Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 21. Okt. 2015 - VII-Verg 28/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29. August 2014 (VK 2-63/14) aufgehoben.
Die Vergabe einer Rahmenvereinbarung Virenschutz für die Bundesverwaltung, bekannt gemacht im Supplement zum Amtsblatt der EU unter der Nr. 2013/S 185-319834, wird der Antragsgegnerin untersagt.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer als Gesamtschuldner und die der Antragstellerin in diesem Verfahren zur Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen je zur Hälfte zu tragen.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist für die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig gewesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden je zur Hälfte der Antragsgegnerin und der Beigeladenen auferlegt.
1
G r ü n d e:
2I. Die Antragsgegnerin ließ von der Vergabestelle mit unionsweiter Bekanntmachung im September 2013 den Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Beschaffung einer Virenschutzsoftware für die Bundesverwaltung im Wege eines Verhandlungsverfahrens nach vorherigem Teilnahmewettbewerb ausschreiben. Bedarfsträger ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Zudem sollen Unterstützungs- und Beratungsleistungen erbracht werden. Die Vereinbarung soll zwei Jahre lang dauern und fünf Mal um jeweils ein Jahr verlängert werden können. Zuschlagskriterium ist das wirtschaftlichste Angebot. In den Unterlagen über den Teilnahmewettbewerb benannte die Vergabestelle die Anzahl der für eine Nutzung in Frage kommenden Stellen und der Beschäftigten.
3Die Antragstellerin und die Beigeladene bestanden neben einem dritten Bewerber den Teilnahmewettbewerb und wurden unter Übersenden der Vergabeunterlagen (Version 1) im Dezember 2013 zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die großenteils als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Vergabeunterlagen setzen sich aus Allgemeinen Bewerbungsbedingungen (Teil A), Besonderen Bewerbungsbedingungen (Teil B), der Leistungsbeschreibung (Teil C), einem Kriterienkatalog (Teil D), einem Abschnitt über Preise (Teil E), Vertragsbedingungen (Teil F) und Anlagen (Teil G) zusammen.
4Die Antragstellerin, die Beigeladene und ein dritter Bieter reichten Angebote ein. Im März 2014 verhandelte die Vergabestelle mit den Bietern in einer ersten Verhandlungsrunde über die Angebote.
5Im Mai 2014 übersandte die Vergabestelle überarbeitete Vergabeunterlagen (Version 2), in denen sie u.a. Zuschlagskriterien und Gewichtungen änderte, und forderte zu erneuten Angeboten auf. Die Bieter reichten neue Angebote ein.
6Gemäß der Angebotswertung der Vergabestelle soll letztlich wegen eines günstigeren Preises die Beigeladene ohne erneute Verhandlung den Zuschlag bekommen. Die Antragstellerin rügte auf die entsprechende Bieterinformation vom 8. Juli 2014 durch Eingaben vom 11. und 24. Juli 2014 Vergabefehler und stellte nach Nichtabhilfe vom 17. Juli 2014 unter dem 25. Juli 2014 einen Nachprüfungsantrag.
7Der Nachprüfungsantrag, mit dem die Antragstellerin zahlreiche Beanstandungen am Vergabeverfahren vorgebracht hat, hat vor der 2. Vergabekammer des Bundes keinen Erfolg gehabt. Auf die Gründe der Entscheidung der Vergabekammer (VK 2-63/14) wird verwiesen.
8Die Antragstellerin hat dagegen sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags beantragt,
9unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
10- 11
1. der Antragsgegnerin aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor Prüfung und Wertung der Angebote zurückzuversetzen;
- 13
2. hilfsweise, die Antragsgegnerin anzuweisen, das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und es unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts von diesem Stand an zu wiederholen;
- 15
3. nochmals hilfsweise, andere geeignete Maßnahmen anzuordnen, um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
17die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
18Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
19Die Antragsgegnerin und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Sie nehmen unter Ergänzungen auf den bisherigen Vortrag Bezug.
20Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
21II. Die Beschwerde ist begründet.
221. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
23a) Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist, wie die Vergabekammer richtig entschieden hat, nicht zweifelhaft (§ 107 Abs. 2 GWB). Die Antragstellerin hat dadurch, dass sie Angebote eingereicht hat, ein Interesse am Auftrag bekundet und sich auf Verstöße gegen bieterschützende Vergabevorschriften berufen, die, sofern sie vorliegen, dem Nachprüfungsantrag zum Erfolg verhelfen. Außerdem droht der Antragstellerin durch den Verlust des Auftrags, der an die Beigeladene ergehen soll, ein Schaden. Dies gilt auch und gerade insoweit, als die Antragstellerin die Unzulässigkeit des von der Vergabestelle durchgeführten Verhandlungsverfahrens geltend macht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - X ZB 8/09, Rn. 28 bis 33).
24b) Hinsichtlich der Rügeobliegenheit der Antragstellerin (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB) hat die Vergabekammer zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Präklusion auszuscheiden hat, soweit die Antragstellerin aufgrund der Vergabebekanntmachung oder der Vergabeunterlagen erkennbare Verstöße gegen Vergabevorschriften nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe gerügt hat. In der Vergabebekanntmachung vom September 2013 ist keine Frist zur Angebotsabgabe festgelegt worden - eine Folge des Umstands, dass die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit einem Teilnahmewettbewerb begonnen hat.
25Die Präklusionsbestimmungen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB sind gemäß ihrem Wortlaut streng auszulegen und anzuwenden, um den durch die Rechtsmittelrichtlinie der Union garantierten Primärrechtsschutz nicht einzuschränken (ebenso u.a. Dreher in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 2. GWB/Teil 2, § 107 Rn. 45; Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB Rn. 59; Jaeger, NZBau 2009, 558, 560).
26Die Antragstellerin ist wegen erkennbarer Rechtsverstöße deshalb zu Rügen nur gehalten gewesen, sofern diese bis zum Ablauf der in der Vergabebekanntmachung angegebenen Frist zur Bewerbung erkennbar gewesen sind. Innerhalb jener Frist sind die geltend gemachten Verstöße nicht zu erkennen gewesen, weil sie in der Bekanntmachung nicht hervorgetreten sind.
27Soweit von der Antragstellerin die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB zu beachten gewesen ist, ist darauf hinzuweisen, dass die auf die Bieterinformation vom 8. Juli 2014 angebrachte Rüge vom 11. Juli 2014, konkret abhängig vom tatsächlichen und rechtlichen Kenntnisstand der Antragstellerin, jedenfalls als unverzüglich anzusehen ist und dass dasselbe auch für die Rüge vom 24. Juli 2014 gelten kann. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union wegen dessen Urteils vom 28. Januar 2010 (C-406/08, Uniplex), wie von der Beschwerde angeregt, ist nicht entscheidungserheblich.
28Im Übrigen ist eine Präklusion in Bezug auf jede vergaberechtliche Beanstandung des Antragstellers gesondert zu prüfen. Dazu wird gegebenenfalls bei den einzelnen Beanstandungen ausgeführt.
292. Der Nachprüfungsantrag ist nach dem ersten Hilfsantrag begründet.
30a) Die Auftragsvergabe unterliegt in materiell-rechtlicher Hinsicht dem Regime der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV). Nach § 1 VSVgV gilt diese Verordnung für die Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträgen im Sinne des § 99 Abs. 7 GWB (wobei im Streitfall ausschließlich eine Sicherheitsbedeutung in Frage kommt) durch öffentliche Auftraggeber (hier: § 98 Nr. 1 GWB), soweit diese Aufträge nicht gemäß § 100 Abs. 3 bis 6 oder § 100c GWB dem Anwendungsbereich des vierten Teils des GWB entzogen sind.
31Gemäß § 99 Abs. 7 GWB umfassen sicherheitsrelevante Aufträge unter anderem die Lieferung von Ausrüstung (Nr. 2) sowie von Dienstleistungen, die im Rahmen von Verschlusssachenaufträgen im Sinn des Absatzes 9 vergeben werden (Nr. 4).
32Der umstrittene Auftrag weist Elemente eines Liefer- und eines Dienstleistungsvertrags auf (dies wegen der ausgeschriebenen Beratungs- und Unterstützungsleistungen; vgl. § 99 Abs. 10 GWB; siehe auch VKB 20, worauf verwiesen wird). Eine Entscheidung, welche Vertragsart sich wegen des höheren Auftragswerts durchsetzt, muss nicht getroffen werden, weil Liefer- und Dienstleistungsaufträge in rechtlicher Hinsicht denselben Regeln unterliegen.
33Die vorgesehene Rahmenvereinbarung ist insgesamt ein Verschlusssachenauftrag. Verschlusssachenaufträge sind in § 99 Abs. 9 GWB als Aufträge für Sicherheitszwecke definiert, bei deren Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 SÜG verwendet werden oder die Verschlusssachen im Sinne der Nummer 1 erfordern oder beinhalten.
34Die Vergabeunterlagen sind zum großen Teil als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ bezeichnet worden. Im Vergabeverfahren soll nach B 9 der Vergabeunterlagen Vertraulichkeit walten. Umfassende Vertraulichkeit lässt sich die Antragsgegnerin ausweislich der Regelungen in § 14 Rahmenvertragsentwurf auch bei der Vertragsausführung zusichern. Daraus sowie aus dem Auftragsgegenstand als solchem folgt, dass der Auftrag für genuine Sicherheitszwecke der Bundesrepublik Deutschland erteilt werden soll, dass bei der Ausführung Verschlusssachen verwendet werden und dass solche - wie auch die Vergabekammer entschieden hat - ebenso erforderlich sind. Dies steht im Prozess nicht im Streit.
35Der Auftrag ist dem Anwendungsbereich des GWB wegen Vorliegens eines Ausnahmefalls nach § 100 Abs. 3 bis 6 oder nach § 100c GWB nicht entzogen. Dafür sind keine Anhaltspunkte hervorgetreten.
36Der maßgebende Auftragsschwellenwert von 400.000 Euro ist erkennbar deutlich überschritten.
37b) Zu den Beanstandungen der Antragstellerin:
38(1) aa) Die Antragstellerin rügt, die Vergabestelle habe die Beschaffung durch Angabe in der Bekanntmachung einer Anwendung der VOL/A-EG oder der VOL/A unterworfen. Daran sei sie gebunden. Infolgedessen sei nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 VOL/A-EG das Verhandlungsverfahren (nach Teilnahmewettbewerb) unstatthaft gewesen und sei das Vergabeverfahren mindestens in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.
39Mit dieser Beanstandung ist die Antragstellerin nicht präkludiert. Ein Ausschluss nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB scheitert daran, dass nicht festgestellt werden kann, in welchem Zeitpunkt die Antragstellerin positiv Kenntnis davon erlangt hat, gemäß VOL/A-EG oder VOL/A sei ein Verhandlungsverfahren nach vorherigem Teilnahmewettbewerb unzulässig.
40Eine Präklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB scheidet aus, weil aus der Vergabebekanntmachung bei Anwendung der üblichen Sorgfalt jedenfalls für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter nicht zu erkennen gewesen ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12.März 2015 - C-538/13, eVigilo, Rn. 52 bis 54), die Vergabestelle habe das Vergabeverfahren insgesamt der VOL/A-EG oder der VOL/A unterwerfen wollen.
41Die Vergabekammer hat die Beachtung der Rügeobliegenheit allerdings dahingestellt sein lassen, dies mit der Begründung, der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls unbegründet (VKB 21). Indes stellt die Wahrung der Rügeobliegenheit ein Zulässigkeitserfordernis an den Nachprüfungsantrag dar (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB). Fragen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags haben einen prozessualen Vorrang vor den im Rahmen der Begründetheit zu entscheidenden Rechtsfragen. Sie dürfen - im Gegensatz zu den bei der Begründetheit auftretenden Fragen logischen Vorrangs - nicht dahingestellt bleiben, weil sich dies auf die Reichweite der Bestandskraft und Rechtskraft der Entscheidung auswirkt. Lehnt die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag aus prozessualen Gründen ab, kann ein entsprechender Antrag - jedenfalls im Prinzip und sofern der Auftrag noch nicht erteilt worden ist - ein weiteres Mal angebracht werden, dies mit einem in der Sache offenen Ergebnis, zumal die Sache auch zu einer anderen Spruchkammer, insbesondere zu einer anderen Vergabekammer des Bundes, gelangen kann. Hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag unter Offenlassen von Zulässigkeitsanforderungen jedoch als unbegründet abgelehnt, ist ein erneuter Antrag deswegen, und zwar mit einem weiterreichenden Ergebnis, in der Sache von vorneherein erfolglos (vgl. insoweit auch bereits OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Juni 2015 - VII-Verg 4/15, GlaxoSmithKline).
42bb) Zur Begründetheit der Beanstandung der Antragstellerin ist zu bemerken: Die Vergabestelle hat das Vergabeverfahren keineswegs generell oder pauschal einer Anwendung der VOL/A-EG unterstellt, sondern hat in der Vergabebekanntmachung (unter VI.3 - Zusätzliche Angaben) darauf hingewiesen:
43Mit der Abgabe eines Angebotes unterliegt der Bieter den Bestimmungen über nicht berücksichtigte Angebote § 19 VOL/A und § 22 EG VOL/A.
44Fachkundige Bieter, die der Maßstab für eine Auslegung der Vergabebekanntmachung und der Vergabeunterlagen sind, haben dies nicht dahin auslegen müssen, die Vergabestelle habe die Auftragsvergabe insgesamt nach den Regeln der VOL/A-EG oder der VOL/A vornehmen wollen.
45Davon abgesehen ist der öffentliche Auftraggeber nicht darin frei, welche Rechtsordnung er der Beschaffungsmaßnahme zugrunde legt. Dies unterliegt nicht seiner Disposition. Maßgebend dafür ist, so richtigerweise auch die Vergabekammer, die objektive Rechtslage, die im Streitfall zu einer Anwendung der VSVgV führt, dies mit der Folge, dass - sofern der Auftraggeber eine objektiv nicht einschlägige andere Vergabeordnung genannt hat - dies ohne eine rechtliche Bedeutung ist.
46Der Angriff der Beschwerde, die Entscheidung der Vergabekammer sei nicht auf einen entgegenstehenden Vertrauensschutz für den Antragsteller eingegangen, entspricht nicht den Tatsachen. Die Vergabekammer hat die Berufung der Antragstellerin auf einen Vertrauensschutz ausdrücklich negativ beschieden (VKB 19). Der reklamierte Vertrauensschutz hat aus Rechtsgründen hinter der objektiven Rechtslage zurückzutreten. Das Transparenzgebot, so allerdings die Beschwerde, ist von der Vergabestelle insofern an keiner Stelle verletzt worden.
47Aufgrund dessen ist das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VSVgV zulässig gewesen. Dem entspricht die im Vergabevermerk vom 27. August 2013 dokumentierte Entscheidung der Vergabestelle. Ob das Verhandlungsverfahren auch unter Anwendung der VOL/A-EG statthaft gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben.
48Da dem Vergabeverfahren die VSVgV zugrundezulegen gewesen ist, ist im Übrigen auch die Beanstandung einer unzulässigen, überlangen Dauer der Rahmenvereinbarung unbegründet. Nach § 14 Abs. 6 Satz 1 VSVgV dürfen Rahmenvereinbarungen, wie ausgeschrieben, im Anwendungsbereich der VSVgV eine Laufzeit von sieben Jahren aufweisen, ohne dass dafür besondere sachliche Gründe vorliegen müssen.
49(2) Das Verhandlungsverfahren ist allerdings nicht regelgerecht durchgeführt worden. In den Vergabeunterlagen hat die Vergabestelle unter Gliederungspunkt B 12 (Bewerbungsbedingungen) festgelegt:
50Das Verhandlungsverfahren ist mehrstufig aufgebaut. Die erste Phase ist abgeschlossen. In dieser (Zusatz: der) zweiten Phase werden verbindliche, zuschlagsfähige Angebote erwartet. …
51Es ist vorgesehen, mit Abschluss dieser Verhandlungsrunde den Zuschlag zu erteilen.
52Soweit nach der zweiten Verhandlungsrunde kein zuschlagfähiges Angebot vorliegt, folgt die Vorbereitung der nächsten Verhandlungsrunde.
53Die Vergabestelle hat indessen vor, ohne Verhandlungen den Zuschlag auf ein in der zweiten Phase des Verhandlungsverfahrens eingegangenes Angebot zu erteilen. Dies ist mit der gebotenen unmissverständlichen Deutlichkeit in den Vergabeunterlagen nicht angekündigt worden und davon nicht gedeckt. Zur Sicherung der erforderlichen Transparenz hätte die Vergabestelle so oder vergleichbar angeben müssen:
54In der zweiten Phase werden verbindliche, zuschlagsfähige Angebote erwartet. …
55Die Vergabestelle behält sich vor, ohne weitere Verhandlungen auf eines der in der zweiten Phase eingegangenen Angebote den Zuschlag zu erteilen.
56In dieser Weise sind die gestellten Vergabebedingungen aber nicht auszulegen und von einem durchschnittlich fachkundigen und verständigen Bieter nicht aufzufassen gewesen. Bieter haben annehmen dürfen, auf die in der zweiten Phase eingereichten Angebote nochmals zu Verhandlungen geladen zu werden, bevor ein Zuschlag ergehen würde. Mit der Angabe, in der zweiten Phase des Verhandlungsverfahrens würden verbindliche, zuschlagfähige Angebote erwartet, war ein derartiges Verständnis nicht eindeutig ausgeschlossen worden. So darf in Verhandlungsverfahren auch über an und für sich zuschlagfähige Angebote noch verhandelt werden. Sind die Angebote bis auf den oder die zu verhandelnden Punkt(e) zuschlagfähig, kann dies die Bestimmtheit und Klarheit des Auftrags (und des Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden soll) sogar erleichtern.
57Die Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 15. Mai 2015 (GA 810 ff.) erfordern keine davon abweichende rechtliche Beurteilung. Was den am Auftrag interessierten Unternehmen im Rahmen eines Bietergesprächs mündlich erklärt worden sein soll (nämlich: In der zweiten Verhandlungsphase soll der Auftraggeber einen Zuschlag ohne erneute Verhandlung erteilen können), ist rechtlich unerheblich. Aus Gründen der Klarheit und Eindeutigkeit der Vergabeunterlagen sowie desselben Verständnisses durch Bieterunternehmen wegen sind Mitteilungen des Auftraggebers, welche die Vergabebedingungen betreffen, in jedem Fall in schriftlicher Form vorzunehmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2015 - VII-Verg 31/14). Auf die von der Antragsgegnerin zum Inhalt mündlicher Erklärungen von Vertretern der Vergabestelle beantragten Zeugenvernehmungen kommt es für die Entscheidung daher nicht an.
58Unabhängig davon ist eine Verhandlungsrunde begrifflich erst nach Durchführen von Verhandlungen des öffentlichen Auftraggebers mit den Bietern über die Angebote oder die Leistungen abgeschlossen. Nicht aber erfüllt das bloße Einreichen von Angeboten bereits den Begriff der Verhandlung. Dieses Verständnis ergibt sich aus einer wortlautgemäßen Auslegung der insoweit einschlägigen Normen (§ 11 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 VSVgV: „Angebote, über die verhandelt wird“; ebenso § 3 Abs. 6 Satz 1 VOL/A-EG). Auch dem Sinn nach kann nicht bereits dann von Verhandlungen gesprochen werden, wenn Bieter zum Vergabeverfahren - einseitig - lediglich ein (weiteres) Angebot eingereicht haben.
59Die Antragstellerin ist aufgrund der Vorgehensweise der Vergabestelle davon abgehalten worden, in erneuten Verhandlungen ein preislich günstigeres Angebot abzugeben, das nach dem Kriterium des wirtschaftlichsten Angebots in der Gesamtbewertung von Preis und Leistung den Vorzug hätte verdienen können. So hat das Angebot der Antragstellerin jenes der Beigeladenen im Punkt Leistung nach der Angebotswertung übertroffen. In preislicher Hinsicht hätte die Antragstellerin die Beigeladene nicht einmal unbedingt unterbieten müssen, um das wirtschaftlichste Angebot abzugeben.
60Eine Rügepräklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB scheidet offensichtlich aus. Es ist von der insoweit darlegungspflichtigen Antragsgegnerin oder der Beigeladenen nicht vorgetragen worden, zu welchem Zeitpunkt vor der Rüge vom 24. Juli 2014 die Antragstellerin Kenntnis von dem Vergaberechtsverstoß erlangt hat (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB). Eine Präklusion nach Nr. 3 der Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil die Modalitäten des Verhandlungsverfahrens (B 12) in den Bewerbungsunterlagen nicht mitgeteilt worden sind.
61Die gegen das Transparenzgebot verstoßende Vorgehensweise der Vergabestelle gebietet, einen Zuschlag zu untersagen. Ein Zuschlag darf erst nach einer Verhandlung über die in der zweiten Phase des Verhandlungsverfahrens eingereichten Angebote erteilt werden, sofern sich die Vergabestelle nicht dazu entschließt, die Vergabeunterlagen in dem Sinn zu ändern, dass sie sich vorbehält, ohne weitere Verhandlungen auf das in der zweiten Phase des Verhandlungsverfahrens eingereichte wirtschaftlichste Angebot einen Zuschlag zu erteilen. Für diesen Fall werden die Bieter freilich zu einer erneuten Angebotsabgabe aufzufordern sein.
62(3) Die Beschwerde hat ebenfalls mit dem Angriff gegen das der Ausschreibung zugrunde gelegte Bewertungssystem Erfolg. Die Vergabestelle hat unter Punkt B 13 der Vergabeunterlagen (Version 2) angegeben:
63B 13 Zuschlagskriterien
64Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Das wirtschaftlichste Angebot ist das Angebot, bei dem die Preiskennzahl und die Leistungskennzahl im günstigsten Verhältnis zueinander stehen. die Ermittlung erfolgt auf der Grundlage der folgenden Zuschlagskriterien.
65Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots findet auf der Basis der festgestellten Leistungskennzahlen (L) und der feststehenden Preiskennzahlen (P) statt. Es wird für jedes Angebot die Kennzahl für das Preis-Leistungs-Verhältnis (Z) durch Division gebildet (Z=P/L) und daraus eine Rangfolge der Angebote hergestellt. Leistungskennzahl und Preiskennzahl werden nicht zueinander gewichtet.
66B 13.1 Ermittlung der Leistungskennzahl L
67Die Leistungskennzahl L spiegelt den Erfüllungsgrad der angebotenen Leistung bezogen auf die Anforderungen an die Leistung wider. …
68L wird auf Basis des Kriterienkatalogs (siehe Abschnitt D) ermittelt.
69Auf Grundlage der Antworten, Angaben und Konzepte der Bieter zu den Kriterien in der Anlage „Angebotene Leistung“ werden entsprechend dem Grad der Zielerreichung jeweils zwischen 0 (Minimum) und 10 (Maximum) Punkte für das zugehörige Einzelkriterium vergeben.
70Wird die geforderte Leistung (Bewertungs-Einzelkriterien) vollständig angeboten, d.h. zu 100 % oder mehr erfüllt, wird dieses Bewertungskriterium mit 10 Punkten bewertet.
7110 |
100 % |
Anforderung voll erfüllt |
Wird ein Bewertungskriterium nicht vollständig erfüllt, verbleibt das Angebot in der Wertung und wird nach folgender Regel bewertet.
738-9 |
80 % |
Anforderung mit kleinen Schwächen erfüllt, die ohne erkennbaren Einfluss auf die Nutzung sind. |
6-7 |
60 % |
Anforderung teilerfüllt, mit geringen Einschränkungen nutzbar, die mit geringem Einfluss auf die Nutzung sind und akzeptiert werden. |
4-5 |
40 % |
Anforderung teilerfüllt, mit deutlichen Einschränkungen aber noch nutzbar, die mit erheblichem Einfluss auf die Nutzung sind und gerade noch akzeptiert werden. |
1-3 |
25 % |
Anforderung teilerfüllt, aber auch nicht mehr mit Einschränkungen nutzbar. |
0 |
0 % |
Nicht erfüllt oder keine Angaben. |
Bei der Punktvergabe werden ausschließlich die Schlüssigkeit, Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit der von den Bietern in ihren Antworten gemachten Angaben bzw. vorgelegten Konzepte in Bezug auf die Anforderungen bewertet.
75Die Kriterien sind mit einem Gewicht versehen. Das Gewicht aller Kriterien summiert sich auf 100 %. Durch Multiplikation der jeweils erzielten Bewertungspunkte mit der angegebenen Gewichtung des jeweiligen Kriteriums wird die von Ihnen für jedes Kriterium erreichte Leistungspunktzahl berechnet; die Punktzahlen werden anschließend addiert, um die Leistungskennzahl für das Angebot zu ermitteln.
76Für den Zuschlag kommen nur Angebote in Betracht, bei denen alle Ausschlusskriterien erfüllt sind und die in den Hauptkriteriengruppen mindestens einen Erfüllungsgrad von 60 % erreicht haben.
77Nach Gliederungspunkt B 13.1 der Vergabeunterlagen kommt es für die erreichbare Leistungskennzahl L auf den Erfüllungsgrad der angebotenen Leistung an. Gemäß derselben Vorgabe soll der Erfüllungsgrad auf der Grundlage des sog. Kriterienkatalogs (Abschnitt D) nach Punktwerten ermittelt werden.
78Die Vergabeunterlagen vermitteln Bietern unter B 13.1 keine zuverlässigen und kalkulierbaren Informationen darüber, wie und vor allem mit welcher Punktzahl die die Angebote bei den im Kriterienkatalog (Abschnitt D) gestellten Anforderungen bewertet werden sollen, ebenso wenig darüber, worauf es der Vergabestelle im Einzelnen angekommen ist, damit Bieter ein qualitativ optimales Angebot haben einreichen können (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. April 2014 - VII-Verg 36/13).
79Die Bewertungsmaßstäbe im Punkt Qualität (Leistungskennzahl) sind intransparent. Sie lassen nicht zu, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad die Angebote auf der Grundlage des Kriterienkatalogs und konkreter Kriterien aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punktwerten bewertet zu werden. Anders ausgedrückt: Für Bieter ist nicht zu erkennen gewesen, unter welchen Voraussetzungen welche Kriterien als mit „kleinen Schwächen“, „geringen Einschränkungen“ oder mit „deutlichen Einschränkungen“ bewertet werden. Aufgrund der Vergabeunterlagen, nämlich anhand des Kriterienkatalogs (Abschnitt D) und der Bewerbungsbedingungen (Abschnitt B), haben Bieter im Voraus nicht zuverlässig ermitteln können, auf welche konkreten Leistungen die Vergabestelle Wert gelegt hat und wie Angaben und angebotene Konzepte insofern zueinander gewichtet werden sollten. Das Wertungssystem der Vergabestelle lässt objektiv Raum für Manipulationen und Willkür bei der Bewertung der Angebote. Es fehlen Bewertungsmaßstäbe in Bezug auf den Kriterienkatalog (D), welche dies hätten ausschließen müssen.
80Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin kann nicht dahin abschlägig beschieden werden, aufgrund des genannten Mangels habe sie keinen Schaden (keine Beeinträchtigung ihrer Auftragschancen) erlitten, weil ihr Angebot hinsichtlich der erzielten Leistungspunkte dasjenige der Beigeladene übertroffen habe (vgl. zu diesem Prüfungspunkt: OLG Düsseldorf , Beschluss vom 15. Juni 2010 – VII-Verg 10/10 m.w.N.; Herrmann, VergabeR 2011, 2). Die Auftragsaussichten der Antragstellerin sind durch den festzustellenden Vergaberechtsverstoß nicht auszuschließbar vermindert worden. Denn möglicherweise hat sie - aus einer Fehleinschätzung der Bewertungsgrundlagen und -maßstäbe heraus - bei der Angebotserstellung auf die Leistungsqualität einen (teilweise) zu hohen Wert gelegt, der sie beim Preiskriterium gegenüber der Beigeladenen hat unterliegen lassen.
81Nicht Klarheit, sondern zusätzliche Unklarheit und Verwirrung hat die Vergabestelle im Übrigen dadurch verursacht, indem sie neben die erreichbaren Punktwerte bestimmte Prozentangaben gesetzt hat. Mit Ausnahme des mit 10 Punkten übereinstimmenden Prozentwerts von 100 hat dadurch bei Bietern Ungewissheit darüber auftreten müssen, wie die festgelegten Prozentwerte zu verstehen gewesen sind (sollen 8-9 Punkte ab einem Prozentwert von 80 % oder bis zu einem solchen Prozentwert vergeben werden? 6-7 Punkte ab einem Prozentwert von 60 oder bis zu einem Prozentwert in dieser Höhe? etc.).
82Die Erklärung, die dafür von der Antragsgegnerin im Prozess abgegeben worden ist, lautet: Die Prozentwerte seien lediglich für das Erreichen des sog. Mindesterfüllungsgrads von 60 % verwertet worden. Dies ist so aus den Vergabeunterlagen aber nicht hervorgegangen. Ungeachtet dessen: Selbst wenn die Prozentwerte bei der Angebotswertung lediglich für das Erreichen des Mindesterfüllungsgrads herangezogen worden sind, haben sie für den die Leistungskennzahl bestimmenden Erfüllungsgrad beim Ausarbeiten der Angebote dennoch eine Rolle gespielt.
83Dass die Vergabestelle Angebote auf Schlüssigkeit überprüfen will, ist entgegen der Beschwerde nicht zu beanstanden. Entgegen der Meinung der Beschwerde handelt es sich dabei um kein vergabefremdes Kriterium. Angebote sind in der ersten Wertungsphase auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 VSVgV). Widersprüchliche Angaben und Erklärungen, über deren Inhalt auch nach Auslegung und - im Rahmen des Zulässigen - Aufklärung keine eindeutige Klarheit erreicht werden kann, sind von Vergabeverfahren auszuschließen (ebenso: OLG Brandenburg, Beschluss vom 6. November 2007 - Verg W 12/07, VergabeR 2008, 676).
84Der unter diesem Punkt festgestellte Verstoß gegen Vergabevorschriften erfordert ein Untersagen des Zuschlags. Die Vergabestelle kann einen Zuschlag fehlerfrei nur vornehmen, wenn sie das Vergabeverfahren in den Stand vor Übersenden berichtigter Vergabeunterlagen und Aufforderung zur (erneuten) Angebotsabgabe zurückversetzt.
85(4) Ein Transparenzmangel liegt ebenso bei den Unterkriterien B 19 und B 20 (Version 2) vor. Die Vergabestelle hat angegeben:
86[B 19] Beschreiben Sie, welche Supportleistungen Sie erbringen können, die über die in der Vergabeunterlage beschriebenen Anforderungen hinausgehen. Geben Sie beispielsweise an, wenn der Support über die geforderte Servicezeit hinaus erreichbar ist. Beschreiben Sie auch, welche Unterstützungsleistungen der Support bei IT-Sicherheitsvorfällen (z.B. Virenbefall oder schwerwiegende Probleme mit der Software) bietet. Gehen Sie ggf. auch auf die Möglichkeit einer Vor-Ort-Betreuung ein. Kennzeichnen Sie deutlich, ob eine Leistung kostenlos ist oder extra berechnet wird.
87[B 20] Beschreiben Sie, welche Supportleistungen Sie erbringen können, die über die in der Vergabeunterlage beschriebenen Anforderungen hinausgehen. Geben Sie beispielsweise an, welche Unterstützungsleistungen der Support bei IT-Sicherheitsvorfällen (z.B. Virenbefall oder schwerwiegende Probleme mit der Software) bietet. Gehen Sie ggf. auch auf die Möglichkeit einer Vor-Ort-Betreuung ein. Kennzeichnen Sie deutlich, ob eine Leistung kostenlos ist oder extra berechnet wird (Kursivdruck jeweils vom Senat angebracht).
