Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 29. Sept. 2014 - 31 U 75/14
Tenor
Der Antrag der Beklagten vom 01.08.2014 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.05.2014 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 75.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Gegen das am 08.05.2014 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach dem EB am 14.05.2014 (Bl. 403 d.A.) zugestellt, hat diese mit Schreiben vom 21.05.2014, welches am selben Tag beim Oberlandesgericht Hamm eingegangen ist, Berufung eingelegt. Mit Faxschreiben vom 15.07.2014, eingegangen am selben Tag beim OLG, haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragt, die am 16.07.2014 endende Berufungsbegründungsfrist ein erstes Mal bis einschließlich Montag, den 18.08.2014 zu verlängern (Bl. 411 d.A.). Der Vorsitzende wies mit Verfügung vom 17.07.2014 darauf hin, dass dem Fristverlängerungsantrag nicht entsprochen werden kann, da die Frist abgelaufen war. Daraufhin beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 01.08.2014, jeweils am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen, ihr wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Bl. 417 d.A.) und begründete die Berufung (Bl. 430 d.A.).
4Zum Wiedereinsetzungsantrag führte sie im Wesentlichen unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen vom 01.08.2014 der Rechtsanwälte X und T sowie der Angestellten Frau Q aus:
5Rechtsanwalt X habe nach den kanzleiinternen Regeln ein Votum gefertigt, welches von Rechtsanwalt T habe überprüft werden sollen. Dazu habe die Akte übergeben werden müssen. Der übernehmende Rechtsanwalt übernehme damit zugleich die Fristenkontrolle. Wegen des hohen Arbeitsanfalls von Rechtsanwalt X habe die Akte erst am 09.07.14 Rechtsanwalt T übergeben werden können. Die Assistentin von Rechtsanwalt X, Frau Q, habe die Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender von Rechtsanwalt T eingetragen. Rechtsanwalt T sei bei Durchsicht der Akte am 11.07.14 aufgefallen, dass die Berufungsbegründungsfrist unzutreffend auf den 16.07.2014 und nicht auf den 14.07.2014 notiert worden war. Rechtsanwalt T habe Frau Q die Akte mit der Anweisung zurückgegeben, einen Fristverlängerungsantrag zu verfassen, den Fristablauf auf den 14.07.2014 zu notieren, einen neuen Fristablauf für die Vorlage der Berufungsbegründung zu notieren und die Akte Rechtsanwalt X zur Unterschrift des Fristverlängerungsgesuchs vorzulegen. Frau Q habe die Akte allerdings versehentlich nicht sofort weiter bearbeitet, sondern in das Regalfach abgelegt, in dem die Fristsachen für die nächste Woche aufbewahrt würden. Sie habe aber weisungswidrig die bestehende Frist im Fristenkalender gestrichen und als neuen Ablauf der Berufungsbegründungsfrist den 14.08.14 notiert. Rechtsanwalt T habe dann am späten Nachmittag des 11.07.2014 bei der Kontrolle der Fristenliste gesehen, dass die Frist von Frau Q ausgetragen gewesen sei. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass der Fristverlängerungsantrag weisungsgemäß abgeändert, ausgefertigt und per Fax vorab dem erkennenden Senat übermittelt worden sei.
6Frau Q habe am 15.07.2014 die Fristsachen für diesen Tag bearbeitet und den als Entwurf vorbereiteten Fristverlängerungsantrag Rechtsanwalt X vorgelegt. Dabei sei ihr die vorangegangene Anweisung von Rechtsanwalt T entfallen gewesen.
7Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
8II.
9Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
10Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung war gem. § 233 ZPO zurückzuweisen, weil die Beklagte nicht ohne ihr bzw. ohne das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das der Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), daran gehindert war, diese Frist einzuhalten.
