Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 05. Sept. 2014 - I-6 U 100/14
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.04.2014 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger hat gegen das ihm am 16.04.2014 zugestellte, am 15.04.2014 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf fristgerecht Berufung eingelegt. Durch Verfügung der Vorsitzenden vom 17.06.2014, die ihm am 24.06.2014 zugestellt worden ist, ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung bislang nicht begründet worden und die Begründungsfrist abgelaufen ist.
4Mit Schriftsatz vom 08.07.2014 hat der Kläger die Berufung begründet und mit weiterem Schriftsatz vom 08.07.2014, beide bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die am 16.06.2014 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist beantragt. Er behauptet, die Fristversäumnis habe auf einem singulären Versehen der persönlichen Sekretärin seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. A. beruht. Die Fristen seien von der für die zentrale Fristenkontrolle zuständigen Mitarbeiterin Frau B. zutreffend eingetragen worden. Im vorliegenden Fall sei die Akte nicht erst zum Wiedervorlagetermin vorgelegt worden, sondern bereits einen Tag zuvor, weil an diesem Tag die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung eingetroffen sei. Sein Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt Dr. A. habe sogleich die Berufungseinlegung diktiert und am späten Abend den von seiner persönlichen Sekretärin Frau C. geschriebenen Schriftsatz selbst an das Oberlandesgericht gefaxt. Die Fristen für die Berufungseinlegung habe Rechtsanwalt Dr. A. nach Kontrolle des erfolgreichen Faxversands in der Handakte selbst gestrichen. Am nächsten Tag habe dieser Frau C. sinngemäß gesagt, dass er die Berufungseinlegung schon gefaxt habe und sie an Frau B. durchgeben solle, dass die Promptfrist für die Berufungseinlegung gelöscht werden könne. Frau C. habe die Akte mitgenommen und habe von ihrem Schreibtisch aus wie üblich per E-Mail Frau B. die Streichung dieser Frist mitteilen sollen. Da sie aber vorher Telefonate habe entgegennehmen müssen, sei sie wohl abgelenkt gewesen und habe entgegen der Anweisung von Rechtsanwalt Dr. A. Frau B. nicht nur darüber unterrichtet, dass die Promptfrist für die Berufungseinlegung, sondern versehentlich an diese geschrieben, dass auch die Wiedervorlagefrist und die Promptfrist für die Berufungsbegründung im Fristenkalender gestrichen werden sollen. Aufgrund dieser falschen Information habe Frau B. auch die Fristen zur Berufungsbegründung gelöscht, weswegen seinem Prozessbevollmächtigten die Akte nicht wieder vorgelegt worden sei.
5Der Prozessbevollmächtigte des Klägers Rechtsanwalt Dr. A. hat die Richtigkeit der Angaben soweit sie seine Wahrnehmung betreffen, an Eides statt versichert und eidesstattliche Versicherungen seiner Mitarbeiterinnen B. und C. vorgelegt.
6II.
71.
8Das Wiedereinsetzungsgesuch ist zulässig, weil es innerhalb eines Monats seit dem Tag der Beseitigung des Hindernisses, nämlich der Benachrichtigung von der Fristversäumnis durch den Senat eingelegt worden ist (§§ 234 Abs. 1, 2 ZPO.)
9Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist aber unbegründet, weil die Voraussetzungen nach § 233 ZPO nicht vorliegen. Danach kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, eine Notfrist einzuhalten, wobei ihr das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zugerechnet wird (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Frist zur Berufungsbegründung ist nicht ohne Verschulden des von dem Kläger beauftragten Rechtsanwalts versäumt worden, weil diesem ein Organisationsverschulden zur Last fällt.
10Zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört es, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden, sondern zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die eine rechtzeitige Versendung fristwahrender Schriftsätze zuverlässig gewährleistet wird (BGH Beschl. v. 13.09.2007, III ZB 26/07, juris Rz. 15 = MDR 2008, 53 f.; Beschl. v. 05.03.2008, XII ZB 186/05, juris Rz. 10 = NJW-RR 2008. 1160 f.). Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder deren Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist (BGH Beschl. v. 05.03.2008, XII ZB 186/05, juris Rz. 11 = NJW-RR 2008. 1160 f.). Hat der Rechtsanwalt durch eine allgemeine Kanzleianweisung oder durch Einzelanweisungen sichergestellt, dass im Fristenkalender eingetragene Fristen erst gelöscht werden dürfen, nachdem die Fristsache erledigt ist, darf die mit der Fristenkontrolle betraute Rechtsanwaltsgehilfin die Frist nach Prüfung der sich aus den Handakten ergebenden Erledigung eigenständig löschen und muss nicht in jedem Einzelfall die Zustimmung des zuständigen Rechtsanwalts einholen (Beschl. v. 05.03.2008, XII ZB 186/05, juris Rz. 12 = NJW-RR 2008. 1160 f.). Auch bei einer Einzelanweisung muss jedoch sichergestellt sein, dass die versehentliche Nichtausführung dieser Weisung bei einer ordnungsgemäßen Fristenkontrolle noch am Tag des Fristablaufs hätte bemerkt werden können (BGH Beschl. v. 28.04.1999, XII ZB 15/99, juris Rz. 9 = NJW-RR 1999, 1222).
11Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Fristenkontrolle in seinem Büro nicht hinreichend organisiert. Denn nach allgemeiner Anweisung war es möglich, dass die mit der zentralen Fristenkontrolle betraute Mitarbeiterin B., zu deren Aufgabengebiet das Streichen der Fristen im Fristenkalender gehört, eine Frist löschen durfte, ohne selbst zur Kontrolle die Handakte oder eine direkte Einzelanweisung des bearbeitenden Rechtsanwalts zu besitzen. Vielmehr war es ihr erlaubt, aufgrund einer konkreten Weisung der persönlichen Sekretärin des jeweiligen Rechtsanwalts Fristen zu löschen. Gerade dadurch wurde die Gefahr geschaffen, dass es, wie hier, zu einer versehentlichen Falschübermittlung kommen konnte, ohne dass die mit der konkreten Löschung der Frist befasste Mitarbeiterin B. eine Überprüfungsmöglichkeit, entweder aufgrund der ihr vorgelegten Handakte, in der vorliegend die Fristen zur Berufungsbegründung gerade nicht gestrichen waren, oder aufgrund einer unmittelbar von dem Rechtsanwalt erhaltenen konkreten Einzelanweisung, hatte.
12Dem steht nicht entgegen, dass die persönlichen Sekretärinnen nach der Darlegung des Klägers ebenfalls eine Kontrollfunktion wahrnehmen und grundsätzlich nur die mit der Fristenkontrolle betrauten persönlichen Sekretärinnen überhaupt Fristen streichen dürfen, wenn sie sich anhand der Akte oder des erledigenden Schriftsatzes vergewissert haben, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist oder sie dazu eine konkrete Einzelanweisung erhalten haben. Denn dadurch dass sie die Fristen gerade nicht selber im Fristenkalender löschen, sondern ihrerseits nur eine Anweisung an eine weitere Mitarbeiterin, die für den Fristenkalender zuständig ist, erteilen, Fristen zu löschen, ist eine wirksame Fristenkontrolle nicht hinreichend gewährleistet. Denn es muss sichergestellt sein, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und dafür Sorge getroffen worden ist, dass das Schriftstück tatsächlich hinausgeht. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Mitarbeiterin, die die Fristen im Fristenkalender streicht, entweder eine eigene Überprüfungsmöglichkeit anhand der Handakte hat, ob die Frist nach Fertigung des fristwahrenden Schriftsatzes oder der Entscheidung, nichts weiteres zu veranlassen, im Fristenkalender gestrichen werden kann oder persönlich eine diesbezügliche konkrete Einzelanweisung des bearbeitenden Rechtsanwalts erhalten hat.
132.
14Da der Kläger die Berufung nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet hat, ist seine Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
153.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
17Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 58.649,27 € festgesetzt.
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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Anhörungsrüge ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat hat in dem angegriffenen Beschluss das Vorbringen der Rechtsbeschwerde in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Insbesondere hat er im Einzelnen ausgeführt, warum die von der Beklagten in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch dargelegte Fristenkontrolle im Büro ihrer vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle nicht genügt. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstäben reicht allein die rechtzeitige Vorlage von Fristakten an den sachbearbeitenden Rechtsanwalt nicht aus. Vielmehr muss durch eine entsprechende Anordnung gewährleistet sein, dass Fristen erst dann gestrichen oder als bearbeitet gekennzeichnet werden, wenn der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist (Senatsbeschluss aaO Rn. 15 m.w.N.). Schlick Wurm Dörr Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 22.11.2006 - 14 O 216/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 06.03.2007 - 12 U 252/06 -
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 22.11.2006 - 14 O 216/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 06.03.2007 - 12 U 252/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten um den Zugewinnausgleich.
- 2
- Mit Vorbehaltsurteil vom 25. April 2002 hat das Amtsgericht die Beklagte verurteilt, an ihren geschiedenen Ehemann einen Zugewinnausgleich zu zahlen. Nach dem Tod des Ehemannes haben seine Mutter (Klägerin zu 1) und seine Schwestern (Klägerinnen zu 2 bis 4) den Rechtsstreit als Erbengemeinschaft aufgenommen und den Anspruch auf Zugewinnausgleich weiterverfolgt.
