Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 04. Juli 2016 - 8 W 68/16

bei uns veröffentlicht am04.07.2016

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 02.05.2016, Az. 315 O 57/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 2.425,52 Euro.

Gründe

I.

1

Auf Antrag der Antragstellerin vom 16.02.2016 erließ das Landgericht mit Beschluss vom 04.03.02016 gegen die Antragsgegnerin eine einstweilige Verfügung. Diese bezog sich auf die Unterlassung von bestimmter Werbung, wie in der Antragsschrift im Antrag zu 3 a), b) und c) angegeben. Die weiteren in der Antragsschrift enthaltenen Unterlassungsanträge zu 1) und zu 2) hatte die Antragstellerin zuvor nach einem telefonischen Hinweis des Landgerichts zurückgenommen. Im Beschluss vom 04.03.2016 wurden die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin zu 4/5 und der Antragsgegnerin zu 1/5 nach einem Streitwert von 250.000,00 Euro auferlegt. Auf dem Antrag vom 16.02.2016 war am 19.02.2016 gerichtlich vermerkt worden “Schutzschrift liegt nicht vor“.

2

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 30.03.2016 hat die Antragsgegnerin neben einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Höhe von netto 2.928,90 Euro und einer Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG Kosten für die Hinterlegung einer Schutzschrift vom 11.02.2016 in Höhe von 83,00 Euro geltend gemacht, insgesamt 3.031,90 Euro. Diese sind in dem insoweit von der Antragstellerin angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.05.2016 bei der Kostenausgleichung nach § 106 ZPO in vollem Umfang berücksichtigt worden.

3

Ausweislich einer dem Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerin als Anlage beigefügten Mitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Zentrales Schutzschriftenregister, vom 11.02.2016 war am 11.02.2016 um 14:20 eine von der Antragsgegnerin eingereichte Schutzschrift in das Zentrale Schutzschriftenregister nach § 945a ZPO eingetragen worden. Die Kosten hierfür hatte das Oberlandesgericht Frankfurt der Antragsgegnerin mit Rechnung vom 11.02.2016 gemäß Nr. 1160 Kostenverzeichnis zum Justizverwaltungskostengesetz (Abschnitt 6 „Schutzschrift“, „Einstellung einer Schutzschrift“) mit 83,00 Euro in Rechnung gestellt (s. weitere Anlage zum Kostenfestsetzungsantrag).

4

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde erhoben. Die von der Antragsgegnerin angemeldeten Kosten seien nicht erstattungsfähig. Das Landgericht Hamburg habe die in Frankfurt hinterlegte Schutzschrift nicht erfragt. Das Landgericht habe diese Schutzschrift auch nicht vor seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen. Es stehe fest, dass die Schutzschrift für die Entscheidung des Landgerichts ohne Bedeutung gewesen sei. Das Landgericht habe bei der Kostenfestsetzung auch verkannt, dass es nicht darauf ankomme, ob die Antragsgegnerin darauf habe vertrauen können, ihre rechtlichen Belange durch die Hinterlegung der Schutzschrift nach § 945a ZPO hinreichend zu schützen. Es komme nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auf Verschuldensfragen sondern allein darauf an, ob die gebührenauslösende Handlung objektiv erforderlich gewesen sei (BGH GRUR 2007, 727 Tz. 17). Das sei dann nicht der Fall, wenn eine Schutzschrift von dem erkennenden Gericht nicht zur Kenntnis genommen werde.

5

Mit Beschluss vom 24.06.2016 hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

6

Die nach §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Sämtliche von der Antragsgegnerin zur Kostenausgleichung angemeldeten Kosten sind von der Rechtspflegerin des Landgerichts zu Recht festgesetzt worden.

7

Es gelten folgende Maßstäbe:

8

Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15 -, juris). Die für Eilverfahren in Wettbewerbssachen entwickelte Schutzschrift wird vorprozessual zur Abwehr eines befürchteten Verfügungsantrags oder unmittelbar nach Eingang des Verfügungsantrags bei Gericht eingereicht. Sie soll dem Gericht des Eilverfahrens Kenntnisse verschaffen und es davon abhalten, eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu treffen (s. nur Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., § 91 Rn. 13 „Schutzschrift“). Die Kosten der Schutzschrift sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn die Schutzschrift beim Gericht des einstweiligen Verfügungsverfahrens eingegangen ist und eine Kostenentscheidung gegen den Antragsteller ergeht. Voraussetzung ist mithin, dass es zu einem Prozessrechtsverhältnis der Parteien kommt, das schließlich die Grundlage des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs bildet (s. nur OLG Hamburg, Beschluss vom 23.10.2013 - 4 W 100/13 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen -, juris). Das gilt auch dann, wenn der Antrag nach Einreichung der Schutzschrift abgelehnt oder zurückgenommen wird (BGH, Beschluss vom 23. November 2006 – I ZB 39/06 –, Rn. 15, juris).

