Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 28. Juli 2015 - I-21 U 199/14
Tenor
Die Berufung wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von den Klägern aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des von ihnen jeweils aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger nehmen den Beklagten auf Ersatz eines im Rahmen einer Kapitalanlage erlittenen Schadens in Anspruch.
3Das im Jahre 2005 initiierte Kapitalanlagesystem sah wie folgt aus:
4Kapitalanleger schlossen mit der in V… in I… ansässigen, im November 2004 gegründeten, Firma A…. P… S.r.I. (im folgenden AP) hochverzinsliche Darlehensverträge. Beworben wurde das Anlagemodell damit, dass die AP die Darlehensbeträge für den Erwerb von Medizinprodukten verwenden und in Deutschland mit großem Gewinn weiterverkaufen würde. Aus den damit erzielten Gewinnen sollten die jeweils versprochenen Darlehenszinsen gezahlt und die Darlehenssummen zurückgezahlt werden. Zur Absicherung der Zahlungsverpflichtungen der AP stellte die in Zug in der S… ansässige, im Herbst 2005 gegründete, Firma Z….AG (im folgenden Z…). Die Z.... ist eine Tochtergesellschaft der in B… in der S…. ansässigen AP AG. Beworben wurde das Anlagemodell weiter damit, dass hinsichtlich der Bürgschaftsverpflichtungen der Z.... Bürgschaftskasse eine Rückdeckungsversicherung bei der Al…. S.p.A. bestehe. Dies war jedoch unstreitig zu keinem Zeitpunkt der Fall.
5Nachdem die AP anfangs die Zahlungsverpflichtungen gegenüber den jeweiligen Darlehensgläubigern erfüllte, versandte sie ab Herbst 2007 verschiedene Schreiben, in denen sie mitteilte, dass ihre Geschäftstätigkeit sowie ihre Umsätze so weit zurückgegangen seien, dass die Darlehensverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden könnten.
6Der Vertrieb des Kapitalanlagemodels erfolgte in Deutschland über die AC… AG sowie vielfach unter Einschaltung von Finanzvermittlern. Die diesbezüglichen Gespräche wurden teilweise in Büroräumen in dem Gebäude G…str. 14 in D… geführt. Büroansässig war dort Herr M.. K.., der Geschäftsführer der AP, welcher im wesentlichen die Gespräche mit den potentiellen Anlegern führte. Desweiteren befanden sich in dem Gebäude die Räume der in der Zeit von 2001 bis 2006 von dem Beklagten und dem ursprünglich mitverklagten Herrn M… N… gemeinsam unter dem Namen „P.., N… & Partner“ betriebenen Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei. In wechselndem Umfang nahmen auch der Beklagte und Herr N… an den mit den potentiellen Anlegern geführten Gesprächen teil.
7Die Einzahlung der Darlehenssummen erfolgte bis Mai 2006 auf das Anderkonto der Kanzlei des Beklagten und Herrn N.... Bis Mai 2006 bot der Beklagte den Anlegern den Abschluss eines Treuhandvertrages an, wonach er es als Treuhänder übernehme, den darlehensweise zur Verfügung gestellten Betrag erst dann an die AP auszuzahlen, wenn ihm die Bürgschaftsurkunde der Z.... vorläge. Die von der Z.... vorbereiteten Bürgschaftsurkunden wurden in der Zeit von Januar 2006 bis Mai 2006 von der Steuerberatungsgesellschaft des Herrn N..., der AL… mbH, endausgefertigt.
8Zuvor war der Beklagte bereits in die Gründungsvorgänge der Z.... involviert, unstreitig jedenfalls dahin, dass er sowohl hinsichtlich der Gestaltung des Firmenlogos und der Geschäftspapiere der neu gegründeten Z.... als auch bei dem Entwurf der Bürgschaftsverträge rechtsberatend tätig war.