111. Hier ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine wirksame Postausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten generell und speziell in diesem Fall sichergestellt ist. Die Ausgangskontrolle, die eine nochmalige, selbstständige Prüfung darstellt, hat sicherzustellen, dass fristgebundene Schriftsätze rechtzeitig und zuverlässig auf den Weg gebracht werden. Die Ausgangskontrolle soll vermeiden, dass durch versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender Fristen versäumt werden. Eine Frist darf erst gestrichen werden, wenn der Schriftsatz gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht wurde. Deshalb ist am Ende eines jeden Arbeitstages von einer erprobten Bürokraft zu prüfen, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder wenigstens postfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen. Die Ausgangskontrolle sollte zentral, kann aber auch dezentral organisiert sein. Sie kann in der Führung eines Postausgangsbuchs oder darin bestehen, dass nach Absendung des Schriftsatzes auf dessen Durchschrift ein „Ab-Vermerk“ angebracht wird. Der Anwalt darf die Ausgangskontrolle einer, nicht gleichzeitig mehreren zuverlässigen Kräften zuweisen. Die Frist darf im Kalender erst gelöscht (als erledigt gekennzeichnet, „abgehakt“) werden, wenn der Schriftsatz tatsächlich das Büro verlassen hat oder bei organisatorisch sichergestellter zuverlässiger Beförderung wenigstens post- oder abtragefertig gemacht worden ist und zu Mitnahme sicher bereit liegt. Unzureichend ist es, wenn keine eigenständige Kontrolle erfolgt, sondern sich die verantwortliche Angestellte mit dem Bearbeitungsvermerk in ihrer Kolleginnen begnügt (BGH, Beschluss v. 27.11.2013, III ZB 46/13 m.w.N.; BGH, Beschluss v. 13.09.2007, III ZB 26/07; MüKo ZPO/Gehrlein, 4. Auflage, § 233, Rn. 66 m.w.N).
12Zu diesen Voraussetzungen ist hier nichts dargetan. Eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird, ist nicht dargelegt. Aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ergibt sich nicht, ob eine Postausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten erfolgt und wie diese organisiert ist. Aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt X ergibt sich hierzu nichts. Gleiches gilt für die eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwalt T. Dieser führt lediglich aus, er habe am späten Nachmittag des 11.07.2014 bei der Kontrolle seiner Fristenliste gesehen, dass die Frist ausgetragen war, weshalb er davon ausgegangen sei, dass Frau Q seine Weisungen ausgeführt habe. Eine diesbezügliche Kontrolle in diesem Einzelfall hat er nicht durchgeführt.
13Auch aus der eidesstattlichen Versicherung von Frau Q ergibt sich nichts zu einer Postausgangskontrolle, sondern lediglich zu bestehenden Anweisungen wann eine Frist gestrichen werden darf. Danach werden die Fristenkalender täglich geprüft im Hinblick auf die Erledigung/Wahrung der Fristen. Fristen werden als sog. „Rotfristen“ notiert und dürfen erst gestrichen werden, wenn der entsprechende Schriftsatz versandt wurde. Im Hinblick auf Ungewissheiten beim Postversand werden fristwahrende Schriftsätze vorab per Telefax übermittelt. Das Faxprotokoll soll auf Richtigkeit überprüft werden. Erst dann darf die Frist ausgetragen werden. Sie habe an dem 11.07. die Fristenliste noch auf offene Fristen geprüft, wobei ihr diese Sache entfallen sei.
