Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 05. Feb. 2015 - 2 Ausl. 12/15
Gericht
Tenor
Die Vollstreckung des noch nicht verbüßten Strafrestes der gegen den polnischen Staatsangehörigen T, geboren am xx. Februar 19xx in H/Polen, durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 2013 (Az.: 9 KLs 676 Js 154/13 (13/13)), rechtskräftig seit dem 22. Mai 2014, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verhängten „Gesamt“-Freiheitsstrafe von sechs Jahren in Polen, wird für zulässig erklärt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Das Landgericht Bielefeld hat den Verurteilten mit Urteil vom 18. Dezember 2013 (Az.: 9 KLs 676 Js 154/13 (13/13)), rechtskräftig seit dem 22. Mai 2014, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer als „Gesamtfreiheitsstrafe“ bezeichneten Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegenstand der Verurteilung ist ein mittäterschaftlich begangener Raubüberfall auf die Filiale der Sparkasse in xxxxx S, begangen in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 2012.
4Der Verurteilte ist in jener Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 26. März 2013 (9 Gs 601 Js 288/13 – 1704/13) sowie des Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 16. April 2013 (Az.: 216 AR 136/13) am 24. Mai 2013 in H/Polen festgenommen und am 12. Juni 2013 nach Deutschland überstellt worden und befand sich seit jenem Tag für jenes Verfahren in Untersuchungshaft.
5Seit dem 22. Mai 2014 wird die gegen den Verurteilten vom Landgericht Bielefeld verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren vollstreckt. Wegen Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft werden zwei Drittel der Freiheitsstrafe am 23. Mai 2017 verbüßt sein. Das Strafende ist auf den 23. Mai 2019 datiert.
6Wegen bereits früher von dem Verurteilten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begangener Straftaten war bereits mit Verfügung des Oberbürgermeisters der Stadt Bielefeld vom 24. Februar 2009 (Aktenzeichen: 150.32) gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU-FreizügG/EU) der Verlust des Rechtes des Verurteilten auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung festgestellt worden. Der Bescheid ist unanfechtbar und auf den 4. Januar 2022 befristet.
7Gleichzeitig war dem Verurteilten die zwangsweise Abschiebung – schon damals aus der Haft heraus - in sein Heimatland Polen angedroht worden. Diese Entscheidung der Verwaltungsbehörde war auf die rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen durch das Amtsgericht Mainz vom 4. Juli 1995 wegen gemeinschaftlichen Inverkehrbringens von Falschgeld, durch das Landgericht Detmold vom 11. Februar 2002 wegen Diebstahls in 16 Fällen, wegen Beihilfe zum Bandendiebstahl in zwei Fällen, Hehlerei, Urkundenfälschung und versuchter Bandenhehlerei sowie durch das Amtsgericht Hamburg-Altona vom 27. August 2008 wegen Hehlerei gestützt.
8Im Hinblick auf die strafrechtliche Verurteilung durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 2013 hat der Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld mit Bescheid vom 30. Juli 2014 (Az. 150.32) die Abschiebung des Verurteilten nach Polen ohne Fristsetzung unmittelbar aus der Haft heraus angeordnet und zur Begründung ausgeführt, dass der Verurteilte aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) sei. Weiter ist in jenem Bescheid ausgeführt, dass der Verurteilte zuvor mit Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Bielefeld darauf hingewiesen worden sei, dass „aufgrund der vorstehenden Verurteilung“ beabsichtigt sei, ihm die Abschiebung anzudrohen.
9Im Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft Bielefeld beabsichtigte Überstellung des Verurteilten in sein Heimatland zur Vollstreckung des Restes der durch das Landgericht Bielefeld verhängten (Gesamt-)Freiheitsstrafe ist ihm Gelegenheit zur mündlichen Äußerung gegeben worden. In der durch das Amtsgericht Bielefeld (Az. 23 AR 62/14) am 4. September 2014 durchgeführten Anhörung hat sich der Verurteilte mit der Überstellung nach Polen nicht einverstanden erklärt und darüber hinaus angegeben, er beabsichtige, in der Justizvollzugsanstalt H eine Ausbildung zu machen, die für ihn von grundlegender Bedeutung sei. Eine Fortsetzung der Strafvollstreckung in Polen würde außerdem zu schweren gesundheitlichen Problemen bei ihm führen, weil er strikter Nichtraucher sei und Probleme mit der Atmung habe. In Polen gebe es aber keine Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Mit einer Abschiebung zum Halbstrafenzeitpunkt nach § 465 a StPO wäre er jedoch einverstanden
10Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat mit Zuschrift vom 15. Januar 2015 beantragt, die weitere Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 2013 in Polen für zulässig zu erklären.
