Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 29. Juni 2015 - 7 UF 94/14

bei uns veröffentlicht am29.06.2015

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg - Familiengericht - vom 8. Juli 2014, Az. 636 F 83/14 aufgehoben. Der Beschluss ist wirkungslos.

Es wird festgestellt, dass das Verfahren aufgrund der Antragsrücknahme der Kindesmutter vom 15. Juli 2014 erledigt ist.

Gerichtskosten für das Verfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf € 1.500,00.

Gründe

1

I. Die Kindeseltern streiten um das Sorgerecht für ihre Kinder. Die Kindesmutter hat mit Schriftsatz vom 15. Mai 2014 beantragt, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das alleinige Sorgerecht für die Kinder zu übertragen. Das Amtsgericht hat die Sache mündlich erörtert. Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 hat das Amtsgericht den Antrag der Kindesmutter zurückgewiesen. Nach Erlass des Beschlusses, aber vor Ablauf der Rechtsmittelfrist hat die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 15. Juli 2014 erklärt, dass sie ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurücknehme und mit Schriftsatz vom 25. Juli 2014 vorsorglich Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt. Der Rücknahme hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 7. August 2014 widersprochen. Das Amtsgericht hat die Zurücknahme daraufhin im Hinblick auf § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG für unwirksam angesehen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

2

II. Nach Zurücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch die Kindesmutter war gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 FamFG lediglich festzustellen, dass sich das Verfahren durch die Rücknahme erledigt hat und der Beschluss des Amtsgerichts wirkungslos geworden ist. Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG und der Umstand, dass der Kindesvater der Rücknahme widersprochen hat, stehen der Wirksamkeit der Rücknahme nicht entgegen. In dem Fall, in dem in einem nur auf Antrag durchgeführten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Antrag nach Ergehen eines Beschlusses zurückgenommen wird, ist diese Rücknahme auch dann zulässig, wenn die übrigen Verfahrensbeteiligten der Rücknahme nicht zustimmen; denn § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist auf diese Konstellation nicht anwendbar. Das ergibt sich aus § 51 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FamFG, wonach die für eine entsprechende Hauptsache geltenden Vorschriften im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gelten, soweit sich aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das ist hier der Fall. Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll das Interesse der übrigen Verfahrensbeteiligten daran schützen, dass es bei der durch den erlassenen Beschluss herbeigeführten abschließenden Klärung des Verfahrensgegenstandes bleibt (Sternal in Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 22 Rdnr. 1). Dieses Interesse kann im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung indessen nicht durch eine Beschränkung der Befugnis zur Zurücknahme des Antrags geschützt werden; denn da ein Beschluss in diesem Verfahren unter dem Vorbehalt der Abänderung durch ein anschließendes Hauptsacheverfahren oder ein erneutes Anordnungsverfahren steht, kann die durch einen Beschluss im Anordnungsverfahren hergestellte Rechtslage grundsätzlich nur vorläufig sein und die übrigen Beteiligten nicht davor schützen, dass der Antragsteller alsbald ein neues Verfahren einleitet. Außerdem könnte der Antragsteller einen Beschluss auch dadurch zu Fall bringen, dass er einen Antrag zur Hauptsache stellt und sogleich wieder zurücknimmt, wodurch nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 FamFG der Beschluss im Anordnungsverfahren ebenfalls hinfällig würde. Aus vergleichbaren Erwägungen wird auch im Zivilprozessrecht die korrespondierende Bestimmung des § 269 Abs. 1 ZPO, wonach die Klage nach Beginn der mündlichen Verhandlung nur mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen werden kann, allgemein im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht für anwendbar gehalten (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. 7. 1982, Az. 2 U 54/82, NJW 1982, S. 2452 f.; OLG Koblenz, Beschl. v. 10. 2. 1998, Az. 4 U 1564/07; Foerste in Musielak/Vogt, ZPO, 12. Aufl., § 269 Rdnr. 22).

3

Da das Anordnungsverfahren mit der Zurücknahme des Antrags beendet war, kommt es auf die weiteren von den Verfahrensbeteiligten in diesem Verfahren vorgenommenen Verfahrensschritte nicht mehr an.

4

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1 FamFG. Es erschien nicht billig, im Hinblick darauf, dass auf die Beschwerde der Kindesmutter die Akte zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden ist, für das Beschwerdeverfahren eine Kostenerstattung anzuordnen, nachdem das Amtsgericht, dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 FamFG folgend, die Rücknahme für nicht wirksam angesehen hatte.

5

Die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 41, 45 FamGKG.

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


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Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 45 Bestimmte Kindschaftssachen


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Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 56 Außerkrafttreten


(1) Die einstweilige Anordnung tritt, sofern nicht das Gericht einen früheren Zeitpunkt bestimmt hat, bei Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung außer Kraft. Ist dies eine Endentscheidung in einer Familienstreitsache, ist deren Rechtskraft maßgeb

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 22 Antragsrücknahme; Beendigungserklärung


(1) Ein Antrag kann bis zur Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden. Die Rücknahme bedarf nach Erlass der Endentscheidung der Zustimmung der übrigen Beteiligten. (2) Eine bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Endentscheidung

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(1) Ein Antrag kann bis zur Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden. Die Rücknahme bedarf nach Erlass der Endentscheidung der Zustimmung der übrigen Beteiligten.

(2) Eine bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Endentscheidung wird durch die Antragsrücknahme wirkungslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Das Gericht stellt auf Antrag die nach Satz 1 eintretende Wirkung durch Beschluss fest. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(3) Eine Entscheidung über einen Antrag ergeht nicht, soweit sämtliche Beteiligte erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können.

(1) Die einstweilige Anordnung tritt, sofern nicht das Gericht einen früheren Zeitpunkt bestimmt hat, bei Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung außer Kraft. Ist dies eine Endentscheidung in einer Familienstreitsache, ist deren Rechtskraft maßgebend, soweit nicht die Wirksamkeit zu einem späteren Zeitpunkt eintritt.

(2) Die einstweilige Anordnung tritt in Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden, auch dann außer Kraft, wenn

1.
der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen wird,
2.
der Antrag in der Hauptsache rechtskräftig abgewiesen ist,
3.
die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird oder
4.
die Erledigung der Hauptsache anderweitig eingetreten ist.

(3) Auf Antrag hat das Gericht, das in der einstweiligen Anordnungssache im ersten Rechtszug zuletzt entschieden hat, die in den Absätzen 1 und 2 genannte Wirkung durch Beschluss auszusprechen. Gegen den Beschluss findet die Beschwerde statt.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

(1) Ein Antrag kann bis zur Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden. Die Rücknahme bedarf nach Erlass der Endentscheidung der Zustimmung der übrigen Beteiligten.

(2) Eine bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Endentscheidung wird durch die Antragsrücknahme wirkungslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Das Gericht stellt auf Antrag die nach Satz 1 eintretende Wirkung durch Beschluss fest. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(3) Eine Entscheidung über einen Antrag ergeht nicht, soweit sämtliche Beteiligte erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können.

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.