Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 26. März 2014 - 32 W 6/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts N vom 21. Januar 2014 aufgehoben.
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 16. Oktober 2013 gegen die für das Sachverständigenbüro X tätigen Sachverständigen Dr. C und Diplom Ing. Y ist begründet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.749 EUR festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Die gemäß den §§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
41.
5Das Ablehnungsgesuch der Beklagten erfasst die für das Sachverständigenbüro X GbR im vorliegenden Rechtsstreit tätig gewordenen Sachverständigen Dr. C und Diplom Ing. Y. Aufgrund der für das Gesuch gewählten Formulierung, das "Sachverständigenbüro X GbR bzw. die im vorliegenden Fall tätigen Sachverständigen Dr. C und Dipl.-Ing. Y wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen", ist es in diesem Sinne auszulegen.
62.
7Das Ablehnungsgesuch ist nicht verfristet.
8Es ist zwar nicht innerhalb der gemäß § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO vorgesehenen Frist von 2 Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen gestellt worden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung gemäß § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO aber zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28.02.2013, 32 W 1/13, zit. über Juris Tz. 12; BGH Beschluss vom 15.03.2005, VI ZB 74/04, zit. über Juris, Tz. 7).
9Die Frist des §§ 406 Abs. 2 S. 2 ZPO ist im vorliegenden Fall gewahrt. Die Beklagten begründen ihre Ablehnung mit persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem beauftragten Sachverständigenbüro X GbR einerseits sowie Herrn Diplom Ing. T2 als geschäftsführendem Gesellschafter der Firmen G GmbH und Z GmbH andererseits. Von diesen Verbindungen wollen sie erst aufgrund von Recherchen ihres Prozessbevollmächtigten am Tage vor der Einreichung des Ablehnungsgesuchs vom 16.10.2013 erfahren haben. Diese durch eine eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten gestützte Darstellung ist glaubhaft. Mit ihr ist der Ablehnungsantrag rechtzeitig gestellt worden. Dem steht nicht entgegen, dass Herr Diplom Ing. T2 bereits als Sachverständiger auf dem Briefkopf des beauftragten Sachverständigenbüros aufgeführt war und die Beklagten ein Schreiben mit diesem Briefkopf bereits im Jahre 2012 erhalten hatten. Die damit erkennbare Namensgleichheit eines Sachverständigen aus dem beauftragten Sachverständigenbüro mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der bereits vorprozessual von der Klägerseite beauftragten Firma G GmbH gibt zwar Anhaltspunkte für eine mögliche persönliche oder geschäftliche Verbindung. Eine solche muss eine Partei aber nicht von sich aus recherchieren. Sie ist nicht verpflichtet, von sich aus Nachforschungen zur Neutralität eines Sachverständigen anzustellen (Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 406 ZPO Rz. 7). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen ein beauftragter Sachverständiger von sich aus unschwer über eine mögliche persönliche oder geschäftliche Verbindung mit einem vorprozessual als Privatgutachter tätigen Sachverständigen hätte aufklären können, so wie es das beauftragte Sachverständigenbüro dann - allerdings erst nach dem Ablehnungsgesuch - in seiner Stellungnahme vom 25.10.2013 getan hat. Unterbleiben der naheliegende Hinweis des beauftragten Sachverständigen und auch eine mögliche gerichtliche Prüfung von Umständen, die der Neutralität eines beauftragten Sachverständigen entgegenstehen können, ist einer Partei dann nicht vorzuhalten, eine mögliche eigene Prüfung der Umstände nicht früher veranlasst zu haben.
103.
11Die Beklagten haben einen Grund, an der Unparteilichkeit der Sachverständigen Dr. C und Diplom Ing. Y zu zweifeln.
12Nach den §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 1, Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es müssen Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des abgelehnten Sachverständigen aufkommen lassen. Als solche Umstände können nur objektive Gründe gelten, die vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Die Ablehnung setzt dabei nicht voraus, dass der Sachverständige tatsächlich parteilich ist. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein fehlender Neutralität die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit (vgl. Senat, Beschluss vom 08.11.2012, 32 W 24/12, zit. über Juris Tz. 5).