88Die Anforderungen enthalten, so auch die Vergabekammer, insoweit zulässige funktionale Elemente. Dabei haben auch Angaben dazu verlangt werden können, ob Leistungen besonders berechnet werden sollen oder nicht. Darin ist entgegen der Annahme der Beschwerde nichts Anstößiges zu sehen.
89Zu bemängeln ist jedoch, dass - ein Transparenzmangel - wiederum die Bewertungsmaßstäbe im Unklaren geblieben sind, welche Punktzahl für das Angebot der beschriebenen Leistungen gegebenenfalls vergeben werden soll, mit der Folge, dass Bieter nicht im vorhinein haben erkennen können, wie die angebotene Leistung bewertet wird. Dies ist einer spekulativen Erwartung der Bieter überlassen worden, was umgekehrt Raum für Manipulation bei der Angebotswertung eröffnet hat. Auch dieser Mangel führt zu einer Untersagung des Zuschlags. Die Vergabestelle muss auch insoweit die Vergabeunterlagen bereinigen und Bietern die Gelegenheit zu erneuten Angeboten erteilen.
90Ein Verstoß gegen das Gebot einer eindeutigen und vollständigen Leistungsbeschreibung (§ 15 Abs. 2 VSVgV) oder gegen das Gebot eines Zuschlags auf das wirtschaftlichste Angebot (§ 34 Abs. 2, 3 VSVgV) ist entgegen der Beschwerde im Streitfall indes nicht festzustellen. Dazu genügt der Hinweis auf den funktionalen Charakter der gestellten Anforderungen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VII-Verg 7/13 m.w.N., Aldi-Bad.
91Ebenso wenig hat die Vergabestelle, so die Beschwerde, das Vergabeverfahren verbotenerweise (vgl. § 10 Abs. 4 VSVgV) lediglich zu Zwecken einer Markterkundung durchgeführt. Davon kann bei der vorliegenden differenzierten Ausschreibung nicht gesprochen werden. Die Auslegung ergibt vielmehr, dass die Vergabestelle an dieser Stelle - über den ausgeschriebenen Leistungskanon hinaus - Bedarfsleistungen hat angegeben und gegebenenfalls bepreist sehen wollen, welche sie, so auch die Vergabekammer, je nach Eventualität und entstehenden (Zusatz-)Kosten unkompliziert, und zwar ohne eine erneute Ausschreibung, allein durch einseitige Erklärung würde beauftragen können. Dies ist für einen fachkundigen und verständigen Bieter hinreichend deutlich gemacht worden. Die Beanstandung der Beschwerde, Bedarfspositionen seien äußerlich nicht klar und eindeutig gekennzeichnet gewesen, ist deswegen hinfällig.
92Dasselbe hat bei einem Virenschutz für weitere Anwendungsfälle zu gelten (siehe Kriterienkatalog unter A 6 - von den Verfahrensbeteiligten Informationskriterium genannt): Die Vergabestelle hat dazu formuliert:
93[11] (L) Stellen Sie im Angebot dar, welche Produkte Sie als Ergänzung zu den geforderten Komponenten für sinnvoll halten.
94Zeigen sie dabei auch Wege auf, wie zukünftige Ergänzungen des Produktportfolios für die Bundesverwaltung zugänglich gemacht werden können (z.B. durch einen festen Rabattsatz auf das gesamte Security-Portfolio).
95Sie haben an dieser Stelle auch die Möglichkeit, entsprechende Vertragsoptionen anzubieten, die über Rahmenverträge der Bundesverwaltung zur Verfügung gestellt werden könnten.
96Wichtig: Geben Sie bei allen Produkten an, ob sie im Preis inbegriffen sind oder optional eingekauft werden können. Geben Sie alle Preise im Preisblatt an (Kursivdruck durch den Senat).
97Auch hier handelt es sich um funktionale Leistungsanforderungen, welche die Vergabestelle in nicht zu beanstandender Weise hat stellen dürfen. Sie betreffen hinreichend erkennbar („als Ergänzung zu den geforderten Komponenten“) ebenfalls Bedarfsleistungen, so auch die Vergabekammer, wobei sich die Vergabestelle für den Eventualfall eine Möglichkeit hat schaffen wollen, ohne weitere Formalitäten rasch einen Zusatzauftrag zu erteilen.
98Die Beschwerde beanstandet zusätzlich, die Vergabestelle habe unter C 6 der Leistungsbeschreibung (Version 2 - von ihr als Informationskriterium bezeichnet) verlangt:
99[I 1] Der Auftragnehmer sollte über ein Portfolio verfügen, das die folgenden Einsatzzwecke abdeckt,
100wonach einzelne Leistungsanforderungen aufgeführt worden sind. Die Vergabestelle habe die Erfüllung und deren Grad jedoch nicht als ein Bewertungskriterium herangezogen. Ausweislich der Vergabeunterlagen sei das sog. Informationskriterium bei der Vergabeentscheidung rechtswidrig nicht bewertet worden.
101Die Vergabestelle hat das von der Antragstellerin so genannte Informationskriterium unter C 6 der Leistungsbeschreibung nicht gesondert bewerten müssen. Die darin gestellten Erwartungen sind in der Leistungsbeschreibung und im Kriterienkatalog aufgegangen und sollen darüber einer Bewertung unterzogen werden.
102Im Ergebnis ist dem Antragsgegner ein Zuschlag zu untersagen. Die Vergabestelle hat mit Blick auf die festgestellten Mängel am Bewertungssystem (Bewertungsmaßstäbe) die Vergabeunterlagen zu erneuern und potentiellen Bietern zu ermöglichen, ihre Angebote zu erneuern.
103Die nachfolgenden Ausführungen bringt der Senat für den Fall einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe an, sofern die Antragstellerin bei Verwenden derselben Vergabebedingungen oder Vorkommen derselben vermeintlichen Vergaberechtsverstöße, wie nachstehend erörtert wird, die im vorliegenden Nachprüfungsverfahren erhobenen Beanstandungen im weiteren Vergabeverfahren wiederholt.
104(5) Die Antragstellerin macht ferner geltend, die Vergabestelle habe bei der Angebotswertung andere, nämlich gegenüber dem Kriterienkatalog abgewandelte Angebotsmerkmale gewertet. So lautete der Kriterienkatalog:
105[B 22] Stellen Sie dar, wie Sie die Serviceleistungen erbringen wollen und weisen Sie die Kompetenz und Erfahrung des Servicemanagers nach. Beschreiben Sie auch, welche Möglichkeiten er hat, die Interessen des Nutzers durchzusetzen. …
106Im Rahmen der Angebotswertung ist unter B 22 als berücksichtigungsfähig angegeben worden:
107Stellen Sie dar, wie Sie die Serviceleistungen erbringen wollen und weisen Sie die Kompetenz und Erfahrung des Servicemanagers nach. Gehen Sie auch auf seine organisatorische Einbindung (z.B. Zugehörigkeit zum Auftragnehmer oder Softwarehersteller, Hierarchiestufe, Unternehmenseinheit) ein. … (Kursivdruck durch den Senat).
108Unabhängig davon, dass die Vergabestelle bei der Angebotswertung inhaltlich von den gestellten Vorgaben nicht abgewichen ist, weil sie lediglich gegebenenfalls verwertbare Beweisanzeichen für eine Durchsetzung von Nutzer- oder Auftraggeberinteressen benannt hat, ist darauf hinzuweisen:
109Die Antragstellerin hat in diesem Punkt bei der Bewertung die volle Punktzahl bekommen. Von daher ist auszuschließen, dass ihre Auftragschancen durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß beeinträchtigt worden sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juni 2010 - VII-Verg 10/10 m.w.N.). Die Beschwerde geht an diesem Befund vorbei.
110(6) Die Antragstellerin will der Vergabestelle darüber hinaus eine vergaberechtswidrige Änderung der Vergabeunterlagen (insbesondere von Leistungsanforderungen, Zuschlagskriterien und deren Gewichtung) im Übergang zur zweiten Phase des Verhandlungsverfahrens als Vergaberechtsverstoß angelastet sehen. Sie beruft sich dazu auf Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union. Der gegen die Änderung der Vergabebedingungen im Vergabeverfahren gerichtete Angriff ist unbegründet. Dazu ist auszuführen:
111Die Vergabestelle hat sich in der ersten Version der Ausschreibungsunterlagen vorbehalten, im Anschluss an die erste Verhandlungsrunde die Vergabeunterlagen zu ändern. Später tatsächlich erfolgte Änderungen sind im Ausschreibungstext deutlich hervorgehoben worden.
112Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2006 (X ZB 14/06, Rn. 23) ist anerkannt, dass der öffentliche Auftraggeber, sei es zur Korrektur von Vergaberechtsverstößen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit, die Vergabeunterlagen im laufenden Vergabeverfahren ändern darf, sofern dies nur in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei geschieht. Die Änderungsbefugnis des Auftraggebers bezieht sich auf alle Bestandteile der Vergabeunterlagen (die Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien, Unterkriterien, Gewichtungen etc.).
113Wollte man anderes annehmen, würde der Auftraggeber dazu angehalten, erkannte Rechtsverstöße sehenden Auges zu perpetuieren und ein Nachprüfungsverfahren zu riskieren, in welchem er verliert. Verneinte man eine Änderungsbefugnis aus Gründen der Zweckmäßigkeit, wäre der Auftraggeber gezwungen, eine Lieferung, Dienstleistung oder Bauleistung zunächst einmal zu beschaffen (und zu bezahlen), die er - wenn auch infolge späterer Erkenntnis - wissentlich so gar nicht gebrauchen kann oder will, um anschließend in einem weiteren Vergabeverfahren diejenige Leistung auszuschreiben, die dem Beschaffungsbedarf tatsächlich entspricht. Beides widerspricht den Zielen des Vergaberechts und ist dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzumuten. Es steht überdies im Widerspruch zur anerkannten Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstands und der Modalitäten der Ausschreibung sowie ebenfalls zum Grundsatz der Vertragsautonomie.
114Vorstehendes hat auch und erst recht in Verhandlungsverfahren zu gelten, in denen gerade Raum dafür bestehen soll, in gegebenenfalls mehreren Phasen die vertraglichen Spezifikationen und die Angebote den verhandelten Anforderungen anzupassen und fortzuschreiben, um im Ergebnis das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln.
115Den Anforderungen an Transparenz und Diskriminierungsfreiheit hat die Vergabestelle im Streitfall genügt. Änderungen an den Vergabeunterlagen (Version 2) sind textlich deutlich hervorgehoben worden. Zudem sind Änderungen allen Bietern rechtzeitig mitgeteilt worden, verbunden mit der Aufforderung, ein weiteres, den geänderten Unterlagen entsprechendes Angebot einzureichen.
116Ansprüche solcher Unternehmen (§ 97 Abs. 7 GWB), die sich am Angebotswettbewerb nicht beteiligt haben, kann die Antragstellerin im Prozess zulässigerweise nicht geltend machen, weil es ihr dafür an der Antragsbefugnis mangelt (§ 107 Abs. 2 GWB). Das Geltendmachen einer Rechtsverletzung ist der Rechtsverfolgung durch in ihren Rechten gegebenenfalls beeinträchtigte Unternehmen vorbehalten. Solche Unternehmen haben keinen Nachprüfungsantrag gestellt.
117Die gegen eine Änderungsbefugnis des Auftraggebers hinsichtlich der Vergabebedingungen von der Beschwerde angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfordert weder eine abweichende rechtliche Beurteilung noch das angeregte Vorabentscheidungsersuchen (Art. 267 AEUV).
118Im Urteil vom 4. Dezember 2003 (C-448/01, Wienstrom) hat der Gerichtshof zwar entschieden, die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz bedeuteten für den öffentlichen Auftraggeber, dass sie sich während des gesamten (Vergabe-)Verfahrens an dieselbe Auslegung der Zuschlagskriterien halten müssten (m.w.N., Rn. 92). Für die Zuschlagskriterien habe zu gelten, dass sie während des Vergabeverfahrens nicht geändert werden dürften (Rn. 93).
119Die Beschwerde sucht die genannten Entscheidungssätze im Urteil des Gerichtshofs jedoch zusammenhanglos für ihr Begehren zu nutzen. In dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall war die Vergabeentscheidung vom öffentlichen Auftraggeber getroffen worden (Rn. 21), worauf sich die Frage gestellt hat, ob bei rechtswidriger Wertung aufgrund geänderter Bedingungen eine Aufhebung der Ausschreibung geboten gewesen ist (Rn. 84). Im Streitfall verhält es sich anders: Die Vergabestelle hat die Vergabeunterlagen vor der Vergabeentscheidung im laufenden Verhandlungsverfahren geändert.
120In dem der Entscheidung des EuGH vom 18. November 2010 (C-226/09, Kom/Irland) zugrunde liegenden Fall liegt es nicht anders. Zwar hat der Gerichtshof die vorgenannten Entscheidungssätze des Wienstrom-Urteils wiederholt (Rn. 59 f.), doch hat die Antragstellerin jene Zitate frei vom Zusammenhang, in den sie gestellt worden sind, vorgetragen. Änderungen an Zuschlagskriterien sind nach einer vorläufigen Wertung der Angebote vorgenommen worden (vgl. Rn. 20, 35, 57). Davon unterscheidet sich der Streitfall maßgebend dadurch, dass die Vergabeunterlagen vor einer Angebotswertung geändert worden sind.
121(7) Die Antragstellerin beanstandet darüber hinaus eine unzulässige Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, und zwar insbesondere bei den Kriterien B 21 bis B 24 des Kriterienkatalogs:
122B 21 (L) Stellen Sie dar, wie Sie die Serviceleistungen erbringen wollen. Gehen Sie dabei auf die Zusammensetzung des Serviceteams ein und stellen die Aufgabenverteilung, die fachliche Kompetenz und persönliche Eignung der Mitarbeiter, ihre Erfahrung, ihre organisatorische Einbindung (z.B. Zugehörigkeit zum Auftragnehmer oder Softwarhersteller, Hierarchiestufe, Unternehmenseinheit) und ihre Befugnisse (z.B. Eskalationsmöglichkeiten, Einbeziehung weiterer Experten) dar. Verdeutlichen Sie ihre Angaben, z.B. durch pseudonymisierte Lebensläufe, Organigramme, Prozessabläufe etc.
123B 22 (L) Stellen Sie dar, wie Sie die Serviceleistungen erbringen wollen und weisen Sie die Kompetenz und Erfahrung des Servicemanagers nach. Gehen Sie auch auf seine organisatorische Einbindung (z.B. Zugehörigkeit zum Auftragnehmer oder Softwarehersteller, Hierarchiestufe, Unternehmenseinheit) ein. Verdeutlichen Sie Ihre Angaben, z.B. durch einen pseudonymisierten Lebenslauf. Nehmen sie auch dazu Stellung, wie die Servicemanager, die für die VSP-Nutzer (Bem.: Virenschutzprogramm-Nutzer) der Gruppe 1 eingesetzt werden, mit dem Serviceteam des BSI zusammenarbeiten werden.
124B 23 Dokumentieren Sie Qualifikation und Erfahrung der Mitarbeiter, die für Notfalleinsätze im Rahmen des Premiumservice zur Verfügung stehen. Gehen Sie auch darauf ein, welche zusätzlichen Experten ggf. einbezogen werden können.
125B 24 (L) Bitte beschreiben Sie die angebotenen Beratungsleistungen und gehen dabei auch auf folgende Punkte ein:
126- 127
Anzahl verfügbarer Berater pro Qualifikations-/Erfahrungsstufe
- Zusammensetzung des Beraterteams
- Qualifizierungsmaßnahmen der Berater128
durch Softwarehersteller
- Zusammenarbeit129
zwischen Softwarehersteller, Support, Beratern
- Beratungskapazitäten im ersten Jahr
- 130
Mögliche Maßnahmen zur Bewältigung eines erhöhten Beratungsbedarfs
(Kursivdruck jeweils durch den Senat)
132Vorauszuschicken ist, dass Bestimmungen der neuen Richtlinie 2014/24/EU, namentlich deren Art. 67 Abs. 2 UA 1 Buchst. b, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sind, weil das Vergabeverfahren der Richtlinie 2009/81/EG unterfällt. Zudem hat das Verfahren vor dem Inkrafttreten der Richtlinie begonnen und haben die beanstandeten Vorkommnisse vor diesem Zeitpunkt stattgefunden. Im Streitfall ist die Richtlinie 2009/81/EG (respektive die Richtlinie 2004/18/EG) anzuwenden.
133Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Eignung der Bieter und die Wirtschaftlichkeit der Angebote aus in der Natur der Sache liegenden Gründen unabhängig voneinander zu prüfen sind. Die Eignungsprüfung gibt eine unternehmensbezogene Untersuchung wieder, wohingegen die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht die konkurrierenden Unternehmen, sondern leistungsbezogen die Angebote betrifft (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 129/06, Sporthallenbau).
134Die Rechtsprechung des EuGH ist gleichlautend gewesen. Der EuGH hat in mehreren Urteilen entschieden, dass als Zuschlagskriterien Kriterien ausgeschlossen sind, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - C-532/06, Lianankis, Rn. 30, sowie daran anschließend Urteil vom 12. November 2009 - C-199/07, Kom/Griechenland, Rn. 55).
135Davon ausgehend hat sich auch in der Rechtsprechung der Vergabesenate der Oberlandesgerichte der Grundsatz herausgebildet, dass Eignungsmerkmale vom öffentlichen Auftraggeber bei der Zuschlagswertung nicht verwendet werden dürfen.
136Auf der Grundlage, dass das Lianakis-Urteil zur Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG ergangen ist, die durch die im zugrundeliegenden Streitfall anzuwendende Richtlinie 2004/18/EG aber aufgehoben worden ist, hat der EuGH durch Urteil vom 26. März 2015 (C-601/13, Ambisig) jedoch entschieden, das Lianakis-Urteil schließe nicht aus, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Eignungsmerkmale bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung angewendet werden dürfen (Rn. 25 ff.).
137Das Lianakis-Urteil betreffe tatsächlich nur das Personal und die Erfahrung der Bieter im Allgemeinen und nicht das Personal und die Erfahrung der Personen, die ein bestimmtes Team bilden, das ganz konkret den Auftrag ausführen soll.
138Auch hat der EuGH im Urteil vom 26. März 2015 darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 2004/18 in Art. 53 Abs. 1 neue Elemente für die Angebotswertung eingeführt habe.
139Erstens bestimme Art. 53 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2004/18, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot „aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers“ zu ermitteln sei und räume dem öffentlichen Auftraggeber dadurch einen größeren Ermessensspielraum ein. Nichts anderes hat im Übrigen in Ansehung des wortlautgleichen Art. 47 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2009/81 für verteidigungs- und sicherheitsrelevante Aufträge zu gelten.
140Zweitens heiße es in Absatz 3 des 46. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2004/18, dass in den Fällen, in denen der Zuschlag dem Bieter zu erteilen ist, welcher das wirtschaftlich günstigste Angebot eingereicht hat, das Angebot mit dem „besten Preis-Leistungs-Verhältnis“ zu bestimmen sei, was das Gewicht der Qualität bei den Zuschlagskriterien für öffentliche Aufträge verstärke. Dahin geht auch der 71. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/81.
141Außerdem, so der Gerichtshof, seien die Kriterien, die die öffentlichen Auftraggeber für die Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots berücksichtigen können, in Art. 53 Abs. 1 Richtlinie 2004/18 nicht abschließend aufgezählt (genauso wenig wie in Art. 47 Abs. 1 der hier maßgebenden Richtlinie 2009/81). Diese Bestimmungen überlassen daher der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, welche Zuschlagskriterien sie zur Bewertung des besten Angebots heranziehen wollen. Diese Wahlmöglichkeit kann sich dem Gerichtshof zufolge jedoch nur auf Kriterien erstrecken, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen. Deshalb schreibt Art. 53 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2004/18 (und genauso Art. 47 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2009/81) ausdrücklich vor, dass die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen müssen, was im Streitfall nicht in Frage steht.
142Die Qualität der Ausführung eines öffentlichen Auftrags, so der Gerichtshof, kann jedoch maßgeblich von der beruflichen Qualifikation der mit der Ausführung beauftragten Personen abhängig sein, die sich aus ihrer beruflichen Erfahrung und ihrer Ausbildung zusammensetze. Dies gelte insbesondere, wenn die Dienstleistung, die Gegenstand des Auftrags sei, einen intellektuellen Charakter aufweise und wie im Ausgangsverfahren Fortbildungs- und Beratungsdienstleistungen betreffe.
143Wenn ein solcher Auftrag von einem Team ausgeführt werden solle, seien die Befähigung und die Erfahrung dieser Personen für die Bewertung der beruflichen Qualität dieses Teams ausschlaggebend. Diese Qualität könne ein wesentliches Merkmal des Angebots sein und mit dem Auftragsgegenstand im Sinne von Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 zusammenhängen.
144Folglich dürfe diese Qualität als Zuschlagskriterium in der betreffenden Ausschreibungsbekanntmachung oder in den betreffenden Verdingungsunterlagen aufgeführt werden.
145Unter Zugrundelegen der Entscheidungssätze des Urteils des EuGH vom 26. März 2015 (C-601/13) sind die beanstandeten Kriterien im Kriterienkatalog nicht zu kritisieren. Sie beziehen sich, worauf auch die Vergabekammer erkannt hat, auf Merkmale, die in Übereinstimmung mit dem Urteil des Gerichtshofs für die Auftragsausführung relevant sind. Die ausgeschriebenen Service- und Beratungsleistungen sind von einem Team zu erfüllen. Die Qualität der Ausführung hängt maßgebend von der Zusammensetzung des Teams ab, an welches die Anforderung gestellt ist, intellektuelle Dienstleistungen zu erbringen.
146Eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof ist in diesem Punkt nicht geboten, weil der EuGH als übergeordnetes Gericht die Streitfrage entschieden hat.
147(8) Die Antragstellerin rügt ebenfalls erfolglos, die Ausschreibung berge unzumutbare Kalkulationsrisiken, weil die Vergabestelle die Zahl der zu erwartenden Einzelaufträge sowie deren Umfang nicht durch eine genaue Bedarfsabfrage im Vorfeld der Ausschreibung ermittelt und nicht bekannt gegeben habe. Dazu ist auszuführen:
148Das früher in der VOL/A bestehende Verbot einer Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse auf Bieter/Auftragnehmer ist mit der Vergaberechtsreform des Jahres 2009 weggefallen (vgl. u.a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - VII-Verg 54/11 - sowie zuletzt Beschluss vom 20. Februar 2013 - VII-Verg 44/12; OLG München, Beschluss vom 6. August 2012- Verg 14/12; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. November 2012 - 1 Verg 6/12; OLG Schleswig, Beschluss vom 25. Januar 2013 - 1 Verg 6/12). In der im Streitfall anzuwendenden VSVgV hat das Verbot nie bestanden.
149Seither hat sich bei den Vergabesenaten der OLG die Meinung durchgesetzt, der Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens könne lediglich unzumutbare Anforderungen (Wagnisse) in den Vergabeunterlagen mit Erfolg beanstanden (vgl. dazu im Einzelnen u.a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - VII-Verg 54/11).
150Einen gewissen Gegenpol dazu bilden Entscheidungen des OLG Dresden (Beschlüsse vom 2. August 2011 - Verg 4/11 - und vom 28. November 2013 - Verg 6/13) sowie des OLG Jena (Beschluss vom 22. August 2011 - 9 Verg 2/11), nicht jedoch die Entscheidung des EuGH vom 11. Oktober 2007 (C-241/06, Lämmerzahl), auf die sich die Beschwerde beruft.
151Im Entscheidungsfall soll eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden. Die Entscheidung des Gerichtshofs in der Sache Lämmerzahl enthält indes keinen Hinweis darauf, dass es auch in jener Sache um den Abschluss einer Rah-menvereinbarung gegangen ist (vgl. Rn. 1, 38, 40 f.). Von daher gibt dieses Urteil des EuGH ebenso wenig einen Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen über die Auslegung des EU-Rechts.
152Beim beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der Leistungsbeschreibung geringer als bei einer gewöhnlichen Ausschreibung anzusetzen, was in der Ungewissheit von Einzelaufträgen und von deren Volumen begründet liegt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VOL/A-EG ist bei Rahmenvereinbarungen das in Aussicht genommene Auftragsvolumen demnach lediglich so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben.
153In der VSVgV fehlt eine gleichlautende Bestimmung. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 VSVgV dürfen Auftraggeber das Instrument der Rahmenvereinbarung aber nicht missbräuchlich oder in einer Weise verwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird. Daraus folgt, dass der öffentliche Auftraggeber Bietern auch im Anwendungsbereich der VSVgV, um eine wettbewerbskonforme Auftragsvergabe zu gewährleisten, hinsichtlich des Auftragsumfangs diejenigen Angaben zu machen hat, die ihm, um einen Eingang wettbewerblich vergleichbarer Angebote zu sichern, liquide verfügbar oder die in zumutbarer Weise zu beschaffen sind und welche die Bieter für eine seriöse Kalkulation der Angebote benötigen, ohne auf mehr oder minder willkürliche Schätzungen angewiesen zu sein.
154Dabei ist freilich darauf hinzuweisen, dass der Auftraggeber riskante Leistungen durchaus ausschreiben darf, die er lediglich ergebnisorientiert definiert und in der Menge bestenfalls hochgerechnet (geschätzt), aber nicht in allen Einzelheiten zuvor ermittelt hat (so auch OLG Naumburg, Urt. v. 22. Januar 2002 - 1 U (Kart) 2/01, BeckRS 2002, 30234008).
155Auch gibt es kein gesetzliches Verbot, bestimmte Vertragsrisiken, selbst wenn sie gewichtig sind und nach dem Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuchs - wie etwa das Risiko, die Leistung oder Lieferung überhaupt gebrauchen zu können (das Verwendungsrisiko) - prinzipiell vom Auftraggeber zu tragen sind, auf den Auftragnehmer zu verlagern. Ebenso wenig sind Bieter/Auftragnehmer rechtlich gehindert, ein solches Risiko zu übernehmen (so BGH, Urt. v. 27. Juni 1996 - VII ZR 59/95, Kammerschleuse, BauR 1997, 126, NJW 1997, 61). Die schuldrechtlichen Vorschriften des BGB sind in der Regel abänderbar. Es besteht Vertragsfreiheit, wobei die getroffenen Abreden im Allgemeinen lediglich einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB und im Vergaberecht einer Kontrolle auf Zumutbarkeit unterliegen.
156Schuldrechtlich betrachtet sind schließlich auch einseitig verpflichtende Verträge statthaft, mithin solche, die keine Abnahmepflicht des Auftraggebers, sondern lediglich eine Dienstleistungs- oder Lieferverpflichtung des Auftragnehmers vorsehen (BGH, Urteil vom 18. Januar 1989 - VIII ZR 311/87, NJW 1990, 1233 m.w.N.). In vergaberechtlicher Hinsicht ist dies gerade auch in Bezug auf Rahmenvereinbarungen gutgeheißen worden (BayObLG, Beschl. v. 17. Februar 2005 - Verg 27/04, NZBau 2005, 595, VergabeR 2005, 349, 355; 3. Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 28. Januar 2005 - VK 3-221/04 unter II. a.E.; Otting, VergabeR 2005, 356, 357; Graef, NZBau 2005, 561, 565; Jacoby, VergabeR 2004, 768, 771).
157Im Streitfall hat die Vergabestelle in den Teilnahmeunterlagen die Zahl der Bundesbehörden und Stellen (240) nebst der Anzahl der Bediensteten (insgesamt 325.000) benannt, die für eine Nutzung der abgeschlossenen Vereinbarungen in Frage kommen. Die in Betracht kommenden Nutzer sind im Einzelnen nach Gruppen und nach ausgeschriebenen Leistungen aufgeschlüsselt worden. Dasselbe ist in den Preisblättern geschehen. Bieter wie die Antragstellerin verfügen für gewöhnlich aus ihrer Geschäftstätigkeit heraus zudem über Erfahrungen, aus der sie - branchentypisch sowie gemessen an der Zahl der angeschlossenen Nutzer und der Bediensteten - auf eine mehr oder weniger bestimmte Anzahl von Abrufen mit gewissen Bandbreiten schließen und praktikable Erwartungen anstellen können, die als Grundlage für die Kalkulation herangezogen werden können. Dies hat die Antragstellerin weder in Abrede gestellt noch widerlegt. Von daher haben die Angaben der Vergabestelle eine hinreichend zuverlässige Kalkulation ermöglicht.
158Ohne Erfolg will die Antragstellerin die Vergabestelle unter Berufung auf die Entscheidungen des OLG Dresden und des OLG Jena (siehe oben) zu einer (im Streitfall unterbliebenen) umfassenden Bedarfsabfrage bei den angeschlossenen Stellen des Bundes und deren Bediensteten verpflichtet und ermittelt sehen, welche Anzahl von Einzelabrufen durch welche Stellen zu erwarten sind. Zu einem derartigen Vorgehen ist der öffentliche Auftraggeber nicht generell verpflichtet. Dies hätte ihn im Streitfall dazu angehalten, zum Preis sehr hoher Kosten und eines beträchtlichen Zeitbedarfs bei weit über 200 Behördenstellen mit mehr als 300.000 Beschäftigten eine geradezu gigantische Meinungsumfrage vorzunehmen. Solches ist dem Auftraggeber wegen des damit verbundenen extremen Aufwands bei der Durchführung und Auswertung einer solchen Umfrage nicht zuzumuten. Da die Vergabestelle auf Umfragen solchen Ausmaßes erfahrungsgemäß personell und sachlich nicht eingerichtet ist, hätte damit sehr wahrscheinlich auch ein externer Dienstleister beauftragt werden müssen, der zuvor in einem weiteren Vergabeverfahren zu ermitteln gewesen wäre.
159Der dem öffentlichen Auftraggeber bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen zumutbare Aufwand ist mit Rücksicht auf den vergaberechtlich bezweckten, möglichst raschen Abschluss des Vergabeverfahrens durch Erteilen des Zuschlags, aber auch wegen der dem öffentlichen Auftraggeber in nicht unbegrenztem Umfang zu Gebote stehenden verwaltungsmäßigen und finanziellen Ressourcen, zu beschränken (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2009 - VII-Verg 39/09, Stadtschloss Berlin m.w.N.).
160Es darf angenommen werden, dass die Oberlandesgerichte Dresden und Jena (siehe oben) in einem solchen Extremfall nicht anders entschieden hätten, so dass von einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof abzusehen ist. Ohnedies ist nicht festzustellen, die von der Antragstellerin begehrte umfassende Bedarfsanalyse habe die Angebotskalkulation auf eine tatsächlich gesicherte Grundlage stellen können. Der tatsächliche Bedarf weicht von solcherart umfrageunterstützten Prognosen erfahrungsgemäß oftmals - auch erheblich - ab.
161(9) Die Beschwerde wendet sich ebenfalls zu Unrecht dagegen, dass die Vergabestelle unter Gliederungspunkt B 8 der Vergabeunterlagen vorgegeben hat:
162Es ist unzulässig, mehrere Hauptangebote abzugeben. Sollten Sie dennoch mehrere Hauptangebote einreichen, werden alle Ihre Angebote von der Wertung ausgeschlossen.