142. Weiter kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass Rechtsanwalt T nicht darauf hingewirkt hat, dass die falsch notierte Frist berichtigt wird. Wäre dies geschehen, hätte die Erledigung der Fristsache vor Büroschluss am 14.07.2014 aufgrund der durchzuführenden Fristenkontrolle nochmals überprüft werden müssen. Gegenteiliges ist zwar dargelegt, ergibt sich aber nicht aus den eidesstattlichen Versicherungen. Rechtsanwalt T hat an Eides statt versichert, er habe einen Handzettel erstellt mit einem Hinweis auf einen Irrtum bei der Frist und Frau Q in einem Gespräch auf den Fristirrtum hingewiesen und sie angewiesen einen Fristverlängerungsantrag an das OLG spätestens am 14.07.2014 zu erstellen und zur Unterschrift an Rechtsanwalt X mit Akte weiter zu geben zum Zwecke der weiteren Bearbeitung. Konkrete Anweisungen zu zu streichenden bzw. neu einzutragenden Fristen versichert er nicht an Eides statt. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung von Frau Q ergibt sich keine Anweisung von Rechtsanwalt T, dass die falsch auf den 16.07.2014 notierte Frist zunächst korrekt auf den 14.07.2014 einzutragen ist. Nach der eidesstattlichen Versicherung habe Rechtsanwalt T sie darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründungsfrist unrichtig auf den 16.07.2014 notiert worden war. Er habe sie angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Ablauf der verlängerten Begründungsfrist richtig auf den 14.08.2014 zu notieren sei. Am 15.07.2014 sei die Akte nicht mehr mit dem Fristenzettel versehen gewesen, auf dem Rechtsanwalt T seine Anweisungen vermerkt hatte. Welche Anweisungen das genau gewesen sein sollen, wird nicht ausgeführt. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts T war auf dem Handzettel lediglich der Irrtum über den Fristablauf notiert.
15Der Beklagten ist das Verschulden von Rechtsanwalt T zuzurechnen. Als Bevollmächtigter der Partei gilt nicht nur der eigentliche Prozessbevollmächtigte, sondern auch der als Sozius mit beauftragte Rechtsanwalt, selbst wenn er für die Bearbeitung der Sache im Innenverhältnis zunächst gar nicht (als Sachbearbeiter) zuständig war (BGH, Beschluss vom 25.03.2003, VI ZB 55/02; MüKo ZPO/Gehrlein, a.a.O., Rn. 82).
16III.
17Die Berufung der Beklagten war nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden ist. Das Urteil wurde am 14.05.2014 zugestellt. Damit endete die Frist zur Begründung der Berufung gemäß §§ 520 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 14.07.2014, einem Montag. Der Antrag auf Verlängerung der Frist ging aber erst am 15.07.2014 beim Oberlandesgericht ein. Die Berufungsbegründung selbst ging erst am 01.08.2014 beim Oberlandesgericht ein.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt 500 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger begehrt von der Beklagten aus einem Geschäftsbesorgungsverhältnis die Herausgabe von Unterlagen betreffend das Einzelunternehmen Baustoff- und Bodenrecycling T. K. . Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses ihrem Rechtsanwalt am 29. Mai 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Die auf den 26. Juli 2012 (Donnerstag) datierte Berufungsbegründung ist allerdings erst einen Tag nach Ablauf der Begründungsfrist, nämlich am Dienstag, dem 31. Juli 2012, bei dem Berufungsgericht eingegangen. Nachdem dieses mit Verfügung vom 7. März 2013 auf die Verspätung hingewiesen hatte, hat die Beklagte mit Eingang vom 13. März 2013 bezüglich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
- 2
- Die Beklagte hat in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, dass die Berufungsbegründungsschrift am 26. Juli 2012 (Donnerstag) von ihrem Prozessbevollmächtigten fertiggestellt und in den Postlauf gegeben worden sei. Der als zuverlässig bekannte Zustelldienst "N. " habe die Sendung am 27. Juli 2012 (Freitag) aus der Anwaltskanzlei abgeholt. Dies ergebe sich aus dem Eintrag im Postausgangsbuch (unter Nummer 2953 vom 27. Juli 2012). Im Jahre 2012 sei die Abholung an Freitagen um etwa 14 Uhr erfolgt. Die Zustellung an den Empfänger geschehe durch den "N. " innerhalb des Landes spätestens am nächsten Tag. Dieser Sachverhalt werde anwaltlich versichert.