9Desweiteren war der Beklagte Geschäftsführer der Ad… GmbH, die als deutsche Vertriebsorganisation mit der AP zusammenarbeitete. Der Geschäftssitz der Ad… GmbH war in D…; für die praktische Geschäftstätigkeit hatte die Ad.... GmbH eine Halle in R… angemietet.
10Die Steuerberatungsgesellschaft des Herrn N... erarbeitete im Auftrag der Z.... bezüglich der AP die nach deutschem HGB erstellte Bilanz zum 31.12.2005, eine Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2005 sowie die betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Monate Januar bis März 2006 (Anlagenband des früheren Beklagten N..., Anlagen B 1.8 bis 1.10; Bl. 1647 ff. der beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte). Ab Frühjahr 2006 wurde diese Tätigkeit von der Steuerberatungsgesellschaft des Vaters von Herrn N..., der FORAT Gesellschaft für Unternehmensberatung mbH ausgeführt. Diese war ebenfalls geschäftsansässig in der G…str. 14 und zugleich die Deutschlandrepräsentanz der AC… AG.
11Von den jeweiligen Anlagebeträgen wurden folgende Vergütungen gezahlt:
1212 % als Kommission für die Ausstellung der Bürgschaften durch die Z....;
1317,4 % als Provision für die Vermittlung der Anlage.
14Daneben war von den Anlegern, die mit dem Beklagten einen Treuhandvertrag abgeschlossen hatten, eine Treuhandvergütung an den Beklagten zu entrichten.
15Zu der dem hiesigen Verfahren zugrunde liegenden Kapitalanlage der Kläger kam es, nachdem sie im Frühjahr 2007 angeworben worden waren. Am 02.04.2007 unterzeichneten die Kläger den Darlehensvertrag mit der AP (Anlagenband Kläger), die Darlehenssumme betrug 30.000,- €, der Zinssatz 1,25 % je Monat. Der Darlehensvertrag sah eine am 15.04.2007 beginnende Laufzeit vor und war erstmals kündbar zum 15.04.2008. Die unter dem Datum des 30.04.2007 ausgestellte Bürgschaftsurkunde der Z.... (Anlagenband Kläger) beläuft sich auf eine Gesamtsumme von 34.500,- €. Unstreitig kam es im Zusammenhang mit der Kapitalanlage der Kläger zu keinem persönlichem Kontakt zwischen den Klägern und dem Beklagten.
16Für den Zeitraum von Mai bis August 2007 wurde an die Kläger auf die vertraglich vereinbarten Zinsen ein Gesamtbetrag von 1.500,- € gezahlt. Mit Schreiben vom 09.01.2008, gesandt an die Z...., erklärten sie die Kündigung des Darlehensvertrages (Anlagenband Kläger).
17Die klageweise geltend gemachte Schadenssumme setzt sich wie folgt zusammen:
18Darlehenssumme 30.000,00 €
195 % Zinsen für den Zeitraum vom 15.04.2007 + 4.545,83 €
20bis zum 10.04.2010 (Zinssatz einer Alternativ-
21Anlage)
22abzüglich gezahlter Zinsen - 1.500,- €
2333.045,83 €
24Die Kläger haben behauptet, bei der streitgegenständlichen Kapitalanlage handele es sich um ein betrügerisches Anlagemodell in Form eines Schneeballsystems, für welches der Beklagte maßgeblich (mit-)verantwortlich sei. Den Anlegern sei wahrheitswidrig die Seriosität und Risikolosigkeit der Anlage zugesichert worden. Tatsächlich seien die getätigten Pharmageschäfte von nur geringem Umfang und die Bürgschaften wertlos gewesen, die Z.... sei lediglich eine Briefkastenfirma gewesen. Hierzu haben sie im einzelnen folgendes vorgetragen:
25Der Beklagte und Herr K… hätten sich bereits im Jahr 2004 zusammengetan und in betrügerischer Weise ein Anlagegeschäft für den Vertrieb von Mineralwasser initiiert.