9

Nach diesen Maßstäben sind die von der Antragsgegnerin angemeldeten Kosten erstattungsfähig. Vorliegend ist beim Landgericht Hamburg, bei dem die Antragstellerin den Verfügungsantrag eingereicht hat, ein Prozessrechtsverhältnis entstanden. Die Antragsgegnerin hatte auch vor der teilweisen Rücknahme des Antrags und vor der Entscheidung des Landgerichts eine Schutzschrift eingereicht. Die beim zentralen Schutzschriftenregister nach § 945a ZPO eingereichte Schutzschrift der Antragsgegnerin galt nämlich nach § 945a Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Einstellung in das Schutzschriftenregister als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, mithin auch beim Landgericht Hamburg.

10

Das entspricht auch dem Zweck von § 945a ZPO. Mit der Normierung von § 945a ZPO unter Einrichtung eines zentralen länderübergreifenden elektronischen Registers für Schutzschriften (Schutzschriftenregister) hat der Gesetzgeber die Position des Antragsgegners im Fliegenden Gerichtsstand verbessern wollen. Insoweit ist in der Gesetzesbegründung ausgeführt (BT-Drs. 17/12634 S. 35 zu Nummer 22 (§945a)):

11

„[...] Das Register ist insbesondere dann hilfreich, wenn mehrere Gerichte für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes in Betracht kommen. Wenn sich der Antrag beispielsweise gegen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Presseveröffentlichungen oder dem Internet richtet, kann der Verletzte aufgrund des Tatortgerichtsstandes (§ 32 ZPO) die einstweilige Verfügung bei jedem Gericht beantragen (sog. Fliegender Gerichtsstand). Hier führt das Register zu einer erheblichen Verbesserung der Position des Antragsgegners. Er braucht nur noch eine Schutzschrift zum Register einzureichen, um sie bei allen zuständigen Zivilgerechten anzubringen. Die Schutzschrift hat zudem an Bedeutung gewonnen, als ihre Kosten nach der Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 13.2.2003 - I ZB 23/02, NJW 2003, 1257) grundsätzlich erstattungsfähig sind, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei diesem Gericht eingeht, auch wenn der Verfügungsantrag abgelehnt oder zurückgenommen wird, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Absatz 2 Satz 1 enthält zur Herstellung der Verbindlichkeit des Registers die gesetzliche Fiktion, dass die Einstellung einer Schutzschrift in das Schutzschriftenregister eine Einreichung bei jedem einzelnen Gericht bedeutet. Sie hat damit dieselben Wirkungen wie die nach der bisherigen Praxis übliche Einreichung von Schutzschriften bei einzelnen Gerichten in Papierform [...]“

12

Eine andere Bewertung ist auch nicht unter dem Blickwinkel der von der Antragstellerin ins Feld geführten höchstrichterlichen Rechtsprechung veranlasst.

13

Die von der Antragstellerin angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 23.11.2006, I ZB 39/06 - juris = GRUR 2007, 727 f.) befasst sich mit der Konstellation einer erst nach Rücknahme oder Zurückweisung des Verfügungsantrags bei Gericht eingereichten Schutzschrift. Eine solche Sachlage war vorliegend bereits deswegen nicht gegeben, weil die Schutzschrift der Antragsgegnerin bereits am 11.02.2016 in das Zentrale Schutzschriftenregister eingestellt worden war, mithin vor Einreichung des Verfügungsantrags am 16.02.2016. Im Gegenteil ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Rn 17 die Erstattungsfähigkeit von Kosten für Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen (BGH aaO Rn. 17 - juris). Eine solche Sachlage war bei Einstellung der Schutzschrift in das Schutzschriftenregister gegeben, wie sich aus dem kurz darauf gestellten Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergibt.

14

Darauf, ob das Landgerichtgericht die Schutzschrift vor seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen hat oder nicht, kommt es nicht an, weil die Einreichung der Schutzschrift bei der Beurteilung ex ante jedenfalls angesichts des Verfügungsantrags der Antragstellerin erforderlich gewesen ist.

