Oberlandesgericht Köln Beschluss, 30. Sept. 2016 - 19 U 51/16
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 24.03.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen – 1 O 360/15 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).
4Das Landgericht hat zu Recht der Klage nur teilweise stattgegeben und ein Mitverschulden des Klägers an der Schadensentwicklung angenommen. Es kann zunächst auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden. Die Berufung zeigt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers auf, die eine Abänderung der Entscheidung gebieten würden.
5Eine Gehörsverletzung durch das Landgericht im Sinne einer Überraschungsentscheidung ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat das Landgericht erkennbar in der mündlichen Verhandlung nur seine vorläufige Rechtsauffassung, nach der die Anwendbarkeit des § 254 BGB Bedenken begegne, mitgeteilt. Dem ist die Beklagte mit Schriftsätzen vom 04.03.2016 und 14.03.2016 entgegengetreten. Der Kläger hatte Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und davon mit Schriftsatz vom 17.03.2016 Gebrauch gemacht.
6Das Landgericht hat auch zutreffend § 254 BGB letztlich für anwendbar gehalten. Ihm ist darin zu folgen, dass den Betreiber einer Photovoltaikanlage die Obliegenheit trifft, die Anlage in regelmäßigen Abständen von höchstens 3 Monaten darauf zu überprüfen, ob sie überhaupt Energie einspeist, und der Kläger gegen diese Pflicht verstoßen hat.
7Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens setzt nämlich kein schuldhaftes, eine Haftung gegenüber einem Dritten begründendes Handeln voraus. Es genügt, wenn diejenige Aufmerksamkeit und Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren; es handelt sich um ein „Verschulden gegen sich selbst“ (BGHZ 135, 235, 240; Palandt-Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 254 Rz. 1).
8Mögen die Solarmodule als solche eher wartungsarm sein, so ist dies in Bezug auf die elektrischen Einrichtungen wie Verkabelung, Steckverbindungen, Wechselrichter und Zähler anders, wie gerichtsbekannt ist und sich auch aus den einschlägigen Internetportalen (z.B. www.solaranlage-ratgeber.de) ergibt. Hier kann es leicht zu Störungen kommen. Insofern liegt es im eigenen Interesse des Betreibers einer Photovoltaikanlage, deren Wirtschaftlichkeit maßgeblich von der Energieeinspeisung im kalkulierten Rahmen und der festgesetzten Einspeisevergütung abhängt, zu überprüfen, ob überhaupt Energie eingespeist wird. Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, diese Überprüfung sei ihm nicht (immer) möglich, da nur bei Sonne Energie eingespeist werde, so überzeugt dies nicht. Denn der Zählerstand gibt einen Wert an, den man mit dem vorherigen Stand vergleichen kann. Gerade dies ist der Grund, ein bestimmtes Kontrollintervall einzuhalten, das das Landgericht mit drei Monaten jedenfalls nicht zu kurz bemessen hat.
9Dass eine Störung der Anlage jederzeit plötzlich eintreten kann, war allgemein vorhersehbar und von den Arbeiten der Beklagten unabhängig. Zwar musste der Kläger nicht damit rechnen, dass die Beklagte die Anlage nach ihren Arbeiten nicht wieder ans Netz anschließt, und er war auch nicht gehalten, die Arbeiten der Beklagten zu kontrollieren. Hier liegt die Obliegenheitsverletzung vielmehr darin, dass der Kläger entgegen einer allgemeinen Wahrscheinlichkeit eine Unterbrechung der Energieeinspeisung nicht für möglich und eine Kontrolle außerhalb des nur einmal jährlich stattfindenden Abrechnungsverfahrens für entbehrlich gehalten hat.
10Eine relativ engmaschige Funktionskontrolle ist gerade bei dem Betreiber einer Anlage, die planmäßig Erträge erwirtschaften soll, zur Vermeidung eines möglicherweise großen finanziellen Schadens zumutbar und entlastet den Schädiger nach Treu und Glauben nicht über Gebühr. Denn schon das einfach fahrlässige Verhalten des Schädigers (wie es hier vorliegt) kann einen immensen Schaden verursachen, dem wiederum durch einfache Kontrollmechanismen (Zählerstand ablesen) des Anlagenbetreibers entgegen gewirkt werden kann. Die Obliegenheit, die Anlage auf Funktionsfähigkeit zu überprüfen, hat auch den Zweck, Schäden wie den eingetretenen (Ausfall der Energieeinspeisung) zu vermeiden oder jedenfalls einzudämmen. Die Obliegenheitsverletzung ist daher vom Schutzzweck der Norm, der auch bei Prüfung des Mitverschuldens zu beachten ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2006, X ZR 46/04, juris Rz. 9), umfasst.
