungsgestaltungen sowie der enormen Bekanntheit der „Almased“-Dose wird er jedoch wegen der vergleichbaren Gesamtaufmachung der „VITA-SED“ einer Fehlvorstellung darüber erliegen, dass es sich bei letzterem Diätdrink um eine Zweitmarke im Sinne einer Ausstattungsvariante der Klägerin handele, zumindest aber irrig annehmen, die Streithelferin stehe mit dem Hersteller von „Almased“ in lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen oder sonstigen organisatorischen Verbindungen. Die Preis- und Sortimentspolitik der Beklagten beruht auf dem Prinzip, Basisartikel des täglichen Bedarfs in aller Regel unter Eigenmarken zu günstigen Preisen zu vertreiben.
68Die von der Streithelferin auf der Schauseite der Verpackung angebrachte Kennzeichnung „Multinorm“ vermag derartige betriebliche Herkunftstäuschungen im vorliegenden Fall nicht auszuschließen. Eine deutlich erkennbare (vgl. Köhler a.a.O. § 4 Rn. 9.44) bzw. auffällig angebrachte unterschiedliche Herstellerangabe spricht zwar grundsätzlich gegen eine Herkunftstäuschung auch im weiteren Sinne (vgl. BGH GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung; GRUR 2001, 443, 445 f. – Vienetta; GRUR 2009, 1069 Rn. 14, 16 – Knoblauchwürste). Bei „Multinorm“ handelt es sich jedoch unstreitig und dem Senat aus eigener Sachkunde bekannt um eine Handelsmarke der Beklagten, unter der sie verschiedene Produkte von verschiedenen Herstellern anbietet und vertreibt und die der Verkehr als solche kennt und erkennt.
69bb.
70Jedenfalls sind unabhängig von der Frage, ob eine vermeidbare Herkunftstäuschung vorliegt, auch die Voraussetzungen einer Rufausbeutung, also einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung des Produkts der Klägerin gemäß § 4 Nr. 9 b) 1. Var. UWG erfüllt.
71Es liegt auf der Hand und bedarf mangels diesbezüglicher substantiierter Einwendungen der Beklagten und Streithelferin keiner näheren Begründung, dass der Ausstattung des von der Klägerin seit mindestens zehn Jahren erfolgreich vermarkteten Produkts „Almased“ neben hoher wettbewerblicher Eigenart eine durch die Werbeanstrengungen der Klägerin geförderte positive Gütevorstellung, also ein „guter Ruf“ zukommt.
72Eine unlautere Rufausnutzung kann auch ohne Herkunftstäuschung der angesprochenen Verkehrskreise auf einer Anlehnung an eine fremde Leistung beruhen, sofern eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte vorliegt. Die Frage, ob dadurch eine Gütevorstellung im Sinn des § 4 Nr. 9 b) UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist jeweils im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen (BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 42 – Femur-Teil; GRUR 2013, 1052 Tz. 38 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2006, 278, 279 f. – Arbeitselement für Resektoskopie; GRUR-RR 2014, 65, 68 – Pandas).
73§ 4 Nr. 9 b) UWG hat einen eigenständigen Anwendungsbereich in den Fällen, in denen eine Herkunftstäuschung (in der meist zugleich auch eine Rufausbeutung liegen würde) ausgeschlossen ist (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.53). Die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung ist aber nicht so zu verstehen, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Merkmal der Herkunftstäuschung ersatzlos entfallen kann; es müssen vielmehr andere Umstände hinzutreten, die geeignet sind, die Unlauterkeit der Nachahmung zu begründen. Andernfalls fehlt es an einer „unangemessenen“ Rufausbeutung (Senat, GRUR-RR 2014, 30, 33 – Küchenarmaturen; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Aufl. 2013, § 4 Rn. 155; MünchKomm-UWG/Wiebe, 2. Aufl. 2014, § 4 Rn. 191 ff.).
74Solche besonderen Umstände können vorliegen, wenn sich ein Wettbewerber ohne sachlichen Grund in so starkem Maß an die bekannte Aufmachung eines Konkurrenzprodukts anlehnt, dass er sich an das „Image“ des Originals „anhängt“ und auf diese Weise unlauter an der vom Anbieter des Konkurrenzprodukts durch eigene, unter Umständen intensive und langjährige Anstrengungen am Markt erworbenen Wertschätzung partizipiert (Senat, NJOZ 2010, 1130, 1131 – Der Eisbär hustet nicht; GRUR-RR 2014, 65, 68 – Pandas). Allerdings reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (BGH, GRUR 2005, 349, 353 – Klemmbausteine III; GRUR 2010, 1125 Tz. 42 – Femur-Teil; GRUR 2013, 1052 Tz. 38 – Einkaufswagen III; Senat, NJOZ 2010, 1130, 1131 – Der Eisbär hustet nicht; GRUR-RR 2014, 65, 68 – Pandas).