11II.
12Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 15. Januar 2015 war die weitere Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 2013 in Polen für zulässig zu erklären.
131.
14Die Überstellung von in Deutschland rechtskräftig verurteilten Personen zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe in Polen richtet sich nach dem Gesetz zur Ausführung des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (Überstellungsausführungsgesetz – ÜAG) in Verbindung mit dem Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 (ÜberstÜbk) sowie dem Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (ZP-ÜberstÜbk).
15Das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen ist in Polen am 1. März 1995 und in der Bundesrepublik am 1. Februar 1992 in Kraft getreten, das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen in Polen am 1. Juni 2000 und in Deutschland am 1. August 2007.
162.
17Der Senat ist gemäß § 2 Abs. 2 ÜAG, Art. 3 ZP-ÜberstÜbk und § 71 Abs. 4 IRG zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckungsabgabe berufen.
183.
19Die Voraussetzungen des Art. 3 ÜberstÜbk i.V.m. Art. 3 ZP-ÜberstÜbk liegen vor.
20Der Verurteilte ist polnischer Staatsangehöriger und damit Staatsangehöriger des Vollstreckungsstaates (Art. 3 Nr. 1 lit. a) ÜberstÜbk). Das gegen ihn durch das Landgericht Bielefeld ergangene Urteil ist rechtskräftig (Art. 3 Nr. 1 lit. b) ÜberstÜbk) und von der mit diesem verhängten Freiheitsstrafe sind gegenwärtig noch mehr als sechs Monate zu vollstrecken (Art. 3 Nr. 1 lit. c) ÜberstÜbk). Desweiteren stellt die abgeurteilte Tat auch in Polen eine Straftat dar (Art. 3 Nr. 1 lit. e) ÜberstÜbk). Schließlich ist nach den vorliegenden Vollstreckungsunterlagen davon auszugehen, dass Urteils- und Vollstreckungsstaat sich auf die Überstellung geeinigt haben bzw. einigen werden (Art. 3 Nr. 1 lit. f) ÜberstÜbk).
21Der Umstand, dass der Verurteilte entgegen Art. 3 Abs. 1 lit. d) ÜberstÜbk seiner Überstellung nicht zugestimmt hat, steht einer Überstellung vorliegend nicht entgegen. Gegen den Verurteilten liegt nämlich ein bestandskräftiger – allerdings infolge früherer inländischer Verurteilungen ergangener – Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Bielefeld vom 24. Februar 2009 vor, aufgrund dessen es ihm nicht gestattet ist, in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzureisen oder sich in diesem aufzuhalten. Der Senat verkennt nicht, dass dieser Bescheid nicht, wie es der Wortlaut der Ausnahmevorschrift des Art. 3 Abs. 1 ZP-ÜberstÜbk verlangt,infolge der gegen ihn durch das Landgericht Bielefeld verhängten Freiheitsstrafe von sechs Jahren ergangen ist, sondern bereits zuvor getroffen worden war. Ob aufgrund der in Art. 3 Abs. 1 ZP – ÜberstÜbk gewählten Formulierung eine auf anderen Verurteilungen beruhende Ausweisungsverfügung als „Ersatz“ für die fehlende Zustimmung nicht ausreichen würde (so Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 3. September 2010 (1 AK 9/10) und Beschluss vom 13. September 2010 (1 AK 28/10)) kann der Senat hier offen lassen. Selbst bei Zugrundelegung der eine enge Auslegung der Ausnahmevorschrift befürwortenden Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe wäre die Überstellung des Verurteilten im vorliegenden Fall nämlich nicht unzulässig. