Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Nov. 2016 - 3 Ws 396/16
Gericht
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht – Jugendkammer- Bielefeld zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Der Verurteilte, der seit vielen Jahren betäubungsmittelabhängig ist, wurde durch Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Gütersloh vom 2. November 2009 unter Anwendung von Jugendstrafrecht wegen eines am 17. März 2009 begangenen Diebstahls schuldig gesprochen. Die Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe wurde gem. § 27 JGG für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Am 24. November 2010 fand vor dem Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Gütersloh eine Verhandlung im Nachverfahren zur Prüfung der Frage, ob aufgrund schädlicher Neigungen eine nachträgliche Verurteilung zu Jugendstrafe erforderlich war, statt. Das Gericht beschloss am selben Tag, die Verhängung von Jugendstrafe bis zum Ende der Bewährungszeit am 9. November 2011 auszusetzen.
4Durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 2. Mai 2011 wurde der Verurteilte nach einem massiven Rückfall in seine Heroinabhängigkeit in dem Verfahren 35 KLs-139 Js 2249/10-24/11 wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freieheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die er nach Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung ab dem 11. Mai 2012 verbüßte. Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 25. April 2013 wurde ein Strafrest bis zum 26. April 2016 zur Bewährung ausgesetzt.
5Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Gütersloh verurteilte den Verurteilten daraufhin durch Urteil vom 16. Juli 2012 im Nachverfahren wegen der Tat vom 17. März 2009 zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Verurteilten hielt die 4. große Strafkammer – Jugendkammer – das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 16. Juli 2012 mit der Maßgabe aufrecht, dass die Vollstreckung der Jugendstrafe von sieben Monaten zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 7. Februar 2013 rechtskräftig.
6Die Bewährungszeit wurde durch Beschluss vom 30. Januar 2013 zunächst auf drei Jahre festgesetzt und der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.
7Der Verurteilte wurde in der Bewährungszeit straffällig und durch Urteil des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück vom 27. November 2014 in dem Verfahren 1 Ds-302 646/14-58/14 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt. Nach mündlicher Anhörung des Verurteilten wurde die Bewährungszeit im Hinblick auf die erneute Straffälligkeit durch Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 25. Februar 2015 um ein Jahr verlängert.
8Am 19. März 2015 wurde der Verurteilte erneut straffällig und in dem Verfahren 1 Ds-701 Js 546/15-148/15 Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück durch Urteil vom 18. Mai 2016, rechtskräftig seit dem 26. Mai 2016, wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt.
9Am 18. Juli 2016 beantragte die Staatsanwaltschaft Bielefeld im Hinblick darauf den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung.
10Mit Schreiben vom 25. Juli 2016 hat die Jugendkammer dem zwischenzeitlich nach Polen verzogenen Verurteilten Gelegenheit gegeben, zu dem Widerrufsantrag binnen zehn Tagen Stellung zu nehmen, und angekündigt, nach Aktenlage zu entscheiden, falls der Verurteilte sich nicht äußert. Das Anschreiben wurde dem Bewährungshelfer des Verurteilten zur Kenntnisnahme übersandt.
11Nach fruchtlosem Fristablauf hat die Jugendkammer durch den angefochtenen Beschluss vom 2. September 2016 die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des vom 30. Januar 2013 in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 16. Juli 2013 widerrufen.
12Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 20. September 2016 in Polen zugestellt. Bereits am 14. September 2016 hat der Verurteilte mit Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag bei dem Landgericht Bielefeld Beschwerde eingelegt.
13Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
14II.
15Die nach § 59 Abs. 3 i.V.m. § 109 Abs. 2 S. 1, § 2 Abs. 2 JGG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.
161.
17Die Jugendkammer war nach §§ 58 Abs. 3 S. 1, 109 Abs. 2 S. 1 JGG für die weiteren Entscheidungen, die infolge der von ihr angeordneten Aussetzung erforderlich wurden, zuständig, auch wenn gegen den Verurteilten zwischenzeitlich eine Freiheitsstrafe vollstreckt wurde; die Zuständigkeitskonzentration des § 462a Abs. 4 StPO gilt in diesem Fall nicht, sondern der Jugendrichter bleibt für sämtliche Entscheidungen betreffend die Jugendstrafe zuständig, während sich die Zuständigkeit der Stravollstreckungskammer auf die Freiheitsstrafe beschränkt (BGH, Beschluss vom 22. Juni 1977 – 2 Ars 180/77, juris und Beschluss vom 26. Januar 2007 - 2 ARs 2/07 (ergangen auf Vorlage des LG Oldenburg), NStZ-RR 2007, 190; OLG Rostok, Beschluss vom 3. Juni 2003 – I Ws 167/03, juris, Rdnr. 7).
