Oberlandesgericht Köln Urteil, 29. Aug. 2014 - 3 U 27/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 09.01.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 14 O 175/12 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin begehrte von der Beklagten rückständige Vergütungen für Frachtleistungen in den Monaten Oktober 2011 – April 2012. Hiergegen hat die Beklagte die Aufrechnung erklärt, hilfsweise Widerklage erhoben wegen angeblicher Gegenansprüche auf Aufwandsentschädigung für verspätete Anlieferungen in der Zeit von September bis April 2012 i.H.v. 15.600,- €, für nicht zurückgegebene Paletten i.H.v. 17.562,- € und für nicht zurückgegebene Sicherungsnetze i.H.v. 1.400,- €.
4Grundlage der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung war ein Dienstleistungsvertrag vom 23.01./03.02.2009, worin die Klägerin „zu den Bedingungen dieses Rahmenvertrages“ für die Beklagte Logistikdienstleistungen, insb. Transportdienstleistungen und ggfls. Nebenleistungen, zu erbringen hatte. Wegen des Vertragsinhalts im Einzelnen wird auf die Kopie Bl. 36 ff. d.A. verwiesen.
5Aufgrund dieses Dienstleistungsvertrags wurde die Klägerin von der Beklagten regelmäßig mit der Durchführung von Transportfahrten zur Belieferung der Filialen der E-markt GmbH + CO KG (im folgenden E) beauftragt. Die Bekl. erstellte hierfür jeweils Gutschriften, die Klägerin erstellte zuweilen über gesonderte Aufträge auch Rechnungen. Im Verlauf der Geschäftsbeziehung akzeptierte die Klägerin die Vorgehensweise, dass die E Verspätungen aller Unterfrachtführer bei der Beklagten reklamierte – angebl. monatlich -, und dass die Beklagte die monatlich behaupteten Verspätungen außerhalb der Karenz sodann den Unterfrachtführern - auch der Klägerin - mitteilte, mit der Bitte um Überprüfung/Rückmeldung. Anschließend stellte die Beklagte den monatlichen Betrag, berechnet nach der Anzahl der Verspätungen multipliziert mit 150,- €, in Rechnung (Anlage B 22) und verrechnete ihn mit Entgeltansprüchen der Klägerin.
6In der Zeit vom 14.10.2011 bis 30.04.2012 und auch noch in der Zeit vom 02.05.2012 bis 20.06.2012 nach dem Ende der Geschäftsbeziehung der Parteien am 30.04.2012 erstellte die Klägerin Rechnungen und die Beklagte Gutschriften. Auf die in den o.g. Zeiträumen erteilten Rechnungen und Gutschriften leistete die Beklagte Zahlungen in einer Gesamthöhe von insgesamt 291.182,89 €, nahm allerdings Abzüge u.a. für pauschalen Schadensersatz wegen verspäteter Anlieferung von September 2011 – April 2012 in Höhe von insg. 15.600,- €, für nicht zurückgegebene Paletten in Höhe von insg. 17.562,- € und für nicht zurückgegebene Sicherungsnetze in Höhe von 1.400,- € vor. Diese Abzüge, die Gegenstand von Rechnungen der Beklagten aus dem Zeitraum vom 14.10.2011 – 12.06.2012 waren und wegen deren Inhalt auf das Anlagenkonvolut 6, Bl. 54, 57, 60, 66, 69, 72, 75, 78 und 83 d.A. verwiesen wird, akzeptierte die Klägerin nicht.
7Im Nachgang einer Besprechung der Parteien vom 30.05.2012, worin der Palettensaldo und die insoweit widerstreitenden Beträge der Parteien erörtert worden waren, teilte die Beklagte, vertreten durch den Zeugen L, der Klägerin per E-Mail vom 02.06.2012 (Anl. 10 Bl. 84 d.A.) folgendes mit:
8„Sehr geehrter Herr N,
9wie am 30.05.2012 telefonisch besprochen haben wir Ihren Palettensaldo um 4.000 FP reduziert und entsprechend gebucht. Der korrigierte Kontoauszug geht Ihnen per Post zu. Den verbleibenden Saldo von 2.927 FP werden wir Ihnen zum genannten Preis von € 6,- /FP in Rechnung stellen, um das Palettenkonto damit abzuschließen. (….).“
10Per E-Mail vom 19.06.2012 widersprach die Klägerin der Aufrechnung der Beklagten mit im Übrigen von ihr auch bestrittenen Gegenansprüchen. (K 39 Bl. 174 d.A.).
11Das Landgericht hat durch Urteil vom 09.01.2014 – 14 O 175/12 -, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen Bezug genommen wird, unter teilweiser Abweisung von Klage und Widerklage im Übrigen der Klage in Höhe von 37.979,35 € zzgl. Zinsen stattgegeben und hat die Klägerin auf die Hilfswiderklage zur Zahlung von 34.562,- € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.06.2012 verurteilt.
12Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Klägerin, womit sie weiterhin die vollständige Abweisung der Widerklage insgesamt begehrt.
13Sie wendet ein, hinsichtlich des zuerkannten Gegenanspruchs der Beklagten wegen „Palettenausgleichs“ aufgrund einer angeblichen Vereinbarung vom 30.05.2012, bestätigt am 02.06.2012, über 17.562,- € habe das Landgericht die in Ziff. 10.1 Dienstleistungsvertrag für Vertragsänderungen und –ergänzungen zwingend vereinbarte Schriftform übersehen. Dieser Form genüge weder die behauptete mündliche Vereinbarung noch die als kaufmännisches Bestätigungsschreiben bewertete E-Mail der Beklagten vom 02.06.2012. Dies gelte auch für die Formulierung auf der Rechnung vom 04.06.2012. Ungeachtet dessen könne dem Inhalt der E-Mail vom 02.06.2012 keine Vereinbarung des Inhalts entnommen werden, ihr Geschäftsführer sei mit einer Zahlung von 17.562,- € an die Beklagte einverstanden. Darin seien nur die von der Beklagten zuvor im Gespräch vom 30.05.2012 angekündigten einseitigen Handlungen – Reduzierung des Palettensaldos um 4.000 Europaletten, entsprechende Buchung, Zusendung eines entsprechenden Kontoauszugs und Berechnung des verbleibenden Saldos zum genannten Preis von 6,- € - wiedergegeben. Aufgrund eines fehlenden Einverständnisses ihres Geschäftsführers habe sie – die Klägerin – keinen Anlass zur Erhebung eines Widerspruchs gegen diese E-Mail gehabt. Die Übergehung dieser Argumentation verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und beinhalte ein falsches Grundverständnis der an ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zu stellenden Anforderungen. Gegen ein Einverständnis ihrerseits spreche im Übrigen die Kenntnis der Beklagten von ihrem Standpunkt über den Stand des Palettenkontos und des auf ihrer Seite fehlenden Anlasses zur Aufgabe sämtlicher Rechtspositionen ohne Erhalt einer Gegenleistung.
14Zu Unrecht und ebenfalls unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör habe das Landgericht die Gegenansprüche der Beklagten wegen verspäteter Auslieferung i.H.v. 15.600,- € zuerkannt, ohne sich mit dem Wortlaut der Klausel in der Anlage 6 des Dienstleistungsvertrages auseinanderzusetzen. Ferner sei verkannt worden, dass diese Klausel in Widerspruch zu weiteren Vertragsbestimmungen in Ziff. 3.1 und Ziff. 4.3 stehe, inhaltlich völlig unbestimmt sei und zu einer unangemessenen Benachteiligung führe, weil sie im Zusammenspiel mit der Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Versender ein wirtschaftliches Ungleichgewicht herbeiführe. Aufgrund der im Verhältnis der Beklagten und der Versenderin geltenden Bonuszahlungen für pünktliche Zustellungen stelle die Klausel eine Mischkalkulation dar. Dies benachteilige sie – die Klägerin – insofern ungerechtfertigt, als die Beklagte die Aufwandsentschädigung von 150,- € vollständig an sie weiterreiche, die Bonuszahlungen aber behalte. Entgegen der Annahme des Landgerichts seien die pauschalen Aufwandsentschädigungen nicht von der Beklagten gezahlt, sondern verrechnet worden. Aber auch bei Unterstellung einer Verrechnung der Malus-Beträge mit den aufgelaufenen Bonusverträgen sei sie nicht verpflichtet gewesen, der Beklagten Bonuszahlungen zu verschaffen, so dass dieser kein Schaden entstanden sei.