- 3
- Mit Verfügung vom 15. März 2013 hat das Berufungsgericht der Beklagten aufgegeben, die Abholung des Berufungsbegründungsschriftsatzes (aus der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten) am 27. Juli 2012 durch Vorlage einer beglaubigten Ablichtung des Postausgangsbuchs und gegebenenfalls eidesstattliche Versicherung einer Kanzleikraft weiter glaubhaft zu machen. Hierauf hat die Beklagte mitgeteilt, dass sich aus dem Postausgangsbuch keine anderen Daten ergäben als jene, welche bereits bekannt seien. Eine Kanzleikraft könne keine darüber hinausgehende Versicherung abgeben, da der Vorgang zu lange zurückliege. Das Postausgangsbuch werde in der Weise geführt, dass sofort nach Austrag der Sendungen diese kuvertiert und zum Versand bereitgehalten würden. Dann würden die Sendungen von dem Postboten abgeholt. Auch diese Angaben würden anwaltlich versichert. Da es keinen Grund gebe, an den Angaben oder gar dem Eintrag selbst zu zweifeln, werde davon abgesehen , der Bitte um weitere Glaubhaftmachung nachzukommen. Die Kopie des gesamten, 188 Seiten umfassenden Postausgangsbuchs wäre außerdem mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.
- 4
- Mit Beschluss vom 19. April 2013 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
- 5
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass es an der gebotenen genauen Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und dem Ende der versäumten Frist liegenden Umstände fehle, die für die Frage von Bedeutung seien, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zu der Fristversäumung gekommen sei. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, ob und zu welchem Zeitpunkt nach der Auftragserteilung und mit welchen Fristen die vorliegende Sache im Fristenkalender ihres Prozessbevollmächtigten eingetragen worden sei, damit sie von der Kontrolle beim Unterschreiben der Post habe erfasst werden können. Darüber hinaus fehle es an der Darlegung und Glaubhaftmachung einer wirksamen Postausgangskontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten. Belege seien trotz Hinweises des Senats nicht vorgelegt worden , insbesondere keine beglaubigte Ablichtung der Wochen- oder Tagesein- träge des Postausgangsbuchs. Fehle es an einer schlüssigen Darstellung und Glaubhaftmachung der zur Einhaltung der Frist getroffenen Maßnahmen, so könne ein der Beklagten zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten bei der Fristversäumnis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
- 7
- 2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts nicht auszuräumen vermocht, so dass ihr keine Wiedereinsetzung zu gewähren und ihre Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, befindet sich - jedenfalls im Ergebnis - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
- 8
- a) Es gehört zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren , in denen Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und somit die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. April 2013 - X ZB 13/12, BeckRS 2013, 09353 Rn. 9 mwN; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn. 9; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 f Rn. 9; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051, 2052 Rn. 7 f; vom 20. Juli 2010 - XI ZB 19/09, BeckRS 2010, 18808 Rn. 12 und vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378, 1379 Rn. 7).
- 9
- b) Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht zu Recht bemängelt hat, nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass organisatorische Vorkehrungen im Büro ihres Rechtsanwalts getroffen worden sind, die die rechtzeitige Absendung fristgebundener Schriftsätze sicherstellen.
- 10
- aa) Zwar kann ein Postausgangsbuch ein geeignetes Mittel sein, um die erforderliche Ausgangskontrolle zu gewährleisten (vgl. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 26. September 1994 - II ZB 9/94, NJW 1994, 3171 und vom 10. April 1991 - XII ZB 28/91, NJW-RR 1991, 1150). Nach den anwaltlich versicherten Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten werden die Sendungen in dessen Kanzlei jedoch erst "nach Austrag" (im Postausgangsbuch ) kuvertiert und zum Versand (das heißt offenbar: zur Abholung durch den Zustelldienst) bereitgehalten. "Postfertig" ist ein fristgebundener Schriftsatz aber erst dann, wenn er kuvertiert, frankiert und damit so zur Versendung fertig gemacht wird, dass die Beförderung normalerweise nicht mehr durch ein Versehen , welches die eigentliche Beförderung nicht betrifft, verhindert werden kann; erst danach darf auch die betroffene Frist als erledigt vermerkt werden (s. BGH, Beschlüsse vom 12. April 2011 aaO S. 2052 f Rn. 8, 10 und vom 20. Juli 2010 aaO Rn. 13, jeweils mwN). Erfolgt der Austrag hingegen bereits vor der "Post- fertigstellung" der Sendung, so ist aufgrund des Postausgangsbuchs keine zuverlässige Kontrolle möglich, ob die Absendung fristgerecht erfolgt ist. Vor diesem Hintergrund ist der Abgang (die Abholung) des Berufungsbegründungsschriftsatzes am 27. Juli 2012 nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, durch das Postausgangsbuch "ausgewiesen".