26Der Z.... sei ein seriös wirkender Anschein gegeben worden, zum einen durch Wahl ihres Sitzes in der S… als renomiertem Finanzplatz, zum anderen durch die für die Z.... Bürgschaftskasse gewählte Geschäftsausstattung. Das Geschäftslogo sei so in Auftrag gegeben worden, dass es einfach, gediegen, zurückhaltend und seriös gestaltet sein sollte, um den Eindruck einer bereits 100 Jahre alten Firma zu erwecken.
27Gegenüber den eingeschalteten Finanzvermittlern sei das Anlagekonzept so dargestellt worden, dass einerseits eine hohe Verzinsung von bis zu 24 % garantiert sei und andererseits durch eine bonitätsmäßig über jeden Zweifel erhabene Bürgin abgesichert sei.
28Die Seriosität der Anlage sei desweiteren durch Ausnutzung der Reputation des Beklagten als Rechtsanwalt und des Herrn N... als Steuerberater sowie durch die von dem Beklagten zunächst übernommene Funktion eines Treuhänders vorgespielt worden.
29Tatsächlich habe die Z.... Bürgschaftskasse jedoch nicht über eine nennenswerte Vermögenssubstanz verfügt, nämlich nur ein Grundkapital von nominal 200.000,- CHF und die vereinnahmten Provisionen für die Ausstellung der Bürgschaftsurkunden.
30Die AP habe bereits zum 31.12.2005 eine bilanzielle Überschuldung von fast 370.000,- € ausgewiesen, dies bei einem gezeichneten Eigenkapital von 7.500,- €. Liquidität sei ausschließlich wegen der Aufnahme von Fremdkapital gegeben gewesen, insgesamt seien Darlehen in Höhe von 1.8 Mio. € gewährt worden. Die AP habe lediglich über 8 bis 10 Kunden verfügt, die Erträge hätten allenfalls zur Deckung der laufenden Betriebskosten ausgereicht.
31Weiter sei der Beklagte in die Umsetzung des Anlagemodells in der Gestalt eingebunden gewesen, dass eine Büroangestellte auf seine Anweisung sowie die des Herrn N... die einzelnen Darlehensverträge mit den Anlegern ausgestellt und in die Vertragsmuster die jeweiligen Anlagesummen eingesetzt habe. Auch seien in der gemeinsamen Kanzlei des Beklagten und des Herrn N... die Geldeingänge überwacht worden. Ab Mitte 2007 sei er für die Z.... e der Ansprechpartner gewesen.
32Ihnen sei ein Schaden eingetreten, denn weder von der AP noch von der Z.... sei Geld zu erlangen. Es sei versucht worden, von Herrn Z…, der für die Z.... Bürgschaftskasse tätig gewesen sei, Zahlungen zu erlangen, bislang allerdings ohne Erfolg.
33Die Kläger haben ursprünglich den Beklagten und Herrn N... gesamtschuldnerisch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 33.045,83 € in Anspruch genommen. Herr N... ist sodann nach Abschlusses eines Vergleichs mit den Klägern und vergleichsweiser Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.965,44 € aus dem Rechtsstreit ausgeschieden.
34Daraufhin haben die Kläger beantragt,
35den Beklagten zu verurteilen,
361. an sie 33.045,83 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich bereits gezahlter 3.965,44 €,
372. an sie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.307,81 € zu zahlen.
38Der Beklagte hat beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Der Beklagte hat seine Beteiligung an dem Anlagemodell und die Kenntnis von betrügerischen Handlungen bestritten. Wenn überhaupt, sei er in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt mit dem Anlagemodell und diesbezüglichen Gesprächen befasst gewesen. Hierzu hat er im einzelnen Folgendes behauptet und folgende Ansichten vertreten:
41Bei der den Klägern zugesagten Rendite hätten diese sich des hohen Risikos der Anlage bewusst sein müssen. Es sei haarsträubend naiv und lebensfremd, wenn sie von einer totsicheren Anlage ausgegangen seien.
42Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Logos der Z.... habe er lediglich geprüft, ob eine Verletzung gewerblicher Schutzrechte vorliege. An sämtlichen Gesprächen, zu denen er hinzugezogen worden sei, habe er stets lediglich in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt teilgenommen.