11Auch die Abwägung der Mitverantwortlichkeit lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers erkennen. Denn bei der Abwägung im Rahmen des § 254 BGB ist in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Verursachung abzustellen. Dieses lässt sich vorliegend – wie dies das Landgericht getan hat – am besten zeitlich fassen: War die Beklagte zunächst für die Folgen des Nichteinschaltens der Photovoltaikanlage allein verantwortlich, schlug dies bei Überschreiten des ersten gebotenen Kontrollintervalls auf den Kläger um. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass eine einfache Funktionsprüfung spätestens am 31.03.2014 geboten war. Ab diesem Zeitpunkt hat der Kläger den Schaden daher selbst voll zu verantworten. Auch ist der Grad des Verschuldens der Parteien hier nicht derart unterschiedlich, als dass eine weitere Verschiebung der Haftungsquote zu Lasten der Beklagten geboten wäre.
12Schließlich lässt auch die Bestimmung des bis zum 31.03.2014 entstandenen Schadens durch das Landgericht keine Rechtsfehler erkennen. Vielmehr ist die vom Privatsachverständigen Q im Sachverständigenbericht vom 20.04.2015 angewandte Methode nachvollziehbar, vom Landgericht übernommen und durch die regionalen Durchschnittswerte für die Monate Februar und März 2014 anhand der Quelle www.pv-ertraege.de ergänzt worden. Dagegen führt der Kläger nichts Erhebliches an.
13II.
14Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme - auch zur Frage der Rücknahme des Rechtsmittels - binnen der ihm gesetzten Frist. Abschließend wird auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zwecke der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug angefallenen Gerichtsgebühren hingewiesen.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 31 % und die Beklagte 69 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die bis zum 13. März 2006 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger zu 15 % und der Beklagten zu 85 % auferlegt. Die danach entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der im Telekommunikationsbereich tätigen Beklagten Ersatz für einen in seiner Aalaufzuchtanlage eingetretenen Schaden, der darauf zurückzuführen ist, dass das von der Beklagten hergestellte und reparierte Telefonwahlgerät einen ausgelösten Alarm nicht über das Telefonnetz absetzen konnte.
- 2
- Der Kläger betreibt die Aufzucht von Speiseaalen und von Aalsetzlingen für Naturgewässer. Um sicherzustellen, dass bei Störungen der computergestützten Steuerung der Wasserbelüftung und -reinigung in den verschiedenen Becken außerhalb der Arbeitszeit automatisch eine telefonische Meldung an den zuständigen Mitarbeiter erfolgen würde, erwarb er 1997 bei einem Fachhändler das von der Beklagten hergestellte Fernwirkmodem FWM 1 (im Folgenden : FWM). Am 31. Mai 1999 leuchtete an dem FWM die als "CPU-Fehler" bezeichnete Warnlampe auf, zu der es in der Bedienungsanleitung heißt: "Durch ein Aufleuchten dieser LED wird ein Hardwarefehler an dem Gerät angezeigt." Der zuständige Mitarbeiter des Klägers fragte daraufhin beim Geschäftsführer der Beklagten an, ob ein Blitzschlag bei einem vorangegangenen Gewitter eine Hardwarestörung verursacht haben könne. Der Geschäftsführer der Beklagten antwortete, grundsätzlich könne ein Blitzschlag ein Aufleuchten der Warnlampe verursachen; er müsse sich das Gerät aber ansehen. Der Kläger ließ das Gerät daraufhin bei der Beklagten reparieren. Bei dieser Reparatur baute die Beklagte ein Blitzschutzmodul ein, ohne dies dem Kläger mitzuteilen. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, die das Berufungsgericht übernommen hat, erfüllt dieses Blitzschutzmodul seine Aufgabe , indem es im Falle einer Überspannung zerstört wird. Dadurch wird das FWM vor einer Beschädigung geschützt; seine CPU-Leuchte zeigt in diesem Zusammenhang keinen Hardwarefehler an. Da die Beklagte das Blitzschutzmodul in die vom FWM ausgehende Telefonleitung eingebaut hatte, wurde im Falle seiner Zerstörung auch die Telefonverbindung unterbrochen, so dass eine Alarmmeldung nicht telefonisch weitergegeben werden konnte. Für diesen Umstand war keine Anzeige vorgesehen.
