Oberlandesgericht Köln Beschluss, 23. Sept. 2015 - 5 U 189/14
Tenor
1.
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das am 12.11.2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 9 O 8/13 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
G r ü n d e:
1I.
2Die Berufung aller drei Kläger hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Den Klägern stehen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche gegen den Beklagten wegen der Infektion ihrer Pferde mit dem EIA-Virus zu.
31. vertragliche Ansprüche
4Vertragliche Ansprüche (§§ 280, 611 BGB) kommen bei keinem der Kläger in Betracht.
5a)
6Dies gilt im Hinblick auf die Kläger zu 1 und 2 schon deshalb, weil es zwischen ihnen und dem Beklagten keine vertragliche Verbindung gibt. Einen Behandlungs- oder sonstigen Vertrag, der auf die Behandlung ihrer Pferde gerichtet wäre, und in dessen Folge verseuchtes Blutplasma übertragen worden wäre, haben sie mit dem Beklagten nicht geschlossen. Aus einem von der ehemaligen Klägerin I mit dem Beklagten geschlossenen Vertrag können sie für sich keine Rechte herleiten. Ohne Erfolg stellt sich die Klägerin zu 1) in ihrer Berufungsbegründung auf den Standpunkt, der Vertrag zwischen Frau I und dem Beklagten über die entgeltliche Überlassung von Blutplasma entfalte ihr gegenüber Schutzwirkung und gebe ihr einen eigenen einklagbaren Anspruch. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der wohl am ehesten als Kaufvertrag zu qualifizierende Vertrag über das Blutplasma die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erfüllt. Insofern fehlt es an der - für den Beklagten erkennbaren - erforderlichen Drittbezogenheit der Leistung. Die Drittbezogenheit einer Leistung setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß ebenso mit der Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ausgesetzt sein muss wie der Gläubiger selbst. Dabei muss für den Schuldner erkennbar gewesen sein, dass infolge eines Fehlers bei der Vertragserfüllung ein Dritter zu Schaden kommen kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, § 328 Rn. 17, 18 m.w.N.). Eine Drittbezogenheit liegt somit nicht schon dann vor, wenn der Käufer eine „Verwendung“ gegenüber Dritten plant, solange er dies dem Verkäufer nicht deutlich macht und sich der Verkäufer auf eine Drittbezogenheit nicht einlässt. Auf der Grundlage dieser Erwägungen überzeugt die Argumentation der Klägerin zu 1), der Beklagte habe bei dem Verkauf des Blutplasmas an die ehemalige Klägerin I davon ausgehen müssen, dass deren Pferd „O“ aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht allein gehalten werde und bei Kontakt zu anderen Junghengsten diese bei Infektionen auch anstecken könne, nicht. Denn dieser Argumentation folgend wäre der Kreis der mit in die Schutzwirkung des Vertrages Einbezogenen unüberschaubar und nicht – wie von der Rechtsprechung gefordert – erkennbar.
7b)
8Hinsichtlich des Klägers zu 3 ist zwar ohne weiteres vom Vorliegen eines Behandlungsvertrages bezüglich seines Hengstfohlens auszugehen. Allerdings fehlt es am Erfordernis einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten. Zutreffend ist die Kammer dabei von dem rechtlichen Ansatz ausgegangen, dass der Tierarzt dann in vorwerfbarer Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt, wenn er das nicht beachtet, was zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung oder Unterlassung tierärztlicher Standard bedeutet. Insoweit gibt es keinen Unterschied in der Bewertung des tierärztlichen und des allgemein human- oder zahnmedizinischen Handelns. Standard bedeutet dabei den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen (bzw. tierärztlichen) Erfahrung, der sich in der praktischen Erprobung bewährt hat und dessen Einsatz zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist (Hart MedR 1994, 95; Steffen MedR 1995, 190; vgl. hierzu auch BGH VersR 1995, 659; BGH NJW 2001, 1787). Das Element der Erprobung in der medizinischen Praxis schließt dabei die allgemeine Anerkennung als richtig, sinnvoll und notwendig ein und bedingt, dass eine Methode erst dann als Standard anzusehen ist, wenn zumindest bei einer deutlichen Mehrheit der Ärzte (Tierärzte) Konsens über die fachgerechte Vorgehensweise besteht (vgl. insoweit BGH NJW 1983, 2080 ff.). Die Kammer hat diese rechtlichen Grundlagen zutreffend erkannt und wiedergegeben. Der Senat schließt sich den entsprechenden Ausführungen im Urteil vom 12.11.2014 (dort S.7) ausdrücklich an.