13Ein solcher Grund liegt regelmäßig vor, wenn ein Sachverständiger vorprozessual für eine Partei als privat beauftragter Sachverständiger tätig war. Erfahrungsgemäß kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Privatgutachter dazu neigt, die Erwartungen seines Auftraggebers zu bestätigen. Zudem hat er bei dem Privatgutachten die Angaben seines Auftraggebers zugrunde zu legen. Bereits aufgrund dieser Umstände kann eine verständige Partei deshalb befürchten, dass der Gutachter bei der Erstellung des gerichtlichen Gutachtens hiervon beeinflusst wird und dem gerichtlichen Gutachterauftrag nicht mehr neutral gegenübersteht (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.07.2012, 2 W 38/12, zit. über Juris, Tz. 4; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.09.2011, 10 W 49/11, zit. über Juris, Tz. 6, 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.02.2005, 2 W 8/05, Zit. über Juris, Tz. 6; auch BGH, Urteil vom 01.02.1972, VI ZR 134/70, NJW 1972, 1133 (1134)).
14Im vorliegenden Fall begründet – entgegen der Auffassung des Landgerichts – der Umstand, dass auf Klägerseite bereits ein von der Fa. G erstelltes Privatgutachten vorliegt und der geschäftsführende Gesellschafter dieser Firma zum Einen der Sohn eines der geschäftsführenden Gesellschafters des beauftragten Sachverständigenbüros X GbR ist und zum Anderen auch für das Büro als Sachverständiger tätig war, die Besorgnis der Befangenheit der beiden abgelehnten Sachverständigen.
15Der Sachverständige Diplom Ing. T2 ist mit der Firma G GmbH im vorliegenden Verfahren bereits als Privatgutachter tätig geworden. Der von der Firma G GmbH unter dem 19.01.2012 erstellte "Unfall-Ablauf-Report" ist als Privatgutachten anzusehen. Der Report befasst sich mit den für die Unfallanalyse bedeutsamen Fragestellungen, die auch Gegenstand des im gerichtlichen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachtens sind. Diese werden in dem Privatgutachten - insbesondere durch grafische Darstellungen - auch im Sinne einer im Einzelnen nachvollziehbaren Analyse des Unfallverlaufs beantwortet. Es liegt bereits eine gutachterliche Stellungnahme und nicht lediglich eine erste Einschätzung eines hinzugezogenen Sachverständigen vor. Als Privatgutachter ist Diplom Ing. T2 anzusehen. Der Report der Firma G GmbH lässt nicht erkennen, dass ein anderer Sachverständiger für den Inhalt des Gutachtens verantwortlich sein könnte, allein Diplom Ing. T2 wird als für die Firma verantwortlicher geschäftsführender Gesellschafter benannt.
16Das Privatgutachten ist für den Kläger des vorliegenden Rechtsstreits erstellt worden. Nach seinem Vortrag hat es seine Kfz-Haftpflichtversicherung auf seine Veranlassung hin eingeholt, um der Unfalldarstellung der Beklagten entgegenzutreten.