- 3
- Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte vorgetragen , weder sie noch ihren Prozessbevollmächtigten treffe ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Nach Zustellung des Urteils seien darauf die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist vermerkt worden. Diese Fristen seien jeweils mit zwei Vorfristen im Fristenkalender notiert worden. Im Büro ihres Prozessbevollmächtigten werde die Sache bei Ablauf einer Vorfrist dem zuständigen Rechtsanwalt mit dem Vermerk "Vorfrist" vorgelegt. Am Morgen des Fristablaufs werde die Erledigung überprüft und die Sache , wenn sie nicht erledigt sei, mit dem auffälligen Vermerk "Fristablauf heute" erneut vorgelegt. Vor Büroschluss werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien; erst dann werde die Frist gelöscht. In diesem Fall habe die für die Führung des Fristenkalenders geschulte und zuverlässige Rechtsanwaltsgehilfin R. nach Einlegung der Berufung allerdings aus unerklärlichen Gründen und eigenmächtig neben den Berufungsfristen auch die für die Berufungsbegründung im Fristenkalender eingetragenen Vorfristen vom 3. August 2005 und 11. August 2005 sowie den Fristablauf zur Berufungsbegründung am 17. August 2005 gestrichen. Dies sei ihrem Prozessbevollmächtigten erst am 22. August 2005 aufgefallen, als ihm die Akte aufgrund allgemeiner Wiedervorlage vorgelegt worden sei. Zur Glaubhaftmachung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs bezieht sich die Beklagte auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin R.
- 4
- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet und führt zur begehrten Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist.
- 6
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
- 7
- Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N. und Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N. sowie vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722) dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. auch BVerfGE 88, 118, 123 ff.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
- 8
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
- 9
- Im Ansatz zu Recht geht das Berufungsgericht zwar davon aus, dass der Beklagten ein Verschulden der Rechtsanwaltsgehilfin ihres Prozessbevollmächtigten nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden kann. Im Gegensatz zu seiner Rechtsauffassung scheidet hier aber auch ein der Beklagten zurechenbares Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten aus.
- 10
- a) Auch insoweit ist das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss er nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten mit Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine zuverlässige Ausgangskontrolle schaffen, die eine rechtzeitige Versendung fristwahrender Schriftsätze gewährleistet.
- 11
- Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder deren Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192).
- 12
- b) Mit der Notierung und Überwachung von Fristen darf ein Rechtsanwalt allerdings sein voll ausgebildetes und sorgfältig überwachtes Personal betrauen , soweit nicht besondere Gründe gegen deren Zuverlässigkeit sprechen (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 - FamRZ 2007, 2059, 2060). Wenn der Rechtsanwalt zugleich durch eine allgemeine Kanzleianweisung oder durch Einzelanweisungen sicherstellt, dass im Fristenkalender eingetragene Fristen erst gelöscht werden dürfen, nachdem die Fristsache erledigt ist (vgl. auch BGH Beschluss vom 18. Oktober 1993 - II ZB 7/93 - NJW 1993, 3333), darf die mit der Fristenkontrolle betraute Rechtsanwaltsgehilfin die Frist nach Prüfung der sich aus den Handakten ergebenden Erledigung eigenständig löschen und muss nicht zusätzlich in jedem Einzelfall die Zustimmung des zuständigen Rechtsanwalts einholen.
- 13
- Denn die Fristenkontrolle soll lediglich gewährleisten, dass ein fristwahrender Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist dies geschehen und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet, darf die Frist im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden (BGH Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - NJW 2001, 1577, 1578). Diesen Anforderungen ist durch eine allgemeine Kanzleianweisung, eine Frist erst dann zu löschen, wenn die entsprechende Fristsache erledigt ist, genügt. Eine solche Anweisung verlangt von der Rechtsanwaltsgehilfin die vorherige Prüfung, ob entweder der fristwahrende Schriftsatz gefertigt und postfertig gemacht worden ist oder ob nach einer ausdrücklichen Anweisung des Rechtsanwalts von der (weiteren) Durchführung des Rechtsmittelverfahrens abgesehen werden soll. Sie setzt somit eine vorherige Kontrolle voraus, die bei der gebotenen sorgfältigen Handhabung geeignet ist, eine Löschung der Frist vor Erledigung der fristgebundenen Handlung zu verhindern. Dem entspricht nach der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin die Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten der Beklagten.
- 14
- Entsprechend hat die Rechtsanwaltsgehilfin die Berufungsfrist erst gelöscht , als der rechtzeitige Zugang der Berufungsschrift sichergestellt war. Wenn sie in diesem Zeitpunkt zugleich die Fristen für die Berufungsbegründung gelöscht hat, kann das nur darauf zurückzuführen sein, dass sie versehentlich davon ausging, das Rechtsmittel sei bereits begründet oder werde nicht durchgeführt. Dass beides nicht der Fall war und das Rechtsmittel weiter durchgeführt werden sollte, war - auch auf der Grundlage der Kanzleiorganisation des Prozessbevollmächtigten der Beklagten - offensichtlich. Denn Grund für die Löschung der Berufungsfrist war die Absendung der Berufungsschrift, die erkennbar noch keine Begründung enthielt. Für ein solches unvorhersehbares Fehlverhalten einer Rechtsanwaltsgehilfin ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht verantwortlich zu machen.
Vorinstanzen:
AG Rosenheim, Entscheidung vom 10.06.2005 - 2 F 212/01 -
OLG München, Entscheidung vom 20.09.2005 - 12 UF 1208/05 -
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)