9Unter diesen Voraussetzungen kann aber eine Verletzung des Standards guter Tiermedizin auch für den hier interessierenden Zeitraum, in dem das Fohlen des Klägers zu 3 durch den Beklagten eine Plasmaspende erhielt, nämlich Mai 2012, nicht festgestellt werden. Bei dieser Bewertung stützt sich der Senat ebenso wie die Kammer auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Dr. T, dessen Sachkunde nicht zweifelhaft und dem Senat seit vielen Jahren gut bekannt ist, und der sich sehr eingehend unter Auswertung der entsprechenden Literatur und unter Einholung eigener Auskünfte mit der Frage auseinandergesetzt hat, ab wann davon auszugehen war, dass die Testung von Plasma auf EIA-Viren vor der Verabreichung an ein Tier sich im Bewusstsein der entsprechenden Tiermediziner-Kreise als gutes standardgemäßes Vorgehen durchgesetzt hatte. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es letztlich die Infektionsfälle waren, die im Spätsommer/Herbst des Jahres 2012 auftraten oder bekannt geworden waren (und die zum Teil Gegenstand dieses Rechtsstreites sind), die ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Testung auf EIA-Viren geschaffen haben. Er hat dies in überzeugender Weise damit begründet, dass in der Zeit davor kein entsprechendes Gefahrenbewusstsein herrschte, weil es sich um eine in Nord- und Mittel-Europa nicht heimische Erkrankung handelt, dass insbesondere das EIA-Virus nicht endemisch sei, dass die Übertragung auf mechanischem Wege nur durch blutsaugende Insekten erfolge, an deren Mundwerkzeugen die Viren nur etwa 30 Minuten lebensfähig seien, dass Infektionen bis dahin in Deutschland eine absolute Rarität darstellten, die letzte in Deutschland bekannte Infektion aus dem Jahr 2008 stammte und in der Zeit bis 2012 keine neuen Infektionen bekannt geworden waren, insgesamt die Infektionsgefahr also als sehr gering einzustufen war. Vor allem ist eine durch den Sachverständigen eigens durchgeführte Umfrage bei den Kliniken, die wie der Beklagte Blutplasma gewinnen und verwenden, zu dem Ergebnis gelangt, dass zum Zeitpunkt der hier streitigen Ereignissen nur 35% der Kliniken eine entsprechende Untersuchung vornahmen. Das aber bedeutet gerade, dass eine allgemeine Anerkennung als standardgemäßes Vorgehen vor dem Spätsommer/Herbst 2012 nicht gegeben war, denn bei 35% kann von allgemeiner Anerkennung nicht die Rede sein. Da zudem ein großer Teil der angeschriebenen Kliniken die Fragen des Sachverständigen gar nicht beantwortet hat, kann bei lebensnaher Betrachtung sogar vermutet werden, dass die Zahl von 35% eher zu hoch gegriffen ist. Bei einem derart großen Anteil derjenigen Kliniken, die eine Testung nicht für erforderlich hielten, kann auch nicht etwa davon ausgegangen werden, dass ein auf allgemeinem Konsens beruhender Standard aus sachfremden – etwa wirtschaftlichen - Erwägungen bewusst missachtet worden wäre.
10Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Kammer oder der Sachverständige bei der Beurteilung des Standards auf die falschen Kreise abgestellt hätten. Insoweit geht es nicht darum – so der Vorwurf eines Teils der Kläger –, wie der Sorgfaltsmaßstab eines „Feld-, Wald- und Wiesen-Tierarztes“ zu bestimmen ist. Tatsächlich geht es ausschließlich um die Anforderungen, die an die Gruppe der Tierärzte zu stellen sind, die Blutplasma-Produkte gewinnen und zur Behandlung einsetzen. Dass der Sachverständige Dr. T dies auch so gesehen und beachtet hat, folgt schon aus dem Umstand, dass er seine Umfrage an die Kliniken gerichtet hat, die Plasma verwenden, und wird auch ausdrücklich so in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt (S. 16 des Gutachtens, Bl. 711 d.A.). Eine noch weitergehende Differenzierung hingegen (etwa im Hinblick auf den Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers im Rahmen der Fohlenmedizin) ist weder sinnvoll noch geboten. Sie würde angesichts der oben dargelegten Argumente, die gegen eine allgemeine Anerkennung als Standard streiten, auch zu keinem anderen Ergebnis führen.