75Der „guter Ruf“ des „Almased“-Produkts mit einem Marktanteil von 80 % ist auch das Resultat ganz erheblicher Werbeaufwendungen der Klägerin, die diese im Einzelnen in der Klageschrift dargelegt hat und die von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt bestritten worden sind. Diese Investitionen und die nicht zuletzt hierdurch geförderte Bekanntheit hat sich die Beklagte bzw. Streithelferin nach Lage der Dinge in unangemessener Weise zunutze gemacht, indem sie ihr bei einem Lebensmitteldiscounter platziertes Nachahmungsprodukt „VITA-SED“ in einer Weise ausgestattet hat, die trotz vorhandener Unterschiede in einzelnen Elementen im Gesamteindruck eine deutliche Anlehnung an das bekannte Original erkennen lässt und so bei den angesprochenen Verbrauchern zu einer durch die Produktbezeichnung und die Angabe der Handelsmarke nicht verhinderte Übertragung von Gütevorstellung entführt. Bei der gebotenen Gesamtabwägung fällt auch ins Gewicht, dass auf der Dose eine junge, schlanke und brünette Frau mit „Pferdeschwanz“ abgebildet ist, die ein Zwilling der „Almased-Frau“ in der Werbung für „Almased“ sein könnte, zu der die Klägerin – gestützt durch den bereits erwähnten Artikel aus der Zeitung „Die Welt“ - vorgetragen hat, dass diese für „Almased“ steht und im Verkehr als „Frau im gelben Bikini“ bekannt ist. Die Abbildung einer zum Verwechseln ähnlichen Frau nimmt erkennbar auf die Werbefigur der Klägerin und damit das Produkt „Almased“ Bezug. Dies kann nicht anders ausgelegt werden, als dass die angegriffene Ausstattung sich bewusst an die Gestaltung des Produkts der Klägerin angelehnt und den Bezug zu dieser besonders hergestellt hat. Die Streithelferin bzw. Beklagte ist ersichtlich bemüht, die Marktstellung, die die Antragstellerin erreicht hat, für ihr Produkt auszunutzen. Die Gründe, die die Streithelferin für die Auswahl und Abbildung der brünetten Frau angegeben hat, überzeugen nicht. Die Gesichter auf den anderen von ihr in die Schriftsätze eingeblendeten „Multinorm“-Produkten stellen einen anderen Frauentyp mit hellerer Haarfarbe dar. Im Übrigen belegen gerade die von der Beklagten bzw. Streithelferin angeführten Vergleichspackungen, dass diese sich planvoll an die klägerische Ausstattung annähern. Mit ihrem Anliegen, mit der beanstandeten Ausstattung tatsächlich ein „Corporate Design“ fortzuführen, steht es nicht im Einklang, dass die Produktbezeichnung nicht wie bisher einheitlich für alle Geschmacksrichtungen „Diät-Drink“, sondern für die Geschmacksrichtungen Vanille nunmehr „VITA-SED“ mit dem im zweiten Bestandteil mit der klägerischen Produktbezeichnung identischen Suffix „SED“ lautet.
762.
77Die geltend gemachten Annexansprüche sind begründet aus §§ 242, 288, 291 BGB, 9 UWG, 12 Abs. 1 S 2 UWG. Einwendungen zu Grund und Höhe dieser Ansprüche haben die Beklagte und Streithelferhelferin nicht erhoben.
78III.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
80Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der zu entscheidende Sachverhalt ist im Wege der tatrichterlichen Anwendung gesetzlicher und höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze zu der unlauteren Nachahmung von Produktausstattungen an Hand individueller Einzelfallumstände zu beurteilen.
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(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
- 1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; - 2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird; - 3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs; - 4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen; - 5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur; - 6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder - 7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.
(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn
- 1.
sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder - 2.
mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.
(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.
(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.
Unlauter handelt, wer
- 1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; - 2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; - 3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er - a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, - b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder - c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
- 4.
Mitbewerber gezielt behindert.
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
- 1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; - 2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird; - 3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs; - 4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen; - 5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur; - 6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder - 7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.
(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn
- 1.
sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder - 2.
mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.
(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.
(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.
Unlauter handelt, wer
- 1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft; - 2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden; - 3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er - a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, - b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder - c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
- 4.
Mitbewerber gezielt behindert.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. 12. 2013 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 111/13 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
3I.
4Die Parteien stellen Möbel her.
