Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 04. Apr. 2014 - III-3 RVs 154/13
Gericht
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichtszurückverwiesen.
1
G r ü n d e :
3I.
4Das Amtsgericht – Schöffengericht – W. hat die Angeklagte durch Urteil vom 13. Februar 2013 von dem Vorwurf des Verstoßes gegen § 34 AWG freigesprochen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Angeklagte wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen ein im Bundesanzeiger veröffentlichtes, unmittelbar geltendes Bereitstellungsverbot eines die Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dienenden Rechtsaktes der Europäischen Union zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Das Guthaben (118.390,44 Euro) auf dem Girokonto der Angeklagten bei der Stadtsparkasse W. hat das Landgericht eingezogen.
5Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit der Revision.
6II.
7Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts hat Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.
8Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
9Die Angeklagte hatte als Ehefrau des A. (Datum der Eheschließung: 9. September 2009) Kenntnis von dem gegen ihren Ehemann geführten Strafverfahren wegen der Bildung einer terroristischen, islamistischen Vereinigung. A. wurde deswegen zunächst am 5. Dezember 2007 durch das Oberlandesgericht Düsseldorf u. a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und am 4. Februar 2010 nach Teilaufhebung des Urteils durch den BGH und entsprechender Zurückverweisung der Sache u. a. wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Von dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft war er seit dem 18. Juni 2009 verschont.
10Seit dem 19. März 2009 unterhielt die Angeklagte zunächst als alleinige Kontoinhaberin ein Girokonto mit der Nr. 1520675 bei der Stadtparkasse W.. Zu diesem Konto gehörte eine EC-Karte, die ihr von der Stadtsparkasse zur Nutzung überlassen wurde. Bis einschließlich Dezember 2009 wiesen die über dieses Girokonto abgewickelten Umsätze keine Besonderheiten auf. Im Wesentlichen beschränkten sich die Eingänge auf das damals von der Angeklagten bezogene Gehalt und die Ausgaben auf Abbuchungen durch Lebensmittel- und Bekleidungsgeschäfte sowie auf Automatenabhebungen im zweistelligen und nur sporadisch im dreistelligen Euro-Bereich. In diesem Zeitraum wies das Girokonto stets einen Habensaldo auf.
11Spätestens Anfang des Jahres 2010 kam die Angeklagte mit ihrem Ehemann überein, ihm die formelle und tatsächliche Verfügungsberechtigung über ihr Girokonto bei der Stadtsparkasse W. einzuräumen. In Umsetzung dieser Vereinbarung war der Ehemann in der Zeit vom 18. Februar bis 7. April 2010 neben der Angeklagten auch formell über das vorstehende Girokonto verfügungsberechtigt, in der Zeit vom 18. Februar bis 22. Februar 2010 als Kontobevollmächtigter und in der Zeit vom 22. Februar bis 7. April 2010 als (weiterer) Kontoinhaber. Aufgrund der EU-Listung des Ehemanns als islamistischer Terrorist widerrief die Stadtsparkasse W. mit Wirkung zum 8. April 2010 die Verfügungsberechtigung des Ehemanns der Angeklagten und teilte dies den Eheleuten auch schriftlich mit. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war sich die Angeklagte des Umstandes bewusst, dass es ihrem Ehemann wegen seines Terroristenstatus untersagt war, auf seinen Namen ein Girokonto zu führen und ihm die Verfügungsberechtigung über ein Bankkonto zu gestatten. Gleichwohl trafen sie und ihr Ehemann in Kenntnis dieses Umstandes die Übereinkunft, dass er weiterhin tatsächlich über das Girokonto verfügungsberechtigt bleiben sollte, um dessen infolge seiner EU-Listung als islamistischer Terrorist stark eingeschränkten finanziellen Bewegungsspielraum zu erweitern und ihm die Grundlage für eine – wie sie wusste – ihm verbotene wirtschaftliche Betätigung zu verschaffen, so dass sie ihrem Ehemann die (einzige) EC-Karte zur freien Verfügung stellte. Die zugehörige PIN war dem Ehemann der Angeklagten ohnehin bereits bekannt. Der Angeklagten war dabei klar, dass das Zur-Verfügung-Stellen des Girokontos zugunsten ihres Ehemannes aufgrund seines Terroristenstatus untersagt war. Beide beabsichtigten, durch die Umsetzung ihrer getroffenen Vereinbarung dieses Verbot zu umgehen, indem die Angeklagte weiterhin formell Inhaberin dieses Girokontos bleiben, ihr Ehemann aber die tatsächliche Verfügungsbefugnis über dieses Konto ausüben sollte.