11Die Leitlinie zur Gewinnung, Lagerung, Transport und Verabreichung von Blut und Blutprodukten im Veterinärbereich, die in den Jahren 2007 bis 2011 durch Wissenschaftler unter Mitwirkung von Behörden erarbeitet und im März 2011 im Deutschen Tierärzteblatt bzw. seit April 2011 auf der Homepage des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlicht wurde, und die die Testung von Spendertieren unter anderem auf EIA-Viren vorsieht, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zutreffend und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Kammer davon ausgegangen, dass Leitlinien gerade nicht mit medizinischem Standard gleichzusetzen sind, dass sie diesen nicht begründen, sondern allenfalls beschreiben können, was aber keineswegs ungeprüft anzunehmen und zugrunde zu legen ist, da sie einerseits (im Falle ihres Veralterns) hinter dem aktuellen Standard zurückbleiben, andererseits aber auch den Standard vorwegnehmen und fortentwickeln können (BGH VersR 2014, 879). Im letzteren – hier anzunehmenden – Fall können sie gerade den Zweck verfolgen, durch Empfehlungen den bisherigen Standard zu verbessern und weiterzuentwickeln. Allerdings entfalten sie keine Rechtsverbindlichkeit, sondern stellen ihrer Natur nach Empfehlungen dar. Zum Standard erstarken diese Leitlinien erst, wenn ihnen durch die deutlich überwiegende Mehrzahl der betroffenen Kreise gefolgt wird. Für Verbindlichkeit hätte der Gesetz- oder Verordnungsgeber durch entsprechende Vorschriften sorgen können, was im Bereich der (Tier-)Seuchen-Prävention auch nahe gelegen hätte, was er aber nicht getan hat (auch nach den hier streitigen Vorfällen nicht). Sehr anschaulich hat der Sachverständige sowohl im schriftlichen Gutachten als auch in der mündlichen Erläuterung vor der Kammer geschildert, welche behördlichen Maßnahmen das hier betroffene Seuchengeschehen des Jahres 2012 nach sich zog, insbesondere welche Gespräche zwischen Behörden, Kammern und Verbänden bzw. Gesellschaften geführt wurden, und dass als Ergebnis festzuhalten gewesen sei, dass die Leitlinie für Blut und Blutprodukte unbedingt einzuhalten sei, was denn auch uneingeschränkt geschehen sei. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ab diesem Zeitpunkt von einem allgemeinen Standard hinsichtlich der Testung auf EIA-Viren auszugehen war, zuvor hingegen nicht. Auch der Umstand, dass die von nun an unbedingte Befolgung der Leitlinie nach Auffassung der Beteiligten weitere Maßnahmen des Gesetz- oder Verordnungsgebers entbehrlich machte, spricht dafür, einen tierärztlichen Standard erst ab diesem Zeitpunkt anzunehmen.
122. Ansprüche aus Produkthaftungsgesetz
13Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht auch Ansprüche aller Kläger aus § 1 Abs.1 Satz 1ProdHaftG verneint.
14Ob – wie das Landgericht gemeint hat - jedenfalls im Hinblick auf die Kläger zu 1 und 2 schon der Anwendungsbereich des ProdHaftG nicht eröffnet ist, weil sie als Züchter zu gelten hätten und die betroffenen Pferde nicht als hauptsächlich für den privaten Ge- und Verbrauch bestimmt anzusehen seien, erscheint dem Senat als zweifelhaft und lässt er ausdrücklich offen. Ob eine Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt ist und weder einem gewerblichen noch einem freiberuflichen Zweck dient, entscheidet sich nach der Verkehrsanschauung. Vom Schutzzweck des ProdHaftG erfasst wird derjenige, der eine Sache nutzt, ohne damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder sonstige Zwecke zu verfolgen, die außerhalb einer privaten Existenz und Tätigkeit liegen (Schmidt-Salzer/Hollmann, Kommentar EG-Richtlinie Produkthaftung Art. 9 Rn. 47). Die Haltung der Pferde durch die Kläger, auch wenn daraus ein oder zwei Fohlen hervorgehen, die möglicherweise weiterveräußert werden, dürfte hier nicht dazu gedient haben, einen Erwerb oder Lebensunterhalt zu gewährleisten, sondern eher als Hobby anzusehen sein. Auch die Überlassung der Jungtiere an die ehemalige Klägerin I zur Obhut und Unterbringung in einer Herde dürfte daran nichts ändern, was indes hier keiner abschließenden Beurteilung bedarf.
15Die Anwendung des Produkthaftungsgesetzes scheitert auch nicht daran, dass es an einem Produkt im Sinne des § 2 ProdHaftG fehlen würde, denn Blut, ebenso wie sonstige Körperteile, Organe oder Körperflüssigkeiten, sind mit der Trennung vom menschlichen oder tierischen Körper bewegliche Sachen im Sinne von § 90 BGB (Palandt/Sprau § 2 ProdHaftG, Rn. 1), mit der Folge, dass derjenige, der das Blut verarbeitet und in Verkehr bringt, der Produkthaftung unterworfen ist. Dies folgt schon aus der Gesetzesbegründung zu § 2 ProdHaftG (vgl. BT-Drucks. 11/2247, S. 16) und wurde im diesem Sinne auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden (vgl. OLG Hamburg, NJW 1990, 2322) und vom BGH für rechtsfehlerfrei gehalten (vgl. BGH VI ZR 178/90).