5Seit der IMM (internationale Möbelmesse) in Köln im Januar 2012 vertreibt die Klägerin einen Freischwinger-Stuhl, der die Modellbezeichnung „Joy“ trägt. Dieser Stuhl ist in verschiedenen Modellvarianten erhältlich, mit und ohne Armlehnen sowie mit verschiedenen Kopfstücken, entweder aus Holz oder aus Metall. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Klägerin vorgelegte Prospektmaterial (Anlagen K 1 – K 3, Bl. 1 ff. Anlagenheft) verwiesen. Ein Exemplar des – nachfolgend abgebildeten – Stuhls in der Version mit Metall-Kopfstück hat die Klägerin zu den Akten gereicht (Anlage K 4).
6Die Beklagte vertreibt seit der IMM 2013 in Köln den nachstehend abgebildeten Freischwinger-Stuhl „Nina“ in den Farben schwarz und blau:
8Ein Exemplar des Stuhls mit schwarzer Bespannung hat die Klägerin zu den Akten gereicht (Anlage K 5). Die Klägerin hat die Beklagte wegen des Vertriebs dieses Modells erfolglos abgemahnt.
10Die Klägerin hat behauptet, im Jahre 2012 von dem Modell „Joy“ 3.504 Stück ohne Armlehne und 765 Stück mit Armlehne verkauft zu haben. Die Verkaufszahlen für das Jahr 2013 hätten bis einschließlich April 3.603 beziehungsweise 524 Stück betragen. Etwa 30 % hiervon seien auf Modelle mit Metall-Kopfstück und 70 % auf Modelle mit Holz-Kopfstück entfallen. Das Modell „Joy“ sei im Jahre 2012 über verschiedene große Möbelhausketten wie Höffner, Flamme Möbel, Leyendecker GmbH & Co., XXXLutz Handels GmbH, Schaffrath GmbH & Co. KG, Pallen GmbH & Co. KG, Ostermann GmbH & Co. KG und Segmüller angeboten worden. Im Einzelhandel werde „Joy“ üblicherweise für einen Preis von 250,00 EUR bis 300,00 EUR angeboten. Allein im Jahre 2012 habe der Einzelhandel mit dem Stuhl einen Umsatz von ca. 1 Mio. EUR erzielt.
11Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, das Modell „Nina“ der Beklagten stelle eine wettbewerblich unzulässige Nachahmung ihres Modells „Joy“ dar. Dessen wettbewerbliche Eigenart liege vor allem in der besonderen Ausführungsform der Netzbespannung der Rückenlehne, die aus einem engmaschig vernetzten Rahmen und einem weitmaschigen, lichtdurchlässigen Netz innerhalb dieses Rahmens bestehe.
12Die Klägerin hat beantragt:
13I. Die Beklagte zu verurteilen,
141. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr den Freischwinger „Nina“ wie nachstehend wiedergegeben selbst oder durch Dritte auszustellen, anzubieten, feilzuhalten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen:
15 162. unter Vorlage von Rechnungen und Lieferscheinen Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziffer I.1 bisher begangen hat, insbesondere unter Angabe
17a) der Namen und Anschriften der Lieferanten, Hersteller und gewerblichen Abnehmer;
18b) der Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreise der bezogenen und/oder an gewerbliche Abnehmer ausgelieferten Freischwinger, der getätigten Umsätze, aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten und €-Werten, der Gestehungskosten und sämtlicher Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns;
19II. festzustellen, dass die Beklagte ihr allen Schaden zu ersetzen hat, der ihr aus den Handlungen gemäß Ziffern I.1. bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird;
20III. die Beklagte zu verurteilen, sie von den durch die Inanspruchnahme der Anwaltskanzlei von L, L2, entstandenen Kosten in Höhe von 2.080,50 € freizustellen.
21Die Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Modell „Joy“ der Klägerin verfüge – wenn überhaupt – nur über eine sehr eingeschränkte wettbewerbliche Eigenart, so dass die Unterschiede zwischen den beiden Modellen, insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Rückenlehne, des Untergestells und des Kopfstücks als Unterscheidungsmerkmale ausreichen würden. Ihr Modell „Nina“ sei keine Nachahmung des Modells „Joy“ der Klägerin; sie habe es vielmehr unabhängig und bewusst entwickelt, um sich von einem anderen Modell der Klägerin abzugrenzen. „Joy“ sei ihr dabei nicht bekannt gewesen. Der vorbekannte Formenschatz sowie das wettbewerbliche Umfeld würden belegen, dass derartige Gestaltungen am Markt nicht nur bekannt, sondern sehr weit verbreitet seien. Wegen der Einzelheiten des wettbewerblichen Umfelds wird auf die Anlagen BK 3 bis BK 18 (Bl. 71 ff. Anlagenheft) verwiesen.
24Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, das Modell der Klägerin verfüge über wettbewerbliche Eigenart. Zwar würden sich im wettbewerblichen Umfeld einzelne Gestaltungselemente wiederfinden, jedoch nicht in der gleichen Kombination. Insbesondere die Ausgestaltung der Rückenlehne des Freischwingers, bei der eine lichtdurchlässige Netzfläche von einem dunklen Rahmen umgeben sei, finde sich in dieser Gestaltung im Umfeld nicht. Das Modell der Beklagten habe diese prägenden Elemente übernommen; vorhandene Unterschiede würden lediglich Details betreffen. Den Vortrag der Beklagten, sie habe bei der Entwicklung ihres Modells „Nina“ das Modell der Klägerin nicht gekannt, hat das Landgericht als „reine Schutzbehauptung“ zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
25Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte weiter das Ziel der Klageabweisung. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere bestreitet sie, dass die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte Variante des Modells „Joy“ mit Metall-Kopfstück bereits Anfang 2012 in den Markt eingeführt und von der Klägerin in den angegebenen Stückzahlen vertrieben worden sei; sie könne dieses Modell bei der Entwicklung ihres Modells „Nina“, die in der zweiten Jahreshälfte 2012 erfolgt sei, folglich auch nicht nachgeahmt haben. Die von ihr erstinstanzlich vorgetragenen Produkte des wettbewerblichen Umfelds seien flächendeckend in Deutschland vermarktet worden. Zusätzlich verweist sie auf ein Stuhlmodell des Herstellers „Hülsta“ mit der Modellbezeichnung „D18 Plus“, das die gleichen, von dem Landgericht hervorgehobenen Merkmale aufweise wie das Modell der Klägerin (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage BBK 1, Bl. 141 ff. d. A. verwiesen). Hülsta habe für dieses Produkt bereits im Jahr 2008 ein Geschmacksmuster registrieren lassen; zur Zeit werde es über verschiedene große Möbelhausketten in Deutschland vertrieben.
26Die Beklagte beantragt,
27das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
28Die Klägerin beantragt,
29die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
30Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere weist sie darauf hin, dass die Beklagte nicht zu dem Umfang vorgetragen habe, in dem die Produkte des wettbewerblichen Umfelds vertrieben würden. Auch hinsichtlich des Modells „Hülsta D18 plus“ fehle es an substantiiertem Vortrag zur Marktpräsenz. Der Umstand, dass die Beklagte sich erstmals in der Berufungsinstanz auf diese Produkt berufe, spreche dafür, dass es über keine relevante Marktpräsenz verfüge. Weiterhin vertieft die Klägerin ihren Vortrag zu der Behauptung, dass die Beklagte ihr Modell „Joy“ bewusst nachgeahmt habe. Die Parteien seien nicht nur am gleichen Ort ansässig, sondern würden auch seit Jahren wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung gegeneinander führen. Es sei nicht vorstellbar, dass die Beklagte ein Produkt entwerfe, mit dem sie sich bewusst von einem anderen Modell der Klägerin, das sie zuvor nachgeahmt hatte, absetzen wollte, ohne von dem restlichen Produktprogramm der Klägerin Kenntnis zu nehmen.
31II.
32Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage als unbegründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 9, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG und mithin auch nicht die geltend gemachten Annexansprüche.
331. Bedenken gegen die Bestimmtheit des Antrags bestehen nicht. Um die Unlauterkeit des Vertriebs des beanstandeten Stuhls zu belegen, stützt sich die Klägerin in erster Linie auf sämtliche Varianten des Modells „Joy“, für die sie die Absatzzahlen insgesamt vorgetragen hat. Daneben stützt sie sich insbesondere auf das Modell „Joy“ in der Ausführung ohne Armlehnen mit Metall-Kopfstück (Anlage K 4), das die Beklagte „noch ähnlicher“ nachgeahmt habe. Jedenfalls nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies zulässig: Der Streitgegenstand wird durch die konkrete Verletzungsform, hier also den angegriffenen Stuhl der Beklagten, bestimmt. Wenn die Klägerin die Wettbewerbswidrigkeit dieses Stuhls mit verschiedenen eigenen Produkten begründet, hält sie sich dabei innerhalb des einheitlichen konkreten Lebenssachverhalts, auf den sie ihren Anspruch stützt (vgl. Senat, GRUR-RR 2014, 25, 26 – Kinderhochstuhl „Sit up“).
342. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses gemäß § 4 Nr. 9 a) UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 21 – LIKEaBIKE; GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 951 Tz. 14 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Tz. 15 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. – Kinderhochstuhl „Sit up“, jeweils m. w. N.).