- 3
- Nach den Feststellungen von Landgericht und Berufungsgericht kam es in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 1999 zu einem erneuten Vorfall, bei dem das Blitzschutzmodul infolge eines Blitzschlags zerstört und dadurch die Telefonverbindung des FWM unterbrochen wurde. Kurz danach, in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 1999, ereignete sich in der Aalfarm ein Störfall. Infolge der Unterbrechung der Leitung gab das FWM den von der Computerüberwachungsanlage ausgelösten Alarm nicht über das Telefonnetz an den zuständigen Mitarbeiter des Klägers weiter. Die Störung wurde daher erst bei Betriebsbeginn am darauf folgenden Morgen entdeckt, als der mit der Klage geltend gemachte Schaden schon entstanden war.
- 4
- Das Landgericht hat der Klage wegen Schlechterfüllung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrags über die Reparatur im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 124.977,29 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Beklagte habe es versäumt, den Kläger auf den Einbau des Blitzschutzmoduls und die Gefahr hinzuweisen, dass dieses durch eine Überspannung zerstört und dadurch die Telefonverbindung unterbrochen werden könne. Diese Pflichtverletzung sei für den Schaden des Klägers kausal gewesen. Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat dem Kläger nur 52.840,74 Euro zugesprochen. Es hat den Schaden niedriger angesetzt als das Landgericht und außerdem, anders als dieses, ein 50 %iges Mitverschulden des Klägers angenommen. Gegen letzte- ren Punkt richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers; seine weitergehende Revision hat der Kläger vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Beklagte hat Anschlussrevision eingelegt und beantragt, die Klage ganz abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg. Die Anschlussrevision ist hingegen unbegründet.
- 6
- A. Die Revision, mit der der Kläger den vom Berufungsgericht wegen Mitverschuldens abgewiesenen Teil seines Schadensersatzanspruchs weiterverfolgt , ist begründet und führt insoweit zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Dem Kläger kann kein Mitverschulden angelastet werden.
- 7
- I. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Ansicht wie folgt begründet : Der Kläger habe nicht die ihm zur Schadensvermeidung obliegende Sorgfalt beachtet. Seine Mitarbeiter hätten lediglich morgens und abends geprüft, ob die CPU-Anzeige leuchte. Er hätte aber zum einen wegen der extremen Störungsempfindlichkeit seiner Anlage und zum anderen wegen der Funktionsweise des FWM weitere Funktionskontrollen vornehmen müssen. Die CPU-FehlerLeuchte zeige nur einen Hardwarefehler an. Für jeden Nutzer sei jedoch erkennbar , dass das Gerät außer Hardwaredefekten auch andere Defekte haben könne. Der sich aufdrängende Fall sei ein Defekt der Leuchtiode in der CPU-Leuchte. Außerdem könnten Störungen im Leitungs- und Verteilernetz der Deutschen Telekom AG nicht außer Betracht gelassen werden, da solche Störungen nicht, wie vom Kläger behauptet, völlig unwahrscheinlich seien. Zum anderen dränge sich das Erfordernis laufender Tests auch deshalb auf, weil das Gerät gerade zu diesem Zweck einen Testschalter besitze, mit dem ein Selbsttest des FWM ausgelöst werden könne. Deshalb hätten die Mitarbeiter zu jedem Feierabend einen Testalarm auslösen müssen.
- 8
- II. Die Ansicht des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die in ständiger Rechtsprechung vom BGH anerkannte Lehre von der Haftungsbeschränkung durch den Zurechnungszusammenhang und hier insbesondere durch den Schutzzweck der Norm nicht beachtet hat.
- 9
- 1. Diese Lehre besagt, dass die adäquate Zurechnung eines Schadens unter dem Vorbehalt eines haftungserweiternden oder -begrenzenden besonderen Zwecks der Haftungsnorm oder des der Haftung zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses steht (Staudinger/Schiemann, BGB (2005), § 249 Rdn. 27). Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn der geltend gemachte Schaden aus dem Bereich der Gefahren stammt, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (BGHZ 27, 137, 140 f.; 59, 175, 176; 85, 110, 113 ff.; 96, 98, 101; 107, 359, 364; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., vor § 249 Rdn. 62). Die Schadensersatzpflicht hängt zum einen davon ab, ob das übertretene Gesetz überhaupt den Schutz Einzelner bezweckt und der Verletzte gegebenenfalls zu dem geschützten Personenkreis gehört. Zum anderen muss geprüft werden, ob die Verbotsnorm das verletzte Rechtsgut schützen soll. Schließlich muß die Verbotsnorm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; der geltend gemachte Schaden muss also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen (MünchKomm./Oetker, BGB, 4. Aufl., § 249 Rdn. 117; Palandt/ Heinrichs, aaO). Diese Grundsätze zum Schutzzweck der Norm sind auch bei der Prüfung eines Mitverschuldens nach § 254 BGB zu beachten (BGH, Urt. v.