12In der Folge konnte der Ehemann – wie von ihm und der Angeklagten beabsichtigt – unbeschränkt über das Girokonto bei der Stadtsparkasse W. verfügen, was er mithilfe der einzigen EC-Karte und PIN durch Vornahme von Abbuchungen und Einzahlungen auch umsetzte. Hierbei nahm der Ehemann der Angeklagten vereinbarungsgemäß auch Verfügungen vor, die dem Lebensunterhalt der Familie dienten. Infolge der Tatsache, dass nunmehr der Ehemann die Verfügungsgewalt über das betreffende Girokonto innehatte, wurde das Konto in der Zeit von Anfang 2010 bis einschließlich Februar 2011 – mit Ausnahme des Kontoabschlusses für den Monat Oktober 2010 insbesondere aufgrund von zugunsten der Angeklagten gutgeschriebenen Lohnnachzahlungen – stets im Soll geführt. Der Sollsaldo lag jeweils am Monatsende zwischen 1.500 bis 2.700 Euro.
13Im März 2011 gingen insgesamt drei Überweisungen mit einem Gesamtbetrag von 39.325 Euro auf das betreffende Girokonto bei der Stadtsparkasse W. ein. Hintergrund dieser Finanztransaktion war, dass die Angeklagte und A. – möglicherweise auch nur einer von beiden – von einem Auftraggeber aus Saudi-Arabien mit der Beschaffung und anschließenden Verschiffung eines Pkw BMW beauftragt worden waren, wofür sie einen Betrag in Höhe von 36.400 Euro aufwandten, den sich die Angeklagte, die zumindest nach außen hin als Auftragnehmerin dieses Pkw-Geschäftes in Erscheinung trat, als formelle Kontoinhaberin am 9. März 2011 zu diesem Zweck von dem betroffenen Girokonto in bar auszahlen ließ. Der Differenzbetrag blieb als „Provision“ auf dem Girokonto.
14Im Juni 2011 wurden dem von der Angeklagten formell geführten Girokonto bei der Stadtsparkasse W. insgesamt drei Geldbeträge in einer Gesamthöhe von 110.825 Euro gutgeschrieben. Diese Gutschriften resultierten aus Überweisungen eines Al. aus Saudi-Arabien.
15Etwa im gleichen Zeitraum suchte der Ehemann der Angeklagten den Zeugen B. auf, der seinerzeit als Berater von Existenzgründern tätig war. Der Ehemann der Angeklagten teilte dem Zeugen mit, dass er sich im Bereich der Gastronomie selbständig machen wolle. Nachdem der Zeuge B. erläutert hatte, dass zur Umsetzung seines Vorhabens, einen Gewerbebetrieb zu gründen, Eigenkapital aufzubringen sei – wobei ein Teil der notwendigen Investitionen über eine Bank finanziert werden könne –, ferner eine positive Schufa-Auskunft erteilt werden müsse und keine Vorstrafen vorliegen dürften, eröffnete A. dem Zeugen B. vor dem Hintergrund der gegen ihn durch die Europäische Union erlassenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen, dass er dieses Vorhaben in eigener Person formell nicht realisieren könne. Allerdings erfülle seine Ehefrau, die Angeklagte, die vorausgesetzten Qualifikationen. Der Ehemann der Angeklagten und der Zeuge B. kamen überein, die Gespräche über die geplante Existenzgründung unter der Voraussetzung fortzusetzen, dass die Angeklagte sich als „Strohfrau“, die lediglich formell Inhaberin des Gastronomiebetriebes werden, tatsächlich aber über keine Kompetenzen verfügen sollte, auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens Einfluss zu nehmen, zur Verfügung stellen würde. Tatsächlicher und mit entsprechenden Geschäftsführerbefugnissen ausgestatteter Inhaber des gastronomischen Betriebes sollte nach der mit dem Zeugen B. getroffenen Übereinkunft der Ehemann der Angeklagten werden. Das zur Existenzgründung notwendige Eigenkapital wollte A. den dem formell von der Angeklagten, tatsächlich aber von ihm geführten Girokonto bei der Stadtsparkasse W. gutgeschriebenen und aus den drei Überweisungen aus Saudi-Arabien stammenden Geldbeträgen des Al. entnehmen. Der Zeuge B. hatte erklärt, es sei Eigenkapital in Höhe von etwa 25.000 bis 50.000 Euro aufzubringen. Einen konkreten Betrag konnte er nicht nennen, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, welchen Betrieb der Ehemann der Angeklagten übernehmen oder errichten wollte.