17Der Umstand, dass der Sachverständige Diplom Ing. T2 als Privatgutachter tätig geworden ist, begründet die Besorgnis der Befangenheit der im vorliegenden Rechtsstreit als gerichtliche Sachverständige tätig gewordenen Sachverständigen Dr. C und Diplom Ing. Y. Diplom Ing. T2 ist der Sohn des geschäftsführenden Gesellschafters Prof. T und war auch für das Sachverständigenbüro X GbR als Sachverständiger tätig, so dass er als solcher auf dem Briefkopf des Büros aufgeführt wurde. Auch wenn er lediglich angestellt war - wobei die Stellungnahme des Sachverständigenbüros vom 25.10.2013 offenlässt, wann er seine Tätigkeit für das Büro beendet hat - gab es eine geschäftliche Verbindung zum Büro, die jedenfalls dazu führte, dass das Büro noch im vorliegenden Rechtsstreit Briefköpfe mit dem Namen Diplom Ing. T2 als einem zum Büro gehörenden Sachverständigen versandte. Zudem gibt es weiterhin eine persönliche Verbindung zu einem der verantwortlichen Gesellschafter des vom Gericht beauftragten Sachverständigenbüros. Aufgrund dieser Verbindungen kann ein Außenstehender den Eindruck gewinnen, dass Diplom Ing. T2 die Tätigkeit der zu dem Büro gehörenden Sachverständigen mit dem erstatteten Privatgutachten beeinflussen kann. Hinzu kommt, dass das Landgericht in seinem Beweisbeschluss lediglich das Sachverständigenbüro als solches mit der Begutachtung beauftragt hat, so dass die Auswahl des oder der dann bei der Begutachtung tätig werdenden Sachverständigen durch die für das Büro verantwortlich Handelnden erfolgt ist. Zu diesen gehört gerade der Vater des Privatgutachters. Auch die vor diesem Hintergrund vom Sachverständigenbüro getroffene und von den Parteien des Rechtsstreits nicht zu beeinflussende Auswahlentscheidung ist geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit der tätig gewordenen Sachverständigen zu begründen, nachdem die persönlichen und - jedenfalls zu einem früheren Zeitpunkt - bestehenden geschäftlichen Verbindungen zwischen dem Privatgutachter und dem Sachverständigenbüro von den Verantwortlichen dieses Büros gegenüber den Parteien des Rechtsstreits zuvor nicht offenbart wurden.
18II.
19Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht in den Fällen der Sachverständigenablehnung nach ständiger Rechtsprechung des Senats einem Drittel des Streitwerts der Hauptsache.
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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt aus übergegangenem Recht von den Beklagten die Zahlung des hälftigen Betrages der Schadensersatzleistungen, die sie als Berufshaftpflichtversicherer des Dr. E. an die Witwe des Patienten F. erbracht hat. F., dessen Hausarzt Dr. E. war, ließ sich im Januar 1995 wegen einer erektilen Dysfunktion in der andrologischen Sprechstunde der Urologischen Abteilung der Beklagten zu 1 durch den Beklagten zu 2 beraten. Im Dezember 1995 wurde bei F. ein Darmkarzinom in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert, an dem er inzwischen verstorben ist. Die Klägerin behauptet, unter den gegebenen Umständen hätte der Beklagte zu 2 differentialdiagnostische Erwägungen anstellen und weitere Befunde erheben müssen. Mit hinreichender Sicherheit wäre im Januar 1995 bereitsdas Rektumkarzinom erkannt worden. Das Verkennen dieses Befundes oder das Unterlassen einer Reaktion hierauf wäre auf jeden Fall als grober Behandlungsfehler zu werten. Die Beklagten wenden ein, daß in dem fraglichen Zeitraum das Dickdarmkarzinom noch nicht vorgelegen habe. Durch Beweisbeschluß vom 5. Dezember 2003 hat das Landgericht Prof. Dr. S. mit der Erstattung eines schriftlichen medizinischen Gutachtens beauftragt. Durch Verfügung vom 1. März 2004 hat das Gericht das Gutachten den Parteien zugeleitet und Frist zur Stellungnahme bis 30. März 2004 gesetzt. Die Frist ist auf Antrag der Klägerin bis 15. April 2004 verlängert worden. Mit am 15. April 2004 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Einwände gegen das Gutachten vorgebracht und unter Bezugnahme darauf den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Landgericht hat den Befangenheitsantrag mit Beschluß vom 17. Mai 2004 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 19. Oktober 2004 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Ablehnungsantrag verspätet und deshalb unzulässig sei, weil die Geltendmachung des Befangenheitsgrundes keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten erfordert habe. Das Oberlandesgericht hat im Hinblick auf den uneinheitlichen Meinungsstand in der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Frist nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Klägerin verfolgt mit dem von ihr eingelegten Rechtsmittel die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit weiter.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist statthaft nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO; sie ist auch im übrigen zulässig, § 575 ZPO. Die Beschwerde hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg. 1. Der Antrag auf Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ist allerdings entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht bereits als unzulässig - weil verspätet - zurückzuweisen.a) Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Falle nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Das bedeutet, daß der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepaßten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. § 121 Rn. 3). Zugleich hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, daß er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. In einem einfach gelagerten Fall können bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen und vorzutragen. Hingegen kann sich die Frist je nach Sachlage verlängern, wenn der Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens zu erkennen ist. Von diesen Grundsätzen geht auch das Beschwerdegericht aus.