16Das streitgegenständliche Blutplasma war aber nicht fehlerhaft im Sinne des ProdHaftG. Nach § 3 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, sowie des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. Diese Definition folgt dem Fehlerbegriff des Artikels 6 der ProdHaftRL (Richtlinie 85/374/EWG), deren Absicht es ist, den Verbraucher in seiner körperlichen Integrität und in seinem persönlichen Eigentum zu schützen. Nach den Erwägungen zu dieser Richtlinie ist der Zweck der Produkthaftung aber nicht die Forderung nach einer absoluten Sicherheit für jedermann vor jeglicher Gefahr oder im Hinblick auf jeden nur denkbaren Ge- oder Verbrauch des Produkts. Gefordert wird vielmehr die Feststellung der objektiv und berechtigterweise erwartbaren Sicherheit eines Produkts (vgl. BT-Drucks. 11/5520, S. 15). Es kommt nicht darauf an, ob die subjektive Sicherheitserwartungen des Erwerbers oder Dritter enttäuscht werden. Bei der berechtigterweise erwartbaren Sicherheit handelt es sich um einen allgemeinen und unbestimmten Rechtsbegriff, dessen nähere Bestimmung im Einzelfall der Rechtsprechung obliegt (Taschner/Frietsch, Kommentar zum Produkthaftungsgesetz und zur EG-Produkthaftungsrichtlinie, § 3, Rn.10). Der BGH greift zur Ausgestaltung des Begriffs der berechtigten Sicherheitserwartung auf die zur Produkthaftung nach § 823 BGB entwickelten Grundsätze zurück und hat entschieden, dass sich die nach § 3 ProdHaftG maßgeblichen Sicherheitserwartungen grundsätzlich nach denselben objektiven Maßstäben wie die Verkehrspflichten des Herstellers im Rahmen der deliktischen Haftung gemäß § 823 BGB beurteilen (vgl. BGH, NJW 2009, 1669). Ausschlaggebend sind also die Sicherheitserwartungen des Personenkreises, an den sich der Hersteller mit seinem Produkt wendet, sowie die Erwartungen Dritter, die mit der Sache in Berührung kommen (BGH NJW 2009, 2952), wobei maßgeblicher Zeitpunkt gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. c ProdHaftG der Tag des Inverkehrbringens des Produktes ist.
17Nach diesen Grundsätzen konnte von dem Beklagten zum Zeitpunkt des Verkaufs des Blutplasmas an Herrn I im Mai 2011 bzw. zum Zeitpunkt der Verabreichung des Blutplasmas an das Fohlen des Klägers zu 3 im Mai 2012 nicht berechtigterweise erwartet werden, dass er das zu einem früheren Zeitpunkt gewonnene Blutplasma bzw. das Spenderpferd auf eine infektiöse Anämie untersucht. Entscheidend ist hierfür, dass dies zu diesen Zeitpunkten nicht als tierärztlicher Standard zu fordern war. Denn nur, wenn zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Blutplasmas unter Tierärzten ein generelles Bewusstsein in Bezug auf die Krankheit der infektiösen Anämie und die Notwendigkeit einer generellen Untersuchung des Spenderblutes bestand, kann überhaupt davon ausgegangen werden, dass Pferdebesitzer eine Sicherheitserwartung hinsichtlich einer diesbezüglichen Untersuchung hatten. Eine über den (auf die Pferdeklinik des Beklagten bezogenen) tierärztlichen Standard hinausgehende Sicherheitserwartung könnte nicht mehr als berechtigt angesehen werden. Dass aber für den hier interessierenden Zeitraum (bis Mai 2012) von einem tierärztlichen Standard nicht ausgegangen werden kann, ist oben (Ziffer 1 b) dargelegt worden.
18Dass die Sicherheitserwartung im Sinne des Produkthaftungsgesetzes nicht über das hinaus gehen kann, was (tier-)ärztlicher Standard ist, zeigt sich auch, wenn die Argumente, die zur Frage des Standards herangezogen wurden, unmittelbar auf die Frage einer berechtigten Sicherheitserwartung übertragen werden. Dies gilt etwa hinsichtlich des allgemeinen Wissensstandes über die infektiöse Anämie, von dem der Sachverständige Dr. T berichtet hat, dass er in der Pferdepraxis schlicht nicht vorhanden gewesen sei, dass er auch nach Bildung der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der o.a. Leitlinie gering gewesen sei, ferner, dass auch die Auswertung der nationalen und internationalen Literatur vor 2010 ergeben habe, dass eine über die klinische Untersuchung hinausgehende spezifische Untersuchung die Ausnahme dargestellt habe. Dies alles ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass jedenfalls Tierärzten bekannt gewesen sein dürfte, welche harten seuchenrechtlichen Konsequenzen beim Ausbruch einer EIA-Erkrankung drohten, nämlich Tötung aller infizierten Tiere und Quarantäne des gesamten Bestandes. Wenn aber gleichwohl und im Hinblick auf die ausgesprochene Seltenheit der Krankheit hierzulande schon in Kreisen der (selbst spezialisierten) Tierärzte allgemein kein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis vorhanden war, kann erst recht davon ausgegangen werden, dass dies für die Kreise der Pferdebesitzer als „Verbraucher“ galt. Das von dem Sachverständigen geschilderte und oben dargestellte Ergebnis der Umfrage unter spezialisierten Pferdekliniken unterstreicht dies und stellt ein weiteres starkes Indiz dafür dar, was bis zum Ausbruch der Epidemie im Jahr 2012 als berechtigte Sicherheitserwartung angesehen werden durfte.