353. Das Modell „Joy“ der Klägerin verfügt im Ergebnis über schwache wettbewerbliche Eigenart.
36a) Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren Gestaltung Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 19 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 1052 Tz. 18 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2013, 24, 25 – Gute Laune Drops, jeweils m. w. N.). Es handelt sich bei den Produkten der Klägerin nicht um schutzunfähige „Dutzendware“ oder „Allerweltserzeugnisse“ (vgl. BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 34 – Sandmalkasten), und die Klägerin ist – wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist – als Herstellerin von Designmöbeln bekannt. Im Verfahren vorgelegte Anzeigen belegen, dass ihre Produkte auch in diesem Sinn beworben werden (Bl. 116, 119, 122 AH).
37b) Der Gesamteindruck eines Erzeugnisses kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, da diese von dem Gesamteindruck abhängt, den die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des jeweiligen Erzeugnisses vermitteln (BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 34 – LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1188 Tz. 19 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Tz. 20 – Einkaufswagen III). Dabei kann auch die als neu empfundene Kombination bekannter Gestaltungselemente eine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, GRUR 2006, 79 Tz. 26 – Jeans I; GRUR 2008, 1115 Tz. 22 – ICON). Abzustellen ist dabei nicht auf einzelne Gestaltungsmerkmale, sondern auf den durch seine prägenden Merkmale hervorgerufenen Gesamteindruck des jeweiligen Produkts (BGH GRUR 2010, 80 Tz. 32 – LIKEaBIKE; Senat, GRUR-RR 2014, 65 = WRP 2013, 1500 Tz. 9 – PANDAS).
38Im Ansatz zutreffend weist die Klägerin daher darauf hin, dass allein der Umstand, dass „Freischwinger“ eine gängige Produktgestaltung sind, was auch für die Netzbespannung der Rückenlehne gelten mag, der wettbewerblichen Eigenart ihres Produkts grundsätzlich nicht entgegensteht. Maßgeblich ist, ob die Kombination dieser Elemente einen Gesamteindruck hervorruft, der geeignet ist, den Verkehr auf die betriebliche Herkunft der Produkte hinzuweisen.
39c) Die Klägerin hat sich in der Klageschrift in erster Linie auf die Variante des Modells „Joy“ ohne Armlehnen mit Metall-Kopfstück gestützt. Daneben existieren noch Varianten mit Armlehnen und einem Holz-Kopfstück (Abbildungen Bl. 2, 3 AH). Die von der Klägerin vorgetragenen – und von der Beklagten bestrittenen – Absatzzahlen beziehen sich auf die gesamte Serie. Auf entsprechende Rügen der Beklagten hat die Klägerin ausgeführt, die Ausführungsform des Kopfstücks habe „keine entscheidende Bedeutung für diesen Rechtsstreit“, da auch ohne Berücksichtigung des Kopfstücks Verwechslungsgefahr zwischen den Produkten bestehe (Bl. 68 d. A.). Das Landgericht hat dementsprechend bei der Prüfung der wettbewerblichen Eigenart (und folgerichtig auch bei dem Vergleich der Produkte) nicht auf das Kopfstück abgestellt.
40Zutreffend ist, dass sich die wettbewerbliche Eigenart nicht notwendigerweise auf ein bestimmtes Produkt beziehen muss, sondern auch aus den übereinstimmenden Merkmalen verschiedener Exemplare einer Modellreihe hergeleitet werden kann, solange nicht nur Schutz für einzelne Stilmittel oder eine dem Sonderschutz nicht zugängliche Grundidee begehrt wird, sondern für konkrete Gestaltungsmerkmale, die jeweils allen Modellen der Reihe eigen sind und deren wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 27 - Handtaschen; Senat, GRUR-RR 2013, 24, 25 – Gute Laune Drops; GRUR-RR 2014, 25, 27 – Kinderhochstuhl „Sit up“). Vor diesem Hintergrund ist es zulässig, wenn die Klägerin auf alle Varianten des Modells „Joy“ abstellt, die alle durch die Kombination des Freischwinger-Gestells mit einer durch ein Netzgewebe gebildeten Rückenlehne sowie einem als Griff zu verwendenden Kopfstück, sei es aus Metall, sei es aus Holz, charakterisiert werden.
41d) Die konkrete Gestaltung der Rückenlehne durch eine Kombination von lichtdurchlässigem Mittelteil und umgebendem dunklen Rahmen (seitens der Klägerin plastisch als „Passepartout-Effekt“ bezeichnet) ist dagegen nicht geeignet, eine weitere Steigerung der wettbewerblichen Eigenart zu begründen. Zu diesem Punkt hat die Beklagte erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dieser Effekt ergebe sich daraus, dass an den Kanten das Netzgewebe umgeschlagen und vernäht werden müsse, um Schlaufen zu bilden, durch die es am Rahmen befestigt werde. Der „Passepartout-Effekt“ sei daher für alle Netzbespannungen typisch.
42Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher technisch notwendiger Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich (außerhalb eines Sonderrechtsschutzes) nicht zu beanstanden. Dagegen können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber frei wählbar oder austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, wettbewerbliche Eigenart (mit-) begründen (BGH, GRUR 2008, 790 Tz. 36 – Baugruppe; GRUR 2009, 1073 Tz. 13 – Ausbeinmesser; GRUR 2010, 80 Tz. 27 – LIKEaBIKE; GRUR 2010, 1125 Tz. 22 – Femur-Teil; GRUR 2012, 1155 Tz. 29 – Sandmalkasten).
43Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der „Passepartout-Effekt“ keine zusätzliche, über die Verwendung einer Netzbespannung hinausgehende wettbewerbliche Eigenart begründen kann.
44Im Ergebnis folgt der Senat der Bewertung des Landgerichts, dass bereits die Kombination des Freischwinger-Gestells mit einer Netzbespannung der Rückenlehne geeignet ist, die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Klägerin zu begründen. Im Vordergrund steht dabei allerdings das „Freischwinger-Gestell“, durch das das Erscheinungsbild des Stuhls wesentlich geprägt wird (vgl. BGH, GRUR 1961, 635, 637 – Stahlrohrstuhl I; GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl II). Für die Gestaltung des Freischwinger-Gestells, das schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Umfeld des Bauhauses entwickelt worden ist („Thonet-Stuhl“, vgl. Anlage BK 3, Bl. 71 ff. Anlagenheft, sowie die zitierten BGH-Entscheidungen „Stahlrohrstuhl“), kann die Klägerin keinen Sonderrechtsschutz beanspruchen. Dem Senat, der bereits eine Vielzahl von Verfahren aus dem Möbelsektor zu entscheiden hatte, ist im Übrigen bekannt, dass es bei Wohnmöbeln einen vergleichsweise engen Gestaltungsspielraum gibt, so dass zwar einerseits keine hohen Anforderungen an die Individualität einer Gestaltung gestellt werden müssen, um die wettbewerbliche Eigenart zu bejahen, andererseits aber der Schutzumfang einer solchen Gestaltung dementsprechend eng zu bestimmen ist.
45e) Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall jedenfalls aufgrund des Vortrags in der Berufungsinstanz davon auszugehen ist, dass im wettbewerblichen Umfeld Stühle mit vergleichbarem Gesamteindruck vorhanden sind.
46Das Landgericht hat insoweit auf die Zusammenstellungen BK 17 und BK 18 (Bl. 137 ff. d. A.) abgestellt und dazu ausgeführt, keines dieser Produkte weise die typische Gestaltung der Rückenlehne wie das Modell der Klägerin auf; außerdem sei nichts zur Bedeutung dieser Produkte am Markt vorgetragen.
47Bei der Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes obliegt es zunächst dem Anspruchsteller, die klagebegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, insbesondere also die Merkmale darzutun, aus denen sich die wettbewerbliche Eigenart ergibt. Stützt er sich auf eine dem Erzeugnis innewohnende Eigenart, wird häufig die Vorlage des Produkts ausreichen, für das der Nachahmungsschutz begehrt wird. Entgegen der von der Beklagten in der Berufungsinstanz geäußerten Ansicht gehört es grundsätzlich nicht zu einem schlüssigen Klagevorbringen, dass auch zu dem Abstand vorgetragen wird, den das fragliche Produkt zu vorbekannten Erzeugnissen und zu den Erzeugnissen der Wettbewerber hält. Nur in Fällen, in denen nicht von einer allgemeinen Kenntnis der Marktverhältnisse ausgegangen werden kann, ist dies erforderlich.
48Ist der Anspruchsteller insoweit seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen, ist es grundsätzlich Sache des Anspruchsgegners, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind (BGH, GRUR 1998, 477, 479 – Trachtenjanker; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.78). Insbesondere muss er dabei die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; Senat, GRUR-RR 2008, 166, 168 – Bigfoot; GRUR-RR 2014, 25, 28 – Kinderhochstuhl „Sit-Up“).
49Dazu ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden. Bei der Prüfung der „hinreichenden Bekanntheit“ des nachgeahmten Produkts kann diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden (BGH, GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1188 Tz. 27 – Regalsystem; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rn. 9.41a). Solche Werbeanstrengungen können in Prospekten, Katalogen und Messeauftritten bestehen (Senat, GRUR-RR 2004, 21, 23 – Küchen-Seiher). Diese Grundsätze lassen sich auch auf die hier zu beurteilende Frage der Marktbedeutung von Produkten des wettbewerblichen Umfelds übertragen.
