Oberlandesgericht Köln Beschluss, 16. Okt. 2013 - 17 W 124/13
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1. und 4. vom 07.05.2013 werden der Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Köln vom 25.07.2013 und die Vorlageverfügung vom selben Tag aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung im (Nicht-) Abhilfeverfahren über die Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 23. April 2013 an das Landgericht zurückverwiesen.
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G r ü n d e :
2Die gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 RPflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich zulässige sofortige Beschwerde, mit der die Beklagten zu 1. und 4. die Berücksichtigung des Kostenausgleichsantrags der Beklagten zu 2. und 3. vom 20. Juli 2012 erreichen wollen, hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Das Verfahren ist unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses an das Landgericht zurückzuverweisen, da der Rechtspfleger fälschlicherweise ohne Weiteres davon ausgegangen ist, es handele sich nicht um notwendige Kosten im Sinne von § 91 ZPO.
3Außerdem leidet das Abhilfeverfahren an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel – Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten.
4Nichtabhilfeverfügungen müssen nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur jedenfalls dann begründet werden, wenn sich der Sach- und Streitstand gegenüber demjenigen im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses geändert hat, sei es auf Grund neuen Tatsachenvortrags oder aus anderen Gründen, und die Begründung des angefochtenen Beschlusses allein nicht als ausreichende und tragfähige Grundlage für die Aufrechterhaltung der Entscheidung angesehen werden kann. Dies erfordert schon der grundgesetzlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör (OLG Köln, FamRZ 2010, 146; OLGR 2007, 570 f.; OLG Saarbrücken, OLGR 2006, 600 f. = juris Rn 4 und Harms, jurisPR-FamR 10/2008 Anm. 6, jeweils mwN; OLG Jena, FamRZ 2010, 1692 f.; OLG Saarbrücken, OLGR Mitte 12/2009, Anm. 5; OLG Brandenburg, B. vom 30.01.2008 - 13 W 66/07 -; ständige Rechtsprechung des Senats, s. Beschlüsse vom 25.07.2012 – 27 WF 149/12 – und vom 04.02.2013 – 17 W 235/12 -, jeweils mwN). Das Landgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör und seine entsprechende Verpflichtung aus Art. 103 I GG, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, verletzt. Die Vorlage der Beschwerde ohne jedes Eingehen auf deren Begründung widerspricht dem Zweck des Abhilfeverfahrens, Beschwerden auf einem möglichst einfachen Weg zu erledigen (vgl. OLG Köln, OLGR 2005, 582 = juris Rn 2; OLG Hamm, MDR 04, 412 = OLGR 2003, 391; OLG Koblenz, FamRZ 2008, 288 f. = juris Rn 3). Das Abhilfeverfahren verlöre bei einer solchen Verfahrensweise jeden Sinn (vgl. OLG Jena, OLGR 2005, 203 = juris Rn 4).
5Diese Grundsätze gelten auch für das nach § 572 ZPO hier von dem Rechtspfleger des Landgerichts durchzuführende Abhilfeverfahren. Danach hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob es die Beschwerde für zulässig und begründet hält und ihr abhilft oder sie dem Beschwerdegericht vorlegt. Dabei muss das Vorbringen, das in der Beschwerdeschrift enthalten ist, berücksichtigt werden. Es besteht die Amtspflicht, den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist. Grobe Verstöße gegen die Überprüfungspflicht sind ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des Vorlagebeschlusses und zur Zurückverweisung führen kann (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 572 Rn 7 und Zöller/Herget, § 104 ZPO Rn 21 „Zurückverweisung“; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., § 572 Rn 10; OLG Saarbrücken, aaO Rn 5 mwN). Bei einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Abhilfeverfahren ist die Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (OLG Saarbrücken, aaO und OLG Koblenz, aaO Rn 9, je mwN).
6Der Rechtspfleger hat sich mit der von den Beschwerdeführern zitierten Entscheidung des erkennenden Senats vom 09.09.1998 – 17 W 286 - 288/98 – (zitiert Bl. 398 f. GA) in seiner formularmäßigen Nichtabhilfeentscheidung nicht sachlich auseinander gesetzt. Hier liegt der Sonderfall vor, dass die 4 verklagten Streitgenossen un-streitig nicht in einer Sozietät zusammengeschlossen waren, sondern – nur – (jeweils zu zweit) eine Bürogemeinschaft bildeten. Aus dem veröffentlichen Leitsatz der vorgenannten Entscheidung des Senats (OLGR 1999, 148 = JurBüro 1999, 418 f.) ergibt sich bereits, dass die Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten nicht zumutbar sein kann, wenn die als Streitgenossen verklagten Rechtsanwälte nicht ein und derselben Sozietät angehören. Die Begründung in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss, die Beklagten seien als Gesamtschuldner in Anspruch genommen worden und ein Interessenkonflikt sei nicht ersichtlich, so dass die Inanspruchnahme mehrerer Prozessbevollmächtigter als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei, stellt demzufolge keine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung dar. Spätestens im Nichtabhilfebschluss hätte sich der Rechtspfleger mit den Besonderheiten dieses Falles und der Begründung der Beschwerdeführer auseinandersetzen müssen.
7Auch aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2013, 2826 f. = juris Rn 13) ergibt sich, dass in Fällen der Haftung eines Rechtsanwalts für Beratungsfehler „im Grundsatz nicht davon ausgegangen werden [kann], dass die Interessen der gemeinsam verklagten Rechtsanwälte gleichgerichtet sind und ihnen eine gemeinsame Prozessführung zugemutet werden kann“. Es liege auf der Hand, dass die Interessen z. B. von mithaftenden Scheinsozien „divergieren“ könnten; dann könne der Entschluss für eine getrennte Prozessführung nicht als Rechtsmissbrauch angesehen werden (BGH, aaO Rn 14).
8Der Rechtspfleger hat nun die angemeldeten Kosten zu prüfen und eine neue Berechnung vorzunehmen.
9Bei dieser Gelegenheit hat er auch die Möglichkeit, den Widerspruch zwischen den beiden Anträgen des Klägers vom 28. Juni 2012 (189 f. GA) und vom 8. Februar 2013 (368 f. GA) aufzuklären sowie klarzustellen, welche Beklagten - jeweils - Kostenerstattung in einer bestimmten Höhe beanspruchen können.
10Da die sofortige Beschwerde der Beklagten zumindest vorübergehend Erfolg hat, wird eine Beschwerdegebühr nicht erhoben (vgl. OLG Köln, FamRZ 2010, 146 = juris Rn 13) Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Landgericht in seiner neuen (Nicht-) Abhilfeentscheidung zu befinden (Zöller/Herget, aaO).
11Beschwerdewert: (bis) 4.500 €
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Referenzen - Gesetze
Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht
Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103
Rechtspflegergesetz - RPflG 1969 | § 11 Rechtsbehelfe
Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren
Zivilprozessordnung - ZPO | § 572 Gang des Beschwerdeverfahrens
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(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.
(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.
(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.
(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. § 318 bleibt unberührt.
(2) Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.
(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.