19Auf die Leitlinie zur Gewinnung, Lagerung, Transport und Verabreichung von Blut und Blutplasma im Veterinärbereich kann nicht unabhängig von der Frage des tierärztlichen Standards abgestellt werden. Dies würde nämlich im Umkehrschluss bedeuten, dass die Sicherheitserwartung der „Verbraucher“ höher wäre als der diesen gegenüber geschuldete Standard. Nach den – wie oben gezeigt - überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen erstarkte die in der Leitlinie ausgesprochene Empfehlung aber erst im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Infektionsfalles des Beklagten im Oktober 2012 zum tierärztlichen Standard. Vor diesem Hintergrund kann daher für die Zeit vor Oktober 2012 nicht davon ausgegangen werden, dass Pferdebesitzer eine Sicherheitserwartung dahingehend hatten, von einer Pferdeklinik hergestelltes Blutplasma sei auf EIA-Viren getestet worden. Wegen ihrer Unverbindlichkeit kann diese Leitlinie auch nicht etwa (hier gerade nicht existenten) sicherheitsrelevanten Normen gleichgesetzt werden, die dann die Grundlage jeder erwartbaren Sicherheit bilden würden und deren Einhaltung vermuten ließe, dass das Produkt den berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit entspricht (BT-Drucks. 11/2447, S. 19).
203. Deliktische Anspüche
21Schließlich kommen auch Ansprüche auf rein deliktischer Grundlage (§ 823 Abs.1 BGB) nicht in Betracht.
22Im Hinblick auf die Kläger zu 1 und 2 hat es keine unmittelbare Behandlung der ihnen gehörenden Pferde durch den Beklagten gegeben, nicht einmal eine Behandlung des Pferdes „O“ der ehemaligen Klägerin I, durch das sich die Pferde der Kläger angesteckt haben dürften, sondern nur eine Abgabe von Blutplasma an Herrn I. Der übliche deliktsrechtliche Ansatz der Garantenstellung des Arztes bzw. Tierarztes durch faktische Übernahme der Behandlung scheidet folglich für die Kläger zu 1 und 2 aus. Hier könnte eine Haftung nur denkbar sein unter dem Gesichtspunkt des vorangegangenen Tuns, nämlich der Eröffnung einer Gefahrenquelle durch ein „Inverkehrbringen“ verseuchten Plasmas. Vorwerfbar im Sinne einer Fahrlässigkeit wäre dies indes nicht. Fahrlässigkeit setzt das Außerachtlassen einer verkehrsüblichen Sorgfaltspflicht voraus. Verkehrsübliche Sorgfalt wiederum wäre gleichzusetzen mit der Pflicht eines ordentlichen Tierarztes, was wiederum auf den tierärztlichen Standard verweist, der nach dem oben Gesagten nicht verletzt ist.
23Im Hinblick auf den Kläger zu 3, bei dem eine auf vertraglicher Grundlage beruhende tierärztliche Behandlungsübernahme durch den Beklagten vorliegt, richtet sich der Haftungsmaßstab unmittelbar nach dem tierärztlichen Standard, der auch in seinem Fall nicht verletzt ist.
24Ansprüche aus deliktsrechtlicher Produkthaftung (außerhalb des Produkthaftungsgesetzes) kommen ebenfalls nicht in Betracht, da sie Verschulden voraussetzen und damit das Gesagte entsprechend gilt und im übrigen die gleichen Kriterien gelten, wie bei der Frage der Sicherheitserwartungen im Bereich des Produkthaftungsgesetzes (vgl. oben).
25II.
26Bei dieser Sachlage geben die Berufungen aller Kläger zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
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Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den Gerichtsgebühren und der auf Beklagtenseite anfallenden anwaltlichen Verfahrensgebühr tragen die Klägerin zu 1) 4 %, der Kläger zu 2) 3 %, die Klägerin zu 3) 7 %, der Kläger zu 4) 3 %, die Klägerin zu 5) 11 %, die Klägerin zu 6) 5 %, die Kläger zu 7) bis 9) jeweils 15 % und der Kläger zu 10) 22 %. Von den übrigen Gerichtskosten und den übrigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 5 %, der Kläger zu 2) 4 %, die Klägerin zu 3) 9 %, der Kläger zu 4) 4 %, die Klägerin zu 5) 14 %, die Klägerin zu 6) 7 % und die Kläger zu 7) bis 9) jeweils 19 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Kläger zu 1) bis 4) und zu 8) sind Pferdezüchter. Der Beklagte betreibt eine tierärztliche Pferdeklinik. Er war seit 2002 Eigentümer des Pferdes „B“, das auch „B2“ genannt wurde. Dieses Pferd wurde auch für Blut- und Plasmaspenden eingesetzt.
3Am 17. Mai 2011 verkaufte der Beklagte der Klägerin zu 3) eine solche Plasmaspende.
4Der Beklagte führte am 27. Oktober 2011 bei einem Pferd der Klägerin zu 5) („E“) und am 11. Mai 2012 bei einem Pferd des Klägers zu 4) ("Fohlen aus M") jeweils eine Plasmatransfusion mit Plasma des Pferdes „B2“ durch.