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in den genannten Entscheidungen insoweit ausgeführt, dass für die Überstellung eines Verurteilten in sein Heimatland zur Vollstreckung einer gegen ihn im Inland verhängten Freiheitsstrafe zumindest erforderlich sei, dass die zuständige Verwaltungsbehörde erneut in ein förmliches Prüfungsverfahren eintritt, ob sie auch aufgrund der Anlasstaten an ihrer ursprünglichen Ausweisungsverfügung festhalten will. Nur wenn sie dies – gegebenenfalls neben weiteren Gründen – bejahe, sei die Ausweisung „infolge“ der gegen den Verurteilten verhängten Sanktion ergangen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Der Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld hat mit Bescheid vom 30. Juli 2014 die Abschiebung des Verurteilten nach Polen unmittelbar aus der Haft heraus angeordnet. Zwar ist dieser Bescheid vornehmlich darauf gestützt, dass der Verurteilte trotz bestehenden Einreise-und Aufenthaltsverbotes mehrfach unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist war. Dennoch ergibt sich aus dem Bescheid auch, dass die Verwaltungsbehörde die Abschiebung des Verurteilten auch im Hinblick auf die vom Landgericht Bielefeld am 18.12.2013 abgeurteilte Anlasstat angeordnet hat. Dies lässt sich zweifelsfrei daraus entnehmen, dass dem Verurteilten von der Verwaltungsbehörde mitgeteilt worden war, dass aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht Bielefeld beabsichtigt sei, ihm die Abschiebung anzudrohen. Hieraus ergibt sich unmissverständlich, dass die zuständige Verwaltungsbehörde auch aufgrund der Anlasstat erneut in ein förmliches Prüfungsverfahren eingetreten ist, ob sie an ihrer ursprünglichen Ausweisungsverfügung festhalten wolle und dass sie dies letztlich bejaht hat.
22In einem solchen Fall hindert die fehlende Zustimmung des Verurteilten seine Überstellung nicht (Art. 3 Nr. 1 ZP-ÜberstÜbk).
234.
24Anhaltspunkte dafür, dass in Polen der für den Fall der Übernahme der Vollstreckung aus Art. 3 Abs. 4 ZP-ÜberstÜbk resultierende Spezialitätsgrundsatz nicht beachtet wird, sind nicht ersichtlich.
255.
26Eine über die vorstehenden Anforderungen hinausgehende materiell-rechtliche Überprüfung sehen weder das ÜberstÜbk oder das ZP-ÜberstÜbk noch die zum ÜberstÜbk von Seiten der Bundesrepublik Deutschland abgegebenen Erklärungen vor.
27Allerdings besteht auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1997 (BVerfG, NJW 1997, 3013 ff.) die Verpflichtung, bei der Überprüfung die grundrechtlich geschützten Positionen des Verurteilten in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Überstellung zu bringen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu gelangen. Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, der in der Begründung zum Gesetz zur Änderung des ÜberstÜbk und des IRG vom 17. Dezember 2006 eine Abwägung aller persönlichen Umstände unter Berücksichtigung der Vollzugs- und Vollstreckungspraxis im Vollstreckungsstaat für erforderlich erachtet (vgl. BT-Drucks. 16/2452, S. 6).
28Die danach vorzunehmende Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Überstellung des Verurteilten nach Polen zum Zwecke der weiteren dortigen Vollstreckung der durch das Landgericht Bielefeld verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren auch ohne seine Zustimmung zulässig ist.
29Eine politische Verfolgung (vgl. § 6 Abs. 2 IRG) oder ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung (§ 73 IRG, ordre public) sind nicht ersichtlich.
30Auch ist angesichts der Höhe der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe die Überstellung nach Polen nicht unverhältnismäßig.
31Das vornehmlich durch eine Entlastung der Vollstreckungsbehörde geprägte öffentliche Interesse wird durch eine Übernahme der Vollstreckung seitens der polnischen Justizbehörden nicht beeinträchtigt.