163Die Beschwerde meint kurz zusammengefasst, der Senat habe durch den Beschluss vom 9. März 2011 (VII-Verg 52/10) eine Abgabe mehrerer Hauptangebote unumschränkt zugelassen. Durch den von der Vergabestelle angeordneten Ausschluss mehrerer Hauptangebote sei sie, die Antragstellerin, im Wettbewerb benachteiligt, nämlich daran gehindert worden, ein preislich günstigeres (weiteres) Hauptangebot einzureichen.
164Der Beschwerdevortrag offenbart, dass die Entscheidung des Senats vom 9. März 2011 missverstanden worden ist. Der Senat hat mehrere Hauptangebote in jener Entscheidung keineswegs vorbehaltlos zugelassen. Gegenstand des entschiedenen Falls waren Verblendarbeiten. Vereinfacht gesagt schrieb der Auftraggeber die Verwendung von Klinkern einer bestimmten Rohdichteklasse aus, alternativ ein bestimmtes Fabrikat und abermals alternativ ein gleichwertiges Produkt. Der Antragsteller bot zu allen drei Varianten an, wobei er Angebote zu den als alternativ beschriebenen Varianten als „Nebenangebote“ bezeichnete.
165Ein solches Bieterverhalten ist in der Vergabepraxis vor allem bei sog. produktorientierten Ausschreibungen zu beobachten, bei denen Bieter durch Angebote zu sämtlichen vom Auftraggeber festgelegten Spezifikationen das Ziel verfolgen, mit einem Angebot auf jeden Fall im Auftragswettbewerb zu bleiben. Der Senat hat die sog. Nebenangebote in einem solchen Fall als technisch voneinander abweichende Hauptangebote bewertet und zugelassen.
166Um Nebenangebote im Rechtssinn handelte es sich nicht, weil sämtliche Angebote mit den technischen Spezifikationen des Leistungsverzeichnisses übereinstimmten, mithin das Wesensmerkmal des Nebenangebots, von Vorgaben der Vergabeunterlagen abzuweichen, nicht gegeben war.
167Damit hat der Senat jedoch mehrere Hauptangebote nicht generell zugelassen. Dies kann ebenso wenig aus der Senatsentscheidung vom 1. Oktober 2012 (VII-Verg 34/12) gefolgert werden.
168Zwar hat das OLG München bei der Frage einer Zulassung mehrerer Hauptangebote in mehreren Entscheidungen (lediglich) die Einschränkung angebracht, dass sich mehrere Hauptangebote, um zugelassen zu sein, in technischer Hinsicht voneinander unterscheiden müssen (OLG München, u.a. Beschlüsse vom 29. Oktober 2013 - Verg 11/13 - und vom 25. November 2013 - Verg 13/13; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. März 2011 - VII-Verg 52/10 und Beschluss vom 1. Oktober 2012 - VII-Verg 34/12). Bereits unter diesem Gesichtspunkt scheitert jedoch der Angriff der Antragstellerin. Sie will sich durch den Ausschluss mehrerer Hauptangebote lediglich daran gehindert gesehen haben, ein preislich günstigeres, weiteres Hauptangebot abzugeben. Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof ist mangels Entscheidungserheblichkeit deswegen nicht veranlasst.
169Hinzu kommt: Der öffentliche Auftraggeber erwartet auf Ausschreibungen für gewöhnlich lediglich ein Bieterangebot, sofern Nebenangebote nicht zugelassen oder die im Beschluss des OLG Düsseldorf vom 9. März 2011 genannten Besonderheiten (alternativ gestaffelte Ausschreibung) nicht zu verzeichnen sind. Normalerweise, so auch im Streitfall, wird eine bestimmte Lieferung oder Leistung ausgeschrieben, über deren Bezuschlagung nach vorher festgelegten Kriterien entschieden werden soll. Generell nicht ausgeschrieben werden hingegen verschiedene Leistungen in der Weise, dass nach späterer Wahl des Auftraggebers nur eine von ihnen zu erbringen ist und die zunächst unbestimmte (alternative) Leistung durch Wahl des Auftraggebers auf eine bestimmte Leistung konkretisiert werden soll (Wahlleistungen/Wahlschuld, § 262 BGB). Eine solche Wahl will der Auftraggeber für gewöhnlich, so auch im Entscheidungsfall, nicht treffen.
170Dies ist rechtlich nur anders zu beurteilen, sofern der Auftraggeber durch die Gestaltung der Vergabeunterlagen inhaltlich verschiedene Hauptangebote veranlasst oder sonst dazu aufgefordert hat (siehe zum vergleichbaren Fall einer Skontogewährung: BGH, Urteil vom 11. März 2008 - X ZR 134/05), zum Beispiel durch eine alternativ gestaffelte Ausschreibung wie in dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 9. März 2011 (VII-Verg 52/10) zugrundeliegenden Fall. In allen anderen Fällen geben Bieter durch mehrere Hauptangebote Alternativangebote ab, die vom Auftraggeber nicht gefordert worden, die unbestimmt sind und die deswegen auch infolge einer Abweichung von den Vergabeunterlagen insgesamt einem Wertungsausschluss unterliegen.
171Im Entscheidungsfall hat die Vergabestelle zu mehreren Hauptangeboten keine Vernalassung gegeben. Mehrere Hauptangebote (Alternativangebote) sind demnach unstatthaft gewesen. Die Anordnung eines Ausschlusses im Fall mehrerer Hauptangebote in den Vergabeunterlagen hat lediglich eine für die Bieter klarstellende Bedeutung gehabt.
172(10) Die Vergabestelle hat in den Besonderen Bewerbungsbedingungen außerdem angegeben:
173B. 13.3 Erwarteter Umfang der Antworten
174Die Fragen an die Bieter können entweder nur mit „ja/nein“, mit kurzen Stellungnahmen oder längeren Ausführungen beantwortet werden. Der erwartete Umfang der Antworten ist mit folgenden Parametern bezeichnet:
175- 176
J / N : Die Frage ist mit „J“ = „ja“ oder „N“ = „nein“ zu beantworten
- 177
K : Es wird eine kurze Antwort mit ca. 200 Worten Umfang erwartet
- 178
L : Es wird eine lange Antwort mit ca. 1.000 Worten Umfang erwartet
Die Parameter „K“ und „L“ sollen den Bietern eine Vorstellung bezüglich des ungefähren, von der Vergabestelle erwarteten Umfangs der Antwort geben.
180Im Einzelfall können die Bieter nach eigenem Ermessen davon abweichen, wenn sie der Auffassung sind, dass sich ihr Angebot dann besser darstellen lässt. Bei extremen, nicht mehr nachvollziehbaren Abweichungen (z.B. mehrere 1.000 Worte bei einem K-Kriterium) kann es zu einer Abwertung führen, insbesondere wenn der Aufwand die Vergabestelle unzumutbar hoch wird oder die Gleichbehandlung der Bieter nicht mehr gewahrt ist.
181Die Beschwerde ist der unbegründeten Ansicht, die Begrenzung möglicher Bieterangaben stehe mit der Entscheidung des Senats vom 12. September 2012 (VII-Verg 108/11, Anzahl von Referenzen) nicht im Einklang und sei daher rechtswidrig.
182Aus dem vorgenannten Senatsbeschluss sind jedoch falsche Schlussfolgerungen gezogen worden. Der Senat hat darin ausdrücken wollen, dass der öffentliche Auftraggeber die Anzahl einzureichender und zu wertender Referenzen durchaus begrenzen, dass er die Eignungswertung jedoch nicht auf bestimmte Referenzen (unter Nr. 1 bis 3 eingereichte) beschränken darf, sondern darüber hinaus eingereichte Referenzen berücksichtigen und werten muss.
183Davon abgesehen: Die Vergabestelle hat aufgrund der vorstehend wiedergegebenen Bedingungen keineswegs ausgeschlossen, dass sie auch überlange Bieterausführungen zur Kenntnis nehmen und bewerten wird. Dies ist in dem vom Senat entschiedenen Fall anders gewesen.
184Zudem ist die Antragstellerin aufgrund der beanstandeten Bestimmung in den Auftragschancen nicht geschädigt worden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juni 2010 - VII-Verg 10/10 m.w.N.). Ihr Angebot ist, wie außer Streit steht, wegen überlanger Ausführungen im Angebot nicht abgewertet worden. Die mit der Beschwerde vorgebrachte Behauptung, sie, die Antragstellerin, hätte ohne die vermeintlich abschreckende Wirkung der beanstandeten Vergabebedingung ein Angebot mit besseren Zuschlagsaussichten abgeben können, ist ohne tatsächliche Substanz und darum für die Entscheidung unbeachtlich.
185Ohne Erfolg rügt die Beschwerde des Weiteren die Vorgabe unter B 11 der Besonderen Bewerbungsbedingungen:
186Bei der Beantwortung der Fragen bzw. bei der Ausarbeitung der Angaben und Lösungsentwürfe sind folgende Vorgaben zu beachten:
187…
188- 189
Fragen müssen in geschlossener Form beantwortet werden: Querverweise auf Antworten zu anderen Fragen werden bei der Bewertung eines Kriteriums von der Vergabestelle grundsätzlich als nicht zu bewertende, nicht relevante Zusatzinformation angesehen.
Die Beschwerde befürchtet zu Unrecht eine unvollständige Berücksichtigung der Angebotsinhalte. Der Ausschluss von Verweisungen bei der vorliegenden umfangreichen Ausschreibung verfolgt erkennbar den Zweck, den Wertungsaufwand der Vergabestelle zu begrenzen sowie Widersprüchlichkeiten und Missverständlichkeiten im Angebot - einer erfahrungsgemäß nicht selten anzutreffenden Folge von Verweisungen - entgegenzuwirken. Zudem sollen Fälle einer - ihrerseits fehleranfälligen - Auslegung des Angebots und einer unter Umständen zeitraubenden Aufklärung über den Inhalt nach Möglichkeit vermieden werden.
191Eine Kenntnisnahme von Verweisungen und eine Bewertung sind keineswegs generell ausgeschlossen worden, wovor der Zusatz „grundsätzlich“ schützt.
192Bei diesem Befund ist an der kritisierten Bestimmung nichts auszusetzen. Einschränkungen der beanstandeten Art sind Bietern zuzumuten. Mit Rücksicht auf die technischen Möglichkeiten von Textverarbeitungsprogrammen ist der ihnen dadurch entstehende Mehraufwand bei der Ausarbeitung des Angebots begrenzt. Ungeachtet dessen kann ausgeschlossen werden, dass der Antragstellerin aufgrund der beanstandeten Vorgabe Nachteile bei der Wertung ihres Angebots widerfahren sind. Solche macht die Antragstellerin selbst nicht geltend, wozu mindestens auch der - allerdings unterbliebene - Vortrag gehört hätte, dass sie in ihrem Angebot von Verweisungen überhaupt Gebrauch gemacht hat.
193(11) Die Antragstellerin beanstandet ferner einen Verstoß der Vergabestelle gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs sowie einen Vorgang, den sie so darstellt, als sei sie von der Vergabestelle in der ersten Verhandlungsrunde dazu veranlasst worden, bei einer bestimmten Leistungsposition ihren Angebotspreis so weit anzuheben, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei.
194Dazu ist festzustellen: Es sind, wie die Vergabekammer richtig ausgeführt hat, weder im Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, dass die Vergabestelle der Antragstellerin Inhalte der Angebote der Wettbewerber oder umgekehrt Wettbewerbern Inhalte des Angebots der Antragstellerin mitgeteilt und infolge dessen den Geheimwettbewerb verletzt hat.
195Allerdings hat, wie außer Streit steht, die Vergabestelle die Antragstellerin in der ersten Verhandlungsrunde darauf hingewiesen, dass ihr Angebotpreis insbesondere bei der Position „Servicepaket BSI“ ungewöhnlich niedrig sei. Der Abstand zum nächsthöheren Angebot hat mehr als 20 % betragen. Gegen einen derartigen Hinweis ist nichts einzuwenden. Die Vergabestelle ist dazu berechtigt gewesen, wenn nicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 VSVgV im Rahmen einer Aufklärung über einen ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis, die sich nach dem Wortlaut der Norm gerade auch auf die Einzelpositionen zu beziehen hat, dann gemäß allgemeinen Grundsätzen, wonach sich der Auftraggeber - ohne über Angebote unstatthaft zu verhandeln und eine Änderung zu ermöglichen - bis zur Zuschlagserteilung im Wege der Aufklärung über den Inhalt der Angebote und die Angemessenheit der Preise von einem Bieter stets unterrichten lassen darf.
196Davon, die Vergabestelle habe bei dieser Gelegenheit gezielt auf die Antragstellerin eingewirkt, den betreffenden Positionspreis zu erhöhen, kann nicht gesprochen werden. In die im Anschluss an die erste Verhandlungsrunde ausgegebenen Vergabeunterlagen der Version 2 ist, für sämtliche Bieter gleichermaßen, vielmehr die Vorgabe aufgenommen worden, der Kalkulation bei der genannten Position als Faktor 200 Personentage pro Jahr zugrundezulegen. Dies hat ersichtlich dazu gedient, vergleichbare Angebote zu erreichen sowie unwillkommene Abrechnungsschwierigkeiten und/oder Rechnungsnachträge zu vermeiden.
197Der Vortrag der Beschwerde, es sei nicht auszuschließen, dass entsprechende Angaben (gemeint ist möglicherweise ein Hinweis auf die Unangemessenheit von Preisen) von der Vergabestelle auch gegenüber anderen Bietern gemacht worden seien, ist prozessual unbeachtlich, weil die Antragstellerin keine objektiven Anhaltspunkte für irgendwelche Erklärungen der Vergabestelle gegenüber anderen Bietern hat, diese daher nicht zulässig behaupten kann und auch nicht behauptet, sondern nach eigenem Vorbringen lediglich nicht ausschließen will (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, Polizeianzüge, Rn. 39).
198Der Umstand, dass solche Erklärungen der Vergabestelle gegenüber anderen Bietern nicht vermerkt worden sind, lässt im Übrigen entgegen der Beschwerde auf keinen Dokumentationsmangel schließen. Sofern es keine Erklärungen gegeben hat, ist darüber auch nichts zu dokumentieren gewesen.
199Schließlich kann die Preiskorrektur, welche die Antragstellerin auf Veranlassung der Vergabestelle angebracht haben will, ebenso wenig dazu geführt haben, dass ihr Angebot bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung schlechter bewertet worden ist als jenes der Beigeladenen. Die Kalkulationsvorgabe (Faktor 200) ist von allen Bietern gleichermaßen zu beachten gewesen.
200(12) Die Antragstellerin bemängelt darüber hinaus ohne Erfolg die Dokumentation des Vergabeverfahrens. Dazu ist festzustellen: Es liegen in den Vergabeakten vor
201- der Vergabevermerk vom 27. August 2013 über die anzuwendende Verfahrensart (Verhandlungsverfahren nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VSVgV),
202- ein undatierter Vergabevermerk, der mit der Veröffentlichung des Beschaffungsvorhabens endet,
203- undatierte Angebotsauswertungen in tabellarischer Form
204- sowie ein undatierter Vergabevermerk, welcher die Ergebnisse der einzelnen Phasen der Angebotswertung sowie namentlich auch die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitswertung textlich zusammenfasst (mit Schriftsatz vom 15. August 2014 von der Antragsgegnerin zum Verfahren vor der Vergabekammer eingereicht).
205Gemäß § 43 Abs. 1 VSVgV ist das Vergabeverfahren von Beginn an in einem Vergabevermerk fortlaufend zu dokumentieren, um die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festzuhalten. Dies ist unterblieben. Es ist weder eine nachvollziehbar fortlaufende und zeitgerechte Dokumentation erstellt, noch sind die Verhandlungen in der ersten Phase und die Ergebnisse dargestellt worden. In dem mit Schriftsatz vom 15. August 2014 von der Antragsgegnerin zu den Akten gereichten Vergabevermerk sind lediglich die Daten von Verhandlungen sowie die Gegenstände beschrieben worden. Über die Inhalte ist nichts vermerkt.
206Sprachliche Fehlgriffe wie die von der Antragstellerin zitierte „Vergabe der Dienstleistung ‚Testamentsverzeichnisüberführung’“ oder die „Bekanntmachung des nicht offenen Verfahrens“ fallen dabei nicht ins Gewicht. Sie stellen offensichtliche Schreibfehler dar, werfen aber ein Licht auf die Sorgfalt und die nicht nachhaltige Beachtung der Regeln der Prozessteuerung, welche die Vergabestelle nicht nur dem Vergabevermerk, sondern auch den Ausschreibungsbedingungen hat zukommen lassen.
207Die Vergabestelle hat mindestens die einzelnen Teilschritte des Vergabeverfahrens - wenn auch ergebnisorientiert und im Nachprüfungsverfahren erweiterbar (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr, Rn. 73) - im Vergabevermerk festzuhalten.
208Andere, von der Antragstellerin beanstandete Punkte sind nebensächlich: Die Bieterinformation nach § 101a GWB ist zwar nicht dokumentiert worden, liegt aber in Gestalt der Informationsschreiben in den Vergabeakten vor. Zwar ist ebenfalls die Öffnung der Angebote im Vergabevermerk nicht dokumentiert worden, doch hat die Antragstellerin nicht dargelegt (und kann mangels Anhaltspunkten auch nicht zulässig dartun), dass es dabei zu - im Allgemeinen und im Besonderen eher fernliegenden - Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Ohnedies könnte die Antragstellerin selbst durch eine ordnungsmäßige Dokumentation die Preisangebote von Mitbewerbern nicht in Erfahrung bringen, weil es sich dabei um Geschäftsgeheimnisse handelt.
209Die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote - das Kernstück der Angebotswertung - ist in tabellarischer Form dokumentiert worden. Soweit die Antragstellerin darin aussagekräftige Begründungen für die Zuteilung von Wertungspunkten vermisst, gehen ihre Beanstandungen in den vorstehend unter (2), (3) und (4) behandelten Transparenzverstößen auf.
210Der Vortrag der Beschwerde, es sei nicht auszuschließen, dass die Beigeladene bei ordnungsgemäßer Durchführung des Teilnahmewettbewerbs (und Dokumentation) nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert wäre, ist im Rechtssinn keine Behauptung. Wäre insoweit eine Behauptung aufgestellt worden, wäre diese prozessual unbeachtlich, weil die Beschwerde dafür nicht auf irgendwelche Anhaltspunkte tatsächlicher Art verweisen kann.
211Die nach § 43 Abs. 2 VSVgV unverzichtbaren Angaben sind in der an die Antragstellerin gerichteten Bieterinformation der Vergabestelle enthalten gewesen: Die Bieterinformation vom 8. Juli 2014 hat Auskunft über den Namen des berücksichtigten Bieters und die Gründe der Auswahl (Nr. 2 und 5) sowie über die Gründe der Ablehnung des Angebots der Antragstellerin (Nr. 3 und 12) gegeben. Weitere in der Vorschrift genannte Informationen sind im Streitfall nicht einschlägig gewesen.
212Verbleibende Dokumentationsmängel sind, wie der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr, ausgeführt hat, heilbar und durch nachgeschobenen Vortrag der Antragsgegnerin im Prozess geheilt worden. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung zu einer Heilung von Dokumentationsfehlern bemerkt (Rn. 73; auf Vorlage durch den Senat, vgl. Beschluss vom 21. Juli 2010 - VII-Verg 19/10):
213Im Übrigen ist mit Blick auf die Dokumentationspflichten im Allgemeinen zu unterscheiden zwischen dem, was nach § 20 Abs. 1 und 2 VOB/A 2009 oder § 24 VOL/A-EG im Vergabevermerk mindestens niederzulegen ist, und Umständen oder Gesichtspunkten, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung außerdem nachträglich verteidigt werden soll. Solche vorgetragenen Überlegungen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, kann der Vergabestelle schwerlich generell unter dem Gesichtspunkt fehlender Doku-mentation verwehrt werden. Der Auftraggeber kann im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Vielmehr ist, soweit es die Frage der möglichen Heilung von Dokumentationsmängeln im Vergabevermerk betrifft, einerseits zu berücksichtigen, dass insbesondere die zeitnahe Führung des Vergabevermerks die Transparenz des Vergabeverfahrens schützen und Manipulationsmöglichkeiten entgegenwirken soll (vgl. Thüringer OLG, VergabeR 2010, 96, 100). Andererseits gibt das Gesetz der Vergabekammer - was für die Beschwerdeinstanz entsprechend zu gelten hat - vor, bei ihrer gesamten Tätigkeit darauf zu achten, dass der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird (§ 110 Abs. 1 Satz 4 GWB). Mit dieser dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz verpflichteten Regelung wäre es, wofür ersichtlich auch das vorlegende Oberlandesgericht hält (in diese Richtung auch OLG München, VergabeR 2010,992, 1006), nicht vereinbar, bei Mängeln der Dokumentation im Vergabevermerk generell und unabhängig von deren Gewicht und Stellenwert von einer Berücksichtigung im Nachprüfungsverfahren abzusehen und stattdessen eine Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens anzuordnen. Dieser Schritt sollte vielmehr Fällen vorbehalten bleiben, in denen zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten (Ende des Zitats).
214Soweit der Bundesgerichtshof als Grenze für eine Heilung von Dokumentationsfehlern die wettbewerbskonforme Auftragserteilung genannt hat, ist darunter sicherlich eine Auftragsvergabe zu verstehen, die zugleich im Einklang mit den vergaberechtlichen Prinzipien der Transparenz und Gleichbehandlung (Nichtdiskriminierung) steht. Infolge der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind frühere entgegenstehende Entscheidungen von Vergabesenaten der Oberlandesgerichte überholt. Dabei werden die Ausführungen des Bundesgerichtshofs (in diese Richtung geht freilich die Beschwerde: „lediglich“) keineswegs dadurch abgeschwächt, dass es sich um ein sog. obiter dictum handelt. Der Bundesgerichtshof hat dem vorlegenden Gericht (dem Senat) Hinweise für das weiter durchzuführende Verfahren erteilt, die ernst genommen werden wollen und an die er sich für den Fall einer späteren nochmaligen Befassung mit derselben Sache oder vergleichbaren anderen Angelegenheiten erkennbar hat binden wollen.
215Tatsächlich hat die Antragsgegnerin die in der Dokumentation festzustellenden Lücken durch den Vortrag im Prozess geschlossen. Sie hat, teils auf gezielte Beanstandungen der Antragstellerin hin, zur ersten Verhandlungsrunde ergänzend vorgetragen sowie die Wertung der zweiten Angebote erläutert (zuletzt durch Einreichen des abschließenden Vergabevermerks mit Schriftsatz vom 15. August 2014) und dadurch Mängel geheilt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung der Vergabekammer verwiesen (VKB 27 f., 37).
216Bei dieser Sachlage sind, worauf auch die Vergabekammer zutreffend hingewiesen hat (VKB 37), keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, die Antragstellerin sei ursächlich infolge der unvollständigen Dokumentation bei den Aussichten, den Zuschlag zu erlangen, beeinträchtigt, mithin geschädigt worden (dazu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juni 2010 - VII-Verg 10/10 m.w.N.). Eine derartige Beeinträchtigung kann nach Lage der Dinge ausgeschlossen werden.
217Eingeleitet mit den bemerkenswerten Worten, die Auffassung des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 8. Februar 2011 zur Heilung von Dokumentationsmängeln „verfange nicht“, führt die Beschwerde dagegen mehrere, angeblich entgegenstehende Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union an, die nach ihrer Meinung in der vorliegenden Sache ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof erfordern, weil dieser ein Nachschieben von Gründen ausdrücklich ausgeschlossen habe. Insbesondere dürften Erwägungen, die nicht dokumentiert worden sind, nicht zum ersten Mal und nachträglich vor dem zur Entscheidung berufenen Gericht erläutert werden.
218Die angeführten Entscheidungen des EuGH haben jedoch andere Fallgestaltungen und andere Rechtslagen zum Gegenstand. Zudem sind die Gründe von der Beschwerde verkürzt interpretiert und vorgetragen worden. Sie können nicht auf die Dokumentationspflichten in Vergabeverfahren übertragen werden. Von daher ist ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung des Unionsrechts nicht veranlasst.
219Das von der Antragstellerin zitierte Urteil des EuGH vom 28. Juni 2005 (C-189/02 P) behandelt Rechtsmittel gegen Urteile des Gerichts erster Instanz (EuG) über von der Kommission wegen kartellrechtswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen verhängte Geldbußen. Das EuG hatte Klagen auf Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidungen, hilfsweise auf Herabsetzen der Geldbußen, überwiegend abgewiesen. In diesem Kontext hat der EuGH ausgeführt:
220460 Die Lektüre der streitigen Entscheidung (Zusatz: der Kommission) ergibt, dass diese keine ausdrückliche Erwähnung der Leitlinien enthält.
221461 Es ist daran zu erinnern, dass die Leitlinien Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung darstellen, die die Kommission grundsätzlich anwenden muss. Die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, in der die Leitlinien angewandt werden, wie der streitigen Entscheidung, kann daher, wie in Randnummer 211 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, anhand der Leitlinien geprüft werden.
222462 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung einer Einzelentscheidung (Zusatz: durch die Kommission) den Zweck, dem Gerichtshof die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung richtig ist oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (vgl. u.a. Urteil vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑199/99 P, Corus UK/Kommission, Slg. 2003, I‑11177, Rn. 145).
223463 Die Begründung ist dem Betroffenen daher grundsätzlich gleichzeitig mit der ihn beschwerenden Entscheidung (Zusatz: der Kommission) mitzuteilen. Das Fehlen der Begründung kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für die Entscheidung während des Verfahrens vor dem Gerichtshof erfährt (Urteil vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861, Rn. 22).
224Wie zu lesen ist, ging es um die Pflicht zur Begründung einer gebundenen, Wirtschaftsteilnehmer beschwerenden Behördenentscheidung, die dem Betroffenen unionsrechtlich nicht erstmals im Verfahren vor dem Gerichtshof zur Kenntnis gebracht werden darf. Bei der Dokumentation des Vergabeverfahrens handelt es sich indes um keine Entscheidung; sie dient auch einem anderen Zweck. Der Vergabevermerk soll die den Bietern nach § 101a GWB bekanntzugebende Vergabeentscheidung lediglich vorbereiten und die diesbezüglichen Überlegungen des Auftraggebers festschreiben. An die Dokumentation sind darum schon vom rechtlichen Ansatz her nicht dieselben rechtlichen Anforderungen anzulegen wie an eine Entscheidung der Kommission in dem von EuGH entschiedenen Fall. Insbesondere hat der EuGH bislang nicht ausgesprochen, dass Erwägungen, die in einem Vergabevermerk nicht dokumentiert worden sind, generell nicht zum ersten Mal und nachträglich vor dem Richter erläutert und ergänzt werden dürfen.
225Unabhängig davon betrifft das Urteil des EuGH vom 28. Juni 2005 das unionsrechtlich anzuwendende Prozessrecht, nicht hingegen Bestimmungen materiell-rechtlicher Richtlinien, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie 2009/81 ohnehin nicht einschlägig ist. In prozessualer Hinsicht hat die Union keine Regelung darüber getroffen, dass die Mitgliedstaaten gehindert sind, den nationalen Gerichten eine Berücksichtigung sog. nachgeschobenen Vortrags im Prozess zu erlauben. In Deutschland ist dies jedenfalls bei sog. Ermessensentscheidungen für statthaft zu erachten. Die Zulässigkeit eines Nachschiebens von Gründen ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 114 Satz 2 VwGO, wonach die Verwaltungsbehörde anzustellende Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann. Das Vergabenachprüfungsverfahren ist dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren der §§ 63 ff. GWB durch das Vergaberechtsänderungsgesetz 1999 nachgebildet worden. Was für die Entscheidung zu gelten hat, kann erst recht für entscheidungsvorbereitende Akte wie für die Dokumentation in Anspruch genommen werden.
226In dem Urteil des EuGH vom 22. Januar 2004 (C-353/01 P) zugrunde liegenden Verfahren begehrte der Kläger durch Klage vor den EuG (im Wesentlichen erfolglos) Zugang zu bestimmten politischen Dokumenten des Rates und der Kommission. In der Rechtsmittelentscheidung gegen das Urteil des EuG hat der EuGH unter anderem ausgesprochen:
22729 Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Randnummer 71 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass der Rat und die Kommission die Möglichkeit, teilweisen Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten zu gewähren, nicht in Betracht gezogen haben.
22830 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind diese Gemeinschaftsorgane nach den Beschlüssen 93/731 und 94/90 und entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, zu prüfen, ob ein teilweiser Zugang zu den nicht unter die Ausnahmen fallenden Informationen zu gewähren ist; tun sie das nicht, ist eine Entscheidung, mit der der Zugang zu einem Dokument abgelehnt wird, als rechtsfehlerhaft für nichtig zu erklären (zum Beschluss 93/731 vgl. Urteil Rat/Hautala, Rn. 21 bis 31).
22931 Das Gericht hat in Randnummer 71 des angefochtenen Urteils zu Unrecht den Schluss gezogen, dass ein solcher Rechtsfehler nicht zur Nichtigerklärung der streitigen Entscheidungen führe, da angesichts der vom Rat und von der Kommission im Verlauf des streitigen Verfahrens vor dem Gericht abgegebenen Erklärungen und unter Berücksichtigung der Natur der in Rede stehenden Dokumente dieser Fehler keinen Einfluss auf das Ergebnis der Beurteilung durch diese Organe gehabt habe.
23032 Wie der Generalanwalt in den Nummern 59 und 62 seiner Schlussanträge erklärt hat, würde den Verfahrensgarantien, die in den Beschlüssen 93/731 und 94/90 ausdrücklich vorgesehen sind, ihre praktische Wirksamkeit genommen und wäre das Recht des Betroffenen darauf, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, jede ihn beschwerende Entscheidung mit einer Begründung versehen ist, damit er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig ist oder ob sie unter einem Mangel leidet, aufgrund dessen ihre Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden kann, schwer beeinträchtigt, erlaubte man dem Rat und der Kommission, dem Betroffenen die Gründe für die Weigerung, ihm teilweisen Zugang zu einem Dokument zu gewähren, erstmals vor dem Gemeinschaftsrichter mitzuteilen (vgl. u. a. Urteil vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861, R. 22).
231Die Entscheidung des EuGH vom 22. Januar 2004 betrifft beschwerende Entscheidungen des Rates und der Kommission sowie deren Begründung, nicht jedoch vorbereitende Akte wie die Dokumentation des Vergabeverfahrens. Von daher ist auf die vorstehenden Bemerkungen zum Urteil des EuGH vom 28. Juni 2005 zu verweisen.
232Das Urteil des EuGH vom 23. Februar 1988 (Rs. 131/86) verhält sich über die Klage des Vereinigten Königreichs auf Nichtigerklärung der Richtlinie 86/113 des Rates vom 25. März 1986 zur Festsetzung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen in Käfigbatteriehaltung. Mit dem zweiten Klagegrund machte das Vereinigte Königreich geltend, die Richtlinie sei für nichtig zu erklären, weil sie aufgrund textlicher Abänderungen durch das Generalsekretariat von dem Entwurf abweiche, der dem Rat zur Prüfung vorgelegen habe. Die Entscheidung des EuGH bescheinigt dem Generalsekretariat lediglich eine Befugnis zu orthographischen oder grammatikalischen Änderungen an UnionsRichtlinien (Rn. . 35 ff.). Darum geht es im Streitfall nicht.