b) Von den Oberlandesgerichten werden zur Länge der Frist nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO unterschiedliche Auffassungen vertreten. aa) Einige Oberlandesgerichte (OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, 470; OLG Köln, OLGR Köln 1995, 147; OLG Naumburg, 10 W 23/01, juris-Abfrage; OLG München, OLGR München 2004, 117; 2003, 58) sind in Übereinstimmung mit Stimmen im Schrifttum (Musielak/Huber ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 14; Reichold in: Thomas/Putzo ZPO, 26. Aufl., § 406 Rn. 7) der Meinung, die ZweiWochen -Frist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO gelte grundsätzlich auch für § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Sie bilde im Interesse des Prozessgegners die Obergrenze und gelte auch dann, wenn eine längere Frist zur Stellungnahme zu einem Gutachten nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzt worden sei. Durch letztere solle die sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens ermöglicht werden. Eine solche sei für die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht erforderlich. bb) Teilweise wird in der Rechtsprechung die Auffassung des Beschwerdegerichts vertreten, eine allgemeine Fristbindung sei zwar nicht sachgerecht. Es sei vielmehr ausschließlich auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles abzustellen und jeweils zu prüfen, welche Zeit im konkreten Fall erforderlich sei, um den Ablehnungsgrund erkennen und unverzüglich geltend machen zu können. Doch entspreche die Frist auch nicht der vom Gericht gemäß § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Inhalt des Gutachtens, da die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens gerade nicht erfordere (vgl. BayObLGZ 1994, 183; KG, KGR Berlin 2001, 183; OLG Nürnberg, VersR 2001, 391; OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 1995, 139; OLG München, OLGR München 1994, 237; OLG München, OLGR München 2000, 211; Thüringer OLG, OLGR Jena 2000, 113, 115 f.; OLG Brandenburg, OLGR Brandenburg 2000, 275 und
OLG-NL 2003, 92; Stein-Jonas/Leipold ZPO, 21. Aufl. § 406 Rn. 19; Zöller/Greger ZPO, 25. Aufl., § 406 Rn. 11). cc) Das Oberlandesgericht Düsseldorf vertritt die Auffassung (OLGR Düsseldorf 2001, 469; ebenso [MünchKomm/Damrau ZPO, 2. Aufl., § 406 Rn. 7]), daß ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist eingereicht wird, zumindest dann nicht nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO verspätet sei, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergebe. Die am Rechtsstreit beteiligten Parteien müßten sich innerhalb der nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und gegebenenfalls in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen werde. Komme hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis , daß dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig sei, sondern daß bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr gegenüber zurück zu führen seien, sei auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Die Länge der Frist, binnen derer die Partei das Ergebnis ihrer Prüfung des Gutachtens in Antragsform anzubringen habe, könne in einem solchen Fall nicht davon abhängig sein, ob lediglich ein Ergänzungsantrag oder auch ein Befangenheitsantrag oder - wie im vorliegenden Fall - eine Kombination aus beiden Anträgen eingereicht werde. Der Antragsteller könne nicht gezwungen sein, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens vorzunehmen, nur um feststellen zu können, ob das Gutachten Mängel enthalte, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machten, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (aaO) weist darauf hin, daß die Anwendung einer gegenüber der Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO verkürzten Frist zur Einreichung des Befangen-