15

Ohne Belang für vorliegende Entscheidung ist schließlich die Frage, ob die im Vorfeld eines Rechtsstreits entstandene anwaltlichen Geschäftsgebühr im Wege der prozessualen Kostenfestsetzung neben der 1,3 Verfahrensgebühr gegen den unterlegenen Gegner geltend gemacht werden kann (dazu OLG München AGS 2016, 102). Um diese Gebühr wird vorliegend nämlich nicht gestritten.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

17

Der Beschwerdewert entspricht dem von der Antragstellerin im Rahmen der Kostenausgleich zu tragenden Anteil von 4/5 an den von ihr mit der sofortigen Beschwerde bekämpften Kosten für die Schutzschrift.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

Zivilprozessordnung - ZPO | § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung


Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 106 Verteilung nach Quoten


(1) Sind die Prozesskosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Eingang des Festsetzungsantrags das Gericht den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei Gericht einzureichen. Die Vorschriften des § 105

Zivilprozessordnung - ZPO | § 945a Einreichung von Schutzschriften


(1) Die Landesjustizverwaltung Hessen führt für die Länder ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister). Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge a

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(1) Sind die Prozesskosten ganz oder teilweise nach Quoten verteilt, so hat nach Eingang des Festsetzungsantrags das Gericht den Gegner aufzufordern, die Berechnung seiner Kosten binnen einer Woche bei Gericht einzureichen. Die Vorschriften des § 105 sind nicht anzuwenden.

(2) Nach fruchtlosem Ablauf der einwöchigen Frist ergeht die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners, unbeschadet des Rechts des letzteren, den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend zu machen. Der Gegner haftet für die Mehrkosten, die durch das nachträgliche Verfahren entstehen.

(1) Die Landesjustizverwaltung Hessen führt für die Länder ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister). Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung.

(2) Eine Schutzschrift gilt als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, sobald sie in das Schutzschriftenregister eingestellt ist. Schutzschriften sind sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen.

(3) Die Gerichte erhalten Zugriff auf das Register über ein automatisiertes Abrufverfahren. Die Verwendung der Daten ist auf das für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Abrufvorgänge sind zu protokollieren.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 66/15
vom
25. Februar 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche
Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet
zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt
einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen,
wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachen
Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der
Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt
(Bestätigung und Fortführung des Senatsbeschlusses vom 26. Januar
2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117).

b) Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme
entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts sind auch dann nicht erstattungsfähig,
wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht kannte oder kennen
musste (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB
39/06, NJW-RR 2007, 1575).
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15 - OLG München
LG Landshut
ECLI:DE:BGH:2016:250216BIIIZB66.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2016 durch den Vorsitzender Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Februar 2015 - 11 W 302/15 - aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Landshut vom 20. Januar 2015 - 74 O 1092/14 - aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 20. November 2014 zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens jeweils zu ¼ zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 905 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten für das Berufungsverfahren trotz Rücknahme des Rechtsmittels der Klägerin vor Stellung des Berufungszurückweisungsantrags die Erstattung der vollen anwaltlichen Verfahrens- gebühr nach Nr. 3200 der Anlage 1 des RVG (RVG VV) nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV verlangen können.
2
Die Klägerin legte gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Landgerichts Berufung ein und begründete diese. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 wies das Oberlandesgericht die Klägerin auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels hin, kündigte dessen Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO an und setzte den Parteien Frist zur Stellungnahme bis zum 14. November 2014. Die Klägerin nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 12. November 2014, der am selben Tag beim Oberlandesgericht einging und am 20. November 2014 den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigen der Beklagten zugestellt wurde, ihre Berufung zurück. Mit Beschluss vom 13. November 2014 sprach das Oberlandesgericht aus, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe. Mit Schriftsatz vom 14. November 2014, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
3
Auf Antrag der Beklagten hat das Landgericht die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr (Nr. 3200 RVG VV), einer Erhöhungsgebühr von 0,9 (Nr. 1008 RVG VV) und einer Auslagenpauschale von 20 € (Nr. 7002 RVG VV) auf 905 € nebst Zinsen festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der Beklagten.

II.