15Für einen Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen 35 nicht zurückgegebener Sicherungsnetze über 1.400,- € sei aufgrund des Schriftformerfordernisses eine stillschweigende Kontokorrentabrede nicht möglich. Im Übrigen seien weder ihre Mitarbeiter in der Palettenverwaltung noch ihre Mitarbeiter in der Buchhaltung zum Abschluss eines Kontokorrents bevollmächtigt gewesen. Da die Beklagte - entgegen der vertraglichen Regelung – einen Saldo nicht jährlich durchgeführt habe, sei ihr – der Klägerin - erst am Ende der Geschäftsbeziehung vor Augen geführt worden, dass die Beklagte zwar die Ausgabe von Sicherungsnetzen auf ihren Ladepapieren vermerkt habe, eine derartige Dokumentation für die Rückgaben aber nie vorgesehen gewesen sei. Ebenso wenig ergebe sich aus nur gelegentlichen Protesten ihrer Mitarbeiter bei offensichtlichen Unrichtigkeiten die Unstreitigkeit der weiteren Positionen, weil man diese nicht regelmäßig überprüft und Widerspruch nur bei aufgefallenen Ungereimtheiten erhoben habe. Sie habe auch keine Kenntnis von der Aushändigung der Sicherungsnetze an ihre Fahrer und der fehlenden Dokumentation der Rückgaben zu ihren Gunsten auf Seiten der Beklagten gehabt. Nur bei entsprechend ausdrücklicher Vereinbarung hätte sie diese Positionen überprüfen und den Fahrern entsprechende Anweisungen geben können, zumal feststehe, dass die betroffenen Sicherungsnetzte vor geraumer Zeit und daher für sie nicht mehr überprüfbar übergeben worden sein sollen.
16Die Klägerin beantragt,
17das Urteil des Landgerichts Bonn vom 09.01.2013 - 14 O 175/12 - teilweise abzuändern und die Widerklage abzuweisen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie ist der Berufung der Klägerin unter Verteidigung des angefochtenen Urteils und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegengetreten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 11.04.2014 (Bl. 414 ff. d.A.) verwiesen.
21Wegen aller weiteren Einzelheiten im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22II.
23Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
24Das Landgericht hat zu Recht der Widerklage teilweise stattgegeben und Ansprüche der Beklagten auf Aufwandsentschädigung wegen verspäteter Anlieferung im Zeitraum von September 2011 – April 2012 i.H.v. 15.600,- €, wegen nicht zurückgegebener Paletten i.H.v. 17.562,- € und wegen nicht zurückgegebener Sicherungsnetzte i.H.v. 1.400,- € zuerkannt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden, durch das Berufungsvorbringen nicht entkräfteten Ausführungen im angefochtenen Urteil.
25Ergänzend ist folgendes anzumerken:
261. Anspruch auf Aufwandsentschädigung wegen verspäteter Anlieferung im Zeitraum von September 2011 – April 2012, 15.600,- €:
27Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin gegenüber diesem Anspruch der Beklagten darauf, das Landgericht habe ihren Hinweis auf Unverständlichkeit der Klausel in Anl. 6 des Dienstleistungsvertrages nicht berücksichtigt und sich mit dem Wortlaut der Klausel über die Erhebung einer Aufwandsentschädigung von 150,- € für jede Verspätung nicht auseinandergesetzt. Diese Frage konnte auch aus Sicht des Senats offen bleiben, weil sich eine Haftung der Klägerin auch bei Unwirksamkeit der besagten Klausel aus den §§ 423, 425, 431 III HGB ergibt.
28Bei Nichteinhaltung einer zur Ablieferung vereinbarten Lieferfrist ist der Frachtführer unter den Voraussetzungen des §§ 425 ff. HGB schadensersatzpflichtig (MK/Czerwenka, HGB Band 7, 2. Aufl. 2009, § 423 Rn. 10; Koller TransportR, 8. Aufl. 2013, § 423 Rn. 14).
29Die Klägerin hatte gem. Ziff. 1.1 Punkt 1 des Dienstleistungsvertrages i.V.m. Ziff. 1.2 d. Anlage 1 und Anlage 9 zum Dienstleistungsvertrag (vgl. Bl. 36, 37, 42 und 53 d.A.) die in Anlage 9 angegebenen Uhrzeiten für die Anlieferung an den einzelnen Filialen einzuhalten, wobei die Filialbelieferung unter Berücksichtigung der Filialrestriktionen und der festgelegten Uhrzeiten zu erfolgen und die Klägerin die Zustellquote von 100 % gem. Anl. 6 zum Dienstleistungsvertrag (vgl. Bl. 50 d.A.) garantiert hatte. Hintergrund für diese verbindlichen frühen Anlieferzeiten und deren unbedingte Einhaltung war, dass E vor Öffnung der Filialen für die Kunden sämtliche angelieferten Waren mit Hilfe ihrer Mitarbeiter in den Regalen einsortiert haben wollte, damit das Ladenlokal für die Kunden uneingeschränkt begehbar ist. Die zur Einräumung eingeteilten und zu den Anlieferzeiten der Ware in den Filialen bereit stehenden Mitarbeiter hätten auch bei Verzögerung der Anlieferung und dadurch bedingter zwangsweiser Untätigkeit bezahlt werden müssen, was bei E zu Unkosten geführt hätte. Nach den Vereinbarungen in Ziff. 4.2 und 4.3 des Dienstleistungsvertrages hatte die Klägerin die Haftung für den durch die Überschreitung von Lieferfristen entstehenden Schaden entsprechend den gesetzlichen Regelungen der §§ 425 ff HGB übernommen. Aufgrund der von ihr mit der Regelung in Anlage 6 des Dienstleistungsvertrages übernommenen Garantie einer Zustellquote von 100 % haftet sie entsprechend den Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil für die Überschreitung der Lieferfristen ohne Verschulden, vorbehaltlich einer Entlastung gem. § 426 HGB.
30Nach den klägerseits nicht mehr angegriffenen, im Übrigen aber auch zutreffenden Feststellungen im angefochtenen Urteil steht aufgrund der Aussage des Zeugen L fest, dass die Klägerin ihre Verpflichtungen zur fristgerechten Lieferung im zuerkannten Umfang verletzt hat und es infolge der von dem Zeugen im Einzelnen erläuterten Verspätungen in den Monaten Sept. 2011 – April 2012 (gem. Anl. B 22) zu dem geltend gemachten Schaden in Form von „Maluszahlungen“ der Beklagten an E in geltend gemachter Höhe gekommen ist. Dass die Beklagte tatsächlich keine Zahlungen an E geleistet, sondern diese entsprechende Beträge von den bestehenden Forderungen der Beklagten von E in Abzug gebracht worden sind, steht einer Zahlung von Seiten der Beklagten gleich und lässt angesichts der dadurch eingetretenen Verringerung ihrer eigenen Forderung einen bei ihr eingetretenen Schaden nicht entfallen. Insbesondere braucht sich die Beklagten nicht auf eine mögliche Unwirksamkeit der zwischen ihr und E vereinbarten Regelung von Maluszahlungen im Falle verspäteter Warenauslieferung verweisen zu lassen, da diese jedenfalls nicht so offensichtlich ist, dass die Beklagte sich auf eine Klage gegen E gegen die ihr berechneten Maluszahlungen hätte einlassen müssen.