16In dieses Vorhaben, sich durch Leitung eines gastronomischen Betriebes verbotenerweise wirtschaftlich zu betätigen und zu diesem Zweck aufgrund der gegen ihn durch die Europäische Union erlassenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen seine Ehefrau als „Strohfrau-Geschäftsführerin“ einsetzen sowie das zur Existenzgründung notwendige Eigenkapital – möglicherweise entgegen einer zuvor mit dem Al. zuvor getroffenen Vereinbarung über den Verwendungszweck der Geldsumme – den dem Girokonto bei der Stadtsparkasse W. gutgeschriebenen Geldbeträgen entnehmen zu wollen, weihte A. die Angeklagte ein. Diese war mit den Plänen ihres Ehemanns einverstanden und erklärte sich in Kenntnis sämtlicher Tatumstände bereit, in der vorgesehenen Weise mitzuwirken. Kurze Zeit später kam es zu einem weiteren Treffen des A. mit dem Zeugen B., an dem die in die Pläne eingeweihte Angeklagte als potenzielle „Strohfrau-Geschäftsführerin“ teilnahm. Um die gewerberechtliche Zuverlässigkeit und Qualifikation der Angeklagten als formelle Inhaber bzw. Geschäftsführerin des gastronomischen Betriebes, der tatsächlich von ihrem Ehemann geführt werden sollte, zu unterstreichen, händigten sie – die Angeklagte und ihr Ehemann – dem Zeugen B. Kopien von Zeugnissen über die Ausbildung der Angeklagten zur pharmazeutisch-technischen Assistentin aus.
17Zwischenzeitlich waren die Mitarbeiter der Stadtsparkasse W. auf die dem Girokonto der Angeklagten geschriebenen Beträge von insgesamt 110.825 Euro aufmerksam geworden und hegten den Verdacht der Geldwäsche. Die Sachbearbeiterin erkundigte sich bei einem Gespräch in der Filiale in Barmen bei der Angeklagten und ihrem Ehemann nach dem Verwendungszweck des Geldes. Gemeinsam erklärten diese, das Geld sei für den Erwerb zweier Pkw vorgesehen, die im Auftrag eines saudischen Bekannten nach Saudi-Arabien verschifft werden sollten. Die Sparkassenmitarbeiterin erläuterte, für die Auszahlung des Geldbetrages müsse ein Nachweis erbracht werden, etwa ein Kaufvertrag oder Zollpapiere. Die Angeklagte und ihr Ehemann erkannten, dass eine Verfügung über den Gesamtbetrag von 110.825 Euro sowohl auf einmal als auch in höheren Teilbeträgen mangels Vorliegens von Nachweisen über ein Pkw-Geschäft nicht möglich war. Sie baten den Zeugen B. um Hilfe. Dieser begab sich am 3. August 2011 gemeinsam mit der Angeklagten und deren Ehemann in die Sparkassenfiliale, wo der Zeuge B. im Auftrag des Ehemannes der Angeklagten um Auszahlung des Geldbetrages von 110.825 Euro zum Erwerb zweier Pkw bat. Zur Untermauerung des Verwendungszwecks legte der Ehemann der Angeklagten ein Verkaufsinserat über zwei Pkw der Marke BMW vor. Der Sparkassenmitarbeiter verweigerte gleichwohl die Auszahlung. Das Guthaben auf dem Girokonto der Angeklagten in Höhe von 118.390,44 Euro wurde im August 2011 vorläufig eingefroren.