- 11
- bb) Dass eine Löschung der eingetragenen Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender des Anwalts erst nach der Abholung des Schriftsatzes durch den Zustelldienst (oder mindestens nach der "postfertigen Bereitstellung" der Sendung) erfolgt, hat die Beklagte vor dem Berufungsgericht nicht vorgetragen. Soweit es in der Rechtsbeschwerdebegründung heißt, der beigefügte Auszug aus dem Fristenkalender weise aus, dass die eingetragene Berufungsbegründungsfrist "daraufhin" (wohl: nach Abholung des Schriftsatzes durch den Zustelldienst) gelöscht worden sei, hilft dies - abgesehen von der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit dieses Vortrags in der Rechtsbeschwerdeinstanz - nicht weiter. Denn zum einen wird damit noch keine dahingehende organisatorische Festlegung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dargetan, und zum anderen ist nicht glaubhaft gemacht worden, insbesondere auch aus dem vorgelegten Auszug aus dem Fristenkalender vom 30. Juli 2012 nicht ersichtlich, wann (etwa schon: an welchem Tage) die Fristlöschung vorgenommen wurde.
- 12
- cc) Letztlich ist eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird, nicht dargetan.
- 13
- c) Freilich käme es, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, auf die organisatorische Sicherstellung einer wirksamen Ausgangskontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht an, wenn glaubhaft gemacht worden wäre, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz vom 26. Juli 2012 tatsächlich am 27. Juli 2012 vom Postboten des Zustelldienstes "N. - " aus der Anwaltskanzlei abgeholt wurde (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 10. April 1991 aaO und vom 16. Februar 2010 aaO Rn. 7 ff). Eine Verzögerung im Bereich des Zustelldienstes, mit der nicht zu rechnen gewesen wäre, müssten sich die Beklagte und ihr Rechtsanwalt nicht zurechnen lassen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hätte sich ohne Verschulden darauf verlassen dürfen, dass der von ihm eingeschaltete private Zustelldienst die Übermittlung an das Berufungsgericht innerhalb der normalen Postlaufzeiten bewirkt (s. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 10. März 2011 - VII ZB 28/10, NJW-RR 2011, 790 Rn. 8 und vom 23. Januar 2008 - XII ZB 155/07, NJW-RR 2008, 930 Rn. 8 f).
- 14
- Eine solche Glaubhaftmachung liegt jedoch nicht vor. An die Abholung des Berufungsbegründungsschriftsatzes durch den Zustelldienst haben der Rechtsanwalt der Beklagten und sein Personal keine Erinnerung. Umstände, denen sich die Abholung des Schriftsatzes am 27. Juli 2012 positiv entnehmen ließe, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auf bloße Rückschlüsse lässt sich, wenn es, wie hier, an einer zureichenden Ausgangskontrolle fehlt, ein Wiedereinsetzungsantrag nicht stützen (s. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1994 aaO S. 3172 und vom 10. April 1991 aaO S. 1151).