31Der Schaden der Beklagten in Höhe der zu ihren Lasten in Abzug gebrachten Maluszahlungen aufgrund der Auslieferungsverzögerungen der von der Klägerin durchgeführten Auslieferungen ist auch nicht dadurch kompensiert worden, dass die Beklagte aufgrund vertraglicher Vereinbarung von E Bonuszahlungen für die pünktliche Warenauslieferung bei der Ausführung anderer als der streitgegenständlichen Lieferaufträge erhalten hat und diese mit angefallenen Maluszahlungen aufgrund der klägerseits verspätet ausgeführten Anlieferungen im streitgegenständlichen Zeitraum mit Bonuszahlungen verrechnet worden sind. Diese Bonuszahlungen für andere pünktlich ausgeführte Auslieferungen stehen mit den streitgegenständlichen, verspätet ausgeführten Auslieferungen der Klägerin im Zeitraum von September 2011 – April 2012 in keinem sachlichen Zusammenhang, weil es sich bei den einzelnen Auslieferungen um eigenständige, jeweils auf gesonderten Aufträgen beruhende Transportfahrten gehandelt hat. Die Verrechnung von Bonus- und Malus-Beträgen im Verhältnis Beklagte – E erfolgt aus Vereinfachungsgründen zur Vermeidung von Hin- und Herzahlungen. Der Erhalt der Bonuszahlungen hat seinen Rechtsgrund ausschließlich im Verhältnis der Beklagte zu E und ist auf das Verhältnis zwischen der Beklagten zu ihren jeweiligen Unterfrachtführern ohne gesonderte Vereinbarung nicht übertragbar. Ebenso wenig bestand eine Verpflichtung der Beklagten zur Weitergabe dieser Bonuszahlungen an die von ihr beauftragten Auslieferer. Ein Schaden ist der Beklagten im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen, verspätet ausgeführten Lieferungen der Klägerin allein durch Erhebung dieser Maluszahlungen entstanden, die E im Falle pünktlicher Auslieferung nicht erhoben hätte. Der Einwand der Klägerin, sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Beklagten Bonuszahlungen zu verschaffen, geht fehl. Eine derartige Verpflichtung hatte die Klägerin zwar tatsächlich nicht. Allerdings hatte sie sich im Dienstleistungsvertrag gegenüber der Beklagten aufgrund übernommener Garantie zur pünktlichen Ablieferung der Waren zu den in der Anl. 9 des Dienstleistungsvertrages festgelegten Uhrzeiten verpflichtet. Dass die Beklagte ihrerseits bei Einhaltung dieser Verpflichtung durch die Klägerin von E eine Bonuszahlung erhielt, ist im Verhältnis der hiesigen Parteien unerheblich. Abgesehen davon hat die Klägerin auch nicht dargetan, ob und ggfls. in welcher Höhe die Beklagte in den Monaten September 2011 – April 2012 für pünktlich ausgeführte Lieferungen der Klägerin im Rahmen anderer Transportaufträge Bonuszahlungen erhalten hat und inwieweit diese die von ihr zu zahlenden Malusbeträge für verspätete Lieferungen der Klägerin im gleichen Zeitraum überstiegen haben.
322. Anspruch der Beklagten auf Ersatz für nicht zurückgegebene Paletten, 17.562,- €: Zu Recht hat das Landgericht auch einen Ersatzanspruch der Beklagten für insgesamt 2.927 nicht zurückgegebene Paletten i.H.v. insg. 17.562,- € aufgrund einer Vereinbarung der Parteien angenommen, die durch Schweigen der Klägerin auf die als kaufmännisches Bestätigungsschreiben zu beurteilende E-Mail der Beklagten vom 02.06.2012 (Anl. 10 Bl. 84 d.A.) zustande gekommen ist.
33Die Rechtsfolgen einer widerspruchsfreien Entgegennahme eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens treten nur dann ein, wenn das Schreiben in seinem Wortlaut mit hinreichender Deutlichkeit auf ernsthafte Vertragsverhandlungen Bezug nimmt, die zumindest aus Sicht des Absenders zu einem gültigen Vertragsschluss geführt haben, und worin der Absender seine Auffassung über das Zustandekommen und den Inhalt eines mündlich, fernmündlich oder telegrafisch geschlossenen Vertrages mitteilt (OLG Bamberg, Urt. v. 11.11.2002 – 4 U 234/01 OLGR 2003, 246 in juris Rn. 40; BGHZ 54, 236/239; Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. § 147 Rn. 11). Das kaufmännische Bestätigungsschreiben muss zwar nicht als solches bezeichnet, aber eindeutig gefasst und erkennbar dazu bestimmt sein, einen Vertragsschluss und den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben sowie verbindlich festzulegen; Unklarheiten gehen zu Lasten des Absenders. (OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.10.2010 – 4 U 29/09 – BB 2011, 770 in juris Rn. 50; BGH NJW 2005, 3499/3500; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.1990 – 10 U 68/90 – NJW 1991, 374 f. in juris Rn. 39).
34Danach hat die Beklagte in ihrer E-Mail vom 02.06.2012 eine zuvor im Rahmen der unstreitigen Besprechung der Parteien über den Palettensaldo vom 30.05.2012 aus ihrer Sicht verbindliche Vereinbarung über den endgültigen Abschluss des zuvor streitigen Palettenkontos dahingehend bestätigt, dass dieser mit einem verbliebenen Negativsaldo zu Lasten der Klägerin von 6.927 nicht zurückgegebener Paletten zu deren Gunsten um 4.000 Paletten auf 2.927 Paletten reduziert und der Klägerin pro Palette 6,- € zum Abschluss des Palettenkontos berechnet werden sollte. Das Fehlen einer ausdrücklichen „Bestätigung“ steht der Annahme eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht entgegen. Die Wiedergabe und Bestätigung einer vorherigen einvernehmlichen mündlichen Absprache folgt aus Sicht des Senats eindeutig aus der Formulierung „wie am 30.05.2012 telefonisch besprochen, haben wir Ihren Palettensaldo um 4.000 FP reduziert und entsprechend gebucht“. Es handelt sich dabei nicht um die Wiedergabe einer von der Beklagten einseitig beabsichtigten und angekündigten Vorgehensweise. Die Bezugnahme auf das zuvor telefonisch „Besprochene“ ist ein Synonym für eine zuvor getroffene Absprache, Vereinbarung bzw. einvernehmliche Regelung. Die Erklärung der Beklagten in der E-Mail vom 02.06.2012 ist so zu verstehen, dass sie mit der Reduzierung des zuvor streitigen Palettensaldos eine vorher getroffene einvernehmliche Absprache der Parteien umgesetzt hat. Hierfür spricht auch die zeitnah erstellte Rechnung der Beklagten vom 04.06.2012, worin der entsprechende Betrag mit der Erläuterung „Kontoabschluss gemäß Vereinbarung“ abgerechnet worden ist (Bl. 83 d.A.), sowie der Vermerk in dem der Klägerin unstreitig übersandten Kontoauszug über die Paletten „“lt. Vereinbarung 4.000,- FP“ (Anl. 10 Bl. 85 f. d.A.).
35Außerdem wird in der E-Mail der wesentliche Inhalt der getroffenen Absprache wiedergegeben, nämlich neben der abgesprochenen Reduzierung des Palettensaldos, der zu berechnende Einzelpreis für die nach Abzug noch verbleibenden, nicht zurückgegebenen Paletten von 6,- €/FP sowie als Grund für diese einvernehmliche Regelung der Abschluss des ursprünglich streitigen Palettenkontos.