5Im April 2012 befanden sich auch die Pferde „K“ und „E2“ zur Behandlung in der Tierklinik des Beklagten.
6Die Kläger behaupten, dass B2s Blut mit einem Virus („Equine Infektiöse Anämie“ = EIA) verseucht gewesen sei. Nach den Regeln der tierärztlichen Sorgfalt habe die Spende ohne vorherige Untersuchung, bei der sich die Verseuchung gezeigt hätte, nicht verkauft oder verwendet werden dürfen.
7Ein Teil der an die Klägerin zu 3) verkauften Plasmaspende sei deren Pferd „O“ verabreicht worden. Dieses Pferd habe die in derselben Zucht untergebrachten Pferde der Klägerin zu 1) („P“) und des Klägers zu 2) („E3“) angesteckt. Die Pferde der Kläger zu 4) und 5) seien durch das verwendete Plasma infiziert worden. Das Pferd K gehöre der Klägerin zu 6). Das Pferd E2 gehöre zur Hälfte dem Kläger zu 7) und zur anderen Hälfte den Eheleuten X und J T. Beide Pferde seien während der Behandlung in der Klinik des Beklagten infiziert worden. Nach Entdeckung der Infektion seien die infizierten Pferde auf Anordnung des Veterinäramtes getötet worden.
8Die Klägerin zu 1) verlangt 5.000 € als Wertersatz für das Pferd „P“, 1.000 € als Ersatz für eine Wertminderung ihres Pferdes „J2“, das wegen einer für ihre Hobbyzucht vom Veterinäramt angeordneten Betriebssperre die Fohlenprüfung 2012 versäumt habe und mindestens 700 € Schmerzensgeld wegen eigenen Leidens und Problemen im Zusammenhang mit der Sperrung.
9Der Kläger zu 2) verlangt 5.000 € als Wertersatz für das Pferd „E3“ und mindestens 500 € Schmerzensgeld wegen eigenen Leidens in der Zeit bis zur Tötung seines Tieres.
10Die Klägerin zu 3) verlangt 10.000 € für den Wertverlust ihrer Zucht, 537,69 € für die Kosten der tierärztlichen Verabreichung der Plasmaspende, 171,57 € als Erstattung des Kaufpreises, 39,00 € für die beim Kauf entstandenen Fahrkosten und mindestens 1.000 € Schmerzensgeld wegen eigenen Leidens in der Zeit bis zur Tötung der Tiere.
11Der Kläger zu 4) verlangt 3.375 € als Wertersatz für das Pferd "Fohlen aus M" (unter Berücksichtigung eines von der Tierseuchenkasse gezahlten Betrages von 5.113 €), insgesamt 587,45 € für die Kosten der Behandlung durch den Beklagten, 198,25 € für Behandlungskosten bei einem anderen Tierarzt, 500 € für die Aufzucht des Fohlens und 329,40 € für den Transport des Tieres zur Untersuchungsanstalt, in der es getötet wurde.
12Die Klägerin zu 5) verlangt 14.887 € als Wertersatz für das Pferd „E“ (unter Berücksichtigung eines von der Tierseuchenkasse gezahlten Betrages von 5.113 €) und weitere 3.501,34 € als Erstattung der an den Beklagten gezahlten Behandlungskosten.
13Die Klägerin zu 6) verlangt 5.000 € als Wertersatz für das Pferd „K“ und weitere 3.306,01 € als Ersatz für verschiedene Behandlungskosten.
14Die Kläger zu 7) bis 9) verlangen 75.000 € als Ersatz für den hälftigen Wert des Pferdes „E2“.
15Die Klägerin zu 1) beantragt,
16den Beklagten zu verurteilen, ihr 6.000 €, ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 700 € und für vorgerichtliche Anwaltskosten weitere 603,93 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
17Der Kläger zu 2) beantragt,
18den Beklagten zu verurteilen, ihm 5.000 €, ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 500 € und für vorgerichtliche Anwaltskosten 546,69 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
19Die Klägerin zu 3) beantragt,
20den Beklagten zu verurteilen, ihr 748,12 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 1.000 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Oktober 2012 und weitere 10.000 € sowie für vorgerichtliche Anwaltskosten weitere 546,69 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
21Der Kläger zu 4) beantragt,
22den Beklagten zu verurteilen, ihm 5.002,10 € und für vorgerichtliche Anwaltskosten weitere 316,18 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
23Die Klägerin zu 5) beantragt,
24den Beklagten zu verurteilen, ihr 18.388,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. August 2012 zu zahlen.
25Die Klägerin zu 6) beantragt,
26den Beklagten zu verurteilen, ihr 8.306,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 718,40 € freizustellen.
27Die Kläger zu 7) bis 9) beantragen,
28den Beklagten zu verurteilen, ihnen als Gesamtgläubigern 75.000,00 € und für vorgerichtliche Anwaltskosten weitere 1.880,20 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
29Der Beklagte beantragt,
30die Klagen abzuweisen.