- 10
- 2. Im vorliegenden Fall zielt die vom Berufungsgericht angenommene Sorgfaltsanforderung, allabendlich einen Testalarm vorzunehmen, nur insoweit darauf ab, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern, als es um die Art des verletzten Rechtsguts geht, nicht dagegen auch hinsichtlich der Art und Weise der Schadensentstehung. Ginge es nur um das verletzte Rechtsgut bzw. um den Schadenserfolg, so wäre ein Mitverschulden zu bejahen, da die vom Berufungsgericht postulierte Obliegenheit, gerade einen solchen Schadenserfolg - Tod bzw. Gewichtsverlust der Aale - verhindern sollte, wie er im vorliegenden Fall eingetreten ist. Dieser Schaden fällt aber deshalb nicht unter den Schutzzweck der Obliegenheit des Klägers zum Testalarm, weil die Art und Weise der Schadensentstehung eine andere war als bei denjenigen Schadensabläufen , denen der geforderte Testalarm vorbeugen sollte.
- 11
- Das Berufungsgericht hat die Notwendigkeit eines allabendlichen Testalarms mit der Feststellung begründet, dass das FWM aus zwei Gründen die Weitergabe eines nächtlichen Störungsalarms ersichtlich nicht ausreichend sichergestellt habe. Zum einen sei nicht gewährleistet gewesen, dass eine Beschädigung des FWM durch die Warnlampe angezeigt wurde, weil die Leuchtdiode der Warnlampe defekt werden könne, und zum anderen zeige die Warnlampe keine Störungen im Leitungsnetz der Deutschen Telekom AG an. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht die nötige Sachkunde für die Feststellung besaß, dass ein Defekt der Leuchtdiode möglich und vorhersehbar sei, und auch, ob es mit seiner Forderung, dass der Kläger allein wegen der Gefahr einer defekten Leuchtdiode oder eines Verbindungsausfalls bei der Deutschen Telekom AG - der schon bei Feierabend hätte eingetreten sein und der bis zum hypothetischen späteren Störungsalarm im Betrieb des Klägers hätte fortdauern müssen - die Sorgfaltsobliegenheit des Klägers nicht überspannt hat. Denn selbst wenn man den Feststellungen des Berufungsgerichts folgt, beschränkte sich der Schutzzweck der dem Kläger auferlegten Obliegenheit auf die Abwendung von Schäden, die auf die vom Berufungsgericht befürchtete Weise hervorgerufen wurden. Bei dem vorliegenden Schadensfall spielten aber weder Schäden an der Hardware des FWM noch Störungen bei der Deutschen Telekom AG mit. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden stammt somit nicht aus dem Bereich derjenigen Gefahren, die der allabendliche Testalarm nach Ansicht des Berufungsgerichts abwenden sollte.
- 12
- 3. Den Kläger traf auch keine Obliegenheit, den tatsächlich eingetretenen Fall, dass das Blitzschutzmodul durch einen Blitzschlag zerstört und dadurch die Verbindung zwischen dem FWM und der Telefonleitung unterbrochen werden würde, durch die Anordnung eines abendlichen Testalarms zu verhindern. Denn diesen Geschehensablauf konnte er nicht vorhersehen. Zweck eines Testalarms konnte nur sein, solchen Gefahren vorzubeugen, die vorhersehbar waren. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Charakter der Obliegenheit als eines Gebotes der eigenen Interessenwahrnehmung, die es erfordert, diejenige Sorgfalt zu beachten, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (BGHZ 135, 235, 240). Es geht also um ein "Verschulden gegen sich selbst". Im vorliegenden Fall kommt nur Fahrlässigkeit in Betracht (§ 276 Abs. 2 BGB). Fahrlässigkeit setzt indessen Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus, gegen die der Geschädigte Vorkehrungen treffen sollte (MünchKomm./Grundmann, § 278 Rdn. 68; Palandt/Heinrichs, § 276 Rdn. 20). Dies hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt, das auf die Erkennbarkeit der Gefahr für den Kläger und darauf, dass diese Gefahr sich ihm hätte auf- drängen müssen, abgestellt hat. Von dem Vorhandensein des Blitzschutzmoduls , über dessen Einbau die Beklagte ihn nicht aufgeklärt hatte, wusste der Kläger indessen ohne sein Verschulden nichts. Deshalb traf ihn auch keine Sorgfaltsobliegenheit zur Vermeidung eines durch die Zerstörung des Blitzschutzmoduls hervorgerufenen Schadens.