18Seit dem 6. Juni 2011 ist die Angeklagte Inhaberin eines Girokontos bei der T--Bank, auf das seit Juli 2011 die von ihr bezogenen Sozialleistungen und Kindergeld fließen. Dieses Girokonto wird auf Habenbasis geführt, die Umsätze weisen keine Besonderheiten auf.
191. Nach den getroffenen Feststellungen liegt objektiv ein Verstoß gegen die Strafvorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 2 AWG in der bis zum 31.08.2013 gültigen Fassung (jetzt: 18 Abs. 1 Nr. 1 a AWG) vor. Die Angeklagte hat gegen ein im Bundesanzeiger veröffentlichtes, unmittelbar geltendes Bereitstellungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Union zuwidergehandelt, der der Durchführung einer vom Rat der EU im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient.
20Das Verbot der Bereitstellung betrifft einen tatsächlichen Vorgang im Sinne des Zur-Verfügung-Stellens, der dazu führt, dass einer gelisteten Person ein wirtschaftlicher Vorteil in der Form zugute kommt, dass sie unmittelbar darauf zugreifen kann (Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 196. Ergänzungslieferung, § 34 AWG Rn. 28). Nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindungen stehen, dürfen gelisteten natürlichen Personen Gelder weder direkt noch indirekt zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.
21a) Der Ehemann der Angeklagten ist gelistet. Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 2018/2005 der Kommission vom 9. Dezember 2005 zur 59. Änderung der vorgenannten Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates enthält die Liste der Personen, Gruppen und Organisationen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen mit der Verordnung eingefroren werden. Unter „Natürliche Personen“ ist der Ehemann der Angeklagten, A., namentlich aufgeführt. U. a. durch Verordnung (EU) Nr. 906/2010 vom 11. Oktober 2010 – veröffentlicht im Bundesanzeiger am 18. Oktober 2010 – erfolgte eine Neufassung, durch welche die Listung des A. aufrechterhalten wurde.
22b) Die Angeklagte hat ihrem gelisteten Ehemann die tatsächliche Verfügungsgewalt über ihr Konto bei der Stadtsparkasse W. eingeräumt, was dazu führte, dass dem Ehemann ein wirtschaftlicher Vorteil in der Form zugute kam, dass er unmittelbar darauf zugreifen konnte.
23Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer die Indizien hierfür in einer Gesamtschau gewertet: Die Angeklagte hat ihrem Ehegatten zunächst Vollmacht über ihr Konto und sodann Mitinhaberschaft eingeräumt, welche allerdings später von der Bank aufgekündigt wurde. Das Landgericht hat weiter berücksichtigt, dass die Angeklagte ihrem Ehemann die einzige für das Konto ausgestellte EC-Karte einschließlich der dazugehörigen PIN überlassen hat. Bei Kauf- und Geldabholungsvorgängen, die durch Überwachungskameras im Zeitraum Juli 2011 bis August 2011 – wenn auch nur stichprobenhaft – aufgezeichnet wurden, war nur der Ehemann zu erkennen. Das Kontoführungsverhalten änderte sich ab 2010 erheblich. Während das Konto zuvor nur auf Guthabenbasis geführt wurde, wies es ab 2010 überwiegend einen Sollsaldo auf. Schließlich deutet auch die Eröffnung eines weiteren Girokontos durch die Angeklagte am 6. Juni 2011 darauf hin, dass sie die Inhaberschaft über das Konto bei der Stadtsparkasse faktisch aufgegeben hatte.
24aa) Mit der Einräumung der Verfügungsgewalt über das Konto hat die Angeklagte ihrem Ehemann „Gelder“ zur Verfügung gestellt. Gemäß Art. 1 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 bezeichnet der Ausdruck „Gelder“ für die Verordnungszwecke finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Vorteile jeder Art. Hierunter fallen auch Guthaben auf Konten.