31Der Beklagte behauptet, dass sein Pferd nie klinische EIA-Symptome gezeigt habe. Die der Klägerin zu 3) übergebene Spende habe er am 31. Januar 2011 gewonnen.
32Der Kläger zu 10), der ursprünglich den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 39.744,20 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen in Anspruch genommen hatte, hat die Klage vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten von Dr. T2 (Bl. ### ff. d. A.) und auf das Sitzungsprotokoll vom 22. Oktober 2014 (Bl. ### ff. d. A.) Bezug genommen.
33Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
34Die Klagen sind unbegründet.
35Die Kläger können vom Beklagten wegen der Überlassung bzw. Verwendung infizierten Blutplasmas des Pferdes B2 keinen Schadensersatz verlangen.
361. Verschuldensabhängige Ansprüche aus §§ 280, 823 BGB scheiden aus, weil der Beklagte nicht fahrlässig gehandelt hat.
37Der einschlägige Sorgfaltsmaßsstab wird im Rahmen der vertraglichen und deliktsrechtlichen Haftung gleichermaßen durch den zum Zeitpunkt der Handlung anerkannten Stand der tiermedizinischen Wissenschaft bestimmt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. T2 fiel das streitgegenständliche Geschehen zeitlich mit einer Phase zusammen, in der sich der maßgebliche Standard gerade unter dem Einfluss einer neuen Leitlinie zu Blutprodukten in der Tiermedizin fortentwickelte. Diese Leitlinie war von Wissenschaftlern einer Universität, der Zulassungsbehörde und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erarbeitet und im März 2011 im deutschen Tierärzteblatt und im April 2011 auf der Internetseite des Bundesamtes veröffentlicht worden und hatte empfohlen, nur Blutprodukte von Spenderpferden zu verwenden, die jährlich bzw. unmittelbar vor einer ersten oder einmaligen Spende unter anderem auf EIA-Viren getestet wurden. Inzwischen wird diese Empfehlung in der Pferdemedizin allgemein befolgt. Die haftungsrechtlich entscheidende Frage ist, ob die Verwendung von Blutplasma eines ungetesteten Tieres zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Handlungen des Beklagten zwischen Mai 2011 und Mai 2012 schon standardwidrig war.
38Die in der Leitlinie ausgesprochene Empfehlung darf nicht unbesehen mit dem von jeder Pferdeklinik geschuldeten medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Leitlinien können zwar einen aktuellen medizinischen Standard zutreffend beschreiben. Sie können aber auch veralten oder umgekehrt Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln (siehe zu humanmedizinischen Leitlinien BGH, Urteil vom 15. April 2014, VI ZR 382/12, VersR 2014, 879, juris Rn. 17). Die hier in Rede stehende Leitlinie war nach Auskunft des Sachverständigen kein Ausdruck eines bereits zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung allgemein anerkannten Standes der Wissenschaft. Sie war vielmehr darauf gerichtet, diesen Stand durch die zu erwartende Anerkennung in Wissenschaft und Praxis im Sinne eines verbesserten Seuchenschutzes fortzuentwickeln. Vor diesem Hintergrund war die in der Leitlinie ausgesprochene Empfehlung, Blutprodukte ungetesteter Tiere nicht mehr zu verwenden, nicht schon vom Zeitpunkt der Veröffentlichung an Stand der Wissenschaft bzw. Regel der vom Beklagten zu beachtenden tierärztlichen Sorgfalt. Die Anerkennung einer Behandlungsempfehlung als Stand der Wissenschaft setzt umgekehrt nicht voraus, dass sie in der Praxis üblicherweise oder gar allgemein befolgt wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob eine empfohlene Vorgehensweise in der medizinischen Wissenschaft Anerkennung gefunden hat und zum ärztlichen Standardwissen gehört, dessen Kenntnis und Beachtung verlangt werden kann (BGH, Urteil vom 10. Mai 1983, VI ZR 270/81, NJW 1983, 2080 ff., juris Rn. 12 f.). In Ermangelung anderer Anhaltspunkte (z. B. Übernahme durch einschlägige Standardlehrbücher) ist die Verbreitung in der Praxis allerdings ein nicht unerhebliches Indiz für den anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft.
39Der Sachverständige Dr. T2 ist mit diesen Differenzierungen ausweislich seines schriftlichen Gutachtens ebenso wie seiner mündlichen Ausführungen in der Sitzung am 22. Oktober 2014 gut vertraut. Er ist auf dieser Grundlage mit nachvollziehbarer Begründung zu der Beurteilung gelangt, dass die in der Leitlinie ausgesprochene Empfehlung erst im Verlauf des Jahres 2012 und zwar spätestens nach Bekanntwerden der hier in Rede stehenden Infektionsfälle im Oktober zum anerkannten Standard in der Pferdemedizin geworden ist. Für einen früheren Zeitpunkt konnte er dies nicht bestätigen.