- 13
- Ein Mitverschulden der Kläger ist daher zu verneinen.
- 14
- B. Die Anschlussrevision der Beklagten ist nicht begründet.
- 15
- I. Die Beklagte meint, der Einbau des Blitzschutzmoduls sei nicht kausal für den Schaden des Klägers. Nach ihrer Behauptung wäre es zu dem Schaden auch dann gekommen, wenn der Kläger dem Einbau des Blitzschutzmoduls widersprochen bzw. dieses wieder hätte entfernen lassen. Denn dann hätte die durch den Blitz erzeugte Überspannung das FWM ungeschützt getroffen und es beschädigt. Dieser Schaden wäre wahrscheinlich nicht durch ein Aufleuchten der CPU-Fehler-Diode angezeigt worden, da die zentrale Steuerungseinheit (CPU) lediglich ein Bauteil des Geräts sei und daher über 80 % der möglichen Schäden nicht über die CPU-Warnlampe angezeigt würden.
- 16
- Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um neuen Tatsachenvortrag handelt, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann (§ 559 Abs. 1 ZPO). Denn der Kausalitätsbeurteilung der Beklagten kann aus Gründen der Beweislast nicht gefolgt werden. Mit ihrer Behauptung, dass der Schaden auch dann entstanden wäre, wenn sie den Kläger ordnungsgemäß über den von ihr vorgenommenen Einbau des Blitzschutzmoduls informiert hätte, macht die Beklagte einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens geltend. Ein solcher Einwand ist grundsätzlich beachtlich. Der Schädiger trägt jedoch die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urt. v. 15.03.2005 - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718).
- 17
- Die Beklagte hat aber nicht einmal Beweis angetreten, und zwar weder dafür, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung seitens der Beklagten auf das Blitzschutzmodul verzichtet hätte, ohne anderweitige Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, noch dafür, dass der Blitzschlag in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 1999, wenn kein Blitzschutzmodul vorhanden gewesen wäre, das FWM beschädigt hätte, noch dafür, dass eine Beschädigung des FWM nicht von der CPU-Fehler-Diode angezeigt worden wäre. Hierfür spricht auch kein Beweis des ersten Anscheins.
- 18
- Darüber hinaus darf dem Kläger auch nicht unterstellt werden, dass er bei Kenntnis von dem eingebauten Blitzschutzmodul und seiner Funktionsweise gleichwohl auf den allabendlichen Testalarm verzichtet und damit eine auf Vermeidung der tatsächlich eingetretenen Schadensentstehung abzielende Obliegenheit verletzt hätte. Unterstellt man mit dem Berufungsgericht, dass der Kläger Schäden, die durch einen nicht angezeigten Hardwarefehler oder durch Störungen bei der Deutschen Telekom AG entstehen, vorhersehen konnte, hätte er zwar solche Schäden wegen Nichterfüllung seiner Obliegenheit zum Testalarm zumindest teilweise selbst tragen müssen. Selbst wenn man annimmt, dass er zur Übernahme eines derartigen Risikos bereit war, rechtfertigt dies jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass er auch Schäden in Kauf genommen hätte, deren Entstehungsweise er nicht vorhersehen konnte, wie insbesondere die durch Zerstörung des Blitzschutzmoduls hervorgerufene Unterbrechung der Telefonverbindung. Denn insoweit hat er die ihm als Geschäftsherrn zustehende wirtschaftliche Risikoentscheidung gerade nicht getroffen. Ohne konkrete Anhaltspunkte - die nicht vorhanden sind - darf ihm nicht unterstellt werden, dass er diese Entscheidung, wäre er vor die Wahl gestellt worden, im Sinne einer Risikoübernahme getroffen hätte. Es braucht nicht entschieden zu werden , ob der Kläger mit Hilfe der Vermutung, dass ein durch die Verletzung einer Aufklärungspflicht Betroffener sich "aufklärungsrichtig" verhalten hätte (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urt. v. 16.11.1993 - XI ZR 214/92, BGHZ 124, 152, 159), sogar den Gegenbeweis erbracht hat. Hätte die Beklagte ihn pflichtgemäß auf das Risiko hingewiesen, dass das eingebaute Blitzschutzmodul bei Überspannung zerstört und die dadurch hervorgerufene Unterbrechung der Telefonverbindung nicht angezeigt werde, so hätte der Kläger bei aufklärungsrichtigem Verhalten zunächst gefragt, ob ein Blitzschutzmodul überhaupt nötig sei. Daraufhin hätte die Beklagte ihn darüber aufklären müssen, dass ohne Blitzschutzmodul nicht nur die Gefahr einer Beschädigung des FWM, sondern - folgt man den Feststellungen des Berufungsgerichts - auch die weitere Gefahr bestehe, dass diese Beschädigung nicht durch die Warnleuchte angezeigt werde. Für diesen Fall aber kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger, gleichgültig, ob er das Blitzschutzmodul behalten hätte oder es hätte wieder ausbauen lassen, bei aufklärungsrichtigem Verhalten den allabendlichen Testalarm eingeführt hätte.