36Einer vorangegangenen Einigung der Parteien über das Palettenkonto mit nachfolgendem kaufmännischen Bestätigungsschreiben steht auch weder die Kenntnis der Beklagten von den widerstreitenden Argumenten der Klägerin zum Stand des Palettenkontos noch die bis zum 30.05.2012 bzw. 02.06.2012 zunächst nicht erzielte Einigung der Parteien darüber noch der auf Seiten der Klägerin aus ihrer Sicht fehlende Grund zur Aufgabe aller ihrer Rechtspositionen ohne Erhalt einer Gegenleistung wegen vermeintlicher Rückgabe sämtlicher Paletten entgegen. Dass die Parteien zunächst keine Einigung erzielt haben und die Anzahl der angeblich nicht zurückgegebenen Paletten streitig war, schließt eine spätere Vereinbarung nicht aus, weil einer späteren Einigung üblicherweise zunächst der Austausch widerstreitender Standpunkte vorausgeht. Auch dem Einwand der Klägerin, sie habe durch Abschluss dieser Vereinbarung keine Gegenleistung erhalten, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine solche liegt in dem Verzicht der Beklagten auf die Berechnung von 4.000 angeblich nicht zurück gegebener Paletten mit Reduzierung des streitigen Saldos von 6.927 auf 2.927 Paletten, womit sie der Klägerin zur Beilegung des Streits entgegengekommen ist. Weitere Indizien dafür, dass die Beklagte für die Klägerin ersichtlich am 30.05.2012 von einer Vereinbarung mit dem anschließend bestätigten Inhalt ausgegangen ist, sind der in der Rechnung vom 04.06.2012 über den Palettenausgleich 05/2012 enthaltene Zusatz „Kontoabschluss gem. Vereinbarung“ (Anl. 10 Bl. 83 d.A.) sowie der Vermerk im Packmittel-Kontoauszug vom 01.06.2012 per 31.05.2012 für das Datum 30.05.2012 „lt. Abspr. H. L H. N“ betreffend die Gutschrift von 4.000 Paletten (Anl. 10 Bl. 85/86 d.A.). Auch deswegen hätte klägerseits Veranlassung zur Erhebung eines rechtzeitigen Widerspruchs bestanden.
37Die Klägerin hat dem Inhalt der E-Mail und dem sich daraus ergebenden Anspruch der Beklagten nach unstreitigem Erhalt allerdings nicht zeitnah binnen 2-3 Tagen widersprochen, sondern – insoweit unstreitig - erstmals per E-Mail vom 19.06.2012
38– also nach 17 Tagen - mitgeteilt, sie sei mit sämtlichen von der Beklagten erstellten Gegenansprüchen nicht einverstanden. (Anl. K 39 Bl. 174 d.A.). Offen bleiben kann, ob diese Erklärung überhaupt als Widerspruch gegen die kaufmännische Bestätigung der Beklagten vom 02.06.2012 auszulegen ist, weil darin ganz allgemein nur das Einverständnis zu sämtlichen Gegenansprüchen der Beklagten verweigert, nicht aber die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung über den Palettensaldo konkret geleugnet wird und die Klägerin nicht näher auf die einzelnen Gegenansprüche der Beklagten eingeht, insbesondere hinsichtlich des Palettensaldos weder eine Begründung für das Nichtbestehen von Gegenansprüchen der Beklagten angibt noch das Zustandekommen einer Vereinbarung bestreitet.
39Jedenfalls ist ein Widerspruch der Klägerin mit ihrer E-Mail vom 12.06.2012 nicht mehr rechtzeitig erfolgt. Nach Treu und Glauben und kaufmännischer Verkehrssitte ist der Empfänger eines Bestätigungsschreibens verpflichtet, unverzüglich zu widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Zwar kann ein Widerspruch gegen ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben auch konkludent erklärt werden, etwa durch ein Schreiben, aus dessen Zusammenhang sich ergibt, dass das verbindliche Zustandekommen des Vertrages geleugnet wird. Der Widerspruch muss aber unverzüglich (§ 121 BGB) binnen einer den Verkehrsbedürfnissen angemessen kurzen Frist erklärt werden, d.h. i.d.R. binnen 1-2 Tagen; auch 3 Tage können noch ausreichen (Palandt/Ellenberger a.a.O. § 147 Rn. 17 m.w.N.). Dagegen ist eine Woche i.d.R. zu lang (Palandt/Ellenberger a.a.O. § 147 Rn. 17; BGH NJW 1962, 104; OLG Köln, BB 1971, 286).
40Der fehlende rechtzeitige Widerspruch führt zum Zustandekommen eine Vereinbarung zwischen den Parteien entsprechend der E-Mail der Beklagten vom 02.06.2012 dahingehend, dass die Klägerin der Beklagten zum Abschluss des Palettenkontos 2.927 nicht zurückgegebene Paletten mit 6,- €/Stück, also insgesamt 17.562,- € zu vergüten hat. Unterlässt der Empfänger eines Bestätigungsschreibens den Widerspruch, gilt der Vertrag als mit dem bestätigenden Inhalt geschlossen. Diese Rechtwirkung tritt nach allgemeiner Auffassung auch dann ein, wenn die dem Schreiben vorausgegangenen Verhandlungen noch nicht zu einem Vertragsschluss geführt haben, so dass es auch nicht darauf ankommt, ob der Verhandelnde Abschlussvollmacht hatte. Denn nicht das vollmachtlose Handeln des Vertreters, sondern das Schweigen auf das Bestätigungsschreiben bewirkt in einem solchen Fall das Zustandekommen des Vertrages (BGH NJW 1965, 965; BGH NJW 1964, 1951; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.1990 – 10 U 68/90 – NJW-RR 1991, 374 f. in juris Rn. 39).
41Die fehlende Schriftform hindert die Wirksamkeit der Vereinbarung der Parteien über den Palettensaldo nicht. Die Klausel in Ziff. 10.1 des Dienstleistungsvertrages über das Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen oder Ergänzungen sowie die Vereinbarung eines Verzichts ist auf die mündliche Vereinbarung über den Palettensaldo vom 30.5./02.06.2012 nach zwischenzeitlicher Kündigung des Vertrages am 30.04.2012 nicht anwendbar, weil die besagte Vereinbarung im Zuge der Abwicklung des bereits zum 30.04.2012 beendeten Vertrages getroffen worden ist, es also nicht um eine Änderung oder Ergänzung eines Vertrags i.S.v. Ziff. 10.1 Dienstleistungsvertrag ging. Ebenso wenig haben die Parteien eine neue Vereinbarung geschlossen, für die die im Dienstleistungsvertrag geltenden Allgemeinen Bedingungen fortgelten sollten. Auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 18.03.2013 – 2 U 179/12 – (ZMR 2013, 708 ff. in juris Rn. 19 ff.) kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Die in dieser Entscheidung getroffene mündliche Vereinbarung betraf – anders als hier - eine Änderung des noch bestehenden Vertragsverhältnisses in Form einer Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen.
42Es kann infolge dessen dahinstehen, ob die Klausel in Ziff. 10.1 des Dienstleistungsvertrages über das Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen oder Ergänzungen sowie die Vereinbarung eines Verzichts wegen Verstoßes gegen §§ 305 b, 307 BGB unwirksam ist, soweit für Vertragsänderungen oder Ergänzungen konstitutiv die Einhaltung der Schriftform gefordert wird, weil eine Schriftformklausel die Wirksamkeit nachträglich mündlich getroffener Individualabreden, die nach § 305 b BGB – früher § 4 AGBGB – Vorrang genießen, nicht außer Kraft setzen kann (BGH, Urt. v. 20.10.1994 – III ZR 76/94 – NJW-RR 1995, 179 f. in juris Rn. 5 m.w.N.; BGH, Urt. v. 21.09.2005 – XII ZR 312702 – NJW 2006, 138 f. in juris Rn. 15-17; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 305 b Rn. 5 m.w.N.).