40Da die möglicherweise haftungsbegründenden Handlungen des Beklagten durchweg in der Zeit vor Oktober 2012, nämlich zwischen Mai 2011 und Mai 2012, vorgenommen wurden, und der Beklagte auch keinem Verkehrskreis angehört, an den höhere Anforderungen zu stellen sind als an alle Pferdeklinikbetreiber, ist ihm eine Verletzung der nach den Regeln der tierärztlichen Kunst erforderlichen Sorgfalt nicht vorzuwerfen.
412. Der Beklagte hat auch nach den Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes keinen Schadensersatz zu leisten.
42a) Bei den Klägern zu 1) bis 4) sowie 7) bis 9) ist eine Produkthaftung durch § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG ausgeschlossen. Sie kommt nach dieser Vorschrift bei Sachbeschädigungen nur dann in Betracht, wenn die beschädigte Sache vom Geschädigten hauptsächlich für den privaten Ge- und Verbrauch verwendet worden ist. Es handelt sich um eine Anspruchsvoraussetzung, die von den Klägern darzulegen ist. Die Kläger zu 1) bis 4) und zu 8) sind erklärtermaßen Pferdezüchter. Dass sie oder die Kläger zu 7) und 9), die sich mit der Klägerin zu 8) das Eigentum an Pferd E2 teilen, die betroffenen Pferde hauptsächlich für den privaten Ge- und Verbrauch verwenden, machen sie nicht geltend.
43b) Hinsichtlich des Klägers zu 6), der Schadensersatz wegen der Infektion des beim Beklagten im April 2012 behandelten Pferdes "K" verlangt, lässt sich nicht feststellen, dass der Schaden durch ein vom Beklagten hergestelltes Produkt entstanden ist. Es steht zwar auf Grund der vom Sachverständigen veranlassten Genomanalyse mit hinreichender Gewissheit fest, dass sich "K" in der Klinik des Beklagten infiziert hat. Im Hinblick auf die vom Sachverständigen aufgezeigte Möglichkeit einer Erregerübertragung durch Fluginsekten steht aber nicht fest, dass die Infektion gerade durch Blut erfolgte, dass der Beklagte dem Pferd "B2" entnommen hatte. Nur unter dieser Voraussetzung läge indessen ein Produkt im Sinne von § 2 ProdHaftG vor, an das eine Haftung nach § 1 ProdHaftG anknüpfen könnte.
44c) Hinsichtlich der Klägerin zu 5), die Schadensersatz wegen der Infektion des Pferdes "E" verlangt, kann dahinstehen, ob die insoweit durchgeführte Bluttransfusion mit der Herstellung und dem Inverkehrbringen eines Produktes im Sinne von § 2 ProdHaftG verbunden war.
45Ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen des Verlustes des Pferdes steht jedenfalls gemäß § 72a TSG nicht mehr der Klägerin zu 5) zu, weil diese durch die Tierseuchenkasse bereits in Höhe von 5.113 € entschädigt wurde und das Pferd nach der Schätzung des Sachverständigen 4.000 € wert war. Dieser Schätzung folgt das Gericht auch gegen die dagegen vorgebrachten Einwände. Die Klägerin war aufgefordert worden, alle das Pferd betreffenden Unterlagen zur Akte zu reichen. Die eingereichten Unterlagen hat der Sachverständige sorgfältig ausgewertet. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass für eine Bewertung eines älteren Tieres als Sportpferd die Abstammung gegenüber den bereits erbrachten und dokumentierten Leistungen (hier bis Ausbildungsklasse L) an Bedeutung zurücktrete; für die Bewertung als Zuchtpferd seien wiederum zurückliegende Erkrankungen zu berücksichtigen. Letztere bleiben in dem klägerseits vorgelegten Wertgutachten (Anlage K12, Bl. ### d. A.) unberücksichtigt. Die mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 29.10.2014 erst im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Verkaufsangebote zu von der Klägerin zu 5) als vergleichbar bezeichneten Pferden hätten dem Sachverständigen bereits in der Sitzung am 22. Oktober 2014 vorgehalten werden können. Sie spiegeln im Übrigen nur die Vorstellungen der Anbieter wieder, deuten aber zumindest darauf hin, dass die eigene Wertvorstellung der Klägerin (20.000,00 €) weit übersetzt ist. Zu dem beziehen sie sich eben nicht auf das Pferd der Klägerin zu 5). Daher bestand keine Veranlassung, aufgrund dieses Schriftsatzes die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
46Die für die Behandlung beim Beklagten angefallenen Kosten wären auch nach § 1 ProdHaftG nicht zu erstatten, weil sie keine Folge eines etwaigen Produktfehlers sind.
47Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100, 269, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
48Streitwert: 170.388,77 €
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Produkt im Sinne dieses Gesetzes ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität.
Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.
Produkt im Sinne dieses Gesetzes ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität.
(1) Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
- a)
seiner Darbietung, - b)
des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, - c)
des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,
(2) Ein Produkt hat nicht allein deshalb einen Fehler, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
- a)
seiner Darbietung, - b)
des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, - c)
des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,
(2) Ein Produkt hat nicht allein deshalb einen Fehler, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.