4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Beklagten auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 RVG VV (nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) zu Unrecht bejaht.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, mit Einreichung des Schriftsatzes vom 14. November 2014 sei für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV angefallen. Wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 RVG VV ergebe, erhalte der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz einreiche, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthalte. Diese Voraussetzungen erfülle der Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2014. Die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erwachsene 1,6-fache Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig. Dass die Klägerin ihre Berufung bereits am 12. November 2014 - vor Erstellung des den Berufungszurückweisungsantrag enthaltenden Schriftsatzes - zurückgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Denn von der Rücknahme des Rechtsmittels hätten die Beklagten erst durch Zustellung des diesbezüglichen Schriftsatzes am 20. November 2014 Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts und anderer Oberlandesgerichte seien die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit die Rücknahme des Rechtsmittels bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen. Für den vergleichbaren Fall von in Unkenntnis einer zwischenzeitlichen Rücknahme einer Klage oder eines Verfügungsantrags eingereichten Schriftsätzen gelte nichts anderes. Die Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofs (Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575), wonach die durch Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten auch bei unverschuldeter Unkenntnis des Antragsgegners von der Antragsrücknahme nicht erstattungsfähig seien, könne nicht ohne Weiteres auf die Fälle der Klageerwiderung oder der Berufungserwiderung in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder Berufung übertragen werden. Die Beklagten hätten auch nicht den Ablauf der vom Oberlandesgericht für eine Rücknahme der Berufung gesetzten Frist oder gar eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 522 ZPO abwarten müssen.
6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
a) Die vom Landgericht antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV gehört nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der Berufungszurückweisungsantrag erst nach Rücknahme des Rechtsmittels gestellt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Einreichung der Berufungserwiderung am 14. November 2014 - wie das Beschwerdegericht meint - eine volle Verfahrensgebühr gegenüber den Beklagten angefallen ist. Denn die Entstehung der Verfahrensgebühr ist von ihrer Erstattungsfähigkeit streng zu unterscheiden (Maué in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Nr. 3200-3205 VV Rn. 6).
8
aa) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger (§ 516 Abs. 3 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20; BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 – 6 W 70/08, juris Rn. 14; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 2; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak /Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8). Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 aaO; s. auch BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, NJW 2012, 1370 Rn. 12; vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, NJW 2012, 2734 Rn. 9 und vom 23. Oktober 2013 - V ZB 143/12, NJW-RR 2014, 185 Rn. 10; jew. mwN).
9
bb) Die Frage, ob im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird, auch dann erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur umstritten. Nach der unter anderem vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung sind die Kosten des Rechtsmittelgegners in diesen Fällen dann erstattungsfähig, wenn weder der Partei noch ihrem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der Einreichung der Berufungserwiderung bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Rücknahme des Rechtsmittels bereits erfolgt war (s. auch OLG München, BeckRS 2010, 27585; OLG Celle, Beschluss vom 2. März 2010 - 2 W 69/10, juris Rn. 4 [Erstattungsfähigkeit der Kosten einer nach Klagerücknahme eingereichten Klageerwiderung]; Maué aaO Rn. 8; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3201 VV Rn. 9, 88, Anhang XIII Rn. 46 ff mwN zum Streitstand). Nach anderer Auffassung sind die Kosten eines Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Berufungszurückweisungsantrags die Berufung bereits zurückgenommen war. Auf die (unverschuldete) Unkenntnis des Berufungsbeklagten von der Rücknahme des Rechtsmittels komme es nicht an (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 - 6 W 70/08, juris Rn. 15; s. auch BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 [keine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten bei Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung]; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 4 [keine Erstattung von Anwaltskosten bei Klageerwiderung nach Klagerücknahme]; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 48).
10
cc) Der Senat folgt der Auffassung, nach der die Einreichung einer Berufungserwiderung (mit Berufungszurückweisungsantrag und/oder Sachvortrag) nach Rücknahme des Rechtsmittels keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch zugunsten des Rechtsmittelgegners auslöst. Nach dem unter aa) dargestellten Maßstab stellt die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Denn die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO). Die Gegenmeinung lässt dabei außer Betracht, dass im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten die objektive Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei maßgeblich ist, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick hat (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20). Danach ist die Stellung eines Zurückweisungsantrags nach Rücknahme der Berufung keine zur Rechtsverteidigung objektiv erforderliche Maßnahme. Die Frage, ob dem Rechtsmittelgegner ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt. In den Fällen, in denen das Berufungsgericht dem Rechtsmittelkläger eine Frist zur Erklärung über die Rechtsmittelrücknahme gesetzt hat, kann der Rechtsmittelbeklagte, der eine Erwiderung zum Fristende erwägt, außerdem eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen ist, durch eine (gegebenenfalls telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.
11
Es kommt hinzu, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Kostenfestsetzungsverfahren , das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist. Vor diesem Hintergrund wäre es wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit und insbesondere durch die - unter Umständen aufwändige - Prüfung subjektiver Kriterien ("unverschuldete Unkenntnis" der Partei und des Prozessbevollmächtigten) zu belasten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO mwN; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 aaO Rn. 15).
12
Soweit das Beschwerdegericht meint, die vorgenannten Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten seien vom Bundesgerichtshof (Beschluss vom 23. November 2006 aaO) lediglich für den Sonderfall der Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entwickelt worden und auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Bei diesen Grundsätzen handelt es sich vielmehr um den allgemeinen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung des Umfangs der Kostenerstattungspflicht im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
13
b) Die Beklagten können auch nicht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, § 516 Abs. 3 ZPO die Erstattung einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV (i.V.m. einer 0,9-fachen Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) verlangen.
14
Wenn - wie hier - der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endigt, bevor ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht worden ist, kommt die Erstattung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners auf Grund eines ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft im Sinne von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG VV betrieben hat und damit jedenfalls die ermäßigte 1,1-fache Verfahrensgebühr angefallen ist. Hierfür kann schon die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügen. (BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 18 f). Daran fehlt es hier. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts sind die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erstmals nach der Rücknahme der Berufung tätig geworden, indem sie am 14. November 2014 die Zurückweisung der Berufung mit kurzer Begründung beantragt haben. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO) zu keinem Zeitpunkt vorgetragen haben, ihre Prozessbevollmächtigten hätten im Berufungsverfahren das Geschäft in Erfüllung eines entsprechenden Auftrags vor der Rücknahme des Rechtsmittels in irgendeiner Weise betrieben. Vielmehr ist das Vorbringen der Klägerin, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien erst nach Beendigung des Berufungsverfahrens tätig geworden, unwidersprochen geblieben. Die Beklagten haben lediglich den unzutreffenden Rechtsstandpunkt eingenommen, die Verfahrensgebühr sei allein durch die Einreichung der Berufungserwiderung nach Rechtsmittelrücknahme entstanden. Es fehlt somit an den Voraussetzungen für die Entstehung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV.
Herrmann Tombrink Remmert
Reiter Liebert
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 04.09.2014 - 74 O 1092/14 -
OLG München, Entscheidung vom 27.02.2015 - 11 W 302/15 -