433. Anspruch der Beklagten auf Ersatz für nicht zurückgegebene Sicherungsnetze, 1.400,- €:
44Das Landgericht hat schließlich auch einen Ersatzanspruch der Beklagten für nicht zurückgegebene Sicherungsnetze i.H.v. 1.400,- € aufgrund eines Saldoanerkenntnisses zu Recht zugesprochen. Demgegenüber kann sich die Klägerin ebenfalls nicht auf die Unwirksamkeit wegen fehlender Schriftform berufen.
45Dass die Parteien ein Konto über die Ausgabe und Rückführung von Ladehilfsmittel geführt haben und hiervon auch die ab 2010/2011 verwendeten Sicherungsnetze als Zubehörteile der Wechselbrücken erfasst waren, folgt aus Absatz 3 der Anlage 5 zum Dienstleistungsvertrag (vgl. Bl. 49 d.A.). Die Führung des Kontos zur Verwaltung der übergebenen LHM (= Ladehilfsmittel) sollte danach der Beklagten als Auftraggeberin obliegen und es sollte zwischen den Parteien monatlich abgestimmt werden. Schon diese vorgesehene monatliche Abstimmung spricht aus Sicht des Senats für die Annahme eines Kontokorrents. Im Übrigen steht aber auch entsprechend den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, d.h. der Aussage der Zeugin I (vgl. Bl. 287 ff. d.A.), den von ihr vorgelegten Unterlagen (vgl. Bl. 297 d.A. = Umschlag) und aufgrund Anlage B 20 (Bl. 109 d.A.) fest, dass die Beklagte der Klägerin monatlich Mitteilungen über den jeweiligen Saldo der Ladehilfsmittel, und zwar mit Einführung der Verwendung von Sicherungsnetzen darüber, zur Verfügung gestellt hat. Aus der letzten Saldomitteilung ergab sich ein Negativsaldo bzgl. der Sicherungsnetze zu Lasten der Klägerin von 35 Netzen.
46Die Beklagte hat durch die diesen Saldoständen jeweils beigefügte Mitteilung „Bitte prüfen Sie und bestätigen sie diesen Kontoauszug innerhalb von 14 Tagen nach Ausstellungsdatum. Sollten wir innerhalb dieser Frist keine schriftlichen Einwendungen von Ihrer Seite erhalten, gehen wir davon aus, dass sie mit unserem Saldo einverstanden sind.“ hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie mit den Saldenmitteilungen erkennbar rechtliche Wirkungen auslösen wollte und es sich dabei nicht nur um die schlichte Mitteilung eines Kontostandes gehandelt hat. Es ist anerkannt, dass ein Saldoanerkenntnis im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses die Wirkungen eines abstrakten Schuldanerkenntnisses hat. Ein Kontokorrentverhältnis nach § 355 I HGB setzt ein Geschäftsverhältnis zwischen Parteien voraus – die nicht notwendig Kaufleute sein müssen -, bei dem die Abrede besteht, dass die wechselseitigen Leistungen periodisch miteinander verrechnet werden. Ein Kontokorrentverhältnis kann in jeder Geschäftsbeziehung bestehen, in der eine Mehrzahl von Leistungen abzurechnen ist (OLG Köln, Urt. v. 23.08.2013 – 6 U 27/13 – WRP 2013, 1656 ff. in juris Rn. 33). Eine Kontokorrentabrede muss nicht ausdrücklich geschlossen sein, sie kann auch konkludent erfolgen. Indizien für eine solche Abrede liegen in der Übersendung der regelmäßigen Abschlüsse zur Anerkennung und in der Anerkennung selbst. Auch in dem Schweigen auf die während eines längeren Zeitraums übersandten periodischen Rechnungsabschlüsse und in der Fortsetzung der Geschäftsverbindung auf der Basis dieser Abrechnungen kann eine stillschweigende Anerkennung der Salden liegen (OLG Köln, Urt. v. 23.08.2013 – 6 U 27/13 – WRP 2013, 1656 ff. in juris Rn. 33; BGH, Urt. v. 18.06.1991 – XXI ZR 159/90 – NJW-RR 1991, 1251). Werden im Verhältnis zwischen Absender und Frachtführer wechselseitig Paletten – oder andere Ladehilfsmittel, wie Sicherungsnetze – überlassen, dann sind die „Palettenschulden“ und „-gutschriften“ im laufenden „Palettenkonto“ nach Kontokorrentrecht zu behandeln (MK/Czerwenka, HGB Band 7, 2. Aufl. 2009, § 407 Rn. 86; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB Band 2, 2. Aufl. 2009, § 407 Rn. 56; Koller, TransportR, 8. Aufl. 2013, § 407 Rn. 58).
47Danach ist die Vereinbarung der Parteien gem. Anl. 5 zum Dienstvertrags über die Führung eines Kontos über Ladehilfsmittel mit monatlicher Abstimmung und über die nach der Aussage der Zeugin I monatlich erteilten Abrechnungen der Beklagten über die ausgegebenen bzw. zurückgegebenen Ladehilfsmittel nebst Angaben zum Saldo und der Aufforderung zur Erhebung von Einwendungen als Kontokorrentverhältnis zu beurteilen.
48Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin demgegenüber auf die fehlende Schriftform. Die schriftliche Vereinbarung über die Führung eines solchen Kontos ergibt sich aus Anlage 5 des Dienstleistungsvertrags. Die monatlichen Abrechnungen der Beklagten über das Konto der Ladehilfsmittel nebst aktuellem Saldo, mit entsprechender Aufforderung zur Erhebung von Einwendungen binnen gesetzter Frist sowie Ankündigung der Verbindlichkeit des Saldos bei Nichterhebung von Einwendungen sind ebenfalls schriftlich erfolgt. Mit der unterlassenen Erhebung von Einwendungen gegen die regelmäßig mitgeteilten Salden innerhalb der gesetzten Fristen hat die Klägerin die angekündigte Rechtsfolge, nämlich die Geltung ihres Schweigens als Anerkenntnis, selbst herbeigeführt. Hierzu bedurfte es keiner Schriftform.
49Ebenso wenig vermag ihr Einwand, ihre Mitarbeiter seien zur Abgabe entsprechender Erklärungen nicht bevollmächtigt gewesen, ihrer Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Da die Saldomitteilungen der Beklagten an die Klägerin adressiert waren, lag es im alleinigen Verantwortungsbereich der Klägerin, diese an die zur Bearbeitung und ggfls. Beantwortung zuständigen, insbesondere bevollmächtigten Mitarbeiter weiterzuleiten. Soweit die Einwendungsschreiben der Klägerin vom 11.05.2012 und 30.05.2012 (Bl. 297 d.A.) von der Zeugin X mit dem Zusatz i.A. unterschrieben worden sind, durfte die Beklagte nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht davon ausgehen, dass diese Mitarbeiterin zur Abgabe der Erklärungen betreffend die Abrechnungen berechtigt war und die fehlenden weiteren Einwendungen seitens der Klägerin bzw. der zur Prüfung der Ladehilfsmittel zuständigen Mitarbeiter als Anerkenntnis des mitgeteilten Saldos, ggfls. nach Berücksichtigung der erhobenen Einwendungen zu verstehen war. Abgesehen davon ist die Klägerin mit ihrem erstmals in der Berufung erhobenen Einwand, ihre Mitarbeiter seien zur Abgabe von Erklärungen im Zusammenhang mit den Ladehilfsmitteln nicht bevollmächtigt gewesen, im Übrigen gem. § 531 II Nr. 3 ZPO aber auch präkludiert, nachdem die Beklagte in der Berufungserwiderung (vgl. Bl. 418/419 d.A.) bestritten hat, dass die mit der Überprüfung der Ladehilfsmittel und der Führung der entsprechenden Korrespondenz betrauten Mitarbeiter der Klägerin hierzu nicht bevollmächtigt gewesen sein sollen.
