Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 18. Feb. 2014 - 6 UF 154/13


Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 20.9.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Paderborn vom 30.8.2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.160,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die am ##.##.1985 geschlossene Ehe der Beteiligten ist durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Paderborn vom 14.11.2008 geschieden worden. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist abgetrennt und einem gesonderten Verfahren vorbehalten worden.
4Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die am ##.##.1988 geborene Tochter B, die am ##.##.1990 geborene Tochter C sowie der am ##.##.1993 geborene Sohn D. Zwischen den Beteiligten ist streitig, wer die Betreuung und der Versorgung der Kinder während des Zusammenlebens gewährleistete.
5Die Antragstellerin hat beantragt, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit auszuschließen. Sie hatte sich zunächst darauf berufen, dass an den Antragsgegner in Kürze eine Kapitallebensversicherung mit einem Auszahlungsbetrag von 50.000,00 € ausgekehrt werde. Eine weitere Unbilligkeit ergebe sich daraus, dass der Antragsgegner keinen Kindesunterhalt zahle.
6Durch Beschluss vom 30.8.2013 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich durchgeführt. Anwartschaften der Antragstellerin bei der gesetzlichen Rentenversicherung sowie bei der kirchlichen Zusatzversicherung wurden auf den Antragsgegner übertragen. Zwei weitere Anrechte der Beteiligten bei der Bank für Kirche und Caritas eG sind wegen Nichterreichens der Bagatellgrenze nicht ausgeglichen worden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
7Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Sinne von § 27 VersAusglG grob unbillig sei. Der Antragsgegner habe während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zum Familienunterhalt beigetragen, und zwar weder während noch nach Beendigung seines Studiums. Während des Studiums des Antragsgegners sei das Familieneinkommen allein durch die Vollzeittätigkeit der Antragstellerin aufgebracht worden. Die älteste Tochter sei nach ihrer Geburt von einem Kindermädchen betreut worden, das von der Antragstellerin finanziert worden sei. Auch nach dem Abschluss des Studiums habe der Antragsgegner seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt. Er habe keine Bewerbungen getätigt. Der Antragsgegner habe vielmehr erfolglos versucht, sich selbstständig zu machen. Immer wieder habe die Antragstellerin den Antragsgegner aufgefordert, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nach der Trennung im Januar 2007 habe der Antragsgegner Aktien verkauft, Sparfonds aufgelöst und das gemeinsame Sparkonto geplündert. Er sei in den Iran gereist und habe dort den Erlös verbraucht. Obwohl er vom Amtsgericht Q zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt worden sei, seien keine Zahlungen geleistet worden.
8Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er vertritt die Auffassung, dass sich bereits aus dem Scheidungsurteil vom 14.11.2008 ergebe, dass der Versorgungsausgleich durchzuführen sei. Darüber hinaus sei die Durchführung des Versorgungsausgleichs auch nicht grob unbillig. Er habe den Haushalt geführt und die gemeinsamen Kinder betreut. Das Kindermädchen habe maximal zehn Stunden gearbeitet. Nach dem Abschluss des Studiums habe er die Möglichkeit gehabt, bei der Firma T in E eine Beschäftigung zu finden. Die Antragstellerin sei jedoch nicht bereit gewesen, ihren sicheren Arbeitsplatz in Q aufzugeben.
9II.
10Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs abgelehnt. Denn die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist nicht grob unbillig, § 27 VersAusglG
111.
12In dem Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht - Paderborn vom 14.11.2008 (Aktenzeichen: AG Paderborn 8 F 1789/07) ist nicht rechtskräftig darüber entschieden worden, dass ein Versorgungsausgleich stattfindet. Nach dem insoweit maßgeblichen Urteilstenor ist der Versorgungsausgleich lediglich abgetrennt worden. Eine weitergehende Bindung besteht nicht.
132.
14Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs liegen nicht vor. Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nach Satz 2 der genannten Vorschrift nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. § 27 VersAusglG erlaubt eine Korrektur, wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widerspricht (BGH FamRZ 2013, 690; Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/10144 S. 67; Palandt-Brudermüller, BGB, 73. Auflage 2014, § 27 VersAusglG Rn. 5). Obwohl die Formulierung des § 27 VersAusglG von den bisherigen Härteregelungen abweicht, ist mit dieser Änderung keine Änderung des materiellen Rechts verbunden und es kann auf die bislang entwickelten Fallgruppen der Härtefälle und die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden (siehe Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/10144, S. 68; Borth, Versorgungsausgleich, 7. Auflage 2014, Rn. 948 ff.). Die Entscheidung darüber, ob ein Härtefall vorliegt, ist anhand der gegenwärtigen und zukünftigen wirtschaftlichen, persönlichen und sozialen Situation der Eheleute zu treffen (BGH