43Er sei selbst davon ausgegangen, dass die AP die zugesagten Renditeversprechen erfüllen könne und habe deshalb selbst im September 2006 ein Darlehen in Höhe von 80.000,- € gewährt, welches ihm nicht zurückgezahlt worden sei. Bezüglich der Z.... Bürgschaftskasse habe Herr K… erklärt, dass die verbürgten Beträge bei der Al… S.p.A. rückversichert seien.
44Mit Urteil vom 28.10.2014 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Rechtsgrundlage für den zuerkannten Schadensersatzanspruch seien die Vorschriften der §§ 826, 830 BGB, denn ein nach Art eines Schneeballsystems konzipiertes Darlehensprogramm verstoße gegen die guten Sitten. Dies sei vorliegend der Fall. Die AP sei zu dem Zeitpunkt der streitgegenständlichen Investitionen bereits insolvenzreif gewesen. Dies erschließe sich aus der von Herrn N... erstellten Bilanz per 31.12.2005. Aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ergebe sich, dass der die Bilanz auswertende Wirtschaftsreferent die bilanzielle Überschuldung der AP zum 31.12.2005 festgestellt habe. Diese sei auch nicht durch vorhandenes Eigenkapital zu beseitigen gewesen. Die von der AP im Kalenderjahr 2005 erzielte Gewinnspanne habe nur bei 12,9 % gelegen habe und nicht einmal dazu gereicht, die betrieblichen Ausgaben zu decken. Soweit gleichwohl Zinszahlungen an die Kapitalanleger geleistet worden seien, hätten diese zwangsläufig nur aus den Kundengeldern der später geworbenen Anleger finanziert werden können. Wesentliches anderes Vermögen sei nicht vorhanden gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass sich die AP als neu gegründetes Unternehmen erholen würde, seien nicht erkennbar. Vor dem Hintergrund, dass die AP im Jahr 2005 einen Rohgewinn von nur 107.664,24 € erzielt habe, wäre es, allein um die Kapitalkosten aus dem Jahr 2005 in Höhe von 1.8 Mio. € zu decken, erforderlich gewesen, dass die AP im Kalenderjahr 2006 eine Ertragssteigerung von 1.718 % erziele. Dies erscheine von vornherein völlig aussichtslos. Entsprechend sei der wirtschaftliche Zusammenbruch des Unternehmens vorhersehbar gewesen, so dass die große Masse der Kapitalanleger ihr Darlehenskapital verlieren würde. Diese Schlussfolgerungen aus der Bilanz der AC per 31.12.2005 stünden auch im Einklang mit den Bekundungen des Zeuge A…. Dieser habe zu der Geschäftstätigkeit der AP bekundet, er hätte in der Lagerhalle Fußball spielen können, es habe keinen Warenumsatz gegeben. Nach den weiteren Ausführungen des Landgerichts ergebe sich auch im Hinblick auf die Bürgschaften der Z.... für die Frage der Sittenwidrigkeit kein anderes Ergebnis. Die Versicherungsgarantie sei nämlich völlig wertlos gewesen. Aus einer von Herrn N... exemplarisch vorgelegten Bürgschaftsurkunde ergebe sich, dass die Z.... pro 100.000,- € verbürgter Darlehensverbindlichkeiten eine Bürgschaftsentschädigung von 12.000,- € erhalten sollte, die ebenfalls aus den bei der AP eingehenden Kundengeldern hätte finanziert werden müssen. Abgesehen von dem nominalen Grundkapital von 200.000,- CHF und diesen Bürgschaftsentschädigungen sei kein Vermögen bei der Z.... vorhanden gewesen. Damit sei bei realistischer Betrachtung klar gewesen, dass die große Masse der Kapitalanleger auch von der Z.... keine Zahlungen erhalten würde.