50Die Kostenscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
51Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
52Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.
53Streitwert für das Berufungsverfahren: 34.562,- €
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Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 29. Aug. 2014 - 3 U 27/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Der Frachtführer ist von der Haftung befreit, soweit der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist auf Umständen beruht, die der Frachtführer auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte.
(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. 1. 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 84 O 193/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziff. I. wie folgt lautet:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
im Zusammenhang mit der Führung von „Reisewertkonten“,
bei denen der Verbraucher durch monatliche Beiträge ein Guthaben anhäuft und diese „Reisewerte“ für den Fall einer Reisebuchung auf den Reisepreis angerechnet werden, wobei die „Reisewerte“ aus dem vorausgehenden Saldierungszeitraum in den neuen Saldierungszeitraum übertragen werden,
unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche „Reisewerte“ vorzunehmen, die in den Zeitraum des jeweils vor-vor-vorletzten Jahres fallen, wie mit Saldenaufstellungen vom 7. 1. 2009 („Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008“) und vom 16. 5. 2012 („Zeitraum 1. 9. 2011 - 31. 12. 2011“) gegenüber der Verbraucherin S geschehen:
(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln - in der vorstehenden Fassung - sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungstenors durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
G r ü n d e :
2(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
3I.
4Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Die Beklagte vermittelt gewerbsmäßig Flüge, Pauschalreisen und andere Reiseleistungen und bietet Verbrauchern darüber hinaus den Abschluss von sogenannten Reisewertkonten an. Hierbei zahlt der Kunde monatlich ein „Serviceentgelt“ und erhält im Gegenzug neben bestimmten Serviceleistungen (Reiseberatung, Reisevermittlung, Best Price Garantie, Krankenversicherung und anderes) „Reisewerte“, die im Falle von Reisebuchungen über die Beklagte auf den Reisepreis angerechnet werden. Eine Barauszahlung dieser Reisewerte ist nicht möglich.
5Unter dem 16. 5. 2012 ließ die Beklagte ihrer Kundin S, die bei ihr ein Reisewertkonto unterhält, eine mit „Ihre Salden“ überschriebene Mitteilung über den aktuellen Stand ihrer Reisewerte übersenden. Der Saldo des Vormonates war mit 3.118,00 ausgewiesen. Hiervon war ein Betrag in Höhe von 718,00 mit dem Vermerk „Verjährung gem. §§ 195, 199 BGB“ abgezogen. Der abgezogene „Reisewert“ von 718,00 entsprach dem Schlussbetrag aus der Saldenabrechnung vom 7. 1. 2009 („Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008“). Unten auf der Mitteilung vom 16. 5. 2012 heißt es:
6„Die vorstehende Mitteilung über den aktuellen Stand Ihrer gebildeten Reisewerte erfolgt unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Prüfung. Wir bitten Sie höflich, die vorstehende Saldenaufstellung zu prüfen. Die Saldenaufstellung gilt als genehmigt, wenn Sie nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit ihrem Zugang schriftliche Einwendungen dagegen an uns abgesandt haben. ... Wir weisen höflich darauf hin, dass Ihr im Reisewertkonto dokumentierter Anspruch auf Anrechnung der erworbenen Reisewerte auf den Reisepreis eine über die Deutsche Reise Touristik GmbH gebuchten Reise der gesetzlichen dreijährigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB unterliegt. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der jeweilige Reisewert Ihrem Reisewertkonto gutgeschrieben worden ist.“
7Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die monatlichen Saldenaufstellungen seien Bestandteil eines zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Kunden bestehenden Kontokorrentverhältnisses. Die Beklagte nehme daher unter Berufung auf die Verjährung unberechtigt Abzüge vor und täusche ihre Kunden über die geltende Rechtslage hinsichtlich der Verjährung.
8Der Kläger hat beantragt:
9I. Der Beklagten wird untersagt, im Zusammenhang mit der Führung von „Reisewertkonten“, bei denen der Verbraucher durch monatliche Beiträge ein Guthaben anhäuft und diese „Reisewerte“ für den Fall einer Reisebuchung auf den Reisepreis angerechnet werden, wobei die „Reisewerte“ aus dem vorausgehenden Saldierungszeitraum in den neuen Saldierungszeitraum übertragen werden,
10im Jahr 2012 unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche „Reisewerte“ vorzunehmen, die in den Zeitraum des Jahres 2008 fallen, wie mit Saldenaufstellungen vom 7. 1. 2009 („Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008“) und vom 16. 5. 2012 („Zeitraum 1. 9. 2011 - 31. 12. 2011“) gegenüber der Verbraucherin S geschehen:
11[es folgt die Einblendung wie oben im Tenor wiedergegeben]
12II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei den von ihr versendeten Kundenanschreiben handele es sich um schlichte Informationsschreiben über den aktuellen Stand der Höhe der angesammelten Reisewerte. Die Kundenanschreiben seien kundenfreundlicher Service. Eine neue abstrakte Verbindlichkeit habe hiermit nicht begründet werden sollen.
16Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, aus der Sicht des Kunden läge in den monatlichen Aufstellungen ein abstraktes Schuldanerkenntnis, durch das die Verjährung jeweils neu zu laufen beginne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
17Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Sie beanstandet am Antrag des Klägers, dass dieser eine unzutreffende Begrifflichkeit („Guthaben“) verwende und auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei, da der Kläger die Unterlassung von Handlungen im Jahr 2012 verlange. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie weist darüber hinaus darauf hin, dass sie als Folge einer früheren Auseinandersetzung mit dem Kläger die beanstandeten Informationsschreiben nicht mehr automatisch, sondern nur noch auf Verlangen der Kunden versende.
18Die Beklagte beantragt,
19das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. 1. 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
20Der Kläger beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Seinen Klageantrag zu Ziff. I. hat der Kläger wie folgt gestellt:
23Der Beklagten wird untersagt, im Zusammenhang mit der Führung von „Reisewertkonten“,
24bei denen der Verbraucher durch monatliche Beiträge ein Guthaben anhäuft und diese „Reisewerte“ für den Fall einer Reisebuchung auf den Reisepreis angerechnet werden, wobei die „Reisewerte“ aus dem vorausgehenden Saldierungszeitraum in den neuen Saldierungszeitraum übertragen werden,
25unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche „Reisewerte“ vorzunehmen, die in den Zeitraum des jeweils vor-vor-vorletzten Jahres fallen, wie mit Saldenaufstellungen vom 7. 1. 2009 („Zeitraum 1. 12. 2008 - 31. 12. 2008“) und vom 16. 5. 2012 („Zeitraum 1. 9. 2011 - 31. 12. 2011“) gegenüber der Verbraucherin S geschehen:
26(Bild/Grafik nur in Originalenscheidung vorhanden)
27II.
28Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
291. Der Tenor des landgerichtlichen Urteils war wie geschehen zu modifizieren, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seinen Antrag entsprechend klargestellt hat. Hierin lag weder eine Klageänderung noch eine Klagerücknahme. Der ursprüngliche Antrag des Klägers war auslegungsbedürftig, da unklar war, ob die Formulierung „im Jahr 2012 unter Hinweis auf §§ 195, 199 BGB einen Abzug für solche ,Reisewerte‘ vorzunehmen…“ noch zur abstrakten Umschreibung des beanstandeten Verhaltens oder bereits zur nachfolgend wiedergegebenen konkreten Verletzungsform gehörte. Dabei führte die - auch anhand der Anspruchsbegründung durchzuführende (vgl. BGH, Urteil vom 30. 4. 2008 - I ZR 73/05 - GRUR 2008, 702 Tz. 37 - Internet-Versteigerung III; Urteil vom 19. 5. 2010 - I ZR 177/07 - GRUR 2010, 855 Tz. 17 - Folienrollos) - Auslegung zu dem Ergebnis, dass der Kläger das Verhalten der Beklagten, wie es in den Schreiben Bl. 3-4 d. A. als konkreter Verletzungsform zum Ausdruck gekommen ist, untersagt wissen wollte. Weder in der Anspruchsbegründung noch den nachfolgenden Schriftsätzen findet sich ein Hinweis darauf, dass der Kläger die beanstandete Geschäftspraxis lediglich für das Jahr 2012 untersagt wissen wollte. Ein solches Begehren wäre bei einer im September 2012 erhobenen Klage auch unverständlich.
30Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Unschädlich ist die Erwähnung von „Guthaben“. Beide Parteien wissen, was gemeint ist; die Beklagte möchte an diesen Sachverhalt lediglich andere Rechtsfolgen anknüpfen. Auch sie stellt nicht in Abrede, dass es sich bei den angesammelten „Reisewerten“ um Ansprüche des Kunden handelt. Ob diese nun als Guthaben oder wie auch immer bezeichnet werden, ist für die entscheidende Rechtsfrage - wann diese Ansprüche verjähren - unerheblich. Nur ergänzend ist daher noch darauf hinzuweisen, dass die Beklagte selber in ihren Mitteilungen formuliert, die Reisewerte würden dem „Reisewertkonto“ „gutgeschrieben“.
312. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 7, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.
32a) Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die beanstandeten Schreiben nicht von der Beklagten, sondern von ihrer Komplementär-GmbH stammen. Dies ändert nichts an der Haftung der Beklagten, die bereits gemäß §§ 31, 89 BGB für das Verhalten ihrer Organe einzustehen hat (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 8 Rn. 2.19).
33b) Bei den Mitteilungen handelt es sich um geschäftliche Handlungen. Eine solche liegt vor, wenn das Verhalten objektiv darauf gerichtet ist, die geschäftlichen Entscheidungen des Vertragspartners bei Abschluss oder Durchführung des Vertrages zu beeinflussen. Irreführende Angaben im Zusammenhang mit der Abwehr von Ansprüchen des Vertragspartners, wie beispielsweise die falsche Behauptung, ein möglicher Anspruch des Vertragspartners sei verjährt, stellen eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage 2013, § 5 Rn. 2.12).
34c) Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Mitteilungen der Beklagten als Saldenabschlüsse mit der Wirkung eines Schuldanerkenntnisses im Sinn des § 781 BGB bewertet.
35In den Mitteilungen liegt allerdings, entgegen der Ansicht des Klägers, kein „Anerkenntnis“ im Sinn des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, worunter kein Rechtsgeschäft, sondern ein rein tatsächliches Verhalten des Schuldners zu verstehen ist. Für ein Anerkenntnis im Sinn dieser Vorschrift ist ein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger erforderlich, aus dem sich sein Bewusstsein vom Bestehen des gegen ihn erhobenen Anspruchs - wenigstens dem Grunde nach - klar und unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen werde (BGH, Urteil vom 9. 5. 2007 - VIII ZR 347/06 - NJW 2007, 2843 Tz. 12 zu § 208 BGB a. F.; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 212 Rn. 6). Dies ist im vorliegenden Sachverhalt allerdings nicht der Fall, soweit auf den Mitteilungen der Beklagten - wie auf der aus dem Jahr 2012 - ausdrücklich auf die Verjährung der Reisewerte drei Jahre nach Gutschrift hingewiesen wird. Damit waren diese Mitteilungen nicht geeignet, ein entsprechendes Vertrauen des Verbrauchers hervorzurufen, so dass sich die Unrichtigkeit der Mitteilung aus dem Jahr 2012 nicht über § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB begründen lässt.
36d) Bei den Mitteilungen der Beklagten handelt es sich aber um abstrakte Schuldanerkenntnisse, durch die die Verjährung jeweils neu zu laufen beginnt. Es ist anerkannt, dass ein Saldoanerkenntnis im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses die Wirkungen eines abstrakten Schuldanerkenntnisses hat (MünchKomm-BGB/Habersack, § 781 Rn. 9 m. w. N.). Ein Kontokorrentverhältnis nach § 355 Abs. 1 HGB setzt ein Geschäftsverhältnis zwischen zwei Parteien voraus (die nicht notwendig Kaufleute sein müssen), bei dem die Abrede besteht, dass die wechselseitigen Leistungen periodisch miteinander verrechnet werden (Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl. 2012, § 355 Rn. 2 ff.). Ein Kontokorrentverhältnis kann daher nicht nur im Verhältnis zu einer Bank bestehen, sondern in jeder Geschäftsbeziehung, in der eine Mehrzahl von Leistungen abzurechnen ist: Es ist nicht einmal erforderlich, dass Ansprüche und Leistungen auf beiden Seiten bestehen (Baumbach/Hopt a. a. O. Rn. 4). Daher ist das Argument der Beklagten, dass ihre Geschäfte von der BaFin nicht beanstandet worden seien, unerheblich: Es kommt nicht darauf an, ob sie Bankgeschäfte betreibt. Aus diesem Grund ist auch die Bezeichnung der Reisewertkonten als „Guthaben“ unschädlich. Das Geschäftsmodell, wie es die Beklagte beispielsweise in der Klageerwiderung vom 2. 11. 2012 beschrieben hat, basiert auf eine Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche: Den von dem Kunden durch seine Einzahlungen erworbenen „Reiserechten“ stehen die Ansprüche auf Leistung des Reisepreises gegenüber, die durch Verrechnung mit den Reisewerten - gegebenenfalls teilweise - erfüllt werden.
37Eine Kontokorrentabrede muss nicht ausdrücklich geschlossen worden sein, sie kann auch konkludent erfolgen. Indizien für eine solche Abrede liegen in der Übersendung der regelmäßigen Abschlüsse zur Anerkennung und in der Anerkennung selbst. In dem Schweigen auf die während eines längeren Zeitraums übersandten periodischen Rechnungsabschlüsse und in der Fortsetzung der Geschäftsverbindung auf der Basis dieser Abrechnungen kann eine stillschweigende Anerkennung der Salden liegen (BGH, Urteil vom 18. 6. 1991 - XI ZR 159/90 - NJW-RR 1991, 1251).
38Gerade aus den vorliegenden Mitteilungen der Beklagten kann auf das Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses geschlossen werden. In ihnen werden die Einzelbuchungen für jeweils eine bestimmte Periode unter den Rubriken „Belastung“ und „Entlastung“ zusammengefasst und zu einem „neuen Saldo“ addiert. Auch das Geschäftsmodell der Beklagten beruht gerade auf der Verrechnung der jeweiligen Leistungen; der Kunde erbringt ein „Serviceentgelt“ (so in der Klageerwiderung; auf den Mitteilungen wird es unter „Mitgliedschaft“ verbucht). Wenn er eine Reise über die Beklagte bucht, kann er den geschuldeten Reisepreis gegen die angesammelten „Reisewerte“ verrechnen. Von daher unterliegt es keinem Zweifel, dass der Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und ihren Kunden ein Kontokorrentverhältnis zugrunde liegt.