(1) Die Landesjustizverwaltung Hessen führt für die Länder ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister). Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung.

(2) Eine Schutzschrift gilt als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, sobald sie in das Schutzschriftenregister eingestellt ist. Schutzschriften sind sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen.

(3) Die Gerichte erhalten Zugriff auf das Register über ein automatisiertes Abrufverfahren. Die Verwendung der Daten ist auf das für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Abrufvorgänge sind zu protokollieren.

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 23/02
vom
13. Februar 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
BRAGO § 32 Abs. 1
Die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen
erwarteten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden
ist, sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag
bei diesem Gericht eingeht. Dies gilt auch dann, wenn der Verfügungsantrag
abgelehnt oder zurückgenommen wird, ohne daß eine mündliche Verhandlung
stattgefunden hat. In diesem Fall ist jedoch nicht die volle Gebühr
nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, sondern nach § 32 Abs. 1 BRAGO nur eine
halbe Gebühr zu erstatten.
BGH, Beschl. v. 13. Februar 2003 - I ZB 23/02 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter
Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 8. Zivilsenat, vom 27. Juni 2002 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.082,15 festgesetzt.

Gründe:


I. Nach einer Abmahnung durch die Antragstellerin wegen eines behaupteten Wettbewerbsverstoßes reichte die Antragsgegnerin bei dem Landgericht eine Schutzschrift ein, die den Antrag enthielt, einen etwaigen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Das Landgericht wies den tags darauf eingegangenen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch Beschluß auf Kosten der Antragstellerin zurück. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht ab. Nach Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch das Beschwerdegericht nahm die Antragstellerin ihren Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurück.

Für die Einreichung der Schutzschrift hat die Antragsgegnerin die Festsetzung einer 10/10-Gebühr ihrer Verfahrensbevollmächtigten begehrt. Das Landgericht hat nur eine 5/10-Gebühr festgesetzt. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren auf Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühr in Höhe von 10/10 weiter.
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, das Begehren der Antragsgegnerin sei gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO nicht gerechtfertigt, da dem in der Schutzschrift gestellten Sachantrag keine Bedeutung beigemessen werden könne und dieser deswegen nicht als notwendig im Sinne des § 91 ZPO zu erachten sei.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist im Ergebnis zutreffend. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO sind der Antragsgegnerin nur solche Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten, die durch Maßnahmen entstanden sind, welche zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Danach hat die Antragsgegnerin für die von ihren Verfahrensbevollmächtigten eingereichte Schutzschrift nur Anspruch auf Erstattung einer halben Prozeßgebühr (§ 32 Abs. 1 BRAGO).