233(13) Schließlich macht die Antragstellerin geltend, das Angebot der Beigeladenen sei ungeeignet, das Kriterium A 57 (in der Leistungsbeschreibung unter C 7) zu erfüllen. Dieses betrifft den sog. lokalen Reputationsdienst im Regierungsnetz (gewissermaßen eine Schutzschicht zwischen dem eigenen Netzwerk und dem Internet). In der Leistungsbeschreibung findet sich dazu erklärt:
234Unter einem „lokalen“ Reputationsdienst wird ein Reputationsdienst verstanden, der unter der Hoheit des BSI steht. Der lokale Reputationsdienst stellt sicher, dass die Anfragen der Endgeräte eines VSP-Bund-Nutzers (Bemerkung: Viren-Schutz-Programm-Bund-Nutzers) nicht mehr an den Cloud-Dienst des Herstellers im Internet gestellt werden, sondern stellvertretend dafür an den lokalen Reputationsdienst.
235Gefordert wird:
236[A 57] Dem Bund muss in einem Rechenzentrum des Bundes eine eigene, lokale Instanz der Reputationsdienste eingerichtet werden. Ziel ist es, jeglichen Datenverkehr von Rechnern eines VSP-Bund-Nutzers zu Fremdsystemen zu unterbinden. Das System, das den Reputationsdienst für den Bund bereitstellt („lokales Reputationssystem“) muss sich unter Kontrolle des BSI oder eines Rechenzentrums des Bundes befinden. Der Auftragnehmer stellt für das System mindestens ein Mal pro Tag Aktualisierungen bereit.
237Zusätzlich soll gemäß § 14 des Entwurfs einer Rahmenvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und dem Auftragnehmer unter 14.1 - Wahrung der Sicherheitsinteressen der Bundesverwaltung - nach Absatz 1 umfassende Vertraulichkeit verabredet werden. Absatz 4 bestimmt:
238Der Auftragnehmer gewährleistet, dass er keinerlei Informationen der VSP-Bund-Nutzer an fremde Nachrichtendienste übermittelt oder die Übermittlung wissentlich duldet. Sollte er Kenntnis davon erlangen, dass Daten der VSP-Bund-Nutzer an fremde Nachrichtendienste oder unbefugte Dritte gelangen, muss er dies unverzüglich dem BSI per E-Mail sowie telefonisch an das Computer Emergency Response Team des Bundes (CERT-Bund) melden.
239Die Antragstellerin behauptet, neben ihr sei keinem anderen Anbieter ein System verfügbar, mit dem den Forderungen eines lokalen Reputationsdienstes nach Datensicherheit entsprochen werden könne. So habe die Beigeladene vermutlich die Virenschutz-Software eines US-amerikanischen Herstellers angeboten. Sie unterliege damit mittelbar einem Zugriff der US-Nachrichtendienste auf die Software und nach den Vorschriften des US Patriot Acts sowie anderer Regelungen (mittelbar) auch bestimmten Auskunftspflichten.
240Die Vergabekammer hat festgestellt, die Beigeladene als deutsches Unternehmen erfülle das Kriterium A 57 (lokaler Reputationsdienst). Sie habe im Angebot dargestellt, wie sie unter Einhalten der geforderten Bedingungen den sog. Reputationsdienst sicherstellen werde, so dass über das Internet keine Kommunikation mit dem Hersteller der Software erfolgen werde. Dabei sowie bei der zum Einsatz kommenden Virenschutz-Software handele es sich um Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen. Das BSI habe die angebotene Lösung mit positivem Ergebnis geprüft, auch Gelegenheit zur Einsichtnahme in den Quellcode gehabt und sich zuverlässig darüber vergewissert, dass die angebotene Software aktuell keine sog. Backdoors oder ähnliche Bestandteile enthalte, welche die Datensicherheit gefährden können.
241Die Beschwerde der Antragstellerin wiederholt und vertieft die erstinstanzlichen Ausführungen.
242Dazu ist zu bemerken:
243aa) Da das Vergabeverfahren wegen der oben behandelten Transparenzmängel, bevor es mit einem Zuschlag beendet werden kann, in den Stand vor Versenden der Vergabeunterlagen und Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen sowie den Bietern Gelegenheit zu erteilen ist, neue Angebote einzureichen, kommt es selbst dann, wenn die Beigeladene in ihren bisherigen Angeboten von der Virenschutz-Software eines US-amerikanischen Herstellers Gebrauch gemacht haben sollte, nicht darauf an, ob sie mit einem derartigen Programm die Forderungen eines lokalen Reputationsdienstes erfüllen und die verlangte Datensicherheit gewährleisten kann. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, könnte die Beigeladene einen solchen Mangel mit einem neuen Angebot vermeiden, indem sie sich der Software eines Herstellers bedient, der keinen Auskunfts- oder Zugriffsrechten von US-Nachrichtendiensten unterliegt und bei der die geforderte Datensicherheit unbedenklich gegeben ist. Die Antragstellerin selbst führt unter anderem in der Beschwerdeschrift (S. 56) aus, dass es derartige Hersteller gebe. Wenn das so ist, ist unerheblich, ob das bisherige Angebot der Beigeladenen an einem diesbezüglichen Mangel leidet, weil es unter Beseitigen eines solchen Mangels jedenfalls erneuert werden kann, ohne dass die Beigeladene aus dem Vergabeverfahren ausscheiden muss.
244bb) Für das weiter durchzuführende Vergabeverfahren ist in Bezug auf den lokalen Reputationsdienst und Datensicherheit auszuführen:
245Die insoweit gestellten Forderungen der Vergabestelle/des Auftraggebers sind keine rechtlich zulässigen Anforderungen an die Eignung der Bewerber oder Bieter (vgl. 2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 24. Juni 2014 - VK 2-39/14, BA 27; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2014 - VII-Verg 28/13, ILO-Kernarbeitsnormen, BA 10 ff.; Beschluss vom 7. Mai 2014 - VII-Verg 46/13, Grüne Plakette). Über die Eignungsprüfung ist das Vergabeverfahren auch bereits hinweggegangen.
246Die Forderungen der Vergabestelle sind nur als besondere Anforderungen an die Auftragsausführung im Sinn des § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB (Art. 20 Richtlinie 2009/81/EG; Art. 26 Richtlinie 2004/18/EG) zugelassen. Als solche sind sie statthaft (vgl. 2. Vergabekammer Bund und OLG Düsseldorf a.a.O.; so auch die Handreichung des BMI vom 19. August 2014, S. 6, zum insoweit noch fehlerbehafteten Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 30. April 2014 - O4 - 11032/23#14).
247Dagegen sind in der Literatur allerdings rechtliche Bedenken unter dem Aspekt vorgebracht worden, Bedingungen für die Auftragsausführung dürften nicht zu einer Diskriminierung zugunsten (gemeint ist: zulasten) von Unternehmen in EU-Mitgliedstaaten führen (Probst/Winters, VergabeR 2015, 1, 5 [links, vgl. auch ibid. Rn. 33], und 6 [links]).
248Die angebrachten Bedenken greifen indessen im Ergebnis nicht durch, sofern der öffentliche Auftraggeber für die Forderung der Datensicherheit einen anerkennenswerten und durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigten sachlichen Grund, wie einen Schutz sensibler, für den Schutz des Staates relevanter Daten, namhaft machen kann und sämtliche auftragsinteressierten Unternehmen - gleichviel, ob sie der Europäischen Union, dem Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Drittstaat angehören - diskriminierungsfrei mit derselben Anforderung belegt werden.
249Ob die am Auftrag interessierten Unternehmen bei einem derartigen Befund in tatsächlicher und/oder in rechtlicher Hinsicht über praktikable oder zumutbare Möglichkeiten verfügen, außenstehenden Dritten, insbesondere fremden Nachrichtendiensten, gegenüber nicht zur Offenlegung von Daten verpflichtet zu sein, wird nicht maßgebend sein. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, Ausschreibungen so zuzuschneiden, dass sie - auch unter den Bedingungen, denen sie nach jeweils nationalem Recht unterliegen - zum Unternehmens- und Geschäftskonzept jedes potentiellen Bieters passen. Genauso wenig muss er auf geschäftspolitische Entscheidungen möglicher Bieter Rücksicht nehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Juni 2012 - VII-Verg 7/12, Einwegspritzen, BA 7).
250cc) Unabhängig davon ist im Streitfall zu bedenken:
251Die Forderung der Datensicherheit richtet sich ausschließlich an Bieter und den künftigen Auftragnehmer. Für den Zuschlag prätendierter Bieter ist im Streitfall die Beigeladene. Die Beigeladene ist ein deutsches Unternehmen, das hinsichtlich verarbeiteter Daten keinen Informations- und Weitergabepflichten an ausländische Nachrichtendienste unterliegt.
252Selbst wenn die Beigeladene die Virenschutz-Software eines US-amerikanischen Herstellers angeboten haben sollte - was ihr Geschäftsgeheimnis ist, welcher aufgrund des US Patriot Acts sowie weiterer Vorschriften seinerseits Zugriffen von US-amerikanischen Nachrichtendiensten unterworfen ist: Die Beigeladene hat in ihren Angeboten dargestellt und es ist vom BSI überprüft worden, dass eine Kommunikation mit dem Software-Hersteller, selbst wenn er als solcher einer Informationsabschöpfung durch und Auskunftsverpflichtungen gegenüber US-Nachrichtendiensten unterliegen sollte, im Internet nicht stattfindet.
253Dabei ist der Hersteller der Software nicht, wie die Antragstellerin ihn bezeichnet, Nachunternehmer, sondern Vorlieferant, mithin nicht in die Auftragsausführung im Außenverhältnis gegenüber dem Auftraggeber eingebunden. Der Vorlieferant wird lediglich im Innenverhältnis zum Auftragnehmer tätig.
254Die geforderte Datensicherheit des Angebots der Beigeladenen, namentlich ein Informationsabfluss über das Internet, ist vom BSI, dem an einer möglichst hohen Datensicherheit besonders gelegenen Bedarfsträger, im Streitfall überprüft und festgestellt worden. Dabei haben sich auch für sog. Backdoors, durch die sich Nachrichtendienste Zugang zu einer Virenschutz-Software verschaffen können, in der Software keine Anhaltspunkte gefunden.
255Zwar können Sicherheitslücken durch spätere Updates (oder auf andere Weise) in die Virenschutz-Software gelangen. Dies kann durch die vorgesehenen Anforderungen nicht vollständig aufgefangen, aber durch eine vorherige Überprüfung zu installierender Updates ausgeschlossen oder abgemildert werden. Zusätzlich will sich die Vergabestelle dagegen durch eine Aktualisierungsverpflichtung und durch eine Anzeigepflicht des Auftragnehmers schützen. Im Ergebnis zu Recht hat die Vergabekammer dazu bemerkt, dass eine völlige Datensicherheit bei Ausschreibungen der vorliegenden Art nach derzeitigem Erkenntnisstand möglicherweise freilich gar nicht zu erlangen ist.
256Demgegenüber sucht die Beschwerde, die Anforderungen an die Sicherheit der zu beschaffenden Virenschutz-Software grundlos zu maximieren. Ausweislich der Vergabebekanntmachung hat die Vergabestelle - der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers entsprechend - jedoch keine besonders anspruchsvolle, sondern lediglich eine Virenschutz-Software ausgeschrieben, die zum Schutz einer typisierten „IT-Landschaft“ vor Schadprogrammen erforderlich ist (unter II.1.5). Die typisierende Leistungsanforderung ist in den Vergabeunterlagen nicht verschärft worden. Für Sicherheitsmängel in der von der Beigeladenen angebotenen Software hat die Antragstellerin keine greifbaren Anhaltspunkte. Ihr Vortrag beruht - lediglich kaschiert durch angebliche Marktkenntnisse - im Wesentlichen auf bloßen Vermutungen.
257Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB, §§ 78, 120 Abs. 2 GWB. Die Antragstellerin hat ihr Prozessziel vollständig erreicht, auch wenn der Nachprüfungsantrag nach dem sog. ersten Hilfsantrag (unechter Hilfsantrag) begründet ist. Dieser Antrag ist, was das Ausmaß einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens anbelangt, über den Hauptantrag hinausgegangen. Auch im Eilverfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB hat die Antragstellerin obsiegt. Die Beigeladene ist zu den Kosten des Nachprüfungsverfahrens mit heranzuziehen, weil sie sich mittels eigener Beiträge am Prozess beteiligt hat.
258Dicks Brackmann Rubel
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 21. Okt. 2015 - VII-Verg 28/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 21. Okt. 2015 - VII-Verg 28/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 21. Okt. 2015 - VII-Verg 28/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Auf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird
a) festgestellt, dass die Antragstellerin auch durch die Wahl des Verhandlungsverfahrens in ihren Rechten verletzt ist.
b) der Antragsgegnerin untersagt, auf der Grundlage ihrer Ausschreibung zur "Neubeschaffung von Endoskopiesystemen für Diagnose und Therapie" mit der Vergabenummer SKL A 08/ den Zuschlag zu erteilen.
3. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
4. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben als Gesamtschuldner die für die Amtshandlungen der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen.
5. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben der Antragstellerin deren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin war notwendig.
6. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde zu tragen.
7. Der Streitwert für die Beschwerdeinstanz beträgt bis 30.000,-- €.
Gründe:
- 1
- A. I. Die Antragstellerin vertreibt medizinische Produkte aus unterschiedlichen optischen Bereichen. Die Antragsgegnerin ist Betreiberin des Städtischen Klinikums L. . Unter dem 23. Juli 2008 schrieb die Antragsgegnerin die Neubeschaffung von Endoskopiesystemen für Diagnose und Therapie im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Ein bereits vorangegangenes offenes Verfahren hatte sie im Hinblick auf Rügen und ein Nachprüfungsverfahren (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2008 - 13 Verg 1/08, OLGR Celle 2008, 663) aufgehoben.
- 2
- In der Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin werden die einzelnen gewünschten Komponenten jeweils mit vorgegebenen und weiteren Merkmalen beschrieben, über deren Vorhandensein und Beschaffenheit der Bieter Angaben zu machen hat. So heißt es beispielsweise bei der Position "01.01.004 Absaugpumpe" (gekürzt): "Allg. Merkmale - Das Gerät muss den Anforderungen der Richtlinie 93/42/EWG entsprechen und mit CE-Kennzeichnung versehen sein. - Das Gerät muss die EMC-Norm für Medizingeräte (IEC 60601-1-2: 2001) erfüllen , wenn es in Kombination mit CE-Zeichen gekennzeichneten MP’s erfolgt. - Erfüllt Emissionsanforderungen n. EN 55011: Gruppe , Klasse Leistungsmerkmale - Pumpentyp: - Kennzeichnung der Pumpe mit 'High Vaccuum, High Flow' gem. ISO 10079-1: ja/nein - Vakuumnennwert kPa +/. % - Vakuumleistung kPa in 10 sek - Betriebsart 'Dauerbetrieb' ja/nein wenn nein, welche ununterbrochene Betriebszeit Std - Thermoschutz des Pumpenmotors ja/nein - Verwendung von Mehrweg-/Einwegsekretbehältern/beides ? wenn Mehrwegbehälter, therm. sterilisierbar (137º C) ja/nein Techn. Merkmale - Spannungsversorgung VAC - Netzfrequenz Hz - Leistungsaufnahme VA"
- 3
- Bereits während der Frist zur Teilnahme am Wettbewerb rügte die Antragstellerin verschiedene Punkte der Ausschreibung. Sie bemängelte insbesondere die Absicht der Antragsgegnerin, den Auftrag im Verhandlungsverfahren zu vergeben.
- 4
- Die Antragsgegnerin half den Rügen im Wesentlichen nicht ab, sondern informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 gemäß § 13 VgV, dass die Beigeladene die höchste Punktzahl erhalten habe und ihr der Zuschlag erteilt werden solle. Daraufhin leitete die Antragstellerin das Nachprüfungsverfahren ein.
- 5
- Die Antragsgegnerin macht geltend, sie habe nicht von vorneherein festlegen können, welche Systemkomponenten die Leistung beinhalten solle, ohne ein Unternehmen zu diskriminieren. Insoweit sei es nicht möglich gewesen, eine feste, unveränderbare Leistungsbeschreibung zu erstellen, die eine vergleichende Wertung der Angebote im Rahmen eines offenen Verfahrens ermöglicht hätte. Sie habe sich daher für ein Verhandlungsverfahren entschieden.
- 6
- II. Die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft , Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung L. - hat in dem angefochtenen Beschluss vom 6. März 2009 festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei, soweit die Antragsgegnerin bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots auch das von der Beigeladenen angebotene Skonto berücksichtigt habe. Im Übrigen hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Insbesondere sei die Antragstellerin durch die Wahl des Verhandlungsverfahrens nicht in ihren Rechten verletzt.
- 7
- III. Gegen diese Zurückweisung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie rügt weiterhin die Unzulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens und hält auch ihre weiteren Rügen aufrecht, soweit die Vergabekammer ihnen nicht stattgegeben hat.
- 8
- Die Antragstellerin beantragt: 1. die Entscheidung der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung L. -, Az. VgK-59/2008 vom 6. März 2009 aufzuheben , soweit der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen wurde; 2. festzustellen, dass die Beschwerdeführerin (= Antragstellerin) durch die Gestaltung des Vergabeverfahrens insgesamt und nicht nur durch die Wertung des Skontos im Angebot der Beigeladenen verletzt wurde; 3. der Beschwerdegegnerin (= Antragsgegnerin) aufzugeben, das Vergabeverfahren zur "Neubeschaffung von Endoskopiesystemen für Diagnose und Therapie" aufzuheben; 4. hilfsweise, der Beschwerdegegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts weiterzuführen; 5. hilfsweise, andere geeignete Maßnahmen zu treffen und 6. im Rahmen der das Verfahren vor der Vergabekammer betreffenden Kostenentscheidung die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären.
- 9
- Die Antragsgegnerin sowie die Beigeladene treten diesen Anträgen entgegen.
- 10
- Das angerufene Oberlandesgericht Celle hat mit Beschluss vom 8. April 2009 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin antragsgemäß verlängert (Bl. 79 f. GA).
- 11
- Die Antragsgegnerin hat bereits mit Schreiben vom 7. April 2009 den Zuschlag an die Beigeladene erteilt. Sie ist der Ansicht, für den Fristbeginn sei die am 9. März 2009 erfolgte Faxübermittlung des Beschlusses vom 6. März 2009 durch die Vergabekammer maßgebend und nicht die nachfolgende Zustellung vom 11. März 2009.
- 12
- Die Antragstellerin stellt hilfsweise für den Fall, dass dem gefolgt werden sollte, einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB.
- 13
- Das Oberlandesgericht Celle hält die Rüge der Wahl des Verhandlungsverfahrens für zulässig und in der Sache auch für begründet, ist jedoch der Ansicht , ihr nicht stattgeben zu können, weil es damit jedenfalls von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 4. Februar 2009 (1 Verg 4/08, ZfBR 2009, 292) abwiche. Es hat die Sache deshalb mit Beschluss vom 17. Juli 2009 (13 Verg 3/09, VergabeR 2009, 898) gemäß § 124 Abs. 2 GWB dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
- 14
- B. Am 24. April 2009 ist das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts in Kraft getreten. Nach dem durch dieses Gesetz neu angefügten § 131 Abs. 8 GWB ist für das vorliegende Verfahren das Gesetz in der bis zum 24. April 2009 geltenden Fassung maßgeblich.
- 15
- I. Die Vorlage ist zulässig. Das vorlegende Oberlandesgericht will als tragende Begründung seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde legen, dass einem Bieter regelmäßig auch dann ein Schaden durch die Verletzung von Vergabevorschriften droht, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt (vgl. auch OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2008 - 13 Verg 1/08, OLGR Celle 2008, 663; OLG München, Beschl. v. 28.4.2006 - Verg 06/06, VergabeR 2006, 914 - "Juristische Beratung"; VK Bund, Beschl. v. 19.11.2008 - VK 1-135/08, Juris; VK Sachsen, Beschl. v. 20.8.2004 - 1/SVK/067-04, Juris; VK Südbayern, Beschl. v. 25.10.2006 - Z3-3-3194-1-28, Juris).
- 16
- Hiermit würde das vorlegende Oberlandesgericht jedenfalls von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz (Beschl. v. 4.2.2009 - 1 Verg 4/08, ZfBR 2009, 292) abweichen, weil dieses ausweislich der Ausführungen unter Ziffer V des zitierten Beschlusses den Rechtssatz anwendet, dass zur Darlegung der Antragsbefugnis im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ein Sachvortrag erforderlich sei, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergebe , dass die Aussichten des Antragstellers auf eine Berücksichtigung seiner Bewerbung oder die Erteilung des Zuschlags gerade durch den gerügten Vergaberechtsverstoß beeinträchtigt worden seien, was einem Antragsteller, der sich an dem von ihm als falsch gerügten Verfahren durch Abgabe eines Gebots beteiligt habe, nicht gelingen könne. Die Weigerung der Vergabestelle, die Ausschreibung aufgrund der Wahl der falschen Verfahrensart - im entschiedenen Fall nationale statt europaweite Ausschreibung - aufzuheben, sei kein selbständiger Vergabeverstoß, der zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden könne (vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 12.4.2000 - Verg 1/00, BayObLGZ 2000, 109; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.7.2002 - Verg 22/02, NZBau 2002, 634; Beschl. v. 16.2.2006 - VII-Verg 6/06, IBR 2006, 356; Beschl. v. 8.5.2002 - VII-Verg 5/02, Juris; Beschl. v. 25.3.2002 - Verg 5/02, ZfBR 2002, 514; Beschl. v. 22.11.1999 - Verg 2/99, Juris; OLG Jena, Beschl. v. 8.5.2008 - 9 Verg 2/08, VergabeR 2008, 653; VK Sachsen, Beschl. v. 11.8.2006 - 1/SVK/073-06, Juris; VK Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.1.2009 - VK-SH 18/08, Juris; Beschl. v. 28.11.2006 - VK-SH 25/06, ZfBR 2007, 206).
- 17
- Das Oberlandesgericht Koblenz begründet seine Entscheidung, die Fortsetzungsfeststellungsklage abzuweisen, zum einen damit, dass die Klägerin nicht schlüssig dargelegt habe, dass sie durch die Wahl des falschen Verfahrens , an dem sie sich mit einem nicht wertbaren Angebot beteiligt habe, einen Schaden erlitten habe. Zum anderen führt das Oberlandesgericht aus, dass dem Erfolg des Feststellungsantrags auch entgegenstehe, dass der ursprüngliche Nachprüfungsantrag unzulässig gewesen sei, weil der Klägerin aus den oben bereits geschilderten Gründen die Antragsbefugnis gefehlt habe. Beide Begründungen stehen gleichberechtigt nebeneinander.
- 18
- Damit hat das Oberlandesgericht Koblenz einen Rechtssatz als tragende Begründung zugrunde gelegt, der von demjenigen Rechtssatz abweicht, den das vorlegende Oberlandesgericht Celle nunmehr anwenden möchte. Angesichts dieser Divergenz führt die Vorlage dazu, dass grundsätzlich nunmehr der Bundesgerichtshof über die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu entscheiden hat (§ 124 Abs. 2 Satz 2 GWB; BGHZ 146, 202, 205; 169, 131, 135).
- 19
- II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 116 Abs. 2 GWB statthaft und in rechter Frist und Form eingelegt.
- 20
- III. Das Begehren der Antragstellerin, das von der Antragsgegnerin eingeleitete Vergabeverfahren der Nachprüfung zu unterziehen, ist ebenfalls zulässig.
- 21
- 1. Das Nachprüfungsverfahren ist nicht durch den der Beigeladenen erteilten Zuschlag erledigt. Dieser Zuschlag ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 115 Abs. 1 GWB nichtig. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin durch den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. April 2009 bis zur Ent- scheidung über die sofortige Beschwerde verlängert worden (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB). Zu Unrecht meint die Antragsgegnerin, die Beschwerdefrist sei schon durch die Übersendung der angegriffenen Entscheidung per Telefax am 9. März 2009 in Lauf gesetzt worden, weshalb die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bereits zum Zeitpunkt des Zuschlags und vor Erlass des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 8. April 2009 beendet gewesen sei. Zwar kann eine Zustellung gemäß § 114 Abs. 3 GWB in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Satz 1 GWB, § 1 Abs. 1 NVwZG in Verbindung mit § 5 Abs. 4 VwZG auch per Telefax erfolgen. Es muss dann allerdings eindeutig sein, dass die Übermittlung per Telefax zum Zwecke der Zustellung erfolgt (Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, VergR, 2. Aufl., § 114 Rdn. 70 c). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben:
- 22
- Die Beschwerdefrist des § 117 Abs. 1 GWB wird nicht dadurch in Lauf gesetzt, dass die Vergabekammer eine Beschlussabschrift "vorab" per Telefax übersendet, wenn für den Empfänger zu erkennen ist, dass die Übermittlung per Telefax nur zur Information und nicht zum Zwecke der Zustellung erfolgt.
- 23
- Dem Telefax vom 9. März 2009 war zwar ein Anschreiben, nicht aber das nach § 5 Abs. 4 VwZG erforderliche Empfangsbekenntnis beigefügt (§ 5 Abs. 4 VwZG: "... kann auch auf andere Weise ... gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden."; vgl. hierzu BayObLG, Beschl. v. 10.10.2000 - Verg 5/00, VergabeR 2001, 55 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.7.2000 - 2 Verg 5/00, NZBau 2000, 462, 463). Insbesondere betraf die Bitte um sofortige Bestätigung nur den Eingang des Telefax und nicht die Rücksendung eines Empfangsbekenntnisses. Bei der gewünschten "sofortigen" Bestätigung konnte es daher nur um den Erhalt des Schreibens als solchen gehen. Nicht zuletzt enthielt das Telefax vom 9. März 2009 den ausdrücklichen Zusatz "Wegen der Eilbedürftigkeit erfolgt der Versand vorab per Telefax", wobei das Wort "vorab" fett gedruckt und unterstrichen war. Dies macht nach dem objektiven Empfängerhorizont nur dann Sinn, wenn der Übermittlung per Fax noch etwas nachfolgen sollte. Dies wiederum konnte ersichtlich nur die formelle Zustellung sein. Bestätigt wird diese Sicht dadurch, dass die Vorgehensweise der üblichen Handhabung bei der Vergabekammer entsprach und sämtlichen Beteiligten aus dem vorangegangenen Nachprüfungsverfahren bekannt war.
- 24
- 2. Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt.
- 25
- a) Die Antragstellerin hat ein Interesse an dem Auftrag, dessentwegen die Antragsgegnerin das zur Nachprüfung gestellte Vergabeverfahren durchführt. Dies bedarf keiner weiteren Darlegung, weil die Antragstellerin Bieterin in dem eingeleiteten Vergabeverfahren ist und bereits der Umstand der Angebotsabgabe regelmäßig das erforderliche Interesse belegt (BVerfG, Beschl. v. 29.7.2004 - 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564; BGHZ 169, 131, 135). Dafür, dass im Streitfall ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, ist nichts ersichtlich. Hierfür wird auch weder von der Antragsgegnerin noch von der Beigeladenen etwas dargetan.
- 26
- b) Die weitere Voraussetzung des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB (Geltendmachung einer Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften) ist ebenfalls erfüllt.
- 27
- Insoweit reicht es aus, dass nach der Darstellung des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Unternehmens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes, der im Anwendungsbereich des § 100 Abs. 1 GWB durch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ermöglicht werden soll, kann die Antragsbefugnis nämlich nur einem Unternehmen fehlen, bei dem offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt (BVerfG, Beschl. v. 29.7.2004 - 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564, 566; BGHZ 169, 131, 136). Mit ihrem das Nachprüfungsverfahren einleitenden Schriftsatz hat die Antragstellerin unter anderem unter Behauptung von Tatsachen vorgebracht, dass die Wahl des Verhandlungsverfahrens durch die Antragsgegnerin vergabewidrig sei. Die Antragstellerin hat damit Umstände vorgetragen , die - wenn sie zutreffen - ergeben, das die Antragsgegnerin Bestimmungen über das Vergabeverfahren missachtet hat.
- 28
- c) Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen mangelt es auch nicht an der nach § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderlichen Darlegung, dass der Antragstellerin durch die Wahl der angeblich falschen Verfahrensart ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
- 29
- aa) Die Antragstellerin hat insoweit ausgeführt, dass das Vergabeverfahren in der jetzigen Form nicht weiter geführt werden könne und mithin nur eine Aufhebung und Neuausschreibung in Betracht komme. Die Antragstellerin hat ferner dargelegt, dass auf Seiten der Antragsgegnerin weiterhin ein Beschaffungsbedarf bestehe, sie selbst weiterhin Interesse an der Erteilung des Zuschlags habe, und dass sie sich deswegen an einer neuen Ausschreibung beteiligen würde. Die Absicht der Antragsgegnerin, das Vergabeverfahren in der jetzigen Form fortzuführen, nehme ihr die Chance, sich erfolgreich an der in Betracht kommenden Neuausschreibung zu beteiligen. Ihr drohe damit ein Schaden. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Teilnahme an einer Neuausschreibung keinen Erfolg haben könnte, seien weder dargetan noch sonst ersichtlich, zumal es ihr im Rahmen einer neuen Ausschreibung freistehe, ein verbessertes Angebot einzureichen.
- 30
- bb) Dieses Vorbringen genügt im Ergebnis den gemäß § 107 Abs. 2 GWB zu stellenden Anforderungen:
- 31
- Einem Bieter, der sich an dem beanstandeten Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Gebots beteiligt hat, droht regelmäßig auch dann im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ein Schaden durch eine Verletzung von Vergabevorschriften , wenn das eingeleitete Vergabeverfahren aufgrund der Wahl der falschen Verfahrensart nicht durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt.
- 32
- Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein drohender Schaden im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB bereits dargetan, wenn der Vortrag des Antragstellers ergibt, dass er im Fall eines ordnungsgemäßen (neuerlichen) Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren (BGHZ 169, 131, 141). Ein Schaden droht bereits dann, wenn die Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können (vgl. BVerfG NZBau 2004, 564, 565). Das ist nicht nur der Fall, wenn dies für den Zuschlag in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zutrifft. Denn es ist die tatsächliche Erteilung des Auftrags, welche die Vermögenslage von Bietern beeinflusst, nicht der Umstand, in welchem Vergabeverfahren sie erfolgt. § 107 Abs. 2 GWB lässt auch nicht erkennen, dass für die Antragsbefugnis allein auf die Möglichkeit abzustellen sein könnte, den ausgeschriebenen Auftrag gerade in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zu erhalten. Nach seinem Wortlaut muss vielmehr ganz allgemein ein (drohender) Schaden dargelegt werden, für den die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften kausal ist. Es genügt deshalb, wenn es nach dem Vorbringen des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Bieters möglich erscheint, dass er ohne den behaupteten Vergaberechtsverstoß den Bedarf, dessentwegen die Ausschreibung erfolgt ist, gegen Entgelt befriedigen kann. Das ist regelmäßig auch der Fall, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne weiteres durch Zuschlag beendet werden darf, und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt. Dass im Voraus nicht abzusehen ist, ob die darin liegende Chance eine realistische Aussicht darstellt, den Auftrag zu erhalten, und sich eine solche Chance keinesfalls zwangsläufig für den betreffenden Bieter auftun muss, ist angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unerheblich. Denn hiernach reicht schon die Möglichkeit einer Verschlechterung der Aussichten des den Nachprüfungsantrag stellenden Bieters infolge der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften aus.