50Nach diesen Maßstäben ist der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten tatsächlich für viele Entgegenhaltungen unzureichend. Ansatzweise vorgetragen hat sie zur Marktbedeutung des Produkts BK 11 (Bl. 99 Anlagenheft) = BK 18.1, bei dem es sich um einen Asien-Import handele, der über diverse große Möbelhäuser vertrieben werde. Die Klägerin hat auch diesen Vortrag als unsubstantiiert gerügt. Darauf kommt es allerdings im Ergebnis nicht an, da dieses Produkt – wie bereits das Landgericht ausgeführt hat – eine deutlich abweichend gestaltete Rückenlehne aufweist („Streifenoptik“) und damit gerade nicht die Kombination aus Freischwinger-Gestell und Rückenlehne mit Netzbespannung.
51Zu dem Stuhl „Team 7 Magnum Stricktex“ (BK 7, Bl. 89 ff. AH) fehlt es an jedem Vortrag zur Marktbedeutung, sieht man von dem Hinweis ab, dass er 2006 einen Designpreis erworben hat. Hierzu merkt die Klägerin zutreffend an, dass ein Designpreis allenfalls zur Bekanntheit des Produkts in Fachkreisen, nicht aber bei den Endabnehmern führt. Dass dieser Stuhl von der Zeitschrift „T“ in der Rubrik „O“ geführt wird, wie die Beklagte in der Berufung behauptet, ist seitens der Klägerin bestritten worden.
52Zu dem Produkt „Bologna“ des Herstellers Wössner hat die Beklagte vorgetragen, bei diesem Unternehmen handele es sich um „ein[en] der führenden Anbieter … im Bereich Speisezimmer“, dessen Produkte von zahlreichen größeren Möbelhausunternehmen vertrieben würden. Die Klägerin hat dies nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich bestritten, dass der Stuhl bereits 2006 vertrieben worden sei. In der Berufungsinstanz beanstandet sie zusätzlich, es sei nichts zu den Absatzzahlen vorgetragen worden. Bis auf einen eher technischen Prospektauszug hat die Beklagte auch kein Werbematerial vorgelegt. Dieses Produkt ist deswegen von Interesse, weil es – wie auch „Magnum Stricktex“ – die Kombination aus Freischwinger-Gestell und Rückenlehne mit Netzbespannung aufweist.
53In der Berufungsinstanz stützt sich die Beklagte zusätzlich auf das Modell „D18 plus“ des Herstellers Hülsta. Auch hier beanstandet die Klägerin, dass die Beklagte nichts zu Absatzzahlen vorträgt; allerdings hat die Beklagte Ausdrucke von Internetseiten großer Möbelhäuser vorgelegt (Ostermann und Porta), auf denen der Stuhl beworben wird (Bl. 144/145 d. A.). Dies genügt, um eine gewisse Markpräsenz zu begründen. Die Klägerin hat auch den Vortrag, dieser Stuhl sei bereits seit 2008 auf dem Markt, nicht substantiiert bestritten; sie hat nur allgemein dessen Bedeutung am Markt bezweifelt. Die Beklagte kann demgegenüber darauf verweisen, dass sich Hülsta für diesen Stuhl 2008 ein Geschmacksmuster eintragen ließ, so dass davon auszugehen ist, dass der Vertrieb zeitnah eingesetzt hat.
54Auch wenn „D18 plus“ Unterschiede zu dem Modell der Klägerin aufweist, so zeigt er doch genau die Kombination aus Freischwinger-Gestell und Rückenlehne mit Netzbespannung, die die Klägerin und das Landgericht als die entscheidenden Merkmale herausgestellt haben, die die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Modells begründen. Auf der Abbildung Bl. 145 d. A. lässt sich auch sehr gut der „Passepartout“-Effekt erkennen. Gleiches gilt für das Modell „Bologna“ von Wössner. Unerheblich sind dabei die Maßabweichungen des Modells „D18 plus“ von dem Modell der Klägerin. Diese Abweichungen prägen nicht den Gesamteindruck; im Übrigen begründen die Proportionen des Stuhls nicht seine wettbewerbliche Eigenart. Eine Abweichung ergibt sich nur hinsichtlich des Kopfstücks, wenn dieses zur Begründung der wettbewerblichen Eigenart des klägerischen Produkts mit herangezogen wird, das bei dem Modell von Hülsta nicht „griffartig“ ausgebildet ist. Dennoch weist „D18 plus“ im Ergebnis einen sehr ähnlichen Gesamteindruck wie die Modelle der Klägerin auf.