a) Die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist, sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn - wie hier - ein entsprechender Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung bei diesem Gericht ein-
geht, auch wenn der Antrag abgelehnt oder zurückgenommen wird, ohne daß eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl. dazu u.a. OLG München WRP 1992, 811; OLG Düsseldorf WRP 1995, 499, 500; KG WRP 1999, 547; OLG Bamberg OLG-Rep 2000, 228; OLG Karlsruhe OLG-Rep 2000, 436; OLG Frankfurt a.M. NJWE-WettbR 2000, 149; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 55 Rdn. 56; Pastor/Ahrens/Spätgens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 13 Rdn. 29, jeweils m.w.N.).

b) Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information ist nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO an sich eine volle Gebühr (Prozeßgebühr) geschuldet. Nach § 32 Abs. 1 BRAGO vermindert sich der Gebührenanspruch aber auf eine halbe Gebühr, wenn der Auftrag - wie hier - endet, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz mit Sachanträgen eingereicht oder eine andere der in § 32 Abs. 1 BRAGO genannten Handlungen vorgenommen hat. Die in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift enthaltenen Anträge sind keine Sachanträge im Sinne des § 32 Abs. 1 BRAGO (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1988, 201; OLG Bremen JurBüro 1991, 940, 941; OLG Braunschweig JurBüro 1993, 218, 219; KG WRP 1999, 547, 548; v. Eicken in Gerold/Schmidt, BRAGO , 15. Aufl., § 40 Rdn. 30; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 824; a.A. OLG Koblenz JurBüro 1990, 1160 f.; Teplitzky aaO Kap. 55 Rdn. 57 f.; Pastor/Ahrens/Spätgens aaO Kap. 13 Rdn. 39 f.; Deutsch, GRUR 1990, 327, 332, jeweils m.w.N.).
Ein Antrag in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift leitet kein Verfahren ein. Die Schutzschrift bringt kein Verfahren in Gang, sondern äußert sich zu einem erwarteten Verfahren. Der in ihr enthaltene Antrag kann auch kein Sachantrag im Sinne des § 32 Abs. 1 BRAGO sein, weil noch kein Verfahren anhängig ist. Ein solcher Antrag "erstarkt" auch nicht zu einem Sachantrag,
wenn später ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gestellt wird. Eine solche Annahme würde zumindest voraussetzen, daß ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß sich der Antrag der Schutzschrift auf denselben Gegenstand wie der spätere Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung bezieht. Dies wird jedoch schon deshalb vielfach nicht der Fall sein, weil dieser Antrag bei Abfassung der Schutzschrift dem Antragsgegner in aller Regel noch nicht bekannt ist, so daß sich die Schutzschrift in weitem Umfang nur auf Vermutungen über den späteren Inhalt des erwarteten Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung stützen kann (vgl. dazu auch KG WRP 1999, 547, 548; Deutsch, GRUR 1990, 327, 331, 332). Einen Anhalt dafür wird zwar oft die Begründung einer vorausgegangenen Abmahnung geben; der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann aber aus vielen Gründen von dem Gegenstand der Abmahnung abweichen, etwa im Hinblick auf die Antwort des Abgemahnten oder weitere Ermittlungen des Antragstellers.
Es kommt hinzu, daß auch nach Stellung eines Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zunächst kein Raum für Sachanträge des Antragsgegners ist, solange dieser nicht in das Verfahren einbezogen worden ist. Das Gericht hat zwar auch in diesem Verfahrensstadium Ausführungen, die der Antragsgegner in einer Schutzschrift zu dem erwarteten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gemacht hat, bei seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen , wenn ihm die Schutzschrift zur Kenntnis kommt (Art. 103 Abs. 1 GG). Dabei kommt es aber allein auf das tatsächliche und rechtliche Vorbringen in der Schutzschrift an. Ob diese bereits einen formulierten "Antrag" enthält, ist für das Verfahren ohne Bedeutung (vgl. OLG Braunschweig JurBüro 1993, 218, 219; Melullis aaO Rdn. 824). Ein Antrag kann in diesem Stadium des Verfahrens nur eine Anregung des Antragsgegners an das Gericht sein, in einer bestimmten Weise zu verfahren oder zu entscheiden.

III. Danach war die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin mit der Ko- stenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)