- 33
- Eine solche Verschlechterung kommt auch im Streitfall in Betracht. Das Verhandlungsverfahren unterscheidet sich grundsätzlich vom offenen Verfahren , weil der öffentliche Auftraggeber im offenen Verfahren den Auftrag nur gemäß dem Inhalt eines der innerhalb der Angebotsfrist abgegebenen Gebote erteilen darf, während im Verhandlungsverfahren der Inhalt der Gebote jeweils verhandelbar ist. Wird das Verhandlungsverfahren zu Unrecht gewählt, ist deshalb jeder Bieter der ansonsten nicht gegebenen Gefahr ausgesetzt, im Rahmen von Nachverhandlungen von einem Mitbewerber unterboten zu werden. Bereits dies kann seine Zuschlagschancen beeinträchtigen.
- 34
- Ob dies auch in dem vom Oberlandesgericht Koblenz einerseits und vom Kammergericht andererseits (Beschl. v. 17.10.2002 - 2 KartVerg 13/02, VergabeR 2003, 50) unterschiedlich entschiedenen Fall der Teilnahme an einer fehlerhaften , weil nur nationalen statt europaweiten Ausschreibung bejaht werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung.
- 35
- Die Antragsbefugnis kann auch nicht mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, die Antragstellerin handele widersprüchlich, weil sie ihre Chance auf Erhalt des Auftrags in dem Verhandlungsverfahren gesucht hat, obwohl sie erkannt hat, dass für die nachgefragten Leistungen diese Verfahrensart nicht hätte gewählt werden dürfen (vgl. VK Düsseldorf, Beschl. v. 30.9.2002 - VK-26/2002-L, Juris). Die Abgabe eines Angebots ist - wie bereits erwähnt - das Mittel, das ohne weiteres das für einen Nachprüfungsantrag erforderliche Interesse am Auftrag belegt. Von einem Angebot Abstand zu nehmen, hieße außerdem, darauf vertrauen zu müssen, dass die eigene rechtliche Beurteilung, dass die Wahl des Verhandlungsverfahrens vergaberechtswidrig sei, auch von der zuständigen Vergabekammer bzw. den nachgeordneten Gerichten geteilt wird. Das sind in Anbetracht des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juli 2004 (2 BvR 2248/03, VergabeR 2004, 597) Gründe, die dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens entgegenstehen.
- 36
- Im Übrigen hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 790) die Zulässigkeitsanforderungen in § 107 Abs. 3 GWB zwar dahin verschärft, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig ist, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung eines Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass ein nach altem Recht zu beurteilender Nachprüfungsantrag, bei dem diese Fristenzusammenhänge nicht gewahrt sind, auch schon auf der Grundlage bisherigen Rechts als unzulässig angesehen werden könnte.
- 37
- Da die Antragstellerin mithin antragsbefugt ist, kann offen bleiben, ob die von der Vergabekammer Düsseldorf in dem zitierten Beschluss gezogene Schlussfolgerung, dass die Wahl der Vergabeart als Vergaberechtsverstoß auch ohne eine Beanstandung durch den Antragsteller gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB von Amts wegen zu beachten sei, zutrifft.
- 38
- 3. Die Antragstellerin hat die Wahl des Verhandlungsverfahrens auch unverzüglich bei der Antragsgegnerin gerügt und ist damit ihrer Obliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen.
- 39
- IV. Das mithin zulässige Begehren um Nachprüfung des eingeleiteten Vergabeverfahrens ist jedenfalls in Bezug auf die Rüge, das Verhandlungsverfahren sei zu Unrecht gewählt worden, begründet.
- 40
- 1. Die Antragstellerin beanstandet zu Recht, dass die Antragsgegnerin bei der Wahl des Verhandlungsverfahrens gegen § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB verstoßen habe. Diese Vorschrift schreibt öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich das offene Verfahren vor, "es sei denn, aufgrund dieses Gesetzes ist etwas anderes gestattet." Die freie Wahl zwischen den Verfahrensarten steht gemäß § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB nur Auftraggebern zu, die "unter § 98 Nr. 4 fallen" (Tätigkeit im Bereich der Trinkwasser- oder Energieversorgung, des Verkehrs, der Telekommunikation). Zu diesen gehört die Antragsgegnerin nicht. Maßgeblich ist daher der Grundsatz in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB. Die Voraussetzungen, unter denen in den Fällen des Satzes 1 ausnahmsweise das Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zulässig ist, sind in § 3 a Nr. 1 Abs. 5 VOL/A 2006 geregelt, weil der auf Grund § 97 Abs. 6 GWB erlassene § 4 Abs. 1 VGV hierauf verweist.
- 41
- 2. Die Voraussetzungen des § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b VOL/A 2006, auf die sich die Antragsgegnerin allein stützt, liegen nicht vor.
- 42
- a) Die Vorschrift beinhaltet zwei Fallgruppen, weil sie voraussetzt, dass es sich um Liefer- oder Dienstleistungsaufträge handelt, "die ihrer Natur nach oder wegen der damit verbundenen Risiken eine vorherige Festlegung eines Gesamtpreises nicht zulassen". Entscheidend ist aber in beiden Fällen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung, welches Vergabeverfahren gewählt werden kann, den zukünftigen Bietern voraussichtlich die Bildung eines Gesamtpreises nicht möglich sein wird, weil der Bedarf, den der öffentliche Auftraggeber als gegeben ansieht und deshalb ausschreiben will, dessen Kalkulation nicht zulässt. Das kommt nur in ganz besonders gelagerten Beschaffungsfällen in Betracht. Der Ausnahmecharakter ergibt sich auch daraus, dass § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b VOL/A 2006 explizit von "Ausnahmefällen" spricht. Die Vorschrift ist demnach stets so auszulegen und anzuwenden, dass ihr Anwendungsbereich nicht zur Regel wird (vgl. auch EuGH, Urt. v. 13.1.2005 - Rs. C 84/03, EWS 2005, 125, 128; Urt. v. 10.4.2003 - Rs. C 20/01, EWS 2003, 240; Urt. v. 10.3.1987 - Rs. C 199/85, Slg. 1987, 1055; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2008 - VII-Verg 46/08, VergabeR 2009, 173; Beschl. v. 27.10.2004 - VII-Verg 52/04, VergabeR 2005, 252; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.11.2003 - 1 Verg 14/03, Juris).
- 43
- aa) Bei der ersten Fallgruppe folgt die Unmöglichkeit, den Gesamtpreis vorher festzusetzen, aus der Natur der zu liefernden Sache oder Dienstleistung.
- 44
- Dies betrifft Fallgestaltungen, bei denen eine vorherige exakte Festlegung der zu liefernden Sachen oder der auszuführenden Dienstleistungen und/oder deren Kalkulation aufgrund von Umständen, die in der Natur des zu Beschaffenden liegen, objektiv nicht möglich ist. Ein Fall der ersten Alternative kann etwa bei Reparaturleistungen angenommen werden, bei denen das Ausmaß der erforderlichen Reparaturen erst nach Beginn der Arbeiten deutlich wird (vgl. EG-Kommission, Leitfaden zu den Gemeinschaftsvorschriften über öffentliche Dienstleitungsaufträge, S. 22). Die zweite Alternative kommt etwa in Betracht bei der Ausschreibung eines mobilen Systems zum Einzug von Verwarnungsgeldern , wenn die Vergütung pro Zahlungsvorgang erfolgen soll, deren Anzahl aber nicht abschätzbar ist (vgl. Kaelble in Müller-Wrede, VOL/A, 2. Aufl., § 3 a Nr. 1-3 Rdn. 117 Fn. 143 unter Hinweis auf VK Düsseldorf, Beschl. v. 13.5.2002 - VK-7/2002-L).
- 45
- Diese Auslegung von § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b VOL/A 2006 entspricht auch den Erwägungen zu Art. 30 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleitungsaufträge (ABl. L 134 v. 30.4.2004, S. 114, dort Erwägungsgrund 31).
- 46
- bb) Bei der zweiten Fallgruppe ist eine vorherige Festlegung der zu liefernden Sachen oder der zur erbringenden Dienstleistungen durch die Vergabestelle zwar möglich; jedoch kann die Kalkulation eines Gesamtpreises durch die Bieter aufgrund dem Auftrag immanenter Umstände nicht ohne Spekulation erfolgen, so dass es unbillig erscheint, ihre Folgen ohne weiteres allein dem Bieter aufzubürden. Zu denken ist hierbei zum Beispiel an den Bau eines Tunnels , dessen Beschaffenheit zwar im Einzelnen beschrieben werden kann, bei dem aber bereits abzusehen ist, dass die Erfüllung des Auftrags durch unbekannte geologische Gegebenheiten beeinflusst wird (vgl. EG-Kommission, Grünbuch ÖPP, KOM(2004) 327 Rdn. 24; Arrowsmith, CML Rev. 37(2000), 709, 724), oder an die Entsorgung von Altlasten eines Grundstücks (vgl. Kaelble in Müller-Wrede, VOL/A, 2. Aufl., § 3 a Nr. 1-3 Rdn. 115; Müller in Daub/Eberstein, VOL/A, § 3 a Rdn. 18), wenn verhandelt werden muss, wer das Risiko von etwaigen Zusatzkosten trägt.
- 47
- b) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es im vorliegenden Fall möglich, im offenen Verfahren die nachgefragten Sachen und Dienstleitungen eindeutig und abschließend zu beschreiben sowie einen vorherigen Gesamtpreis festzusetzen:
- 48
- aa) Die Vergabestelle plant den Umbau und die Erneuerung der Endoskopie eines Krankenhauses zu einem modernen Gastroenterologiezentrum. Neben der Planung der Schaffung der baulichen Voraussetzungen soll auch die medizinische Geräteausstattung dem neuesten medizinischen Stand angepasst werden. Die gesamte Medizingeräteausstattung inkl. der Aufbereitungs- und EDV-Dokumentationssysteme soll untereinander kompatibel sein. Ferner sollen Wartungsarbeiten an dem System erbracht und gebrauchte Endoskope zurückgenommen werden.
- 49
- bb) Die Antragsgegnerin hat in ihrem Vergabevermerk vom 1. Juli 2008 ausgeführt, dass auf dem Markt verschiedene Endoskopie-Systeme vorhanden seien, die sich in ihren einzelnen Komponenten unterschieden. Jeder Hersteller verfüge über Alleinstellungsmerkmale, die nicht in Form zwingender Kriterien in das Leistungsverzeichnis aufgenommen werden könnten. Würde sich die Vergabestelle auf ein konkretes System festlegen, so würde damit auch gleichzeitig eine Festlegung auf einen Anbieter erfolgen. Die anderen Bieter könnten die Merkmale nicht erfüllen, ein Wettbewerb wäre ausgeschlossen. Eine Bieterbenachteiligung könne demnach nur dadurch ausgeschlossen werden, dass im Rahmen von Verhandlungen einzelne technische Merkmale miteinander abgewogen und in Korrelation zum Preis gesetzt werden.
- 50
- cc) Diese Ausführungen rechtfertigen die Wahl des Verhandlungsverfahrens nicht. Denn im Widerspruch hierzu hat sich die Antragsgegnerin in der Lage gesehen, von vornherein ein differenziertes Leistungsverzeichnis zu erstellen , in dem die nachgefragten Leistungen im Einzelnen beschrieben sind. Dabei hat sie die Eigenschaften eines jeden ihr bekannten marktgängigen Systems in allen Einzelheiten abgebildet und zusätzlich Raum für gleichwertige Alternativen gelassen. Dadurch ergab sich zwar zwangsläufig bei den einzelnen Positionen eine Vielzahl von unterschiedlichen Eintragungsmöglichkeiten. Deshalb handel- te es sich aber noch nicht um Alternativpositionen, die es dem Bieter unmöglich machten, vergleichbare und bepreiste Angebote zu machen. Für die mit der Situation des - ohnehin begrenzten - Marktes ebenfalls vertrauten Bieter war vielmehr offensichtlich, was genau die Antragsgegnerin beschaffen wollte, nämlich eines der beschriebenen auf dem Markt befindlichen Systeme. Die unterschiedlichen Funktionsparameter in den Einzelpositionen dienten lediglich der produktneutralen Beschreibung und gleichzeitig der Vorbereitung einer ausdifferenzierten Bewertungsmatrix. Dass die verschiedenen Bieter - insbesondere die Antragstellerin und die Beigeladene - unterschiedliche Endoskopiesysteme vertreiben , kann nicht ausreichen, um ein Verhandlungsverfahren zuzulassen. Denn anderenfalls könnte wegen der Produktvielfalt in den meisten Bereichen bei vielen Ausschreibungen vom Grundsatz des offenen Verfahrens abgewichen werden. Die Ausnahme würde zur Regel.
- 51
- Es ist auch nicht ersichtlich, dass es der Antragsgegnerin in irgendeiner Weise auf die Entwicklung einer Leistung im Laufe des Verfahrens angekommen wäre. Sie wusste vielmehr sehr genau, welche Anforderungen die Endoskopiesysteme erfüllen sollten und war daher auch in der Lage, die gewünschte Leistung von Beginn des Verfahrens an konkret zu beschreiben, wie eine Zusammenschau des Leistungsverzeichnisses mit der Bewertungstabelle ergibt. Die Antragsgegnerin hat jedem möglichen Ausstattungsmerkmal einen Punktwert zugeordnet, mit der Folge, dass dasjenige Angebot gewinnen sollte, das die meisten Ausstattungsmerkmale erfüllt. Die Bieter hatten daher die Möglichkeit , unter Nennung eines vorherigen Gesamtpreises ein Produkt anzubieten, das möglichst viele der Ausstattungsmerkmale aufweist, zu denen Angaben gefordert waren. Dementsprechend ist auch den Ausschreibungsunterlagen der Antragsgegnerin genauso wie den Angebotsunterlagen der Antragstellerin zu entnehmen, dass Einzel- und Gesamtpreise angeboten werden sollten und wurden. Auf der letzten Seite des Leistungsverzeichnisses der Antragsgegnerin ist bezeichnenderweise ein freies Feld zur Eintragung der Gesamtsumme inkl. Mehrwertsteuer vorgesehen. Keiner der beteiligten Bieter hat im Übrigen erklärt , dass dies nicht möglich sei. Auch die Existenz einer für alle Angebote gültige Bewertungstabelle setzt voraus, dass sachlich vergleichbare und preislich eindeutig zu bewertende Angebote zu erwarten waren.
- 52
- dd) Unbestritten haben auch keine Verhandlungen über die Leistung im Sinne einer "Entwicklung" stattgefunden, sondern nur über Nachbesserungen im Preis. Auch dies ist ein Indiz für das Vorliegen einer beschreibbaren Leistung und der Möglichkeit einer vorherigen Festlegung des Gesamtpreises.
- 53
- ee) Nicht zuletzt folgt die Möglichkeit der Wahl des offenen Verfahrens auch daraus, dass die Antragsgegnerin die Neubeschaffung der streitgegenständlichen Endoskopiesysteme bereits ein Jahr zuvor im offenen Verfahren ausgeschrieben hatte und sie dieses Verfahren nicht etwa wegen der Unmöglichkeit der Bildung eines Gesamtpreises, der Komplexität der Produkte oder wegen des Eingangs ausschließlich unwertbarer Angebote aufgehoben hat, sondern wegen eines erfolgreich gerügten anderweitigen Vergaberechtsverstoßes.
- 54
- ff) Andere Gründe, die die Wahl des Verhandlungsverfahrens rechtfertigen könnten, sind nicht aktenkundig. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin vorliegend nicht geltend gemacht hat, dass mit dem Auftrag besondere Risiken verbunden seien (vgl. § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b Fallgruppe
2) oder der Bedarf aufgrund technischer Besonderheiten nur von einem Bieter befriedigt werden könne (vgl. § 3 a Nr. 2 lit. c VOL/A).
- 55
- V. Da die zulässige Beschwerde begründet und die Antragstellerin durch den Vergabeverstoß in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist, ist die Entscheidung der Vergabekammer im Umfang der Anfechtung (§§ 114 Abs. 2, 123 Satz 1 GWB) teilweise aufzuheben. Ferner ist auszusprechen, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage des bisherigen, fehlerhaften Vergabeverfahrens keinen Zuschlag erteilen darf und dass die Antragstellerin durch die Gestaltung des Vergabeverfahrens als Verhandlungsverfahren verletzt wurde.
- 56
- Obwohl unter den hier gegebenen Umständen eine Korrektur des vorgekommenen Vergabefehlers kaum ohne Aufhebung der Ausschreibung möglich sein wird, ist die Aufhebung der Ausschreibung bzw. eine Verpflichtung zu derselben (vgl. Antrag 3) nicht auszusprechen (a.A. z.B. OLG Celle im Vorlagebeschluss sowie im Beschl. v. 8.4.2004 - 13 Verg 6/04, OLGR Celle 2004, 439). Dabei kann dahinstehen, ob eine falsche Art des Vergabeverfahrens in Anbetracht des Umstands, dass dessen Wahl allein im Verantwortungsbereich des öffentlichen Auftraggebers liegt (vgl. hierzu Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640), überhaupt einen der schwerwiegenden Gründe bildet, die nach § 26 Nr. 1 Buchst. d VOL/A 2006 Voraussetzung für eine vergaberechtsgemäße (vgl. dazu, dass ein gemäß § 26 Nr. 1 Buchst. d VOL/A zur Aufhebung berechtigender Grund nicht bereits dann gegeben ist, wenn der Ausschreibende bei der Einleitung des Verfahrens fehlerhaft gehandelt hat, Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 150/99, NJW 2001, 3698) und deshalb für den öffentlichen Auftraggeber nicht mit Schadensersatzpflichten bedrohte Aufhebung der Ausschreibung sind, die auszusprechen oder anzuordnen gemäß § 114 Abs. 1 GWB allein in der Kompetenz der Nachprüfungsinstanzen stehen könnte. Denn § 26 VOL/A 2006 verpflichtet nicht zur Aufhebung. Die Vorschrift beinhaltet lediglich als vergaberechtliches Gebot, ein Vergabeverfahren nur aus den dort genannten Gründen aufzuheben (Sen.Beschl. v. 18.2.2003 - X ZB 43/02, NZBau 2003, 293, 294). Demgemäß kann ein Bieter auch keinen vergaberechtlichen Anspruch auf Aufhebung der Ausschreibung haben, wie das Oberlandesgericht Koblenz in dem zum Anlass dieser Divergenzvorlage genommenen Beschluss insoweit zutreffend ausgeführt hat. Verbietet es sich, das Vergabeverfahren mit dem Zuschlag an einen Bieter zu beenden, kann der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren mithin nur einen entsprechenden Ausspruch, nicht aber auch die Aufhebung der Ausschreibung, sei es durch den öffentlichen Auftraggeber , sei es durch die Nachprüfungsinstanz, verlangen. Insoweit ist die Beschwerde deshalb zurückzuweisen.
- 57
- Eine Zurückverweisung an die Vergabekammer kommt nicht in Betracht, da sie dem Beschleunigungsgebot in Vergabesachen zuwiderlaufen würde und eine weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist.
- 58
- VI. Bezüglich der weiteren Rügen der Antragstellerin kann daher dahinstehen , ob diese Beanstandungen in einer § 107 Abs. 2 und 3 GWB genügender Weise geltend gemacht und ebenfalls berechtigt sind.
- 59
- VII. Entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG ist zu bestimmen, dass die Hinzuziehung des von der Antragstellerin mit der Vertretung im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer betrauten Rechtsanwalts notwendig war. Da das Oberlandesgericht eine im Verfahren zu entscheidende Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof vorgelegt hat und auch sonst nichts dagegen spricht, ist diese Notwendigkeit zu bejahen (vgl. BGHZ 169, 131, 152).
- 60
- Die Entscheidung des Senats bedeutet in der Sache ein Unterliegen der Antragsgegnerin in einem Umfang, der bei Anwendung der sich aus § 92 Abs. 2 ZPO ergebenden Grundsätze eine Kostenbelastung der Antragstellerin nicht rechtfertigt. Denn die Antragstellerin hat ihr Rechtsschutzziel, den Zuschlag im Verhandlungsverfahren an die Beigeladene zu verhindern, erreicht. Aber auch die Beigeladene unterliegt in diesem Umfang, weil sie sich ebenfalls mit dem Begehren, den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig, hilfswei- se als unbegründet, zurückzuweisen, an dem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer und dem Oberlandesgericht beteiligt hat. Dies hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB zur Folge, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene als Gesamtschuldner die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer zu tragen haben.
- 61
- Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 50 Abs. 2 GKG.
- 62
- VIII. Von einer mündlichen Verhandlung sieht der Senat ab, weil die Sache eilbedürftig ist, vor dem Oberlandesgericht bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat und angesichts des unstreitigen Sachverhalts von einem Termin vor dem Senat eine weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist (vgl. BGHZ 146, 202, 217).
Berger Grabinski
Vorinstanz:
OLG Celle, Entscheidung vom 17.07.2009 - 13 Verg 3/09 -
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
Diese Verordnung gilt für die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen im Sinne des § 104 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die dem Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterfallen und durch öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 und Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vergeben werden.
Öffentliche Auftraggeber sind
- 1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen, - 2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern - a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden, - b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
- 3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen, - 4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.
(1) Sektorenauftraggeber sind
- 1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, - 2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn - a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder - b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.
(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.
(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3
- 1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt, - 2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder - 3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.
Öffentliche Auftraggeber sind
- 1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen, - 2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern - a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden, - b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
- 3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen, - 4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.
(1) Verschlusssachen sind im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Wohles des Bundes oder eines Landes, geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Verschlusssachen können auch Produkte und die dazugehörenden Dokumente sowie zugehörige Schlüsselmittel zur Entschlüsselung, Verschlüsselung und Übertragung von Informationen sein (Kryptomittel). Geheimhaltungsbedürftig im öffentlichen Interesse können auch Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-, Steuer- oder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereichs sein.
(1a) Von einer Verschlusssache dürfen nur Personen Kenntnis erhalten, die auf Grund ihrer Aufgabenerfüllung Kenntnis haben müssen. Keine Person darf über eine Verschlusssache umfassender oder eher unterrichtet werden, als dies aus Gründen der Aufgabenerfüllung notwendig ist.
(2) Verschlusssachen werden entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit von einer amtlichen Stelle des Bundes oder auf deren Veranlassung in folgende Geheimhaltungsgrade eingestuft:
- 1.
STRENG GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann, - 2.
GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann, - 3.
VS-VERTRAULICH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann, - 4.
VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann.
(3) Wer auf Grund dieses Gesetzes oder sonst in berechtigter Weise Zugang zu einer Verschlusssache erlangt,
- 1.
ist zur Verschwiegenheit über die ihm dadurch zur Kenntnis gelangten Informationen verpflichtet und - 2.
hat durch Einhaltung der Schutzmaßnahmen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind, dafür Sorge zu tragen, dass keine unbefugte Person Kenntnis von der Verschlusssache erlangt.
(4) Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Bundes sind verpflichtet, Verschlusssachen durch Maßnahmen des materiellen Geheimschutzes nach der jeweils für sie geltenden allgemeinen Verwaltungsvorschrift, die nach § 35 zu erlassen ist, so zu schützen, dass Durchbrechungen ihrer Vertraulichkeit entgegengewirkt wird, und darauf hinzuwirken, dass solche Versuche erkannt und aufgeklärt werden können. Dies gilt auch für die Weitergabe von Verschlusssachen an nichtöffentliche Stellen. Die eine Verschlusssache herausgebende Stelle kann weitere Vorgaben zum Schutz der Verschlusssache treffen.
(5) Bei der Durchführung der nach § 35 Absatz 1 erster Halbsatz zu erlassenden allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz wirkt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit. Bei der Durchführung der nach § 35 Absatz 3 zu erlassenden allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz wirkt der Militärische Abschirmdienst mit. Bei der Betreuung der nichtöffentlichen Stellen im materiellen Geheimschutz sowie bei den Nachrichtendiensten des Bundes wirkt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik auf Ersuchen der jeweils zuständigen Behörde mit.
(6) Das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst teilen dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nichtpersonenbezogene Erkenntnisse, die für den Schutz von Verschlusssachen oder die Aufrechterhaltung des Geheimschutzes von Bedeutung sein können, unverzüglich mit. Das gilt nicht, soweit die Erkenntnisse einem Weitergabeverbot unterliegen. § 23 des Bundesverfassungsschutzgesetzes gilt entsprechend.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
Gründe
Oberlandesgericht München
Verg 4/15
In dem Nachprüfungsverfahren
betreffend Vorhaben LV 125 - Hubschrauberlandefläche
1. ...
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
2. ...
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
erlässt das Oberlandesgericht München - Vergabesenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...
am 08.07.2015
folgenden
Beschluss
I.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 16.06.2015 gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Dessen Wert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
● sich durch die Ausführungen der Vergabekammer in deren Kostenentscheidung belastet sieht und weiter
● die Vergabekammer den von ihr im dortigen Verfahren gestellten Antrag, es möge festgestellt werden, „dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin notwendig gewesen sei“, übergangen habe.
1. Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Vergabekammer Nordbayern
2. hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen, um der Antragstellerin die Geltendmachung von ihr zustehenden Schadensersatzansprüchen vor den ordentlichen Gerichten nicht übermäßig zu erschweren oder unmöglich zu machen;
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin notwendig gewesen ist;
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin zu tragen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist insoweit unzulässig, jedenfalls unbegründet. Die Antragstellerin ist durch den von ihr gerügten Satz in den Entscheidungsgründen nicht beschwert. Sie ist schon nicht formell beschwert, weil die Entscheidung nicht hinter ihrem Antrag zurückgeblieben ist (vgl. Reichold-Thomas/Putzo, ZPO, Rn. 17 vor § 511, 36. Aufl., 2015). Sie ist nicht einmal materiell beschwert, da der von ihr als belastend empfundene Satz erkennbar nur darauf bezogen ist, dass eine Kostenerstattung im Verfahren vor der Vergabekammer nicht stattfindet. Eine Aussage darüber, ob die Antragstellerin möglicherweise einen vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgenden Schadensersatzanspruch gegen die Antragsgegnerin hat, trifft dieser Satz nicht. Insbesondere tritt insoweit auch keine Bindungswirkung gemäß § 124 Abs. 1 GWB ein, weil sich eine solche gegebenenfalls auf die Feststellung, der Antragsteller sei in seinem Recht auf Einhaltung der Vorschriften über das Vergabeverfahren verletzt, beschränkt (Röwekamp in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, Rn. 7 zu § 124, 3. Aufl., 2014), nicht aber die Begründung einer Nebenentscheidung umfasst.
Die Antragstellerin vermag selbst nicht aufzuzeigen, welche Maßnahmen insofern geeignet und geboten wären. Es gibt auch keinerlei rechtliche Grundlage hierfür. Die in der Tat unbefriedigende Lage ist Folge der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, welche die Vergabekammer zitiert und zutreffend wiedergibt. Indessen ist die Antragstellerin damit nicht von vorneherein rechtsschutzlos gestellt, sondern hat grundsätzlich die Möglichkeit, unter den dort noch zu prüfenden Voraussetzungen Schadensersatz vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen.
3. Zur unterbliebenen Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten.
(1) Die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen erfolgt im nicht offenen Verfahren oder im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. In begründeten Ausnahmefällen ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb oder ein wettbewerblicher Dialog zulässig.
(2) Verhandlungen im nicht offenen Verfahren sind unzulässig.
(3) Auftraggeber können vorsehen, dass das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abgewickelt wird, um so die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. Wenn Auftraggeber dies vorsehen, geben sie dies in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen an. In der Schlussphase des Verfahrens müssen so viele Angebote vorliegen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist, sofern eine ausreichende Anzahl geeigneter Bewerber vorhanden ist.
(1) Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Sinne des § 103 Absatz 5 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen befolgen die Auftraggeber die Verfahrensvorschriften dieser Verordnung. Für die Auswahl des Auftragnehmers gelten die Zuschlagskriterien gemäß § 34. Auftraggeber dürfen das Instrument einer Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich oder in einer Weise anwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird.
(2) Auftraggeber vergeben Einzelaufträge nach dem in den Absätzen 3 bis 5 vorgesehenen Verfahren. Die Vergabe darf nur erfolgen durch Auftraggeber, die ihren voraussichtlichen Bedarf für das Vergabeverfahren gemeldet haben, an Unternehmen, mit denen die Rahmenvereinbarungen abgeschlossen wurden. Bei der Vergabe der Einzelaufträge dürfen die Parteien keine wesentlichen Änderungen an den Bedingungen dieser Rahmenvereinbarung vornehmen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Unternehmen geschlossen wurde.
(3) Wird eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Unternehmen geschlossen, so werden die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Einzelaufträge entsprechend den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vergeben. Vor der Vergabe der Einzelaufträge können die Auftraggeber das an der Rahmenvereinbarung beteiligte Unternehmen in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs befragen und dabei auffordern, sein Angebot erforderlichenfalls zu vervollständigen.
(4) Wird eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen geschlossen, so müssen mindestens drei Unternehmen beteiligt sein, sofern eine ausreichend große Zahl von Unternehmen die Eignungskriterien oder eine ausreichend große Zahl von zulässigen Angeboten die Zuschlagskriterien erfüllt.
(5) Die Vergabe von Einzelaufträgen, die auf einer mit mehreren Unternehmen geschlossenen Rahmenvereinbarung beruhen, erfolgt, sofern
- 1.
alle Bedingungen festgelegt sind, nach den Bedingungen der Rahmenvereinbarung ohne erneuten Aufruf zum Wettbewerb oder - 2.
nicht alle Bedingungen in der Rahmenvereinbarung festgelegt sind, nach erneutem Aufruf der Parteien zum Wettbewerb zu denselben Bedingungen, die erforderlichenfalls zu präzisieren sind, oder nach anderen in den Vergabeunterlagen zur Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen. Dabei ist folgendes Verfahren einzuhalten: - a)
Vor Vergabe jedes Einzelauftrags konsultieren die Auftraggeber die Unternehmen, die in der Lage sind, den Einzelauftrag auszuführen. - b)
Auftraggeber setzen eine angemessene Frist für die Abgabe der Angebote für jeden Einzelauftrag; dabei berücksichtigen sie insbesondere die Komplexität des Auftragsgegenstands und die für die Übermittlung der Angebote erforderliche Zeit. - c)
Auftraggeber geben an, in welcher Form die Angebote einzureichen sind, der Inhalt der Angebote ist bis zum Ablauf der Angebotsfrist geheim zu halten. - d)
Die Auftraggeber vergeben die einzelnen Aufträge an das Unternehmen, das auf der Grundlage der in der Rahmenvereinbarung aufgestellten Zuschlagskriterien das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
(6) Die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung darf sieben Jahre nicht überschreiten. Dies gilt nicht in Sonderfällen, in denen aufgrund der zu erwartenden Nutzungsdauer gelieferter Güter, Anlagen oder Systeme und der durch einen Wechsel des Unternehmens entstehenden technischen Schwierigkeiten eine längere Laufzeit gerechtfertigt ist. Die Auftraggeber begründen die längere Laufzeit in der Bekanntmachung gemäß § 35.
(1) Die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen erfolgt im nicht offenen Verfahren oder im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. In begründeten Ausnahmefällen ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb oder ein wettbewerblicher Dialog zulässig.
(2) Verhandlungen im nicht offenen Verfahren sind unzulässig.
(3) Auftraggeber können vorsehen, dass das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abgewickelt wird, um so die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. Wenn Auftraggeber dies vorsehen, geben sie dies in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen an. In der Schlussphase des Verfahrens müssen so viele Angebote vorliegen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist, sofern eine ausreichende Anzahl geeigneter Bewerber vorhanden ist.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Die Angebote sind auf Vollständigkeit sowie auf fachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen.
(2) Ausgeschlossen werden:
- 1.
Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten; - 2.
Angebote, die nicht unterschrieben sind oder nicht mindestens versehen sind mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur oder mit einem fortgeschrittenen elektronischen Siegel; - 3.
Angebote, in denen Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen nicht zweifelsfrei sind; - 4.
Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind; - 5.
Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, es sei denn, der Bieter hat dies nicht zu vertreten; - 6.
Angebote von Bietern, die in Bezug auf die Vergabe eine unzulässige, wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben; - 7.
Angebote von Bietern, die auch als Bewerber gemäß § 24 von der Teilnahme am Wettbewerb hätten ausgeschlossen werden können; - 8.
Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.
(1) Die Auftraggeber stellen sicher, dass die Leistungsbeschreibung allen Bewerbern und Bietern gleichermaßen zugänglich ist und die Öffnung des nationalen Beschaffungsmarktes für den Wettbewerb durch Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht in ungerechtfertigter Weise behindert wird.
(2) Die Leistung ist eindeutig und vollständig zu beschreiben, sodass die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet ist. Technische Anforderungen im Sinne des Anhangs III Nummer 1 Buchstabe b der Richtlinie 2009/81/EG sind zum Gegenstand der Bekanntmachung oder der Vergabeunterlagen zu machen.
(3) Unbeschadet zwingender technischer Vorschriften einschließlich solcher zur Produktsicherheit und technischer Anforderungen, die laut internationaler Standardisierungsvereinbarungen zur Gewährleistung der in diesen Vereinbarungen geforderten Interoperabilität zu erfüllen sind, sind technische Anforderungen in der Leistungsbeschreibung wie folgt festzulegen:
- 1.
unter Bezugnahme auf die in Anhang III der Richtlinie 2009/81/EG definierten technischen Anforderungen in folgender Rangfolge, wobei jede dieser Bezugnahmen mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen ist: - a)
zivile Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden, - b)
europäische technische Zulassungen, - c)
gemeinsame zivile technische Spezifikationen, - d)
zivile Normen, mit denen internationale Normen umgesetzt werden, - e)
andere internationale zivile Normen, - f)
andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden, oder, falls solche Normen und Spezifikationen fehlen, andere nationale zivile Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung und Berechnung und Ausführungen von Erzeugnissen sowie den Einsatz von Produkten, - g)
zivile technische Spezifikationen, die von der Industrie entwickelt wurden und von ihr allgemein anerkannt werden, oder - h)
wehrtechnische Normen im Sinne des Anhangs III Nummer 3 der Richtlinie 2009/81/EG und Spezifikationen für Verteidigungsgüter, die diesen Normen entsprechen,
- 2.
oder in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen, die auch Umwelteigenschaften umfassen können. Diese Anforderungen müssen so klar formuliert werden, dass sie den Bewerbern und Bietern den Auftragsgegenstand eindeutig und abschließend erläutern und den Auftraggebern die Erteilung des Zuschlags ermöglichen, - 3.
oder als Kombination der Nummern 1 und 2, - a)
entweder in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen gemäß Nummer 2 unter Bezugnahme auf die in Anhang III der Richtlinie 2009/81/EG definierten technischen Anforderungen gemäß Nummer 1 als Mittel zur Vermutung der Konformität mit diesen Leistungs- und Funktionsanforderungen oder- b)
hinsichtlich bestimmter Merkmale unter Bezugnahme auf die in Anhang III der Richtlinie 2009/81/EG definierten technischen Anforderungen gemäß Nummer 1 und hinsichtlich anderer Merkmale unter Bezugnahme auf die Leistungs- und Funktionsanforderungen gemäß Nummer 2.
(4) Verweisen die Auftraggeber auf die in Absatz 3 Nummer 1 genannten technischen Anforderungen, dürfen sie ein Angebot nicht mit der Begründung ablehnen, die angebotenen Güter und Dienstleistungen entsprächen nicht den von ihnen herangezogenen Anforderungen, sofern die Unternehmen in ihrem Angebot den Auftraggebern mit geeigneten Mitteln nachweisen, dass die von ihnen vorgeschlagenen Lösungen den technischen Anforderungen, auf die Bezug genommen wurde, gleichermaßen entsprechen. Als geeignetes Mittel gelten insbesondere eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle.
(5) Legt der Auftraggeber die technischen Anforderungen nach Absatz 3 Nummer 2 in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen fest, so darf er ein Angebot, das einer Norm, mit der eine europäische Norm umgesetzt wird, oder einer europäischen technischen Zulassung, einer gemeinsamen technischen Spezifikation, einer internationalen Norm oder einem technischen Bezugssystem, das von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurde, entspricht, nicht zurückweisen, wenn diese Spezifikationen die von ihm geforderten Leistungs-oder Funktionsanforderungen betreffen. Die Bieter müssen in ihren Angeboten dem Auftraggeber mit allen geeigneten Mitteln nachweisen, dass die der Norm entsprechende jeweilige Ware oder Dienstleistung den Leistungs- oder Funktionsanforderungen des Auftraggebers entspricht. Als geeignetes Mittel kann eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle gelten.
(6) Schreiben die Auftraggeber Umwelteigenschaften in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen gemäß Absatz 3 Nummer 2 vor, so können sie ganz oder teilweise die Spezifikationen verwenden, die in europäischen, multinationalen, nationalen oder anderen Umweltzeichen definiert sind, wenn
- 1.
diese sich zur Definition der Merkmale der Güter oder Dienstleistungen eignen, die Gegenstand des Auftrags sind, - 2.
die Anforderungen an das Umweltzeichen auf der Grundlage von wissenschaftlich abgesicherten Informationen ausgearbeitet werden, - 3.
die Umweltzeichen im Rahmen eines Verfahrens erlassen werden, an dem interessierte Kreise teilnehmen können und - 4.
das Umweltzeichen für alle Betroffenen zugänglich und verfügbar ist.
(7) Anerkannte Stellen sind die Prüf- und Kalibrierlaboratorien sowie die Inspektions- und Zertifizierungsstellen, die den Anforderungen der jeweils anwendbaren europäischen Normen entsprechen. Die Auftraggeber erkennen Bescheinigungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen anerkannten Stellen an.
(8) Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in der Leistungsbeschreibung nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Güter begünstigt oder ausgeschlossen werden. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nach den Absätzen 2 und 3 nicht eindeutig und vollständig beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.
(1) Die Annahme eines Angebots (Zuschlag) erfolgt in Schriftform oder elektronisch mindestens mittels einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur oder mindestens mittels eines fortgeschrittenen elektronischen Siegels. Bei Übermittlung durch Telefax genügt die Unterschrift auf der Telefaxvorlage.
(2) Zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots wendet der Auftraggeber die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegebenen Zuschlagskriterien in der festgelegten Gewichtung oder in der absteigenden Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung an. Diese Zuschlagskriterien müssen sachlich durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sein. Insbesondere können folgende Kriterien erfasst sein:
(1) Für die Berücksichtigung mittelständischer Interessen gilt § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen gemäß § 97 Absatz 4 Satz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern, insbesondere weil die Leistungsbeschreibung die Systemfähigkeit der Leistung verlangt und dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
(2) Hat ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder sonst unterstützt, so hat der Auftraggeber sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.
(3) Die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) sind grundsätzlich zum Vertragsgegenstand zu machen.
(4) Die Durchführung von Vergabeverfahren zur Markterkundung und zum Zwecke der Ertragsberechnung ist unzulässig.
(5) Bei der Vergabe sind die Vorschriften über die Preise bei öffentlichen Aufträgen zu beachten.
(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.
(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.
(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Sinne des § 103 Absatz 5 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen befolgen die Auftraggeber die Verfahrensvorschriften dieser Verordnung. Für die Auswahl des Auftragnehmers gelten die Zuschlagskriterien gemäß § 34. Auftraggeber dürfen das Instrument einer Rahmenvereinbarung nicht missbräuchlich oder in einer Weise anwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird.
(2) Auftraggeber vergeben Einzelaufträge nach dem in den Absätzen 3 bis 5 vorgesehenen Verfahren. Die Vergabe darf nur erfolgen durch Auftraggeber, die ihren voraussichtlichen Bedarf für das Vergabeverfahren gemeldet haben, an Unternehmen, mit denen die Rahmenvereinbarungen abgeschlossen wurden. Bei der Vergabe der Einzelaufträge dürfen die Parteien keine wesentlichen Änderungen an den Bedingungen dieser Rahmenvereinbarung vornehmen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Unternehmen geschlossen wurde.
(3) Wird eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Unternehmen geschlossen, so werden die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Einzelaufträge entsprechend den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vergeben. Vor der Vergabe der Einzelaufträge können die Auftraggeber das an der Rahmenvereinbarung beteiligte Unternehmen in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs befragen und dabei auffordern, sein Angebot erforderlichenfalls zu vervollständigen.
(4) Wird eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen geschlossen, so müssen mindestens drei Unternehmen beteiligt sein, sofern eine ausreichend große Zahl von Unternehmen die Eignungskriterien oder eine ausreichend große Zahl von zulässigen Angeboten die Zuschlagskriterien erfüllt.
(5) Die Vergabe von Einzelaufträgen, die auf einer mit mehreren Unternehmen geschlossenen Rahmenvereinbarung beruhen, erfolgt, sofern
- 1.
alle Bedingungen festgelegt sind, nach den Bedingungen der Rahmenvereinbarung ohne erneuten Aufruf zum Wettbewerb oder - 2.
nicht alle Bedingungen in der Rahmenvereinbarung festgelegt sind, nach erneutem Aufruf der Parteien zum Wettbewerb zu denselben Bedingungen, die erforderlichenfalls zu präzisieren sind, oder nach anderen in den Vergabeunterlagen zur Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen. Dabei ist folgendes Verfahren einzuhalten: - a)
Vor Vergabe jedes Einzelauftrags konsultieren die Auftraggeber die Unternehmen, die in der Lage sind, den Einzelauftrag auszuführen. - b)
Auftraggeber setzen eine angemessene Frist für die Abgabe der Angebote für jeden Einzelauftrag; dabei berücksichtigen sie insbesondere die Komplexität des Auftragsgegenstands und die für die Übermittlung der Angebote erforderliche Zeit. - c)
Auftraggeber geben an, in welcher Form die Angebote einzureichen sind, der Inhalt der Angebote ist bis zum Ablauf der Angebotsfrist geheim zu halten. - d)
Die Auftraggeber vergeben die einzelnen Aufträge an das Unternehmen, das auf der Grundlage der in der Rahmenvereinbarung aufgestellten Zuschlagskriterien das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
(6) Die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung darf sieben Jahre nicht überschreiten. Dies gilt nicht in Sonderfällen, in denen aufgrund der zu erwartenden Nutzungsdauer gelieferter Güter, Anlagen oder Systeme und der durch einen Wechsel des Unternehmens entstehenden technischen Schwierigkeiten eine längere Laufzeit gerechtfertigt ist. Die Auftraggeber begründen die längere Laufzeit in der Bekanntmachung gemäß § 35.
Werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu.
(1) Erscheint ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangen die Auftraggeber vor Ablehnung dieses Angebots vom Bieter Aufklärung über dessen Einzelpositionen. Auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden.
(2) Auftraggeber prüfen die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigen die gelieferten Nachweise. Sie können Bieter zur Aufklärung betreffend der Einzelpositionen des Angebots auffordern.
(3) Angebote, die aufgrund einer staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ungewöhnlich niedrig sind, dürfen aus diesem Grund nur abgelehnt werden, wenn das Unternehmen nach Aufforderung innerhalb einer von den Auftraggebern festzulegenden ausreichenden Frist nicht nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Auftraggeber, die unter diesen Umständen ein Angebot ablehnen, müssen dies der Europäischen Kommission mitteilen.
(1) Die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen erfolgt im nicht offenen Verfahren oder im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. In begründeten Ausnahmefällen ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb oder ein wettbewerblicher Dialog zulässig.
(2) Verhandlungen im nicht offenen Verfahren sind unzulässig.
(3) Auftraggeber können vorsehen, dass das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abgewickelt wird, um so die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. Wenn Auftraggeber dies vorsehen, geben sie dies in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen an. In der Schlussphase des Verfahrens müssen so viele Angebote vorliegen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist, sofern eine ausreichende Anzahl geeigneter Bewerber vorhanden ist.
(1) Das Vergabeverfahren ist von Beginn an in einem Vergabevermerk fortlaufend zu dokumentieren, um die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festzuhalten.
(2) Der Vergabevermerk umfasst zumindest:
- 1.
den Namen und die Anschrift des öffentlichen Auftraggebers, Gegenstand und Wert des Auftrags oder der Rahmenvereinbarung, - 2.
die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl, - 3.
die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Ablehnung, - 4.
die Gründe für die Ablehnung von ungewöhnlich niedrigen Angeboten, - 5.
den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt oder verpflichtet ist weiterzugeben, - 6.
beim Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und wettbewerblichen Dialog die in dieser Verordnung jeweils genannten Umstände oder Gründe, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen; gegebenenfalls die Begründung für die Überschreitung der Fristen gemäß § 12 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a Satz 2 und Nummer 3 Buchstabe b Satz 3 sowie für die Überschreitung der Schwelle von 50 Prozent gemäß § 12 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a, - 7.
gegebenenfalls die Gründe, aus denen die Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags oder den Abschluss einer Rahmenvereinbarung verzichtet haben, - 8.
die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden sollen, - 9.
die Gründe, warum der Gegenstand des Auftrags die Vorlage von Eigenerklärungen oder von Eignungsnachweisen erfordert, - 10.
die Gründe der Nichtangabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien, - 11.
gegebenenfalls die Gründe, die eine über sieben Jahre hinausgehende Laufzeit einer Rahmenvereinbarung rechtfertigen, und - 12.
die Gründe für die Ablehnung von Angeboten.
(3) Die Auftraggeber müssen geeignete Maßnahmen treffen, um den Ablauf der mit elektronischen Mitteln durchgeführten Vergabeverfahren zu dokumentieren.
(4) Auf Ersuchen der Europäischen Kommission müssen die Auftraggeber den Vermerk in Kopie übermitteln oder dessen wesentlichen Inhalt mitteilen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die nach § 69a Abs. 1, 2 GKG statthafte Rüge gegen die Wertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011 ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben ist (§ 69a Abs. 4 Satz 1 und 2 GKG). Wird die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Beschwerdegericht gerügt, setzt die Zulässigkeit der Anhörungsrüge wie bei dem Rechtsbehelf aus § 321a ZPO, dem § 69a GKG nachgebildet ist, voraus, dass Umstände ausgeführt werden, aus denen sich ergeben kann, dass das Gericht bei der Entscheidung Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch nicht erwogen hat (vgl. dazu BVerfGE 87, 1, 33; BGHZ 154, 288, 300 mwN; vgl.
II.
- 2
- Der Senat hat die Anhörungsrüge zum Anlass genommen, seine Wertfestsetzung im Beschluss vom 8. Februar 2011 darauf hin zu überprüfen, ob Anlass besteht, sie nach § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen zu korrigieren. Das ist indes nicht der Fall.
- 3
- 1. Bei der Wertbemessung war davon auszugehen, dass es der Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag nicht darum ging, Leistungen, die Gegenstand des Änderungsvertrages waren, zumindest in einem Teil des durch diesen Vertrag festgelegten Zeitraums zu erbringen, sondern darum, diesen Änderungsvertrag zu Fall zu bringen, um sich für die Zeit nach dem Auslaufen des Verkehrsvertrags (Dezember 2018) um den Betrieb der genannten S-Bahnlinien 5 und 8 im Verkehrsverbund Rhein/Ruhr zu bewerben. Will der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren mit der begehrten Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages aucherreichen, dass der Gesamtgegenstand dieses Vertrages in einem künftigen Vergabeverfahren losweise vergeben wird, bemisst sich die für den Streitwert maßgebliche Auftragssumme (§ 50 Abs. 2 GKG) nach dem Wert der Lose, an deren Erbringung der Antragsteller interessiert ist (ebenso Brandenburgisches OLG, VergabeR 2003, 654 ff.). Das auch in § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB angesprochene Interesse des Antragstellers am Auftrag beschränkt sich in solchen Fällen auf diese Lose. Dieser Umstand kann bei der im Zusammenhang mit der Streitwertfestsetzung gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht außer Betracht bleiben. Zudem ist zu bedenken, dass das Rechtsschutzziel der Aufteilung eines Auftrags in Lose typischerweise dasjenige von kleineren oder mittleren Unternehmen sein wird und dass das Prozessrisiko dieser Wirtschaftsteilnehmer im Interesse eines effektiven Vergaberechtsschutzes nicht dadurch überhöht werden sollte, dass ihrem Begehren ein Streitwert von 5 Prozent der BruttoGesamtauftragssumme zugrunde gelegt wird, obwohl ihr wirtschaftliches Ziel sich damit jedenfalls nicht deckt und sich unter Umständen nur auf einen kleinen Bruchteil dieser Summe bezieht.
- 4
- 2. Ist nach Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages, wie hier, ungewiss, wann und mit welchen Modalitäten ein zukünftiges Vergabeverfahren für eine losweise Vergabe der in Rede stehenden Leistungen zur Durchführung ansteht, ist die für den Nachprüfungsantrag des die Losaufteilung anstrebenden Antragstellers maßgebliche Auftragssumme zu schätzen. Eine solche Schätzung ist unter Voraussetzungen vorzunehmen , die mit denjenigen vergleichbar ist, unter denen öffentliche Auftraggeber den Wert zur Vergabe anstehender Leistungen zu ermitteln haben, bevor sie das entsprechende Vergabeverfahren in die Wege leiten. Deshalb ist es sachgerecht, dafür die in § 3 VgV genannten Parameter heranzuziehen, soweit sie nach den Umständen für eine entsprechende Anwendung geeignet erscheinen.
- 5
- Im Streitfall kann davon ausgegangen werden, dass eine losweise Vergabe des Betriebs der Linien, für welche die Antragstellerin sich interessiert, auf einen längeren Zeitraum bemessen wird. Bei Aufträgen über Dienstleistungen , für die kein Gesamtpreis angegeben werden kann und die eine unbestimmte Laufzeit bzw. eine solche von mehr als 48 Monaten haben werden, bietet sich in Anlehnung an § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV an, auf den 48-fachen Monatswert abzustellen. Auf dieser Grundlage hat der Senat den Streitwert im Beschluss vom 8. Februar 2011 bemessen.
- 6
- Im Verfahren der Anhörungsrüge nach § 69a Abs. 1 werden Kosten nicht erstattet (§ 69a Abs. 3 GKG). Die Gebühr nach KV 1700 zum Gerichtskostengesetz fällt der Antragstellerin zur Last.
Grabinski Bacher
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.07.2010 - VII-Verg 19/10 -
(1) Das Vergabeverfahren ist von Beginn an in einem Vergabevermerk fortlaufend zu dokumentieren, um die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festzuhalten.
(2) Der Vergabevermerk umfasst zumindest:
- 1.
den Namen und die Anschrift des öffentlichen Auftraggebers, Gegenstand und Wert des Auftrags oder der Rahmenvereinbarung, - 2.
die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl, - 3.
die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Ablehnung, - 4.
die Gründe für die Ablehnung von ungewöhnlich niedrigen Angeboten, - 5.
den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt oder verpflichtet ist weiterzugeben, - 6.
beim Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und wettbewerblichen Dialog die in dieser Verordnung jeweils genannten Umstände oder Gründe, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen; gegebenenfalls die Begründung für die Überschreitung der Fristen gemäß § 12 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a Satz 2 und Nummer 3 Buchstabe b Satz 3 sowie für die Überschreitung der Schwelle von 50 Prozent gemäß § 12 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a, - 7.
gegebenenfalls die Gründe, aus denen die Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags oder den Abschluss einer Rahmenvereinbarung verzichtet haben, - 8.
die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden sollen, - 9.
die Gründe, warum der Gegenstand des Auftrags die Vorlage von Eigenerklärungen oder von Eignungsnachweisen erfordert, - 10.
die Gründe der Nichtangabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien, - 11.
gegebenenfalls die Gründe, die eine über sieben Jahre hinausgehende Laufzeit einer Rahmenvereinbarung rechtfertigen, und - 12.
die Gründe für die Ablehnung von Angeboten.
(3) Die Auftraggeber müssen geeignete Maßnahmen treffen, um den Ablauf der mit elektronischen Mitteln durchgeführten Vergabeverfahren zu dokumentieren.
(4) Auf Ersuchen der Europäischen Kommission müssen die Auftraggeber den Vermerk in Kopie übermitteln oder dessen wesentlichen Inhalt mitteilen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
A.
- 1
- Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf eine zwischen der Antragsgegnerin (im Folgenden: VRR) und der Beigeladenen (im Folgenden : DB Regio) getroffene Änderungsvereinbarung vom 24. November 2009 (im Folgenden: Änderungsvertrag) zum Verkehrsvertrag vom 12. Juli 2004 (im Folgenden nur: Verkehrsvertrag), den der VRR mit der Rechtsvorgängerin von DB Regio, die inzwischen auf Letztere verschmolzen wurde, geschlossen hatte.
- 2
- DB Regio bezieht über den VRR einen Zuschuss pro gefahrenem Zugkilometer , dessen Höhe nach Maßgabe diesbezüglicher vertraglicher Regelungen fortgeschrieben wird. Die dafür erforderlichen Geldmittel erhält der VRR vom Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNVG NRW). Aufgrund des Regionalisierungsgesetzes erhält das Land Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang überwiegend für die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs vorgesehene Bundeszuwendungen. Für den Fall, dass sich diese Mittel reduzieren, enthält der Verkehrsvertrag eine Revisionsklausel (§ 39 Abs. 5 des Vertrags), derzufolge der VRR bei entsprechenden Mittelkürzungen berechtigt ist, eine angemessene Anpassung des SPNV-Angebots zu verlangen. Außerdem vereinnahmt DB Regio den vertraglichen Regelungen zufolge für die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen die Fahrscheinerlöse und de- ren Surrogate bei gesetzlich vorgesehener unentgeltlicher Fahrgastbeförderung (z.B. nach dem SGB IX).
- 3
- Nachdem die Mittel für Zuwendungen an die Länder auf der Grundlage des Regionalisierungsgesetzes 2006 gekürzt worden waren, entstand zwischen den Parteien des Verkehrsvertrages Streit über die gegenseitigen Pflichten, die zur Kündigung des Vertrages seitens des VRR und zu verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten, aber auch zu Vergleichsverhandlungen zwischen den Vertragspartnern führten. Am 21./25. Juli 2009 gab der VRR die Absicht, mit DB Regio den Änderungsvertrag abschließen zu wollen, im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union bekannt. Zu den vertraglichen Regelungen sollte danach gehören, dass DB Regio im Bereich der S-Bahn die Linien S 1 bis S 11 über das Ende des ursprünglichen Verkehrsvertrags hinaus bis Dezember 2023 bedient. Entsprechend wurde der Änderungsvertrag am 24. November 2009 geschlossen und der Vertragsschluss am 9. Dezember 2009 im Supplement zum Amtsblatt der EU bekannt gemacht.
- 4
- Die Antragstellerin (im Folgenden: A. R.), die an der Übernahme des Betriebs vornehmlich der S-Bahn-Linie 5 ab Dezember 2018 interessiert ist, meint, die Übertragung des S-Bahn-Betriebs über den Zeitraum nach Dezember 2018 hinaus auf DB Regio sei ein vergaberechtlich ausschreibungspflichtiger Vorgang. Sie hat bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster mit dort am 6. Januar 2010 eingegangenem Antrag ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet und in der Sache beantragt, 1. festzustellen, dass der Änderungsvertrag über Leistungen im SPNV in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und 9 (Niederrhein ) im Hinblick auf den Leistungsteil der Linie S 5 von Anfang an unwirksam ist; hilfsweise, 2. festzustellen, dass der Änderungsvertrag (insgesamt) von Anfang an unwirksam ist, 3. die Antragsgegnerin für den Fall, dass sie an dem Beschaffungsvorhaben für die Linie S 5 festhält, zu verpflichten, den Auftrag über diese Leistungen in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und 9 (Niederrhein) nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens mit vorheriger europaweiter Bekanntmachung zu vergeben.
- 5
- Der VRR und DB Regio haben beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Die Vergabekammer hat den Änderungsvertrag für unwirksam erklärt und außerdem ausgesprochen: Der Antrag der Antragstellerin auf Teilausschreibung der Linie S 5 und der Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, soweit sie an dem Beschaffungsvorhaben festhält, den Auftrag über diese Leistungen im SPNV in den Kooperationsräumen 1 und 9 im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens mit vorheriger europaweiter Bekanntmachung vor Ablauf der Vertragslaufzeit aus dem Verkehrsvertrag im Jahre 2018 zu vergeben, werden zurückgewiesen.
- 6
- Gegen den Beschluss der Vergabekammer haben A. R., DB Regio und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf auch der VRR sofortige Beschwerde eingelegt. Der VRR und DB Regio begehren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Vergabekammer und die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. A. R. beantragt, das Rechtsmittel des VRR als unzuläs- sig zu verwerfen, hilfsweise, es - ebenso wie die Beschwerde von DB Regio - zurückzuweisen. A. R. verfolgt mit dem Rechtsmittel ihren Antrag zu 3 weiter, jedoch mit der Maßgabe, dass die Worte "für die Linie S 5" entfallen und sich der Antrag somit auf das gesamte Vorhaben bezieht. Der VRR und DB Regio beantragen, die sofortige Beschwerde von A. R. zurückzuweisen.
- 7
- Das Oberlandesgericht erachtet den Nachprüfungsantrag von A. R. für zulässig und in weitem Umfang auch für begründet. Es sieht sich an einer eigenen Sachentscheidung aber durch entgegenstehende Rechtsprechung anderer Vergabesenate gehindert. Diese Divergenz betrifft in erster Linie die Frage, ob bei der Vergabe von Dienstleistungen des SPNV ein Nachprüfungsverfahren nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen überhaupt zulässig ist, was das Brandenburgische Oberlandesgericht in einer Entscheidung vom 2. September 2003 (VergabeR 2003, 654) verneint hat.
B.
- 8
- Die Vorlage ist zulässig.
- 9
- Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der sich mit einem die Entscheidung eines anderen Obergerichts tragenden Rechtssatz nicht in Einklang bringen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - X ZB 31/08, BGHZ 179, 84 - Rettungsdienstleistungen). So verhält es sich hier. Das vorlegende Oberlandesgericht bejaht die Kompetenz der Nachprüfungsinstanzen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 102 ff., § 116 Abs. 3 GWB) zur vergaberechtlichen Überprüfung des Änderungsvertrags. Es meint des Weiteren, dass der Vertrag nach § 101 Abs. 7 Satz 1 GWB, § 4 Abs. 1 VgV, § 1a Nr. 2 Abs. 2, § 3 VOL/A öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen. Damit würde das Oberlandesgericht seiner Entscheidung Rechtssätze zugrunde legen, die mit denjenigen nicht zu vereinbaren wären, auf denen der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. September 2003 beruht. Dieses vertritt die Ansicht, die Aufgabenträger der Eisenbahnverkehrsleistungen seien nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie öffentlich ausschreiben oder die Leistungserbringung ohne förmliches Vergabeverfahren frei mit Eisenbahnverkehrsunternehmen vereinbaren wollen. Dieses Ermessen habe der Gesetzgeber des Vergaberechtsänderungsgesetzes vom 28. August 1998 (VgRÄG, BGBl. I S. 2512) nicht einschränken, sondern er habe den vom Allgemeinen Eisenbahngesetz erfassten Anwendungsbereich aus Gründen der Spezialität unverändert fortgelten lassen wollen.
- 10
- Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber, wie im Streitfall, für eine Beauftragung ohne Ausschreibung, ist auf der Grundlage der vom Brandenburgischen Oberlandesgericht vertretenen Rechtsauffassung von vornherein kein Raum für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung wäre der vorliegende Nachprüfungsantrag unzulässig.
- 11
- Da die Vorlage hiernach zulässig ist, bedarf die vom vorlegenden Gericht außerdem ausgeführte Divergenz zur Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle (VergabeR 2010, 669) zu den vergaberechtlichen Konsequenzen einer zeitversetzten Dokumentation des Vergabeverfahrens an dieser Stelle keiner Erörterung.
C.
- 12
- Die sofortigen Beschwerden von DB Regio und des VRR bleiben in der Sache ohne Erfolg.
- 13
- I. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass auch der VRR in zulässiger Weise sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer eingelegt hat, auch wenn in dem dafür maßgeblichen Schriftsatz vom 8. April 2010 nicht ausdrücklich erklärt wird, dass gegen die Entscheidung der Vergabekammer "sofortige Beschwerde" eingelegt werde. Soweit die Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - dessen analoge Anwendung A. R. verficht - die Erklärung enthalten muss, dass gegen das angefochtene Urteil Berufung eingelegt wird, ist zu bedenken, dass die Frage, ob ein Rechtsmittel eingelegt ist, nach ständiger Rechtsprechung erforderlichenfalls im Wege der Auslegung der Rechtsmittelschrift und der sonst heranzuziehenden Unterlagen zu beurteilen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08 Rn. 8). Das gilt auch für die nach § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgesehene Erklärung. Dementsprechend reicht es aus, wenn sich der unbedingte Wille des Antragsgegners , selbst sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer einzulegen, aus den gesamten Umständen ergibt. Dies ist der Fall. Zweifel daran können überhaupt nur aufkommen, weil zuvor bereits die Beigeladene dieses Rechtsmittel eingelegt hat, deren rechtliche Interessen sich nach Lage der Dinge mit denen des VRR decken. Dass mit dem Schriftsatz vom 8. April 2010 nur die bereits eingelegte Beschwerde von DB Regio unterstützt werden sollte, wie das vorlegende Gericht vorsorglich erwogen hat, liegt aber schon deshalb fern, weil der VRR im Verhältnis zu DB Regio Hauptpartei ist und jedenfalls nicht ohne Weiteres anzunehmen ist, dass der VRR ungeachtet dieser Parteirolle lediglich das Rechtsmittel der Beigeladenen unterstützen wollte.
- 14
- II. Die Vergabekammer hat die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags von A. R. im Ergebnis und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des VRR und von DB Regio zu Recht bejaht.
- 15
- 1. Der DB Regio im Änderungsvertrag übertragene Betrieb der S-BahnLinien 1 bis 11 über den Dezember 2018 hinaus, bis 2023, fällt in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
- 16
- a) Dieser Anwendungsbereich ist im Gesetz nach Vertragsarten und -gegenständen prinzipiell umfassend bestimmt (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - X ZB 31/08, BGHZ 179, 84 Rn. 21 - Rettungsdienstleistungen; aA Prieß, NZBau 2002, 539 ff.). Von ihm sind - unter der im Streitfall nicht umstrittenen Voraussetzung, dass der jeweils einschlägige Schwellenwert erreicht ist - lediglich Arbeitsverträge und die Aufträge ausgenommen, die in § 100 Abs. 2 lit. a bis t GWB bezeichnet sind. Dieser Ausnahmekatalog ist grundsätzlich als abschließend anzusehen (vgl. BGHZ 179, 84 Rn. 21 - Rettungsdienstleistungen
).