FamRZ 2013, 690; BGH FamRB 2013, 135). Maßgeblich sind alle bereits bekannten und vorhersehbaren Lebensumstände, die die Versorgung beeinflussen, was eine Würdigung z.B. des Alters der Eheleute, ihres Gesundheitszustands, ihrer Ausbildung, ihrer Beschäftigungssituation, der Ehedauer und der Aufgabenverteilung während der Ehe insbesondere bei der Kindererziehung einschließt. Der Versorgungsausgleich ist ganz oder teilweise auszuschließen, wenn die Inanspruchnahme des ausgleichspflichtigen Ehegatten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre. Allerdings kann ein zu einer Unbilligkeit führendes Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen nur angenommen werden, wenn die Altersversorgung des Ausgleichsberechtigten aufgrund seines vorhandenen Vermögens uneingeschränkt abgesichert ist, während der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH FamRZ 2005, 1238). Die Verletzung einer Unterhaltspflicht oder einer Betreuungspflicht durch einen Ehegatten kann zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nur führen, wenn die Pflicht für längere Zeit gröblich bzw. in schwerwiegender Weise oder beharrlich verletzt wird. Dass ein Ehegatte für einen Zeitraum die Dreifachbelastung durch Haushalt, Kindererziehung und Erwerbstätigkeit auf sich genommen hat, kann zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen, der Ausschluss ist jedoch nicht zwingend und hängt von den übrigen Umständen des Einzelfalls ab. Notwendig ist eine gröbliche Pflichtverletzung durch den Ausgleichsberechtigten, die voraussetzt, dass der andere Ehegatte und ggf. gemeinsame Kinder nachhaltig in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht wurden (BGH FamRZ 1987, 49; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4.6.2013, Aktenzeichen 6 UF 50/12, zitiert nach juris).
153.
16Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Gesamtabwägung lässt einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG nicht zu.
17a)
18Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat. Der Antragsgegner hat sich nach seiner Behauptung um die Erziehung der drei gemeinsamen Kinder gekümmert. Die gemeinsame Tochter B wurde bereits 1988 geboren, der jüngste Sohn war bei der Trennung im Januar 2007 erst 13 Jahre alt. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragstellerin (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, 73. Auflage 2014, § 27 VersAusglG Rn. 38) hat für ihre Behauptung, dass sich der Antragsgegner nicht ausreichend gekümmert habe, keinen Beweis angetreten. Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Rahmen des Scheidungsverfahrens im Termin vor dem Amtsgericht am 7.2.2008 (Aktenzeichen: AG Paderborn 8 F 1789/07) eingeräumt, dass es wichtig gewesen sei, dass der Antragsgegner anwesend war, wenn die Kinder von der Schule nach Hause kamen. Auch hat die Antragstellerin gegenüber dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung durch Schreiben vom 16.7.2008 bestätigt, dass der Antragsgegner überwiegend die Kinder erzogen hat.
19b)
20Auch die Finanzierung des Studiums durch die Antragstellerin kann einen Ausschluss nicht rechtfertigen. Grundsätzlich kann ein Ausschluss in Betracht kommen, wenn ein Ehegatte ein Studium finanziert und der andere Ehegatte nach der Scheidung aufgrund der Ausbildung ein hohes Einkommen erzielt (vgl. Borth, Versorgungsausgleich, 7. Auflage 2014, Rn. 971, 987). Im vorliegenden Fall ist jedoch der Antragsgegner nicht erwerbstätig, so dass er von dem Studium nicht profitiert.
21c)
22Dass der Antragsgegner trotz Titulierung keinen Kindesunterhalt zahlt, begründet keinen Härtegrund im Sinne des § 27 VersAusglG. Im Rahmen der Gesamtabwägung sind nur solche Unterhaltspflichtverletzungen heranzuziehen, die während der Ehe vorgelegen haben. Eine danach liegende Pflichtverletzung rechtfertigt keinen Ausschluss, weil mit dem Ehezeitende auch eine Ausgleichsverpflichtung entfällt (Borth, Versorgungsausgleich, 7. Auflage 2014, Rn. 998; Palandt-Brudermöller, BGB, 73. Auflage 2014, § 27 VersAusglG Rn. 35).
23d)
24Soweit die Antragstellerin auf eine Lebensversicherung des Antragsgegners verweist, ist diese im Rahmen des Zugewinns auszugleichen. Da die Übrigen Vermögensverhältnisse nicht dargelegt werden, kann dies allein eine unbillige Härte nicht rechtfertigen. Gleiches gilt für die Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe nach der Trennung die Konten abgeräumt.
254.
26Von einer erneuten mündlichen Verhandlung konnte nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abgesehen werden, da keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.
275.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus § 50 FamGKG.

moreResultsText

Annotations
Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.
Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
(1) In Versorgungsausgleichssachen beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 Prozent, bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Der Wert nach Satz 1 beträgt insgesamt mindestens 1 000 Euro.
(2) In Verfahren über einen Auskunftsanspruch oder über die Abtretung von Versorgungsansprüchen beträgt der Verfahrenswert 500 Euro.
(3) Ist der nach den Absätzen 1 und 2 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.