- 15
- d) Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagten die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung der Berufungsbegründung (zusätzlich) dadurch erschwert worden ist, dass das Berufungsgericht die Versäumung der Begrün- dungsfrist offenbar erst sieben Monate später bemerkt und die Beklagte sodann darauf hingewiesen hat. Dies vermag die Beklagte jedoch nicht zu entlasten. Denn eine wirksame Postausgangskontrolle in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten hätte diese Schwierigkeiten abgewendet, und das Unterlassen der Gewährleistung einer solchen Ausgangskontrolle muss sich die Beklagte als (Organisations-)Verschulden ihres Anwalts entgegenhalten lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
- 16
- 3. Die Bemessung des Gegenstandswertes der Rechtsbeschwerde beruht auf einer Schätzung des Aufwands an Zeit und Kosten, welcher der Beklagten für die Erfüllung der Herausgabepflicht voraussichtlich (maximal) entsteht (§ 3 ZPO; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 22. Februar 2012 - III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888, 889 Rn. 5 und vom 9. Februar 2012 - III ZB 55/11, ZEV 2012, 270 f Rn. 7, jeweils mwN). Schlick Wöstmann Tombrink Remmert Reiter
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 14.05.2012 - 2 O 605/11 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 19.04.2013 - 1 U 109/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Anhörungsrüge ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat hat in dem angegriffenen Beschluss das Vorbringen der Rechtsbeschwerde in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Insbesondere hat er im Einzelnen ausgeführt, warum die von der Beklagten in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch dargelegte Fristenkontrolle im Büro ihrer vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle nicht genügt. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstäben reicht allein die rechtzeitige Vorlage von Fristakten an den sachbearbeitenden Rechtsanwalt nicht aus. Vielmehr muss durch eine entsprechende Anordnung gewährleistet sein, dass Fristen erst dann gestrichen oder als bearbeitet gekennzeichnet werden, wenn der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist (Senatsbeschluss aaO Rn. 15 m.w.N.). Schlick Wurm Dörr Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 22.11.2006 - 14 O 216/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 06.03.2007 - 12 U 252/06 -
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 22.11.2006 - 14 O 216/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 06.03.2007 - 12 U 252/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Durch Urteil des Landgerichts F. vom 28. Februar 2002 ist die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden aus einem Verkehrsunfall zum Teil abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 6. Juni 2002 erst am 7. Juni 2002 begründet , weil der in der Kanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten angestellte Rechtsanwalt E. den Einwurf der rechtzeitig gefertigten und unterzeichneten Begründungsschrift in den Gerichtsbriefkasten versäumt hatte. Am 10. Juni 2002 hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vo-rigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Das Oberlandesgericht in B. hat mit Beschluß vom 5. August 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin müsse sich die Nachlässigkeit des ausschließlich mit dem Einwurf der Begründungsschrift betrauten, in der Sozietät ihres Prozeßbevollmächtigten angestellten, beim Berufungsgericht nicht zugelassenen Anwalts E. zurechnen lassen, der nach außen hin als Mitglied der Sozietät in Erscheinung getreten sei. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie ihren Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt und die Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben, insbesondere ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs – entgegen der Ansicht der Klägerin – zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. 1. Der Zulassungsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist nur erfüllt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, daß die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Ent-scheidung eines gleichgeordneten Gerichts abweicht. Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt , der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz der Vergleichs- entscheidung abweicht (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - VersR 2002, 1257, zur Veröffentlichung in BGHZ 151, 42 ff. vorgesehen). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
a) Allerdings beruft sich die Rechtsbeschwerde auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1985, 1178), des Bundesfinanzhofs (BFH-NV 2002, 807), des erkennenden Senats (Urteil vom 28. Mai 1974 - VI ZR 145/73 - VersR 1974, 1000) sowie weiterer Senate des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 1. April 1992 - XII ZB 21/92 - NJW-RR 1992, 1019, 1020 und vom 30. März 1993 - X ZB 2/93 - NJW-RR 1993, 892, 893), die sich mit der Frage befassen, wann das Verschulden eines angestellten Anwalts dem Mandatsträger und damit der Partei (§ 85 Abs. 2 ZPO) zuzurechnen ist. Die Rechtsbeschwerde verweist aber schon nicht auf einen von diesen Entscheidungen abweichenden Rechtssatz in der angefochtenen Entscheidung. Daß diese die höchstrichterliche Rechtsprechung, wie die Rechtsbeschwerde meint (vgl. aber BGH, Urteil vom 19. Januar 1995 - III ZR 107/94 - NJW 1995, 1841), nicht berücksichtigt, stellt noch keine zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führende Abweichung dar (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - aaO 1258) und läßt zudem außer Acht, daß die von der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidungen lediglich Fälle betreffen, in denen der angestellte Anwalt - anders als vom Berufungsgericht hier festgestellt - nicht zugleich Mandatsträger war.