- 17
- Bei den im von DB Regio vorgelegten Rechtsgutachten (im Folgenden: Privatgutachten) gegen den abschließenden Charakter der Regelung angeführten Beispielen der In-House-Geschäfte, der interkommunalen Zusammenarbeit und bei den sozialrechtlichen Beschaffungen handelt es sich nur um vermeintli- che Durchbrechungen des Ausnahmekatalogs von § 100 Abs. 2 GWB. In dieser Bestimmung sind bestimmte Aufträge wegen des jeweiligen Vertragsgegenstands bzw. wegen damit oder mit dem Auftraggeber zusammenhängenden Umständen vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Die für InHouse -Geschäfte und die interkommunale Kooperation anerkannten Ausnahmen beruhen auf einer Rechtsfortbildung im Sinne einer teleologischen Reduktion durch den Gerichtshof der Europäischen Union, die nicht im Auftragsgegenstand oder in Merkmalen des Auftraggebers, sondern im rechtlichen Verhältnis der jeweiligen Vertragspartner zueinander ihren Grund hat. Soweit es Beschaffungen im Gesundheitssektor betrifft, war deren Zuweisung zum Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den ordentlichen Gerichten und denjenigen der Sozialgerichtsbarkeit umstritten, wurde vom Senat in einem obiter dictum bejaht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2008 - X ZB 17/08, VergabeR 2008, 787 - Rabattvereinbarungen mwN) und ist erst danach vom Gesetzgeber abweichend geregelt worden (vgl. Art. 1 Nr. 1e und 2b Nr. 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15. Dezember 2008, GKV-OrgWG, BGBl. I S. 2426). Ob gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen in ganz speziellen Bereichen - wie etwa bei der im Privatgutachten angesprochenen Beschaffung von Euro-Banknoten gemäß der Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 16. September 2004 - im Einzelfall ausnahmsweise eine Relativierung der Auslegung von § 100 Abs. 2 GWB erforderlich machen könnten, bedarf im Streitfall keiner Beantwortung, weil hier eine solche Kollision entgegen den Annahmen des Privatgutachtens nicht besteht (insbesondere unten C II 1 d).
- 18
- b) Die Dienstleistungen, um deren Erbringung im SPNV durch DB Regio es hier geht, sind nicht infolge der Regelung in § 15 Abs. 2 AEG vom Geltungs- bereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen. Auch diese (ältere) Regelung, nach der die zuständigen Behörden , die beabsichtigen, die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen zu vereinbaren, diese Leistungen ausschreiben können, begründet keine Ausnahme von dem im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen definierten Anwendungsbereich seiner Vergabevorschriften.
- 19
- aa) Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat bei seiner gegenteiligen Auslegung auf den geäußerten Willen des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Schaffung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (1993) und des Vergaberechtsänderungsgesetzes (1998) abgestellt und gemeint, es sei dem deutschen Gesetzgeber bei Schaffung des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen allein darum gegangen, die gemeinschaftsrechtlich eingeforderte Einräumung einklagbarer Rechtspositionen für Bieter zu schaffen und den fehlenden effektiven Rechtsschutz in laufenden Vergabeverfahren zu verbessern, während nicht ersichtlich sei, dass er darüber hinaus gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen einer Ausschreibungspflicht habe unterwerfen wollen. Dafür hätte er sich aber bewusst entscheiden müssen, weil seinerzeit eine Ausschreibungspflicht nach den Vergaberichtlinien der Europäischen Gemeinschaft nicht bestanden habe (Brandenburgisches OLG, aaO, S. 664).
- 20
- bb) Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist demgegenüber die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung (BVerfGE 1, 299, 312). Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden (BGH, Beschluss vom 21. Februar 1995 - KVR 4/94, BGHZ 129, 38, 50 - Weiterverteiler ). Im Übrigen hat der Senat bereits am Beispiel der Regelung in § 126 GWB aufgezeigt, dass gerade der objektive Regelungsgehalt des den Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beinhaltenden Art. 1 des Vergaberechtsänderungsgesetzes vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2512) auch in anderem Sachzusammenhang über den subjektiven Willen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe hinausgeht (BGHZ 179, 84 Rn. 24 - Rettungsdienstleistungen
).
- 21
- cc) Die Regelung in § 15 Abs. 2 AEG, wonach die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 4, Art. 14 der VO (EWG) 1191/69 von den zuständigen Behörden ausgeschrieben werden können, hat gegenüber dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen keinen Vorrang unter dem Gesichtspunkt der Spezialität.
- 22
- (1) Die Regelung mag Vorbehalten gegen die Zweckmäßigkeit von Ausschreibungsverfahren und befürchteten negativen Auswirkungen eines verbes- serten Rechtsschutzes auf die Investitionstätigkeit im Allgemeinen geschuldet gewesen sein, wie das Brandenburgische Oberlandesgericht ausführt (aaO, S. 661 f.; vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 15. August 2008 - X ZB 17/08, VergabeR 2008, 787 Rn. 13 - Rabattvereinbarungen mwN). Auch wenn solche Vorbehalte grundsätzlich gerade auch dem an der Schwelle zur Öffnung für den Wettbewerb stehenden Schienenverkehr gegolten haben können , so herrschte darüber zwischen den beteiligten Gesetzgebungsorganen doch keineswegs Konsens. Die Gesetzgebungsmaterialien offenbaren diesbezüglich kontroverse Vorstellungen zwischen dem von den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP, den damaligen Regierungsfraktionen, sowie von weiteren Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf einerseits und dem Bundesrat andererseits. Nach dem Entwurf für § 13 Abs. 2 AEG (später: § 15 Abs. 2 AEG) sollten die fraglichen Leistungen obligatorisch ausgeschrieben werden. Die verabschiedete Fassung hat zwar den dagegen gerichteten Vorbehalten des Bundesrats (BR-Drucks. 131/93 S. 47) Rechnung getragen. Dies ist jedoch nach dem Wortlaut des Allgemeinen Eisenbahngesetzes nicht in der Weise geschehen, dass es den zuständigen Behörden freigestellt worden ist, solche Leistungen direkt zu vergeben. Vielmehr ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Verpflichtung zur Ausschreibung lediglich zu einer Kann-Regelung abgeschwächt worden. Dies bietet schon mit Blick auf die gleichwohl bestehenden Meinungsverschiedenheiten unter den Organen des Gesetzgebungsverfahrens über die Wettbewerbsöffnung des Schienenverkehrs keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass die in § 15 Abs. 2 AEG beschriebenen Leistungen nach dem rund vier Jahre später geschaffenen Vergaberechtsänderungsgesetz nicht in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallen sollten, obwohl sie nicht unter den Ausnahmekatalog von § 100 Abs. 2 GWB gehören und auch die Materialien des Vergaberechtsänderungsgesetzes keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Gesetz- geber des Vergaberechtsänderungsgesetzes in § 15 Abs. 2 AEG eine Spezialregelung gesehen hat, die eine außerhalb dieses Gesetzes formulierte Ausnahme vom Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen begründen und damit aus der eisenbahnrechtlichen Möglichkeit zur Ausschreibung die Möglichkeit zur Direktvergabe machen sollte.
- 23
- (2) Von DB Regio wird unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien zu § 100 Abs. 2 GWB (§ 109 RegE GWB, BT-Drucks. 13/9340 S. 15 rechte Spalte vor "Zu § 110") und im Anschluss an das Privatgutachten eine Lesart des Ausnahmetatbestands vertreten, derzufolge dieser nicht so zu verstehen sein soll, dass außer den dort genannten Ausnahmen keine anderen möglich seien, sondern dass damit lediglich zum Ausdruck gebracht sei, dass alle Ausnahmen aus den umzusetzenden Richtlinien in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen übernommen worden seien, und der Katalog nur insofern abschließend sei, als keine weiteren Ausnahmen in der einschlägigen Richtlinie genannt seien. Dem kann nicht beigetreten werden. Die seinerzeit einschlägige Richtlinie 92/50/EWG (ABl. Nr. L 209 vom 24. Juli 1992, S. 1), deren Umsetzung auch Gegenstand des Vergaberechtsänderungsgesetzes war, bezog sich auch auf die hier interessierenden Dienstleistungen im Bereich "Eisenbahnen". Als im Anhang I B katalogisiert unterfielen diese Leistungen allerdings nur sehr begrenzten Regulierungen (Art. 9 i.V.m. 14 und 16 der Richtlinie ). Zu dieser Differenzierung verhalten sich die Gesetzgebungsmaterialien zum Vergaberechtsänderungsgesetz nicht. Aus dem Schweigen der Materialien zu diesen Regelungszusammenhängen der Richtlinie 92/50/EWG kann nicht pauschal auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass diese Leistungen nicht dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterstellt werden sollten. Das gilt umso mehr, als diese Leistungen bereits vor Verabschiedung des Vergaberechtsänderungsgesetzes Gegenstand von Maßnahmen zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien gewesen waren. Der durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) vom 26. November 1993 (BGBl. I S. 1928) in das HGrG eingefügte § 57a Abs. 1 HGrG hatte die Bundesregierung ermächtigt , zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften die Vergabe unter anderem von Dienstleistungsaufträgen durch Rechtsverordnung zu regeln. Nach § 1 der auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen Vergabeverordnung vom 22. Februar 1994 (BGBl. I S. 321) in der Fassung der ersten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 29. September 1997 (BGBl. I 2384) hatten die "klassischen" öffentlichen Auftraggeber (§ 57a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 HGrG, jetzt: § 98 Nr. 1 bis 3 GWB) bei der Vergabe von Dienstleistungen und Erreichen der festgelegten Schwellenwerte die Bestimmungen des Abschnitts 2 der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Mai 1997 (BAnz Nr. 163a vom 2. September 1997) anzuwenden. In Bezug auf die im Anhang I B der VOL/A aufgeführten , den Eisenbahnbereich einschließenden Dienstleistungen war gemäß § 1a VOL/A unter anderem die Ausschreibung nach dem ersten Abschnitt der VOL/A vorgeschrieben. Damit hatte § 1a VOL/A nicht nur haushaltsrechtlichen Charakter, sondern beinhaltete Wettbewerbsrecht, auf das sich die Unternehmen vor der Vergabekammer und den Vergabesenaten berufen konnten (Marx in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A (2006), 1. Aufl., § 1a Rn. 43). War die Vergabe von Dienstleistungen im Eisenbahnbereich bereits Gegenstand von Umsetzungsmaßnahmen, hätte der Gesetzgeber des Vergaberechtsänderungsgesetzes umso mehr Anlass gehabt, den etwaigen Willen, sie dessen Anwendungsbereich zu entziehen, kundzutun.
- 24
- c) Für einen Vorrang von § 15 Abs. 2 Satz 2 AEG spricht auch nicht, dass der Gesetzgeber Änderungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes nach Inkrafttreten des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht zum Anlass genommen hat, § 15 Abs. 2 AEG zu ändern bzw. aufzuheben (aA Prieß, NZBau 2002, 539, S. 542).
- 25
- Zwar kann es bei der Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung durchaus zu berücksichtigen sein, wenn der Gesetzgeber die Änderung anderer Bestimmungen eines Gesetzes nicht zum Anlass nimmt, (auch) eine konkrete weitere Regelung aufzuheben oder zu ändern. Daraus kann indes regelmäßig nicht ohne zusätzliche konkrete Anhaltspunkte die Schlussfolgerung gezogen werden , dass der unberührt gebliebenen Norm deshalb nur ein ganz bestimmtes Verständnis beigelegt werden kann. An entsprechenden Anhaltspunkten dafür, dass § 15 Abs. 2 AEG als lex specialis vom Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen bleiben sollte, fehlt es. Die Regelung in § 15 Abs. 2 AEG bedurfte angesichts ihrer die Ausschreibung ausdrücklich ermöglichenden Formulierung und nach dem Grundsatz, dass das ältere Gesetz von einer jüngeren Norm gleichen Rangs verdrängt wird, nicht der förmlichen Aufhebung. Zudem deutet der Erlass von § 4 Abs. 3 VgV durch die Erste Verordnung zur Veränderung der Vergabeverordnung vom 7. November 2002 (BGBl. I S. 4338) umgekehrt darauf hin, dass mit der Bundesregierung und dem Bundesrat zwei Gesetzgebungsorgane vom generellen Vorrang des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgegangen sind und die daraus resultierenden, von einer Vergabekammer ausgesprochenen Konsequenzen (VK Magdeburg, ZfBR 2002, 706 ff.) zum Anlass für eine modifizierende Regelung genommen haben (vgl. dazu BR-Drucks. 727/02).
- 26
- d) Verträge über die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung im SPNV sind nicht aufgrund einer durch die Verordnung (EG) 1191/69 vom 26. Juni 1969 (ABl. L 156 vom 28. Juni 1969, S. 1, geändert unter ande- rem durch die Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 des Rates vom 20. Juni 1991, ABl. Nr. L 169 vom 29. Juni 1991, S. 1) begründeten Sonderrechtsordnung der Geltung der Vergaberichtlinien entzogen. Dem im Privatgutachten vertretenen Verständnis dazu, wie sich diese Regelungsmaterie zum gemeinschaftsrechtlichen Vergaberecht verhält, kann nicht nähergetreten werden. In jener Verordnung ging es um den Schutz der Eisenbahnunternehmen vor unkompensierten finanziellen Lasten und auch um den Abbau von Wettbewerbsverfälschungen (vgl. Fehling in: Kaufmann/Lübbig/Prieß/Pünder, Komm. zur VO (EG) 1370/2007 Einl. Rn. 18). Es sollten die Unterschiede beseitigt werden, die sich dadurch ergaben, dass die Mitgliedstaaten den Verkehrsunternehmen mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundene Verpflichtungen auferlegen; diese Unterschiede führten zu einer erheblichen Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen (Erwägungsgrund 1). Dazu sollten im Grundsatz die den Verkehrsunternehmen auferlegten, mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf Antrag aufgehoben werden können (Art. 1 Abs. 3 VO 1191/69). Jedoch sollten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, um insbesondere unter Berücksichtigung sozialer, umweltpolitischer und landesplanerischer Faktoren eine ausreichende Verkehrsbedienung sicherzustellen, mit einem Verkehrsunternehmen Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes abschließen können. Von einem durch die Verordnung begründeten, die Anwendung des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf den Eisenbahnbereich ausschließenden Sonderrecht könnte nur ausgegangen werden, wenn der Abschluss von entsprechenden Verträgen zwischen öffentlichen Auftraggebern und Eisenbahnverkehrsunternehmen im Wege förmlicher Vergabeverfahren sich schlechthin nicht in Einklang mit den Zielen der Verordnung bringen ließe. Davon kann keine Rede sein. Verträge über Dienstleistungen im Eisenbahnbereich konnten, ohne dass die Regelungsziele der Verordnung dadurch untergraben wurden, nicht allein im Wege von - wie es im Privatgutachten heißt - "formloskonsensualen Vertragsverhandlungen" verwirklicht werden. Das durch die Verordnung geschaffene Recht schloss eine vergaberechtlich geprägte Sicherstellung der Verkehrsbedienung nicht aus. Das ergibt sich auch daraus, dass die die Verordnung 1191/69 ersetzende Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (VO (EG) 1370/2007 (im Folgenden: VO 1370/2007)) ausweislich ihres 6. Erwägungsgrundes und Art. 5 Abs. 6 selbst davon ausgeht, dass vor ihrem Inkrafttreten, also unter Geltung der VO 1191/69, nationale Regelungen zur Vergabe von Eisenbahndienstleistungen existierten (und weiter Bestand haben können). Auch deshalb war es einem nationalen Gesetzgeber nicht verwehrt, den Eisenbahnbereich in die nationalen vergaberechtlichen Regelungen einzubeziehen. Die von DB Regio vertretene Ansicht, Art. 5 Abs. 6 VO 1370/2007 gelte nur für diesbezüglich neu geschaffenes nationales Recht, entbehrt der nachvollziehbaren Herleitung.
- 27
- 2. Der Nachprüfungsantrag ist nicht deshalb unzulässig, weil der über den Dezember 2018 hinausgehende S-Bahn-Betrieb DB Regio durch eine - vom Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommene - Dienstleistungskonzession übertragen worden wäre. Die Vertragsleistungen sind vielmehr als gewöhnliche entgeltliche Dienstleistungen i.S.v. § 99 Abs. 2 bis 4 GWB Gegenstand des Änderungsvertrages.
- 28
- a) Das Oberlandesgericht Düsseldorf und die Verfahrensbeteiligten gehen zu Recht davon aus, dass auf den Streitfall das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der seit dem 24. April 2009 geltenden Fassung anzuwenden ist. Nach der Übergangsbestimmung in § 131 Abs. 8 GWB (in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009, BGBl. I S. 790) sind Vergabeverfahren, die vor dem 24. April 2009 begonnen haben, nach den bisher hierfür geltenden Vorschriften zu beenden. Für ein vor dem maßgeblichen Stichtag begonnenes Vergabeverfahren ist hier nichts ersichtlich. Zwar hatten der VRR und DB Regio schon geraume Zeit zuvor mit Vergleichsverhandlungen zur Beilegung ihrer Streitigkeiten aus dem Verkehrsvertrag begonnen. Solche einseitigen Verhandlungen eines öffentlichen Auftraggebers mit dem bisherigen Vertragspartner stellen jedoch kein Vergabeverfahren im Sinne der genannten Übergangsvorschrift dar. Davon kann nur die Rede sein, wenn der Auftraggeber ein konzeptionell auf die wettbewerbliche Auswahl eines Vertragspartners ausgerichtetes Verfahren in die Wege leitet. Daran fehlt es hier vor dem Stichtag. Als ein mögliches Ereignis, das als Publizitätsakt den Anforderungen der Übergangsvorschrift in § 131 Abs. 8 GWB in entsprechender Anwendung eventuell genügen könnte, kommt allenfalls die Bekanntgabe der Absicht des VRR im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 21./25. Juli 2009 in Betracht, mit DB Regio einen Vergleichsvertrag abzuschließen. Dieser Zeitpunkt liegt nach dem maßgeblichen Stichtag.
- 29
- b) Soweit dem Beschluss des Senats vom 1. Dezember 2008 (BGHZ 179, 84 Rn. 20 - Rettungsdienstleistungen) Zweifel daran entnommen werden können, dass Dienstleistungskonzessionen vom Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen waren, bezog sich diese Entscheidung auf die bis zum 23. April 2009 geltende Fassung des Gesetzes. Jedenfalls seither ist das Gesetz nicht auf Dienstleistungskonzessionen anzuwenden. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit daraus, dass das Gesetz Baukonzessionen nunmehr ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezieht (§ 99 Abs. 6 GWB) und ergänzend in den Gesetzgebungsmaterialien durch positive Erklärung klargestellt worden ist, dass das Gesetz nicht auf Dienstleistungskonzessionen anzuwenden sein soll (vgl. BT-Drucks. 16/10117 S. 17). Wird in Gesetzgebungsmaterialien positiv zum Ausdruck gebracht, dass das geplante Gesetz auf einen bestimmten Gegenstand nicht anzuwenden sein soll, ist dem bei der Auslegung ein anderes Gewicht beizumessen, als im entgegengesetzten Fall, in dem trotz generellen Schweigens der Materialien zum Problempunkt und einer umfassenden Ausnahmeregelung auf die Weitergeltung älteren entgegenstehenden Rechts geschlossen werden soll, wie hier in Bezug auf Dienstleistungen im SPNV geltend gemacht wird (oben C II 1 cc).
- 30
- c) Das deutsche Recht definiert den Begriff der Baukonzession (§ 99 Abs. 6 GWB), nicht aber den der Dienstleistungskonzession. In den Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/17/EG und 2004/18/EG sind Dienstleistungskonzessionen übereinstimmend als Verträge definiert, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zu ihrer Nutzung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.
- 31
- In Anlehnung an den Begriff der Baukonzession in § 99 Abs. 6 GWB und die gemeinschaftsrechtliche Definition der Dienstleistungskonzession, die der Gesetzgeber bei seiner Entschließung, solche Konzessionen vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen, vor Augen gehabt hat (BT-Drucks. 16/10117 S. 17 rechte Sp.), sind unter Dienstleistungskonzessionen vertragliche Konstruktionen zu verstehen, die sich von einem Dienstleistungsauftrag nur dadurch unterscheiden, dass der Konzessionär das zeitweilige Recht zur Nutzung der ihm übertragenen Dienstleistung enthält und gegebenenfalls die zusätzliche Zahlung eines Preises vorgesehen ist. Der Begriff der Zuzahlung eines Preises ist unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten weit zu verstehen; es kommt lediglich darauf an, dass der Konzessionär zusätzlich zum Verwertungs- recht geldwerte Zuwendungen erhält (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 - X ZB 27/05, BGHZ 162, 116 ff.).
- 32
- d) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Dienstleistungskonzession charakteristisch, dass der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung in der Weise den Risiken des Marktes ausgesetzt ist, dass er das damit einhergehende Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt (EuGH, VergabeR 2007, 604 Rn. 34 mwN; VergabeR 2010, 48 Rn. 77 - WAZV Gotha).
- 33
- Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Abgrenzung von Dienstleistungskonzessionen und öffentlichen Dienstaufträgen ist für die nationalen Gesetzgeber und Gerichte in dem Maße verbindlich, als dadurch positiv die materielle Reichweite der Richtlinien 2004/17/EG bzw. 2004/18/EG konkretisiert wird. Verträge dürfen nicht entgegen dieser Rechtsprechung als Dienstleistungskonzessionen eingeordnet und dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entzogen werden, wenn der Konzessionär das Betriebsrisiko nur zu einem unwesentlichen Teil im Sinne dieser Rechtsprechung übernimmt. Das ergibt sich aus den den Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV obliegenden Verpflichtungen.
- 34
- Ob und inwieweit der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung tatsächlich den Risiken des Marktes ausgesetzt ist und er das Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beantwortung dieser Frage ist folgerichtig in die Hände des nationalen Richters gelegt (EuGH, VergabeR 2010, 48 Rn. 78 - WAZV Gotha).
- 35
- e) Bei der hierfür erforderlichen Gesamtbetrachtung aller Umstände sind insbesondere die in Bezug auf den Vertragsgegenstand herrschenden Marktbedingungen und die vertraglichen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen , die beide ganz unterschiedlich gestaltet sein können. So kann die Dienstleistung sich, wie in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedenen Fall des Wasser- und Abwasserzweckverbands Gotha beispielsweise auf einen Markt beziehen, bei dem einerseits das Risiko des Konzessionärs infolge der dafür bestehenden öffentlichrechtlichen Bestimmungen (Anschluss - und Benutzungszwang) von vornherein herabgesetzt erscheint, der Konzessionär aber andererseits sein Auskommen allein in den ihm seitens der Abnehmer zufließenden Einnahmen finden muss, weil eine Zuzahlung seitens des Konzessionsgebers nicht vorgesehen ist. Da marktregulierende rechtliche Rahmenbedingungen wie etwa ein Anschluss- und Benutzungszwang nach der auch vom Senat befürworteten Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Risikofrage außer Betracht zu bleiben haben, wird in Fällen, in denen keinerlei Zuzahlung erfolgt, regelmäßig eine Dienstleistungskonzession anzunehmen sein, weil jeder Bewerber das Risiko der Auskömmlichkeit der möglichen Einnahmen übernimmt.
- 36
- Soll, wie auch im Streitfall, neben dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung zusätzlich ein Preis gezahlt werden, kann demgegenüber, da die Zahlung eines Preises charakteristisch für einen - der Pflicht zur Ausschreibung unterliegenden - öffentlichen Dienstleistungsauftrag ist, je nach den Umständen des Einzelfalls zweifelhaft sein, ob der jeweilige Vertrag trotz dieser Zuzahlung als Dienstleistungskonzession einzuordnen und nicht als öffentlicher Dienstleistungsauftrag zu bewerten ist.
- 37
- f) Ist eine Zuzahlung vorgesehen, kann der Vertrag jedenfalls dann nicht als Dienstleistungskonzession vom Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen werden, wenn die zusätzliche Vergütung oder (Aufwands-)Entschädigung ein solches Gewicht hat, dass ihr bei wertender Betrachtung kein bloßer Zuschusscharakter mehr beigemessen werden kann, sondern sich darin zeigt, dass die aus der Erbringung der Dienstleistung möglichen Einkünfte allein ein Entgelt darstellen würden , das weitab von einer äquivalenten Gegenleistung läge.
- 38
- aa) Stehen die beiden Vergütungselemente in einem solchen Verhältnis zueinander, liegt kein Vertrag vor, bei dem die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zu ihrer Nutzung zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht, sondern gleichsam umgekehrt ein Vertrag, bei dem eine Zahlung zuzüglich der Einräumung eines Nutzungsrechts erfolgt, was als Dienstleistungsauftrag zu behandeln ist. Zugleich wird die Übernahme der Dienstleistung bei einem solchen Verhältnis von auftraggeberseitigen Zahlungen auf der einen und den Verwertungsmöglichkeiten auf der anderen Seite regelmäßig auch indizieren, dass die Interessen des Vertragspartners des öffentlichen Auftraggebers durch die Zahlungen in einem Maße gesichert sind, dass mit der Übernahme der Dienstleistung für ihn kein wesentliches Vertragsrisiko im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einhergeht. Ein betriebswirtschaftlichen Grundsätzen verpflichtetes Unternehmen wird in einem von Beihilfen und Zuschüssen geprägten Geschäftsverkehr, in dem folglich die regulären Einnahmen aus dem Nutzungsrecht Auskömmlichkeit bei weitem nicht erwarten lassen, Verpflichtungen nur übernehmen, wenn die Auskömmlichkeit durch derlei Förderungsmaßnahmen gesichert erscheint.
- 39
- bb) Dieses Verständnis wird bereits durch die Auslegung des nationalen Rechts nahegelegt. Die Präposition "zuzüglich" impliziert einen Zusatz oder Annex , also eine Leistung bzw. Verpflichtung, die zu einer (Haupt-)Leistung hinzukommt und diese ergänzt und die dementsprechend auch quantitativ die im Verhältnis zur Hauptleistung geringere ist. Unterstützt wird dieses Verständnis durch die Verwendung des Adverbs "gegebenenfalls" in § 99 Abs. 6 GWB, das unterstreicht, dass die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung im Rahmen einer Dienstleistungskonzession an sich in der Verwertung der Dienstleistung besteht und nur dann, wenn dies unter Äquivalenzgesichtspunkten erforderlich ist, ausnahmsweise eine Zuzahlung seitens des öffentlichen Auftraggebers erfolgen kann, die aber schon deshalb nicht zu hoch ausfallen darf, weil ansonsten der Bereich zum entgeltlichen Dienstleistungsauftrag überschritten wird.
- 40
- g) Wann eine Zuzahlung im vorgenannten Sinne im Vordergrund steht und überwiegt, lässt sich wegen der Unterschiedlichkeit der möglichen Fallgestaltungen ebenso wenig einheitlich durch eine rechnerische Quote festlegen, wie sich auch sonst eine schematische Lösung verbietet. Es bedarf auch insoweit stets einer alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Gesamtschau. Dazu kann insbesondere gehören, ob der Konzessionär bei Nutzung der Dienstleistung monopolistisch oder sonst aus einer überlegenen Position heraus am Markt agieren kann bzw. inwieweit er dem Risiko ausgesetzt ist, seine Leistung im Wettbewerb mit Konkurrenten absetzen zu müssen. Ist Letzteres der Fall, kann es im Einzelfall unbedenklich sein, wenn der Auftraggeber die gleichwohl bestehende Bereitschaft zur Übernahme der Dienstleistung mit einer Zuzahlung prämiert, die vergleichsweise höher ausfällt, als sie unter monopolistisch geprägten Marktstrukturen angemessen wäre. Dagegen kann es für eine Einordnung als Dienstleistungsauftrag sprechen, wenn Dienstleistungen in ei- nem von öffentlichen Zuschüssen bzw. staatlichen Beihilfen geprägten geschäftlichen Verkehr erbracht werden sollen und diese einen wesentlichen Teil der Gegenleistung ausmachen. Dies kann ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass das beauftragte Privatunternehmen so weit abgesichert ist, dass ein eigenes wesentliches Risiko im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht anzunehmen ist.
- 41
- h) Im Streitfall liegt danach keine Dienstleistungskonzession vor.
- 42
- aa) DB Regio erhält nicht allein das Recht, die Dienstleistung zu verwerten , sondern Zuwendungen pro gefahrenem Zugkilometer, die zugestandenermaßen und ohne dass A. R. dies substanziell hätte überprüfen können, weil DB Regio die Höhe dieser aus öffentlichen Mitteln stammenden Pauschale und weitere betriebswirtschaftliche Daten als Geschäftsgeheimnisse deklariert hat, circa 64 % der bei Vertragsdurchführung anfallenden Gesamtkosten abdecken. Damit überwiegt die Zuzahlung seitens des VRR im Verhältnis zu den durch die Nutzung der Dienstleistung von DB Regio erzielten Einnahmen von vornherein ganz erheblich.
- 43
- bb) Hinzu kommt, dass DB Regio bei Verwertung der Dienstleistung keinem direkten Wettbewerb ausgesetzt ist, weil nicht vorgesehen ist, dass auch ein anderes Unternehmen gleichzeitig S-Bahn-Dienstleistungen im Vertragsgebiet anbietet. Aus welchen Gründen, wie DB Regio anführt, zusätzlich eine nennenswerte Verschiebung zu Gunsten anderer Verkehrsmittel im Linienverkehr zu besorgen sein könnte, als sie den Kalkulationen des Verkehrsvertrages und des Änderungsvertrages ohnehin zugrunde liegt, ist weder substanziiert vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr verbleibt den Fahrgästen als Handlungsalternative im Wesentlichen nur, auf den Individualverkehr auszuweichen. Damit erscheint das Risiko der Abwanderung von Fahrgästen in einer erheblichen Größenordnung - und damit zugleich auch das Vertragsrisiko von DB Regio - von vornherein als gering.
- 44
- cc) Soweit DB Regio mit einer jährlichen Fahrpreis- und Einnahmenerhöhung von 2,75 % kalkuliert, ergeben sich daraus keine zureichenden Anhaltspunkte für unzulängliche Einnahmeentwicklungen. Gegen ein erhebliches Marktrisiko spricht dabei, dass DB Regio sich im Gegenzug zu einer eigenen "Zuzahlung" in Gestalt einer weiteren - gewinnmindernden - Investitionszusage über bis zu 215 Mio. € für S-Bahn-Züge verpflichtet und in das "Kick-BackModell" nach Maßgabe von Anlage 39.2.3 zum Änderungsvertrag eingewilligt hat, durch das der VRR an die dort zugrunde gelegten Referenzwerte übersteigenden Einnahmen hälftig beteiligt wird.
- 45
- dd) Die weiteren von DB Regio als risikoerhöhend angeführten Faktoren (insbesondere Beschwerdebegründung S. 49 ff.) rechtfertigen nicht die Annahme realistischer Vertragsrisiken in einer Größenordnung, die die Einordnung als Dienstleistungsauftrag auch nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union infrage stellen könnte.
- 46
- Ob bestimmte ungewisse Umstände geeignet sein können, Zweifel am Charakter einer Vereinbarung als Dienstleistungsauftrag aufkommen lassen können, kann nur durch eine Bewertung dieser Umstände geklärt werden, welche die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts berücksichtigt. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei einigen angeführten Gesichtspunkten gering (Risiko von erheblichen und nachhaltigen Fahrgeldmindereinnahmen infolge von Attentaten wie in der Moskauer U-Bahn vom 28. März 2010, von Epidemien bzw. Pandemien oder von Stürmen). Ebenfalls wenig überzeugend erscheint die Hochrechnung der Verluste aus einer verschobenen Fahrpreiserhöhung von August 2010 auf Januar 2011 über die gesamte Laufzeit unter der Prämisse, dass diese nicht durch spätere überproportionale Erhöhungen aufgefangen werden können. DB Regio stellt nämlich gleichzeitig Modellrechnungen an, die von einer Steigerung von 4 % im Jahre 2012 ausgehen. Hinzu kommt, dass die Kick-Back-Regelung in Anlage 39.2.3 des Änderungsvertrages für den VRR nachhaltig Anreiz zu Fahrpreiserhöhungen in einer Höhe bieten kann, bei der der Verbund an den daraus resultierenden Einnahmesteigerungen teilhat. Mit Nachfrageeinbrüchen von 5 % im Jahr 2014 zu rechnen erscheint nicht nur spekulativ, sondern auch deshalb unerheblich, weil dies nicht repräsentativ für das Risiko von Einnahmenminderungen über die gesamte Laufzeit ist.