182.
19Der Beschluss vom 2. September 2016 war jedoch deswegen aufzuheben, weil die Jugendkammer es entgegen der Vorschrift des § 58 Abs. 1 S. 3 JGG unterlassen hat, dem Verurteilten vor ihrer Entscheidung über den Bewährungswiderruf Gelegenheit zur mündlichen Anhörung zu geben.
20a) Kommt der Widerruf einer Jugendstrafe nach § 26 JGG in Betracht, ist der Jugendliche nach § 58 Abs. 1 S. 3 JGG unabhängig vom möglichen Widerrufsgrund mündlich anzuhören. Die Gelegenheit zur mündlichen Äußerung ist vor einer solchen Entscheidung zwingend zu geben (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Mai 2008 – 3 Ws 187/08, juris; KG Berlin, Beschluss vom 11. September 2012 – 4 Ws 77/12 – 141 AR 141 AR 376/12, juris, Rdnr. 11; OLG Rostock, Beschluss vom 3. Juni 2003 – I Ws 167/03, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. März 2016 – 2 Ws 150/16, juris; Eisenberg, JGG 18. Aufl., § 58 Rdnr. 7; jeweils m.w.Nachw.). Die Vorschrift gilt gemäß § 109 Abs. 2 S. 1 JGG auch in Verfahren wie dem vorliegenden, in denen der Richter gegen einen Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewandt hat. Dass der Verurteilte inzwischen erwachsen ist, ändert hieran nichts. Dem Anhörungserfordernis ist die Jugendkammer mit dem Anschreiben vom 25. Juli 2016 nicht gerecht geworden, da es lediglich als Aufforderung zu einer schriftlichen Stellungnahme verstanden werden kann.
21b) Die unzureichende Gewährung des rechtlichen Gehörs stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Jugendkammer zwingt; eine Nachholung der Anhörung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens kam nicht in Betracht, weil dem Verurteilten damit eine Instanz verloren ginge (vgl. Eisenberg, a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. März 2016 – 2 Ws 150/16, juris; BGH, BGH, Beschluss vom 5. Mai 1995 – 2 StE 1/94 - StB 15/95, NStZ 1995, 610 zum entsprechenden Fall unterlassener Anhörung nach § 454 Abs.1 S. 3 StPO).
22c) Daneben hat die Jugendkammer es auch verabsäumt, den Bewährungshelfer gemäß § 58 Abs.1 S. 2 JGG zur Frage des Bewährungswiderrufs anzuhören. Die bloße Übersendung des an den Verurteilten gerichteten Anhörungsanschreibens an den Bewährungshelfer erscheint hierfür nicht ausreichend (OLG Hamm, Beschluss vom 14. August 2012 – III-1 Ws 422/12).
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Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen.
(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a), trifft der Richter durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sind zu hören. Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. Der Beschluß ist zu begründen.
(2) Der Richter leitet auch die Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen nach § 453c der Strafprozeßordnung.
(3) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.
(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.
(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.
(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.
(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.
(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.
(1) Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a), trifft der Richter durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sind zu hören. Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. Der Beschluß ist zu begründen.
(2) Der Richter leitet auch die Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen nach § 453c der Strafprozeßordnung.
(3) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche
- 1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, - 2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß er erneut Straftaten begehen wird, oder - 3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
- 1.
weitere Weisungen oder Auflagen zu erteilen, - 2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit bis zu einem Höchstmaß von vier Jahren zu verlängern oder - 3.
den Jugendlichen vor Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen.
(3) Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten (§ 23) erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Auflagen oder entsprechenden Anerbieten erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen. Jugendarrest, der nach § 16a verhängt wurde, wird in dem Umfang, in dem er verbüßt wurde, auf die Jugendstrafe angerechnet.
(1) Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a), trifft der Richter durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sind zu hören. Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. Der Beschluß ist zu begründen.
(2) Der Richter leitet auch die Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen nach § 453c der Strafprozeßordnung.
(3) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn
- 1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt, - 2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung - a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate, - b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder - 3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes
- 1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder - 2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.
(1) Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a), trifft der Richter durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sind zu hören. Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. Der Beschluß ist zu begründen.
(2) Der Richter leitet auch die Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen nach § 453c der Strafprozeßordnung.
(3) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.