39Allerdings führt nicht jede Übersendung einer Mitteilung der Kontostände auch zu einem Saldoanerkenntnis im Sinn des § 781 BGB. Auch bei einem Kontokorrentverhältnis ist zu unterscheiden zwischen der schlichten Mitteilung eines Kontostandes, bei dem es sich um eine einfache Information des Kunden handelt, und dem periodischen Rechnungsabschluss, der die Wirkung des § 781 BGB auslöst. Solche Rechnungsabschlüsse müssen - entgegen der Ansicht des Klägers - grundsätzlich auch nicht jährlich erfolgen; es sind auch Fälle denkbar, in denen das gesamte Kontokorrentverhältnis nur eine einzige Rechnungsperiode umfasst, so dass der Rechnungsabschluss erst am Ende des Vertrages erfolgt (Baumbach/Hopt, a. a. O. Rn. 6). Ein entscheidendes Kriterium dafür, ob es sich um eine schlichte Kundeninformation oder einen Rechnungsabschluss im Sinn des § 355 Abs. 2 HGB handelt, ist, ob der Kontoführer mit der Übersendung erkennbar rechtliche Wirkungen auslösen möchte (vgl. BGH, Urteil vom 28. 6. 1968 - I ZR 156/66 - BGHZ 50, 277, zitiert nach juris Rn. 17 ff.). Genau dies ist hier der Fall, wie die oben wiedergegebene Formulierung auf den Schreiben zeigt, die Saldenmitteilung gelte als genehmigt, wenn nicht binnen zwei Wochen Einwendungen erhoben würden.
40Das zentrale Argument der Beklagten, die Auslegung ihrer Mitteilungen durch das Landgericht werde ihrem Geschäftsmodell nicht gerecht, weil so die Ansprüche des Kunden nie verjähren würden, greift nicht. Auch wenn das Amtsgericht Köln in einer Entscheidung vom 3. 9. 2012 (Anlage 2, Bl. 13 ff. AH) nicht beanstandet hat, dass der Kunde keine Auszahlung der Barwerte verlangen kann, so spielte bei dieser Entscheidung die Frage der Verjährung keine Rolle. Sachlich greift das Argument der Beklagten bereits deshalb nicht, weil sie es durch die Beendigung des Vertrages in der Hand hat, den Saldo endgültig festzustellen, der dann - drei Jahre nach Beendigung des Vertrages - verjährt. Ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, Ansprüche ihrer Kunden während laufender Geschäftsbeziehung verjähren zu lassen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit sie sich darauf berufen hat, ihr Geschäftsmodell setze eine gewisse Frequenz der Buchungen voraus, so hat sie es in der Hand, Verträge, bei denen diese Frequenz nicht erreicht wird, durch Kündigung zu beenden.
41Auch das Argument der Beklagten, aus dem Hinweis auf die Verjährung in dem Mitteilungen folge, dass es sich um kein Anerkenntnis handeln könne, da bei einem Anerkenntnis gerade keine Verjährung eintrete, überzeugt nicht. Dieses Argument ist im Rahmen des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erheblich, da diese Vorschrift das tatsächliche Vertrauen des Gläubigers schützt, der Schuldner werde sich nicht auf Verjährung berufen. Vorliegend geht es aber um die Frage, ob die Beklagte an die Mitteilungen rechtliche Wirkungen anknüpfen möchte. Dies ist der Fall, wie die Formulierung zum Einwendungsausschluss zeigt. Der Hinweis auf die Verjährung ist daher schlicht fehlerhafte Rechtsanwendung.
42e) Im Ergebnis handelt es sich bei den Mitteilungen um Saldoanerkenntnisse, mit der Wirkung, dass für jeden Saldo die Verjährung neu zu laufen beginnt (Baumbach/Hopt, a. a. O. Rn. 11). Dies steht im Einklang mit der Rechtsauffassung, die der Senat bereits in dem Urteil vom 21. 10. 2011 (6 U 64/11 - WRP 2012, 221 - Drittunterwerfung) zum Ausdruck gebracht hat, das ebenfalls das Geschäftsmodell der Beklagten - wenn auch unter einem anderen Aspekt - zum Gegenstand hatte.
43f) Nur ergänzend ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass vieles dafür spricht, dass die Information, Reisewerte würden der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen, die mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem der Betrag dem Konto gutgeschrieben worden sei, auch unter einem anderen Gesichtspunkt falsch ist.
44Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Ein Anspruch ist dabei entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, was grundsätzlich voraussetzt, dass der Anspruch auch fällig ist (BGH, Urteil 23. 1. 2001 - X ZR 247/98 - NJW 2001, 1724, 1725; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 199 Rn. 4; jeweils m. w. N.). Die Beklagte hat in ihren AGB Ansprüche auf Barauszahlung der Reisewerte ausgeschlossen, so dass der Kunde die Reisewerte daher nur durch Verrechnung mit Ansprüchen für über die Beklagte gebuchte Reiseleistungen realisieren kann. Geltend machen kann der Kunde seinen Anspruch daher erst, wenn er auch eine Reise bucht. Es handelt sich somit um einen sogenannten verhaltenen Anspruch, der jederzeit, aber erst auf Verlangen des Gläubigers zu erfüllen ist. An sich ist ein solcher Anspruch sofort entstanden und müsste daher unabhängig von einem Verlangen des Gläubigers drei Jahre nach seiner Entstehung verjähren. Dies ist jedoch nach Einführung der kurzen Regelverjährung nicht mehr haltbar, zum einen wegen des ersatzlosen Wegfalls der Sondervorschriften für gestaltungsrechtsabhängige Ansprüche (§§ 199, 200 BGB a. F.), zum anderen wegen der drohenden Ergebnisse, könnte doch ein großer Teil der betreffenden Ansprüche verjähren, ehe sie überhaupt geltend gemacht worden sind. Eine auf unbestimmte Zeit verliehene Sache beispielsweise ließe sich nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr durchsetzbar zurückfordern. Daher hat der Gesetzgeber bei der Leihe (§ 604 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 BGB), der Hinterlegung (§ 695 S. 2 BGB) und der Verwahrung (§ 696 S. 2 BGB) angeordnet, dass die Verjährung erst mit der Rückforderung beziehungsweise dem Rücknahmeverlangen beginnt. In diesen Vorschriften ist ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck gekommen, der sich auch auf andere Ansprüche übertragen lässt, die auf Dauerschuldverhältnissen beruhen und bei denen ein Verlangen des Gläubigers über den Zeitpunkt der Leistungspflicht entscheidet. Daher entstehen all diese Ansprüche, sofern sie der Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB unterliegen und ihr Verjährungsbeginn nicht besonders normiert ist, erst in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger seine Ansprüche tatsächlich geltend macht (MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 199 Rn. 7; so auch BeckOK/Henrich/Spindler, BGB, Stand 1. 5. 2013, § 199 Rn. 10; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl. 2013, § 199 Rn. 8; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2009, § 199 Rn. 12 f.; vgl. BGH, Urteil vom 3. 11. 2011 - III ZR 105/11 - NJW 2012, 58 Tz. 29 betreffend den Anspruch auf Rechnungslegung während eines laufenden Auftragsverhältnisses).
45Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Verjährung der Reisewerte - anders als auf den Mitteilungen der Beklagten angegeben - nicht mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem sie dem Konto des Kunden gutgeschrieben werden, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kunde erstmals die Verrechnung mit Reiseleistungen begehrt. Vor diesem Hintergrund verliert auch das Argument der Beklagten, es könne nicht sein, dass sie sich durch die Versendung der Mitteilungen als Serviceleistungen zugunsten ihrer Kunden schlechter stelle als ohne die Versendung, an Überzeugungskraft.
463. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung außer Streit. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.