25bb) Dass die Sparkasse am 3. August 2011 die Barauszahlung des Gesamtguthabenbetrages von 110.824 Euro verweigert hat, steht der Vollendung nicht entgegen. Auch wenn der Ehemann der Angeklagten nicht unmittelbar auf das vollständige Guthaben durch Barauszahlung oder Überweisung – insofern hätte es der Unterschrift der Angeklagten bedurft – hätte zugreifen können, hatte er doch die Möglichkeit, durch Auszahlungen am Geldautomaten oder per Kartenlastschriftverfahren hierüber in kleineren Beträgen nach und nach zu verfügen.
26cc) Unerheblich ist ferner, dass die Angeklagte ihrem Ehemann ggf. gem. §§ 1353, 1360 Satz 1 BGB verpflichtet war, Unterhalt zu leisten. Ob insoweit eine teleologische Reduktion des § 34 Abs. 4 AWG für die Geschäfte des täglichen Lebens Platz greift (vgl. Meyer/Macke, Rechtliche Auswirkungen der Terroristenlisten im deutschen Recht, hrr-strafrecht.de, S. 460), kann dahinstehen. Jedenfalls begründete dies kein Recht für die Angeklagte, ihrem Ehemann die Verfügungsgewalt über ihr Konto einzuräumen. Denn einen Unterhaltsanspruch hätte sie auch anderweitig sicherstellen können, etwa durch Naturalleistungen. Darüber hinaus hätte die Möglichkeit bestanden, gemäß den Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 a) der EG-Verordnung Nr. 561/2003 die Freigabe von Geldbeträgen genehmigen zu lassen. Nach dieser Vorschrift können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten – in der Bundesrepublik die Deutsche Bundesbank (Servicezentrum Finanzsanktionen) – unter Bedingungen, die sie zur Verhinderung der Finanzierung terroristischer Handlungen für zweckdienlich erachten, spezifische Genehmigungen erteilen für die Verwendung eingefrorener Gelder zur Deckung der Grundbedürfnisse einer natürlichen Person oder ihrer Familienmitglieder, insbesondere Zahlungen für Lebensmittel, Arzneimittel, die Miete oder Hypothek für die Familienwohnung und Gebühren und Honorare für ärztliche Behandlungen. Auch wenn diese Vorschrift nicht unmittelbar zur Anwendung kommt, weil die Angeklagte keine gelistete Person ist, hätte sie vorsorglich eine derartige Genehmigung in analoger Anwendung für die Auskehrung von Geld an ihren Ehemann beantragen oder ihren Ehemann um eine entsprechende Antragstellung bitten können.
272. Dem (inneren) Vorgang der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, die das Revisionsgericht grundsätzlich nur mit einem eingeschränkten Prüfungsmaßstab zu untersuchen hat, fehlt hier indes teilweise die notwendige Grundlage.
28Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass es insoweit auf die Kenntnis der Angeklagten von den Gründen, weshalb es ihrem Ehemann A. untersagt war, selbst ein Bankkonto zu führen, ankommt. Bei einem Blankettstraftatbestand wie § 34 Abs. 4 AWG muss sich der Vorsatz grundsätzlich nicht auf das Bestehen, die Gültigkeit, den Inhalt und die Anwendbarkeit der blankettausfüllenden Norm erstrecken. Vielmehr beschränkt sich der Vorsatz auf die Kenntnis der Umstände, die zu dem Gesamttatbestand, also dem Blankettstrafgesetz und der blankettausfüllenden Norm, gehören. Die Unkenntnis dieser Umstände begründet einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB (vgl. Vogel, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. 2007, § 16 Rn. 37; ferner Joecks, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl. 2011, § 16 Rn. 74; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 15 Rn. 99 ff., § 17 Rn. 12a, jeweils allerdings mit Einschränkungen bei bestimmten Tatbestandsmerkmalen). Insoweit hat das Landgericht sich im Ansatz zutreffend mit den feststellbaren Umständen, die auf eine Kenntnis der Angeklagten von den Gründen hindeuten, weshalb es ihrem Ehemann verwehrt war, selbst ein Bankkonto zu führen, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Beweisanzeichen auseinandergesetzt.