32Die dem Verurteilten zustehenden Rechtspositionen – insbesondere der durch Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Resozialisierung – stehen bei der Abwägung mit dem o.g. öffentlichen Interesse der Überstellung nicht entgegen. Insbesondere kann mit dem weiteren Vollzug der Gesamtfreiheitsstrafe in Deutschland das den Justizvollzug prägende Ziel der Resozialisierung des Verurteilten kaum erreicht werden. Dieser Gesichtspunkt ist bereits Art. 3 ZP-ÜberstÜbk immanent, der eine Zustimmung des Verurteilten bei bestandskräftiger Ausweisungsverfügung entbehrlich macht (vgl. OLG Celle, NStZ-RR 2008, 345 m.w.N.; Senatsentscheidung vom 14. Dezember 2010 – III-2 Ausl. 130/10). Eine weitere Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland stünde der erstrebten Resozialisierung des Verurteilten eher entgegen, weil er verpflichtet wäre, das Gebiet der Bundesrepublik unverzüglich nach seiner Entlassung zu verlassen. Auch ist nicht zu verkennen, dass die polnischen Behörden die Auslieferung des Verfolgten an die deutschen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung unter der Bedingung der Rücküberstellung im Verurteilungsfalle bewilligt hatten.
33Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des in Deutschland bereits in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Verurteilten ergibt sich aus den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 2013, dass der Verurteilte in Polen geboren wurde und dort aufwuchs. Aus dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt C-C vom 1. Dezember 2014 ergibt sich weiter, dass der Verurteilte nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren im Jahre 2004 aus Deutschland nach Polen abgeschoben wurde. Er reiste sodann unerlaubt wieder in das Bundesgebiet ein, beging Straftaten und wurde erneut abgeschoben. Weiter ergibt sich aus jedem Bericht, dass die gesamte Familie des Verurteilten in Polen wohnhaft ist und er über tragfähige soziale Bindungen in Deutschland nicht verfügt. Deshalb hätte er während einer weiteren Haftverbüßung in Deutschland weiterhin keinerlei Unterstützung durch hier lebende Verwandte oder Freunde zu erwarten.
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(1) Der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 kann unbeschadet des § 2 Absatz 4 und des § 5 Absatz 4 nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 45 Absatz 3, Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) festgestellt und die Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht oder die Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte eingezogen werden. Aus den in Satz 1 genannten Gründen kann auch die Einreise verweigert werden. Die Feststellung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit kann nur erfolgen, wenn es sich um Krankheiten mit epidemischem Potenzial im Sinne der einschlägigen Rechtsinstrumente der Weltgesundheitsorganisation und sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten handelt, sofern gegen diese Krankheiten Maßnahmen im Bundesgebiet getroffen werden. Krankheiten, die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise auftreten, stellen keinen Grund für eine Feststellung nach Satz 1 dar.
(2) Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um die in Absatz 1 genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
(3) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 sind insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(4) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden.
(5) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, und bei Minderjährigen nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Für Minderjährige gilt dies nicht, wenn der Verlust des Aufenthaltsrechts zum Wohl des Kindes notwendig ist. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer odermehrervorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.
(6) Die Entscheidungen oder Maßnahmen, die den Verlust des Aufenthaltsrechts oder des Daueraufenthaltsrechts betreffen, dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken getroffen werden.
(7) Wird der Pass, Personalausweis oder sonstige Passersatz ungültig, so kann dies die Aufenthaltsbeendigung nicht begründen.
(8) Vor der Feststellung nach Absatz 1 soll der Betroffene angehört werden. Die Feststellung bedarf der Schriftform.
(1) Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen sind ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. In dem Bescheid soll die Abschiebung angedroht und eine Ausreisefrist gesetzt werden. Außer in dringenden Fällen muss die Frist mindestens einen Monat betragen. Wird ein Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gestellt, darf die Abschiebung nicht erfolgen, bevor über den Antrag entschieden wurde.