- 47
- 3. Der Änderungsvertrag konnte auch nicht deshalb ohne Weiteres geschlossen werden, weil mit seinem Abschluss der zwischen den Vertragsparteien herrschende Streit über die Durchführung des Verkehrsvertrages beigelegt werden sollte. Das Anliegen, im Wege beiderseitigen Nachgebens den Streit über die Abwicklung dieses Vertrages auszuräumen, berechtigt den öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich nicht zur vergaberechtsfreien Disposition über Dienstleistungen, die jenseits der Laufzeit des abgeschlossenen Vertrages zu erbringen sind, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Vergleichsvertrag nur mit dem bisherigen Leistungserbringer geschlossen werden kann. Ob eine Ausnahme davon zuzulassen ist, wenn es sich dabei um einen unbedeutenden Nachtrag handelt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. EuGH, VergabeR 2008, 758 - pressetext Nachrichtenagentur; VergabeR 2010, 643, insbesondere Rn. 36 Satz 1 - Wall AG). Die zum Gegenstand des Änderungsvertrags gemachte Verlängerung des S-Bahn-Betriebs im Verkehrsverbund über fünf Jahre kann nach Volumen und Wert dieser Leistungen nicht als unbedeutender Nachtrag angesehen werden.
- 48
- Im Übrigen kann auch die Bereitschaft von DB Regio zu nicht unerheblichen Investitionen, die dem Leistungsangebot im Verkehrsverbund zugute kommen sollen, aus Rechtsgründen nicht von der Anwendung der Regeln des nationalen Vergaberechts entbinden. Diese Bereitschaft kann nach dem gesetzlichen Regelungsrahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht außerhalb von wettbewerblichen Verfahren geregelt werden, indem der Zeitraum für die Leistungserbringung so verlängert wird, wie dies für eine hinreichende Amortisation der nachträglichen Investitionen erforderlich erscheint. Deshalb kann DB Regio als bisherige Leistungserbringerin auch nicht als ein nach § 3 Abs. 5 lit. l VOL/A (2009) zu privilegierendes Unternehmen behandelt und die Notwendigkeit einer Ausschreibung aus diesem Grunde verneint werden. Ebenso wenig können Bedürfnisse der Praxis nach einem fakultativen Einsatz einer Auftragsvergabe im Wettbewerb, auf die sich insbesondere DB Regio beruft, eine Abweichung von dem vom nationalen Vergaberecht vorgesehenen Rechtsrahmen rechtfertigen.
- 49
- 4. A. R. kann das für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags erforderliche Interesse am Auftrag (§ 107 Abs. 2 GWB) nicht abgesprochen werden, auch wenn sich dieses Interesse auf den Betrieb der S-Bahn-Linie 5, gegebenenfalls in Verbindung mit dem der Linie 8, beschränkt.
- 50
- a) Für die Antragsbefugnis von A. R. kommt es nicht darauf an, dass der VRR im Änderungsvertrag DB Regio das gesamte S-Bahn-Linienbündel des Verkehrsverbundes en bloc außerhalb eines geordneten Vergabeverfahrens übertragen hat und A. R. dieses insgesamt nicht bedienen kann und will. Entscheidend ist vielmehr, ob der VRR ohne Verstoß gegen Vergaberecht so verfahren dürfte. Ein ihre Antragsbefugnis ausschließendes Interesse am Auftrag könnte A. R. allenfalls abgesprochen werden, wenn der VRR für den Fall der Vergabe der Leistungen im Wettbewerb unter keinen Umständen verpflichtet sein könnte, die Leistungen losweise so zu vergeben, dass sich A. R. um ein Teillos bewerben könnte. Dass der VRR berechtigt sein könnte, von einer losweisen Vergabe gänzlich Abstand zu nehmen, ist jedoch nicht anzunehmen, insbesondere rechtfertigen dies der Vergleichscharakter des Änderungsvertrages und der Wunsch, zusätzliche Fahrzeuge anzuschaffen und entsprechende Amortisationsmöglichkeiten durch Verlängerung der Vertragslaufzeit zu schaffen , nicht (oben C II 3).
- 51
- Das vorlegende Oberlandesgericht meint, die Vergabe des gesamten S-Bahn-Netzes ohne Losaufteilung verstoße gegen § 97 Abs. 1, Abs. 3 GWB und § 5 VOL/A (aF). Sachlich gegen diese Auffassung sprechende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Auf ein Vergabeverfahren werden aus gegenwärtiger Sicht die Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 2009 (VOL/A 2009) anzuwenden sein (§ 4 Abs. 4 VgV). In dieser Fassung ist nur noch bestimmt, dass Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind und darauf nur aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen verzichtet werden kann (§ 2 Abs. 2; § 2 Abs. 2 VOL/A-EG). Der in § 5 Nr. 1 VOL/A aF enthaltene funktionale Hinweis auf die mit der Losvergabe bezweckte Ermöglichung der Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen ist entfallen. Soweit in § 2 Abs. 2 VOL/A-EG vorangestellt ist, mittelständische Interessen seien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen, soll damit lediglich betont werden, dass der Mittelstand gerade auch bei den gemeinschaftsweiten Vergaben über eine Losvergabe vornehmlich berücksichtigen werden soll (vgl. Kus/Marx in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A, 2. Aufl., § 3 Rn. 62 f.). Daraus folgt jedenfalls nicht, dass sich nur mittelständische Unternehmen - wie auch immer dieser Be- griff vergaberechtlich in diesem Zusammenhang zu verstehen sein mag - auf eine Losvergabe berufen können. Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner vertieften Erörterung, ob die Regelung in § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB, wonach "mittelständische Interessen" bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen sind, speziell auf kleine und mittlere Unternehmen zu beziehen ist und unter welchen Gesichtspunkten insoweit eine Abgrenzung von anderen Unternehmen vorzunehmen ist. Wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend und unter Hinweis auf die Materialien zu § 4 Abs. 3 VgV (BR-Drucks. 727/02), das Sondergutachten 55 der Monopolkommission und das Schrifttum ausführt, kann Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr nur im Wege der Bildung von Losen gefördert werden (vgl. zur Auslegung von § 97 Abs. 3 GWB speziell unter ökonomischen Gesichtspunkten Kirchner, VergabeR 2010, 725, 730 f.).
- 52
- b) Zweifel an der Antragsbefugnis von A. R. unter dem Gesichtspunkt des Interesses am Auftrag (§ 107 Abs. 2 GWB) ergeben sich auch nicht daraus, dass das Unternehmen anfangs nur Interesse an der Bedienung der Linie S 5 bekundet hat. Der VRR hat dazu dargelegt, dass eine isolierte Vergabe dieser Linie als Teillos aus betriebstechnischen Gründen nicht in Betracht komme. Die Linie S 5 verkehrt im S-Bahn-System Rhein-Ruhr zwischen Dortmund und Hagen. Zwischen Dortmund und Witten besteht ein 30-Minuten-Takt. Eine Fahrt pro Stunde wird weiter nach Hagen geführt. Dieses Fahrzeug fährt von dort weiter auf der Linie S 8 Richtung Düsseldorf/Mönchengladbach; Gleiches gilt für die Gegenrichtung. Durch diese so genannte Durchbindung der Linien S 5 und S 8 wird die Linie S 5 in das gesamte S-Bahn-System Rhein-Ruhr integriert. Mit diesen Erläuterungen konfrontiert, hat A. R. erklärt, sich auch um ein ein Linienbündel betreffendes Teillos bewerben zu wollen. Damit ist das Interesse am Auftrag hinreichend dargetan. Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, können A. R. weitergehende Darlegungen zu ihrer Leistungsfähigkeit in Bezug auf denkbare Teillose nicht abverlangt werden, bevor der VRR nicht selbst ein Konzept zur Vergabe des S-Bahn-Betriebs für den Zeitraum nach Auslaufen des Verkehrsvertrages entwickelt und publik gemacht hat.
- 53
- 5. Entgegen der Auffassung von DB Regio kann A. R. das Interesse an einer Sachentscheidung auch nicht mit Blick darauf abgesprochen werden, dass inzwischen die VO 1370/2007 in Kraft getreten ist und den zuständigen Behörden gestattet, öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr, worunter der hier interessierende S-Bahn-Betrieb fällt, unter bestimmten Voraussetzungen direkt zu vergeben (Art. 5 Abs. 6 VO 1370/2007). Die Verordnung lässt nämlich einer Direktvergabe entgegenstehendes nationales Recht unberührt.
- 54
- Wie bereits ausgeführt, steht das deutsche Recht der Direktvergabe insoweit entgegen, als die Vergabe der hier interessierenden Leistungen in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fällt. Ob die Übertragung ihrer Erbringung durch den Änderungsvertrag rechtsbeständig ist, ist keine Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags , sondern der Begründetheit.
- 55
- 6. Der Nachprüfungsantrag ist nicht infolge der Übergangsregelung in Art. 8 Abs. 3 VO 1370/2007 unzulässig. Nach dieser Regelung können bestimmte vor dem 3. Dezember 2019 vergebene Aufträge für ihre vorgesehene Laufzeit gültig bleiben. Diese Regelung berührt nicht die Frage, ob eine geschlossene Vereinbarung in Anwendung des nationalen Rechts gar keine Gültigkeit erlangt hat und die Unwirksamkeit nach nationalem Recht geltend gemacht werden kann.
- 56
- III. Die Vergabekammer hat den Änderungsvertrag zu Recht für unwirksam erklärt (§ 101b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GWB).
- 57
- 1. Der S-Bahn-Betrieb konnte DB Regio im Umfang des Änderungsvertrages nicht gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV wirksam übertragen werden.
- 58
- a) Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV ist bei Verträgen, welche die Übertragung von mehr als einer einzelnen Linie bei einer Laufzeit von bis zu drei Jahren vorsehen , eine freihändige Vergabe ohne sonstige Voraussetzungen im Rahmen von § 15 Abs. 2 AEG zulässig, wenn ein wesentlicher Teil der durch den Vertrag bestellten Leistungen während der Vertragslaufzeit ausläuft und anschließend im Wettbewerb vergeben wird, wobei die Laufzeit des Vertrages zwölf Jahre nicht überschreiten soll.
- 59
- b) § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV ist dahin auszulegen, dass Leistungen, die einmal zum Gegenstand einer freihändigen Vergabe über eine Laufzeit von zwölf Jahren gemacht worden sind, grundsätzlich nicht abermals durch eine entsprechende Vereinbarung in dieser Weise vergeben werden können. Bereits die Vergabe einer einzelnen Linie ist nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 VgV nur einmalig und selbst dann nur für nicht länger als drei Jahre zulässig. In Anbetracht dieser Regelung kann nicht angenommen werden, dass § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV ermöglichen will, Aufträge für den Betrieb einer Linie über mehr als drei Jahre oder für mehrere Linien über mehr als 12 Jahre durch Kettenverträge im Wege freihändiger Vergabe zu erteilen. Dies gilt umso mehr, als die Laufzeit einer entsprechenden Vereinbarung konsequenterweise erneut zwölf Jahre müsste betragen können. Dadurch würde der betreffende Dienstleistungsverkehr auf unannehmbar lange Zeit dem Wettbewerb vorenthalten. Einem solchen Normverständnis stünde unter diesem Gesichtspunkt ferner entgegen, dass § 4 Abs. 3 VgV gemäß Art. 2 der Ersten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 7. November 2002 am 31. Dezember 2014 außer Kraft tritt. Diese zeitliche Befristung der Regelung durch den Verordnungsgeber spricht ebenfalls dafür, dass mehrere aufeinander folgende Vereinbarungen nicht möglich sein sollen.
- 60
- c) Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Vorschrift es erlaubt hätte, im Rahmen einer zwischen dem VRR und DB Regio zur Beilegung der entstandenen Streitigkeiten getroffenen Vereinbarungen die Regelungen des Verkehrsvertrags sachgerecht zu modifizieren und dabei gegebenenfalls auch die Gesamtlaufzeit von zwölf Jahren in gewissem Umfang zu überschreiten, wie DB Regio unter Hinweis auf die Regelung in Art. 4 Abs. 3 und 4 VO 1370/2007 meint. Denn jedenfalls durfte eine solche vergleichsweise Änderung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV nicht in der Weise erfolgen, wie dies im Änderungsvertrag geschehen ist,
- 61
- Um den Tatbestandsmerkmalen der Norm wenigstens sinngemäß zu genügen , wäre erforderlich gewesen, auch bei einer Verlängerung der Laufzeit dem Grundgedanken der Vorschrift zu entsprechen, dass die freihändige Vergabe voraussetzt, dass ein wesentlicher Teil der vorgesehenen Leistungen während der Vertragslaufzeit in den Wettbewerb gegeben wird. Eine substanzielle Verlängerung der Laufzeit ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn nicht gleichzeitig auch die wettbewerbsfördernde Komponente des Vertrages verstärkt wird. An einer solchen Verstärkung fehlt es. Soweit es die Leistungen im Regionalbahn- und -expressverkehr betrifft, verbleibt es im Wesentlichen bei den bereits im Verkehrsvertrag getroffenen Regelungen (vgl. Anlage 16 zur Beschwerdebegründung von DB Regio und hierzu Beschwerdebegründung von DB Regio S. 17). Es werden nur im Interesse der Kompatibilität mit den Anschlussleistungen in angrenzenden Verkehrsräumen die Fahrpläne angepasst, was nicht ausreicht, um den Anforderungen von § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV zu genü- gen. Auch die S-Bahn-Leistungen laufen nicht während des Verlängerungszeitraums teilweise aus, sondern sollen nach dem Vertrag bis 2023 in vollem Umfang von DB Regio erbracht werden. Unter diesen Umständen steht jedenfalls eine Verlängerung der Laufzeit des Verkehrsvertrags um fünf Jahre mit § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV nicht in Einklang.
- 62
- 2. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag nach allem zu Recht für begründet erachtet, soweit A. R. die Feststellung der Unwirksamkeit des Änderungsvertrags insgesamt begehrt hat. Nach dem auf den Vertrag anwendbaren § 101b GWB (siehe oben C II 2 b) kann im Nachprüfungsverfahren die anfängliche Unwirksamkeit eines Vertrags festgestellt werden, wenn der Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist. Wie ausgeführt, liegen diese Voraussetzungen vor. Der für die Feststellung der Unwirksamkeit nach § 101b Abs. 2 GWB vorgegebene zeitliche Rahmen ist gewahrt; A. R. hat den Nachprüfungsantrag vor Ablauf von 30 Kalendertagen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union gestellt. Dass sie vornehmlich allein am Betrieb der Linie S 5 interessiert ist, ist für die Rechtsfolge der Unwirksamkeit entgegen der Auffassung von DB Regio (Beschwerdebegründung S. 22 ff.) unerheblich (vgl. oben C II 4).
- 63
- 3. DB Regio rügt, dass die Vergabekammer die Gesamtnichtigkeit des Vertrags gemäß dem Hilfsantrag von A. R. ausgesprochen und die Unwirksamkeit des Vertrags nicht gemäß deren Hauptantrag isoliert auf den Leistungsteil der Linie S 5 beschränkt hat.
- 64
- Diese Rüge ist als das hilfsweise Begehren zu verstehen, dem Nachprüfungsantrag nach dem Hauptantrag von A. R. stattzugeben. Dem ist kein Erfolg beschieden. Dafür bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit die Rechtsfolge der Unwirksamkeit gemäß § 101b GWB generell auf Teile des geschlossenen Vertrags beschränkt werden kann. Im Streitfall wäre dies - in entsprechender Anwendung der aus § 139 BGB ersichtlichen Grundsätze - allenfalls vorstellbar, wenn angenommen werden könnte, dass der VRR und DB Regio den Änderungsvertrag auch unter Ausklammerung des Betriebs der Linie S 5 geschlossen hätten. Diese Annahme ist indes nicht gerechtfertigt. Der VRR macht noch in der sofortigen Beschwerde und insoweit in Widerspruch zu dem hilfsweisen Begehren von DB Regio geltend, sowohl aus wirtschaftlichen als auch technischen Gründen hätte von einer Ausschreibung der Linie S 5 als Teillos abgesehen werden können, weil der isolie rte Betrieb nicht praktikabel sei (vgl. oben C II 4 b). In Anbetracht dieses Vorbringens kann nicht entsprechend § 139 BGB davon ausgegangen werden, dass der VRR und DB Regio den Änderungsvertrag unter Ausgliederung allein der Linie S 5 geschlossen hätten.
D.
- 65
- I. Die sofortige Beschwerde von A. R. ist zulässig. Dem Antragsteller im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren steht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, wenn seinen Anträgen nicht voll entsprochen worden und er dementsprechend formell beschwert ist (vgl. Kuhlig in: Vergaberecht Kompaktkommentar , 12. Los, § 116 Rn. 29). Diese Voraussetzung ist erfüllt, nachdem die Vergabekammer den im tatbestandlichen Teil dieser Beschlussgründe unter Nummer 3 mitgeteilten Antrag von A. R. abschlägig beschieden hat.
- 66
- II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
- 67
- 1. Das Rechtsschutzbedürfnis für dieses Begehren kann A. R. nicht abgesprochen werden. Es ist zwar richtig, dass die von A. R. in erster Linie begehrte Unwirksamkeitserklärung des Änderungsvertrages faktisch darauf hinausläuft , dass ein förmliches Vergabeverfahren zu erfolgen hat. Das Rechtsschutzbedürfnis dafür, dass die Verpflichtung zur Ausschreibung ausgesprochen wird, ergibt sich für den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren indes bereits aus dem vorangegangenen Verstoß des Auftraggebers gegen diese Verpflichtung.
- 68
- 2. Der zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemachte Antrag weicht sprachlich von dem vor der Vergabekammer gestellten insoweit ab, als er nicht mehr auf das Beschaffungsvorhaben für die Linie S 5 bezogen ist. Indes war schon der Antrag in der vor der Vergabekammer gestellten Fassung nicht so zu verstehen, dass der VRR verpflichtet werden sollte, die Linie S 5 isoliert auszuschreiben. A. R. hat mehrfach erklärt, einen Anspruch auf Ausschreibung eines auf die Linie S 5 beschränkten Einzelloses nicht erheben, sondern sich auch auf die Übernahme des Betriebs der kombinierten Linien S 5 und S 8 bewerben zu wollen, nachdem der VRR die gegen einen alleinigen Betrieb der Linie S 5 sprechenden betriebstechnischen Gründe dargelegt hat. Für einen ihrem Interesse am Auftrag entsprechenden prozessualen Erfolg musste A. R. aus den bereits dargelegten Gründen die gesamte Änderungsvereinbarung zu Fall bringen. So war ihr erstinstanzliches Begehren zu verstehen und so ist es im Beschwerdeantrag nunmehr auch ausdrücklich formuliert, wobei die begehrte Verpflichtung zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens antragsgemäß unter der Bedingung steht, dass der S-Bahn-Betrieb nach Dezember 2018 durch ein Beschaffungsvorhaben sichergestellt wird, also der VRR den Betrieb nicht in einer wie auch immer gestalteten Form von vergaberechtsfreier Eigenregie übernimmt, was nicht zu erwarten sein dürfte.
- 69
- 3. Der so verstandene Antrag ist schon deshalb begründet, weil der VRR die Erbringung der fraglichen Leistungen DB Regio vergaberechtswidrig übertragen hat. Die Vergabekammer hat dem Antrag ersichtlich auch nur deshalb nicht stattgegeben, weil sie ihn fälschlich dahin ausgelegt hat, dass A. R. die "umgehende" Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens begehre, worauf kein Anspruch bestehe. Diesem Verständnis des Antrags kann nicht beigetreten werden. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass A. R. jenseits des Antragswortlauts auf eine besonders beschleunigte Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens hinaus wolle, sind dem Vorbringen des Unternehmens im Nachprüfungsverfahren jedenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen.
- 70
- 4. Soweit es die vorherige europaweite Bekanntmachung betrifft, will A. R., wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt, ihren Antrag dahin verstanden wissen, dass eine Vergabe nach Maßgabe des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erfolgen soll. Dieser Zusatz bedarf keiner Erwähnung in der Beschlussformel, weil ein förmliches Vergabeverfahren ohnehin entsprechend den jeweils geltenden gesetzlichen Bedingungen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung bestehender Ausnahmetatbestände, durchzuführen ist.
E.
- 71
- Für ein durchzuführendes Vergabeverfahren erscheinen noch folgende Hinweise angezeigt.
- 72
- Das vorlegende Oberlandesgericht meint, eine Ausschreibung werde im offenen Verfahren zu erfolgen haben. Die Wahl der etwa zulässigen Art der Vergabe (§ 3 VOL/A) bedarf indes im gegenwärtigen Stadium keiner näheren Erörterung. Mit Blick auf die von DB Regio erhobenen Einwendungen ist jedoch vorsorglich darauf hinzuweisen, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 3 und 4 VOL/A 2009 bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben mehrere - grundsätzlich mindestens drei - Bewerber zur Angebotsaufgabe aufgefordert werden sollen. Demzufolge wäre selbst eine freihändige Vergabe im Wege der Direktvergabe ohne Berücksichtigung weiterer geeigneter Anbieter unstatthaft.
- 73
- Das vorlegende Oberlandesgericht erörtert mit Blick auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle (VergabeR 2010, 669) zur notwendigerweise zeitnahen Dokumentation (Vergabevermerk), inwieweit es unter dem Gesichtspunkt unzureichender Dokumentation vergaberechtlichen Bedenken ausgesetzt sein könnte, dass der VRR lediglich zeitversetzt, erst im Nachprüfungsverfahren , dargelegt hat, dass nur eine gemeinsame Vergabe der Linien S 5 und S 8 in Betracht komme. Die Frage der vergaberechtlichen Zulässigkeit einer nachträglichen Dokumentation stellt sich indes nicht. Da der VRR gar kein förmliches Vergabeverfahren und insbesondere kein solches mit einer losweisen Vergabe durchgeführt hat, dürfte der Einwand, die Linie S 5 könne nicht isoliert, sondern nur im Verbund mit der Linie S 8 vergeben werden, nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation unberücksichtigt bleiben. Im Übrigen ist mit Blick auf die Dokumentationspflichten im Allgemeinen zu unterschei- den zwischen dem, was nach § 20 Abs. 1 und 2 VOB/A 2009 oder § 24 VOL/AEG im Vergabevermerk mindestens niederzulegen ist, und Umständen oder Gesichtspunkten, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung außerdem nachträglich verteidigt werden soll. Solche vorgetragenen Überlegungen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, kann der Vergabestelle schwerlich generell unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation verwehrt werden. Der Auftraggeber kann im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Vielmehr ist, soweit es die Frage der möglichen Heilung von Dokumentationsmängeln im Vergabevermerk betrifft, einerseits zu berücksichtigen, dass insbesondere die zeitnahe Führung des Vergabevermerks die Transparenz des Vergabeverfahrens schützen und Manipulationsmöglichkeiten entgegenwirken soll (vgl. Thüringer OLG, VergabeR 2010, 96, 100). Andererseits gibt das Gesetz der Vergabekammer - was für die Beschwerdeinstanz entsprechend zu gelten hat - vor, bei ihrer gesamten Tätigkeit darauf zu achten, dass der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird (§ 110 Abs. 1 Satz 4 GWB). Mit dieser dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz verpflichteten Regelung wäre es, wofür ersichtlich auch das vorlegende Oberlandesgericht hält (in diese Richtung auch OLG München, VergabeR 2010, 992, 1006), nicht vereinbar, bei Mängeln der Dokumentation im Vergabevermerk generell und unabhängig von deren Gewicht und Stellenwert von einer Berücksichtigung im Nachprüfungsverfahren abzusehen und stattdessen eine Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens anzuordnen. Dieser Schritt sollte vielmehr Fällen vorbehalten bleiben, in denen zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten.
F.
- 74
- Die im Verfahren vor der Vergabekammer angefallenen Gebühren und Auslagen (§ 128 Abs. 1 GWB) haben der VRR und DB Regio als Unterliegende gesamtschuldnerisch zu tragen (§§ 109, 128 Abs. 3 Satz 1, 2 GWB). DB Regio ist als Beigeladene Verfahrensbeteiligte (§ 109) und ebenfalls unterlegen. Als unterlegener Beteiligter ist ein Beigeladener jedenfalls dann anzusehen, wenn er vor der Vergabekammer zur Hauptsache einen Antrag gestellt hat und damit nicht durchgedrungen ist (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, BGHZ 169, 131 Rn. 58; OLG Düsseldorf VergabeR 2004, 126 f.).
- 75
- Der VRR und DB Regio haben als Beteiligte ferner A. R. deren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen zu erstatten (§ 128 Abs. 4 Satz 1 GWB). Die Mithaftung auch eines unterlegenen Beigeladenen entspricht der Rechtsprechung des Senats zu § 128 Abs. 4 GWB aF (BGHZ 169, 131 Rn. 58). Daran hat sich durch die Modifikation, die die Bestimmung durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts erfahren hat, nichts geändert. Das Gesetz sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass die Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, soweit die Vergabekammer sie aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Diese Klarstellung, die es den Vergabekammern nach den Gesetzgebungsmaterialien ermöglichen soll zu berücksichtigen, wie sich ein Beigeladener am Verfahren beteiligt hat, stellt die Kostenhaftung des den Auftraggeber unterstützenden Beigeladenen gegenüber dem obsiegenden Antragsteller nicht infrage (ebenso Summa in: jurisPK-VergR, 2. Aufl., § 128 Rn. 26 i.V.m. Rn. 23.2). Da das Gesetz insoweit nicht ausdrücklich gesamtschuldnerische Haftung vorsieht, haften diese Beteiligten als Teilschuldner (BGHZ 169, 131 Rn. 58; ebenso OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 38, 40; OLG München NZBau 2006, 135 f.). Im vorliegenden Fall ist es nach der Interessenlage angezeigt, VRR und DB Regio die Aufwendungen von A. R. je zur Hälfte aufzuerlegen.
- 76
- Eine anteilige Haftung von A R. wegen Teilunterliegens ist nicht angezeigt. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass für die Kostentragung nicht schematisch auf die gestellten Anträge abzustellen ist, weil die Vergabekammer daran nicht gebunden ist (§ 114 Abs. 1 Satz 2 GWB), sondern darauf, ob der Antragsteller sein Ziel materiell erreicht hat (vgl. Noelle in: Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. Rn. 1396; Brauer in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 128 Rn. 16).
- 77
- Materiell ist A. R. nicht teilweise unterlegen. Soweit es das Ziel, den Änderungsvertrag für unwirksam zu erklären, mit dem Hilfsantrag erreicht hat, ist zu bedenken, dass mit der Fassung des Hauptantrags bezweckt wurde, den Vertrag nur insoweit anzufechten, als es dem (begrenzten) Interesse von A R. am Auftrag entsprach. Diese Beschränkung kam den mutmaßlichen Interessen des VRR und DB Regio am weitestmöglichen Erhalt des Vertrages entgegen, ändert aber nichts daran, dass A. R. sein Rechtsschutzziel in diesem Punkt voll erreicht hat.
- 78
- Darüber hinaus ist die Kostenentscheidung der Vergabekammer zulasten von A. R. ersichtlich von ihrer unrichtigen Auslegung des Antrags zu 2 beeinflusst.
- 79
- Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts unter entsprechender Anwendung von § 78 GWB zu treffen (vgl. § 120 Abs. 2 GWB). Diese Bestimmung findet, was im Wortlaut nicht ganz klar zum Ausdruck kommt, auch auf die Gerichtskosten Anwendung (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, aaO, § 128 Rn. 78 mwN). Soweit das Gesetz bei seinem Verweis auf § 78 GWB nicht zwischen Satz 1 und Satz 2 der Bestimmung unterscheidet, bedarf die für das Kartellverwaltungsverfahren umstrittene Frage, ob § 78 Satz 2 GWB nur für das Rechtsbeschwerdeverfahren gilt (vgl. Bechtold, Kartellgesetz, 5. Aufl. § 78 Rn. 5 ff.), auch in dem im Streitfall betriebenen Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB keiner Beantwortung. Denn jedenfalls entspräche es auch im Kartellbeschwerdeverfahren der Billigkeit, dem Beigeladenen, der selbst Beschwerde gegen die Verfügung der Kartellbehörde eingelegt hat und damit unterlegen ist, mit den Gerichtskosten und grundsätzlich auch mit den außergerichtlichen Kosten anderer Verfahrensbeteiligter zu belasten, soweit nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls gemäß § 78 GWB ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung geböten. Dementsprechend entspricht es vorliegend der Billigkeit, DB Regio als Beschwerdeführerin Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten von A. R. aufzuerlegen. Es entspricht in Anbetracht der Interessen des VRR und von DB Regio des Weiteren der Billigkeit, diesen Beteiligten die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten von A. R. je zur Hälfe aufzuerlegen.
- 80
- Die Festsetzung des Gegenstandswerts geht von einem jährlichen geschätzten Auftragsvolumen für die Linien S 5 und S 8 von 37.380.000 € aus, das in entsprechender Anwendung der Grundsätze in § 3 VgV für einen Zeitraum von 48 Monaten zugrunde zu legen (vgl. Kühnen in: Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. Rn. 1512) und in diesem Rahmen nach § 50 Abs. 2 GKG zu begrenzen ist.
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.07.2010 - VII-Verg 19/10 -
(1) Öffentliche Aufträge, die verschiedene Leistungen wie Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, werden nach den Vorschriften vergeben, denen der Hauptgegenstand des Auftrags zuzuordnen ist. Dasselbe gilt für die Vergabe von Konzessionen, die sowohl Bau- als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben.
(2) Der Hauptgegenstand öffentlicher Aufträge und Konzessionen, die
- 1.
teilweise aus Dienstleistungen, die den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des § 130 oder Konzessionen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des § 153 unterfallen, und teilweise aus anderen Dienstleistungen bestehen oder - 2.
teilweise aus Lieferleistungen und teilweise aus Dienstleistungen bestehen,
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.
(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.
(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.
(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.
(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.
(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.
(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.
(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.
(1) Ein dynamisches Beschaffungssystem ist ein zeitlich befristetes, ausschließlich elektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen.
(2) Eine elektronische Auktion ist ein sich schrittweise wiederholendes elektronisches Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Jeder elektronischen Auktion geht eine vollständige erste Bewertung aller Angebote voraus.
(3) Ein elektronischer Katalog ist ein auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung erstelltes Verzeichnis der zu beschaffenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in einem elektronischen Format. Er kann insbesondere beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen eingesetzt werden und Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen umfassen.
(4) Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit). Öffentliche Auftraggeber können Liefer- und Dienstleistungen von zentralen Beschaffungsstellen erwerben oder Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge mittels zentraler Beschaffungsstellen vergeben. Öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten können an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften dieses Teils durchzuführen. Derartige Dienstleistungsaufträge können auch Beratungs- und Unterstützungsleistungen bei der Vorbereitung oder Durchführung von Vergabeverfahren umfassen. Die Teile 1 bis 3 bleiben unberührt.
(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.