29Soweit mehrere Beweisanzeichen vorliegen, ist jedes einzelne mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein betrachtet zum Nachweis der Täterschaft ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH NStZ-RR 2004, 20 f.; NStZ-RR 1997, 269 f.). Von daher ist es geboten, dass die Strafkammer eine Gesamtwürdigung sämtlicher Indiztatsachen – Kenntnis der Angeklagten von dem gegen ihren Ehemann geführten Strafverfahren wegen Bildung einer terroristischen, islamistischen Vereinigung, Überlassung der EC-Karte über ihr Girokonto, Einräumung der Kontomitinhaberschaft, Widerruf der Verfügungsberechtigung des Ehemannes durch die Stadtsparkasse, Änderung des Kontoführungsverhaltens, Eingang hoher Beträge auf dem Konto, Zur-Verfügung-Stellen als Strohfrau, Eröffnung eines neuen Kontos bei der T--Bank – vorgenommen hat, um auf die Kenntnis der Angeklagten davon zu schließen, dass es ihrem Ehemann wegen seiner Zuordnung zur Terroristenszene verwehrt war, selbst ein Konto zu führen und sich wirtschaftlich zu betätigen.
30Die Strafkammer hat ihre Feststellungen insoweit aber nicht durchgängig auf eine tragfähige Tatsachengrundlage gestützt. Das wesentliche Indiz für die Kenntnis der Angeklagten davon, dass ihr Ehemann der Terroristenszene zugeordnet wird, ist ihre Kenntnis von dem gegen ihren Ehemann seinerzeit geführten Strafverfahren wegen Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung.
31a) Die Strafkammer hat zwar festgestellt, dass die Angeklagte „als Ehefrau des A. Kenntnis von dem gegen ihren Ehemann geführten … Strafverfahren wegen der Bildung einer terroristischen, islamistischen Vereinigung“ hatte. Allein der Umstand des Verheiratetseins lässt hier aber nicht den Schluss zu, dass die Angeklagte von dem gegen ihren Ehemann gerichteten Strafverfahren und vor allem von dem Gegenstand dieses Verfahrens wusste, zumal ausweislich der Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung die Angeklagte und A. nicht bereits langjährig verheiratet waren, sondern erst etwa ein halbes Jahr vor Beginn des Tatzeitraums die Ehe eingingen, nachdem A. bereits seit etwa drei Monaten vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont worden war. Insoweit werden ergänzende Feststellungen zu treffen sein, woraus sich die Kenntnis der Angeklagten von dem Terroristenstatus ihres Ehemannes begründete. Etwa die Teilnahme der Angeklagten als Zuschauerin an der Hauptverhandlung, die – nach Teilaufhebung durch den Bundesgerichtshofs und Zurückverweisung der Sache insoweit – zur Verurteilung ihres Ehemannes am 4. Februar 2010 wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten führte, oder ihr Wissen um den Verfahrensgang vor und/oder während der Ehezeit sowie Besuche der Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt vor der Verschonung von A. könnte ihre Kenntnis indizieren. Ggf. lassen sich in der erneuten Hauptverhandlung noch weitere Anhaltspunkte auffinden, die im Rahmen der Prüfung, ob die Angeklagte wusste, dass ihr Ehemann der terroristischen Szene zugetan war, bedeutsam sind.
32b) Die Strafkammer hat zudem festgestellt, dass die Angeklagte spätestens dann um den Terroristenstatus ihres Ehemannes wusste, als die Stadtsparkasse W. zum 8. April 2010 schriftlich gegenüber den Eheleuten die Verfügungsberechtigung des Ehemanns widerrufen habe. Spätestens dann sei der Angeklagten klar gewesen, dass ihr das Zur-Verfügung-Stellen des Girokontos zugunsten ihres Ehemannes aufgrund seines Terroristenstatus untersagt war. Den Inhalt des Schreibens der Stadtsparkasse teilt die Strafkammer jedoch nicht mit. Die Feststellungen zu der schriftlichen Mitteilung des Widerrufs der Verfügungsberechtigung des Ehemanns der Angeklagten stützt die Strafkammer allein auf die Aussagen der Zeugin W – Mitarbeiterin der Stadtsparkasse W. – und der Zeugin KHKin H, die mit entsprechenden Ermittlungen betraut war. Mit dem Inhalt des Schreibens der Sparkasse vom 6. April 2010 hat sich das Tatgericht hingegen nicht auseinandergesetzt. Die Würdigung wäre indes im Urteil mit Blick auf die vollständige Erfassung des relevanten Beweisstoffes und die inhaltliche Richtigkeit der Feststellungen geboten gewesen. Insoweit weist die Beweiswürdigung eine Lücke auf, die sie als unvollständig erscheinen lässt.
333. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
34Sollte die erneute Hauptverhandlung ergeben, dass die Angeklagte den Straftatbestand auch in subjektiver Hinsicht insgesamt erfüllt hat, wird die Strafkammer erneut zu prüfen haben, ob die Angeklagte von der Listung ihres Ehemannes Kenntnis hatte oder ob sie einem Verbotsirrtum nach § 17 StGB unterlag bzw. dies zumindest nicht auszuschließen ist, und bejahendenfalls, ob dieser Irrtum vermeidbar oder unvermeidbar war. Die Unkenntnis von der Listung lässt den Vorsatz in der Regel unberührt, weil der Irrtum über Bestehen, Inhalt und Reichweite einer Ausfüllungsnorm, auf die ein Blankettstraftatbestand ausdrücklich verweist, sich grundsätzlich nicht als Tatbestandsirrtum, sondern als Verbotsirrtum darstellen dürfte (vgl. hierzu BGH wistra 2013, 153; Vogel, aaO, § 16 Rn. 37; zweifelnd, ob das Nichtwissen um die Existenz eines „personenbezogenen Embargos“ eher als Tatbestandsirrtum zu qualifizieren ist: Meyer/Macke, Rechtliche Auswirkungen der Terroristenlisten im deutschen Recht, hrr-strafrecht.de, S. 461).
35Falls die erneute Hauptverhandlung wiederum zu einem Schuldspruch führt, gibt der Senat hinsichtlich einer möglichen Einziehung des Forderungsbetrages auf dem Girokonto der Angeklagten gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 AWG (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 AWG n.F.), § 74 Abs. 1 StGB Folgendes zu bedenken:
36Die Einziehung scheitert zwar nicht daran, dass die Angeklagte möglicherweise– etwa aufgrund einer Treuhandabrede mit Al. – nicht die wirtschaftlich Berechtigte über das Bankguthaben ist. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHSt 19, 123; BGHSt 24, 222; BGHR § 74 Abs. 2 Nr. 1 Eigentümer Nr. 2; BGH NStZ 1997, 204; NStZ-RR 1999, 11) kommt es insoweit nur auf die formale Rechtsposition – hier also auf die Kontoinhaberschaft – an.
37Gleichwohl wäre aber dem Umstand, dass die Angeklagte dem Geldgeber Al. möglicherweise (vgl. Bl. 7 UA: „möglicherweise entgegen einer zuvor mit dem Al. zuvor getroffenen Vereinbarung über den Verwendungszweck der Geldsumme“) zur Rückerstattung in Höhe von 110.825 Euro verpflichtet ist, Bedeutung bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gemäß § 74b StGB beizumessen. Speziell wäre hier zu prüfen, ob es nicht ausreichend ist, die Einziehung (insoweit) vorzubehalten und die Angeklagte anzuweisen, die Beträge an Al. zurückzuüberweisen (vgl. § 74b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StGB).
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(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.
Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.
(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.
(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Straftat nach § 17 oder § 18 oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 19 begangen worden, so können folgende Gegenstände eingezogen werden:
- 1.
Gegenstände, auf die sich die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit bezieht, und - 2.
Gegenstände, die zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind.
(2) § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.
(3) (weggefallen)
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.
(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn
- 1.
der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld gehandelt hat oder - 2.
die Gegenstände einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 wird der andere aus der Staatskasse unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des eingezogenen Gegenstandes angemessen in Geld entschädigt. Das Gleiche gilt, wenn der eingezogene Gegenstand mit dem Recht eines anderen belastet ist, das durch die Entscheidung erloschen oder beeinträchtigt ist.
(3) Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn
- 1.
der nach Absatz 2 Entschädigungsberechtigte - a)
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder - b)
den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat oder
- 2.
es nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts zulässig wäre, dem Entschädigungsberechtigten den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand ohne Entschädigung dauerhaft zu entziehen.