heitsantrags auch nicht geboten sei, um zu verhindern, daß Ablehnungsanträge aus prozeßtaktischen Gründen zurückgehalten würden. Zum einen ergebe sich die Möglichkeit des Antragstellers, binnen längerer Frist zulässigerweise einen Ablehnungsantrag stellen zu können, ohnehin nur in den Fällen, in denen die Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO länger sei als die angemessene Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Zum anderen könne das Gericht prozeßleitende Maßnahmen erst dann treffen, wenn die Stellungnahmefrist des § 411 Abs. 4 ZPO abgelaufen sei. Deshalb verfange nicht der Einwand, die Prozeßförderungspflicht der Parteien gebiete eine schnellere Geltendmachung des entsprechenden Ablehnungsgrundes. dd) Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO. Es muß sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1987 - X ZR 29/86 - NJW-RR 1987, 893). Eine solche Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige seine gutachterlichen Äußerungen in einer Weise gestaltet, daß s ie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können. Ergibt sich der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, muß der Partei eine angemessene Zeit zur Überlegung und zur Einholung von rechtlichem Rat zur Verfügung stehen. Auch wenn durch die zeitliche Begrenzung des Ablehnungsrechts gemäß § 406 Abs. 2 ZPO bezweckt werden soll, der Verzögerung von Prozessen durch verspätete Ablehnungsanträge entgegenzuwirken (vgl. Jeßnitzer/Frieling, Der gerichtliche Sachverständige, 10. Aufl., Rn. 223), ist andererseits zu bedenken, daß der Anspruch einer Pro-
zeßpartei auf einen aus ihrer Sicht unparteiischen Sachverständigen unmittelbarer Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips ist und die Durchsetzung dieses Anspruchs nicht durch verfahrensrechtliche Hürden unangemessen erschwert werden darf. Darauf weist die Rechtsbeschwerde mit Recht hin. Vor diesem Hintergrund darf die Frage nach der Rechtzeitigkeit eines Ablehnungsantrags nicht ausschließlich von der Beurteilung der Umstände des Einzelfalles durch das Prozeßgericht abhängig gemacht werden. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit muß die Partei wissen, welcher Zeitraum ihr zur Prüfung des Gutachtens in jedweder Hinsicht zur Verfügung steht. Muß sich die Partei zur Begründung ihres Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab. ee) Nach den dargestellten Grundsätzen hat die Klägerin den Befangenheitsantrag gegen den gerichtlichen Sachverständigen am letzten Tag der verlängerten Frist zur Stellungnahme, dem 15. April 2004, noch rechtzeitig gestellt. Die Klägerin hat den Antrag damit begründet, daß der Sachverständige eine einseitige Beweiswürdigung zugunsten des Beklagten zu 2 vorgenommen habe. Diesen Vorwurf hat die Klägerin anhand des Gutachtens im einzelnen belegt. Dafür mußte sie sich offensichtlich mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen. 2. Der Antrag ist aber unbegründet. Er wird ausschließlich auf Umstände gestützt, die ihre Ursache in einer Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt des schriftlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen haben. Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen das Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (vgl. BGH, Urteil vom 5. November
2002 - X ZR 178/01 - FF 2003, Sonderheft 1, 101). Die Klägerin rügt, der Sachverständige habe das Gutachten erstellt, ohne daß ihm originale Krankenunterlagen oder ärztliche Dokumentationen vorgelegen hätten; er habe die Tatsachen unzureichend erfasst und sei deshalb von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Damit erhebt sie den Vorwurf einer fehlerhaften Gutachtenserstattung aufgrund mangelnder Sorgfalt. Dieser Vorwurf begründet aber regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil er nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft. Der mangelnden Sorgfalt eines Sachverständigen sehen sich beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt. Das Prozeßrecht gibt in den §§ 411, 412 ZPO dem Gericht und den Parteien ausreichende Mittel an die Hand, solche Mängel zu beseitigen und auf ein Gutachten hinzuwirken, das als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung geeignet ist. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.