b) Zwar kann die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch auf materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Fehler gestützt werden (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Voraussetzung ist aber, daß
der Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berührt (vgl. Senatsbeschluß vom 24. September 2002 - VI ZB 26/02 – DAR 2003, 64; BT-Drs. 14/4722 S. 104). So ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Diese Voraussetzungen sind beispielsweise dann gegeben, wenn ein Gericht in einer bestimmten Rechtsfrage in ständiger Praxis eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtigt, der Rechtsfehler also "symptomatische Bedeutung" hat, nicht aber schon dann, wenn im Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen worden ist, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist. Anders verhält es sich nur dann, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu besorgen ist, daß dem Rechtsfehler ohne eine Korrektur durch das Rechtsbeschwerdegericht ein Nachahmungseffekt zukommt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt zu erschüttern, und deswegen eine höchstrichterliche Leitentscheidung erfordert (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - aaO 1258). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die Rechtsbeschwerde beanstandet die Ansicht des Berufungsgerichts, Rechtsanwalt E. sei in das Mandatsverhältnis einbezogen gewesen. Das genügt jedoch nicht, um die genannten Voraussetzungen zu bejahen. aa) Ohne Rechtsfehler stützt sich das Berufungsgericht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 1995 (III ZR 107/94 - NJW 1995, 1841). Dort ist ausgeführt, daß auch die fehlende Zulassung beim Berufungsgericht der Einbeziehung in ein Mandatsverhältnis zur Einlegung und Begründung der Berufung nicht entgegenstehe. Der Vortrag der Rechtsbeschwerde, es habe ausschließlich ein beim Berufungsgericht zugelassener Anwalt beauftragt werden sollen, entbehrt jeglicher Anhaltspunkte in jener Entscheidung.
bb) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Berufungsgericht weiche von der Rechtsprechung ab, nach der die Partei nur für das Verschulden des im Prozeßkostenhilfeverfahren beigeordneten Anwalts, nicht auch für das Verschulden eines anderen Mitglieds der Sozietät einstehen müsse (vgl. BGH, Beschluß vom 7. Mai 1991 - XII ZB 18/91 - VersR 1992, 121), führt das nicht zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde. Das Berufungsgericht hat insoweit keinen abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Die Rechtsbeschwerde zeigt insbesondere keinen Vortrag der Klägerin auf, wonach diese Rechtsanwalt Dr. F. vor Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung eine auf dessen Person beschränkte Vollmacht (Einzelmandat) erteilt gehabt habe. Auch ist den Akten nicht zu entnehmen, daß das Berufungsgericht entsprechend dem Vortrag der Rechtsbeschwerde auf Antrag der Klägerin Prozeßkostenhilfe für die Berufung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. F. beigeordnet habe. cc) Das Berufungsgericht verletzt durch seine Entscheidung auch nicht die Rechte der Klägerin auf Gewährung von wirkungsvollem Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. IV GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ; Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 1994 - 2 BvR 2813/93 - NJW 1995, 249; Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2002 – 1 BvR 476/01 – NJW 2002, 3692, 3693). Die Rechtsbeschwerde übersieht bei ihrer Beanstandung, daß das Berufungsgericht das von der Klägerin behauptete Einzelmandat nicht nur mit der angegriffenen Auslegung der Berufungsschrift , sondern auch mit der Nennung von Rechtsanwalt E. ohne jeden einschränkenden Zusatz im Briefkopf der Sozietät begründet.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)