55f) Eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart aufgrund hoher Bekanntheit (vgl. BGH, GRUR 2012, 1155 = WRP 2012, 1379 Tz. 38 – Sandmalkasten; GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1189 Tz. 27 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 = WRP 2013, 1339 Tz. 25 – Einkaufswagen III) ist nicht anzunehmen und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Selbst die für die gesamte „Joy“-Serie sind die – bestrittenen – Absatzzahlen (2012 und im ersten Quartal 2013 jeweils gut 3.500 Stück) nicht außergewöhnlich hoch; hinzu kommt, dass die Markteinführung nur verhältnismäßig kurze Zeit zurückliegt.
56g) Damit ist als Gesamtergebnis festzuhalten, dass jedenfalls aufgrund des Umfelds die wettbewerbliche Eigenart des Modells „Joy“ – selbst in der Variante mit Metall-Kopfstück – nur als schwach einzustufen ist.
574. Es liegt nur ein nachschaffende Nachahmung vor. Eine solche ist anzunehmen, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist und sich nicht deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (BGH, GRUR 1992, 523, 524 – Betonsteinelemente; KG, GRUR-RR 2003, 84, 85 – Tatty Teddy; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275, 280 = juris Tz. 55; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.37).
58Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; GRUR 2009, 1069 Tz. 20 – Knoblauchwürste). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 34 – Handtaschen; GRUR 2010, 80 Tz 41 – LIKEaBIKE; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.43).
59Das Produkt muss mit dem Originalprodukt übereinstimmen oder ihm zumindest so ähnlich sein, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Das Originalprodukt muss zwar nicht in allen seinen Gestaltungsmerkmalen übernommen worden sein; bei einer teilweisen Übernahme muss sich die wettbewerbliche Eigenart des Originals aber gerade aus dem übernommenen Teil ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, die wettbewerbliche Eigenart zu begründen (BGH, GRUR 1999, 923, 926 – Tele-Info-CD; GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9.34).
60Bei den hier zu beurteilenden Stühlen fällt auf, dass das beide Produkte in besonderem Maße prägende Freischwinger-Gestell unterschiedlich gestaltet ist: Während bei dem Produkt der Klägerin Untergestell und Rückenlehne deutlich voneinander abgesetzt sind, weist das Produkt der Beklagten einen durchgehenden Rahmen auf. Der dadurch hervorgerufene Gesamteindruck der geschwungenen Linienführung des Grundgestells wird dadurch weiter verstärkt, dass die Biegung der Rückenlehne bei dem Produkt der Beklagten stärker ausgeprägt ist. Vor allem aber sind auch die Rohre des Untergestells, anders als bei dem Produkt der Klägerin, nicht gerade, sondern gebogen, so dass sich in der Seitenansicht ein deutlich anderer Gesamteindruck ergibt. Das Modell der Klägerin mutet eher statisch-blockhaft an, das Modell der Beklagten wirkt schwungvoll-dynamischer. Dass die abweichende Gestaltung des Freischwinger-Grundgestells zu einem anderen Gesamteindruck führen kann, hat bereits in der „Stahlrohrstuhl“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Rolle gespielt (BGH, GRUR 1961, 635, 637).
61Gerade bei dem im Vordergrund stehenden Element, das die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Klägerin mitbegründet, weicht das Produkt der Beklagten von dem der Klägerin ab. Hier kann daher allenfalls von einer Anlehnung der Beklagten an das Produkt der Klägerin gesprochen werden, wobei die Frage, ob der Beklagten bei der Konzeption des beanstandeten Modells das Modell „Joy“ der Klägerin bekannt war, offen bleiben kann.
625. Vor diesem Hintergrund – schwache wettbewerbliche Eigenart, nur geringer Grad der Nachahmung – sind an die Feststellung der die Unlauterkeit begründenden Umstände erhöhte Anforderungen zu richten. Da aufgrund des Umfelds und der nur geringen Variationsmöglichkeiten des Grundmodells „Freischwinger“ der Verkehr ein erhöhtes Augenmerk auch auf geringere Unterschiede richten wird, kann im vorliegenden Fall eine Herkunftstäuschung nicht angenommen werden. Beide Produkte weisen, bei aller vorhandenen Ähnlichkeit, durch die unterschiedliche Gestaltung des Gestells eine abweichende stilistische Handschrift auf, so dass sich auch die Annahme einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn verbietet.
636. Sonstige, die Unlauterkeit begründenden Umstände werden von der Klägerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 b) UWG.
647. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
65Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung außer Streit. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.