(2) Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 verloren haben, dürfen nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, bei denen das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Absatz 4 festgestellt worden ist, kann untersagt werden, erneut in das Bundesgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten. Dies soll untersagt werden, wenn ein besonders schwerer Fall, insbesondere ein wiederholtes Vortäuschen des Vorliegens der Voraussetzungen des Rechts auf Einreise und Aufenthalt, vorliegt oder wenn ihr Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in erheblicher Weise beeinträchtigt. Bei einer Entscheidung nach den Sätzen 2 und 3 findet § 6 Absatz 3, 6 und 8 entsprechend Anwendung. Das Verbot nach den Sätzen 1 bis 3 wird von Amts wegen befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auf Grund der auf Tatsachen gestützten Annahme der künftig von einem Aufenthalt der Person innerhalb der Europäischen Union und der Schengen-Staaten ausgehenden Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit festzusetzen und darf fünf Jahre nur in den Fällen des § 6 Absatz 1 überschreiten. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Ein nach angemessener Frist oder nach drei Jahren gestellter Antrag auf Aufhebung oder auf Verkürzung der festgesetzten Frist ist innerhalb von sechs Monaten zu bescheiden.
(1) Bei Vollstreckungsersuchen nach dem Übereinkommen, nach Artikel 2 des Zusatzprotokolls und nach den Artikeln 68 und 69 des Schengener Durchführungsübereinkommens ist § 71 Abs. 3 und 4 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht anzuwenden.
(2) Bei Vollstreckungsersuchen nach Artikel 3 des Zusatzprotokolls ist § 71 Abs. 4 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen anzuwenden.
(1) Die Vollstreckung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes gegen eine ausländische Person verhängten Strafe oder sonstigen Sanktion kann auf einen ausländischen Staat übertragen werden, wenn
- 1.
die verurteilte Person in dem ausländischen Staat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich dort aufhält und nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist, oder - 2.
die Vollstreckung in dem ausländischen Staat im Interesse der verurteilten Person oder im öffentlichen Interesse liegt.
(2) Die Vollstreckung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes gegen eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit verhängten nicht freiheitsentziehenden Strafe oder Sanktion kann auf einen ausländischen Staat übertragen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Ferner kann die Vollstreckung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes gegen eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit verhängten freiheitsentziehenden Strafe oder sonstigen Sanktion auf einen ausländischen Staat übertragen werden, wenn
- 1.
die verurteilte Person in dem ausländischen Staat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich dort aufhält, - 2.
die verurteilte Person nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist, und - 3.
der verurteilten Person durch die Vollstreckung in dem ausländischen Staat keine erheblichen, außerhalb des Strafzwecks liegenden Nachteile erwachsen.
(3) Die Vollstreckung darf nur übertragen werden, wenn gewährleistet ist, dass der ausländische Staat eine Rücknahme oder eine Beschränkung der Übertragung beachten wird.
(4) Die Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Sanktion darf nur übertragen werden, wenn das Gericht die Vollstreckung in dem ausländischen Staat für zulässig erklärt hat. Über die Zulässigkeit entscheidet das Oberlandesgericht durch Beschluss. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des Gerichts, das die zu vollstreckende Strafe oder sonstige Sanktion verhängt hat, oder, wenn gegen die verurteilte Person im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, nach § 462a Absatz 1 Satz 1 und 2 der Strafprozessordnung. § 13 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2, § 30 Absatz 2 Satz 2 und 4, Absatz 3, § 31 Absatz 1 und 4, die §§ 33, 52 Absatz 3, § 53 gelten entsprechend. Befindet sich die verurteilte Person im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so gelten auch § 30 Absatz 2 Satz 1, § 31 Absatz 2 und 3 entsprechend.
(5) Die deutsche Vollstreckungsbehörde sieht von der Vollstreckung ab, soweit der ausländische Staat sie übernommen und durchgeführt hat. Sie kann die Vollstreckung fortsetzen, soweit der ausländische Staat sie nicht zu Ende geführt hat.
(1) Die Auslieferung ist nicht zulässig wegen einer politischen Tat oder wegen einer mit einer solchen zusammenhängenden Tat. Sie ist zulässig, wenn der Verfolgte wegen vollendeten oder versuchten Völkermordes, Mordes oder Totschlags oder wegen der Beteiligung hieran verfolgt wird oder verurteilt worden ist.
(2) Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, daß der Verfolgte im Fall seiner Auslieferung wegen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen verfolgt oder bestraft oder daß seine Lage aus einem dieser Gründe erschwert werden würde.
Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.