- 19
- Auch für die weiteren Behauptungen der Beklagten, ohne das Blitzschutzmodul wäre das FWM durch Blitzschlag beschädigt und wäre der Schaden nicht angezeigt worden, spricht kein Anscheinsbeweis. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass das ungeschützte FWM in der Zeit von 1997 bis zum 30. Mai 1999 alle Gewitter unbeschadet überstanden hatte und dass nach seiner Beschädigung durch Blitzschlag am 31. Mai 1999 die Warnleuchte aufgeleuchtet hatte.
- 20
- II. Die Beklagte meint weiter, der Kläger habe einen Schaden durch Gewichtszunahmeausfall bei den überlebenden Aalen nicht schlüssig dargelegt, weil er nicht behauptet habe, dass er die Aale aufgrund der "Fresspause" zu einem geringeren Preis habe veräußern können. Es sei davon auszugehen, dass die Aale drei Wochen später ihr geplantes Verkaufsgewicht erreicht hätten. Einen Verzögerungsschaden habe der Kläger aber nicht geltend gemacht.
- 21
- 1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Anschlussrevision der Beklagten auch hinsichtlich dieser zweiten Rüge zulässig. Sie bezieht sich zwar, da sie eine Herabsetzung der vom Berufungsgericht festgestellten Schadenshöhe anstrebt, auf den Teil des Streitstoffs, für den die Revision nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussrevision bedarf aber keiner Zulassung. Dies ergibt sich daraus, dass der Revisionsbeklagte selbst dann, wenn seine selbständige Revision nicht zugelassen worden ist, noch Anschlussrevision einlegen kann (§ 554 Abs. 2 ZPO; BRDrs. 536/00 S. 273 f.; BGH, Beschl. v. 23.02.2005 - II ZR 147/03, NJW-RR 2005, 651). Die Anschlussrevision ist daher auch dann zulässig, wenn die Zulassung der Revision auf Teile des Streitstoffs beschränkt worden ist (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl. § 554 Rdn. 3a). Auch die vom Kläger aufgeworfene weitere Frage, ob eine Anschlussrevision unzulässig ist, die einen anderen Lebenssachverhalt betrifft als denjenigen der Revision und die mit dem von dieser erfassten Streitgegenstand auch nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (so BGH, Urt. v. 21.06.2001 - IX ZR 73/00, BGHZ 148, 156 zu § 556 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung), kann im vorliegenden Fall, in dem Revision und Anschlussrevision denselben Lebenssachverhalt betreffen, offenbleiben (so auch BGH NJW-RR 2005, 651).
- 22
- 2. Die Rüge ist indessen nicht begründet. Aale werden nach Gewicht veräußert. Wann auch immer der Kläger die überlebenden Aale verkauft hat, war der erzielte Verkaufspreis geringer als ohne das Schadensereignis, weil die Aale weniger wogen. Dass die Aale bei drei Wochen späterem Verkauf denselben Preis erzielten, den sie ohne das Schadensereignis drei Wochen früher erbracht hätten, gleicht den Schaden des Klägers nicht aus, weil er in diesen drei Wochen neue Setzlinge hätte mästen können, die ein zusätzliches Aalgewicht erbracht hätten.
- 23
- C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 04.08.2003 - 4 O 3317/99 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 01.03.2004 - 11 U 78/03 -
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.