45An dieser in objektiver Hinsicht gegebenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die AP habe sich der Beklagte beteiligt, so das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung weiter. Dabei komme es gemäß § 830 Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob seine Teilnahme als Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zu qualifizieren sei. Die Kenntnis des Beklagten von der betrügerischen Konzeption des Anlagemodells sei bereits daraus zu folgern, dass er mit den Anlegern Treuhandverträge abgeschlossen habe, für die Weiterleitung der Anlagebeträge und die Beschaffung der Bürgschaftsurkunden zuständig gewesen sei. Entsprechend sei von der Kenntnis des Beklagten von dem Inhalt des Bürgschaftsvertrages sowie von dem Umstand, dass es sich um eine Neugründung handele, auszugehen. Weiter folgert das Landgericht die Kenntnis des Beklagten von der betrügerischen Konzeption des Anlagemodells daraus, dass er selbst ein Darlehen in Höhe von 80.000,- € gewährt haben will. Es sei davon auszugehen, dass diese Beteiligung, sofern sie tatsächlich geschehen sei, allein zu dem Zweck erfolgt sei, Kapitalanleger von den guten Erfolgsaussichten der Investition zu überzeugen. Es entspräche der beruflichen Erfahrung des Gerichts, dass Kapitalanleger regelmäßig damit geworben werden, dass man selbst derart von der Geldanlage überzeugt sei, dass man erhebliche Beträge investiert habe. Es sei lebensfremd, dass ein promovierter Rechtsanwalt ernsthaft geglaubt haben will, eine Neugründung sei in der Lage, Renditen von bis zu 24 % zu erwirtschaften. Auch nach der Beweisaufnahme sei von der Kenntnis des Beklagten von dem betrügerischen Charakter der Darlehen auszugehen. Die Vernehmung der Zeugen Y… und A… habe ergeben, dass der Beklagte als Geschäftsführer der Ad.... GmbH in das Betrugssystem in der Weise eingeschaltet gewesen sei, dass die Ad.... GmbH als deutsche Vertriebsorganisation der AP einen gutgehenden Medikamentenhandel vorspiegeln sollte. Die Ad.... GmbH sei mit Herrn K… auf das Engste verbunden gewesen. Die für die Ad.... GmbH tätige Zeugin Y… sei von Herrn K... in die verwendete Software eingearbeitet worden und habe jenem Bericht zu erstatten gehabt. Demgegenüber habe der Beklagte nur eine untergeordnete Rolle gehabt, was sich aus den von der Zeugin bekundeten Handlungen des Beklagten, mal zu telefonieren, oder der von dem Zeugen A.... bekundeten Handlung, gelegentlich Waren umzuettikieren, ergebe. Dass der Beklagte gleichwohl bestens im Bilde gewesen sei, sei aus einem von der Zeugin Y.... berichteten Streit zwischen dem Beklagten und Herrn K... zu folgern, wonach der Beklagte sich zu wenig einsetze. Dieser Vorwurf könne sich kaum auf die von dem Beklagten eingeräumten Handlungen, die er als Rechtsanwalt getätigt haben will, beziehen. Auch aus den Bekundungen des Zeugen A.... sei ein arbeitsteiliges Zusammenwirken zu folgern. Bei einem Aufenthalt des Beklagten in V… habe dieser als wichtig bezeichnete Aktenunterlagen mit sich geführt. Soweit sich aus der Aussage des Zeugen ergeben, dass der Zeuge bereits zusammen von Herrn K... und dem Beklagten für die Lagertätigkeit in Italien angeworben worden sei, spreche dies dafür, dass der Beklagte von Anfang an im Bilde, ggfls. sogar Mitinitiator des Darlehenssystems gewesen sei. Die Tätigkeiten des Beklagten seien wesentlicher Bestandteil des betrügerischen Schneeballsystems gewesen. Es sei nach der Vielzahl der erörterten Indizien davon auszugehen, dass der Beklagte insofern zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.
46Gegen dieses Urteil, welches dem Beklagten am 28.10.2014 zugestellt worden ist, hat dieser mit seinem am 28.11.2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung mit am 29.01.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet. Eine Anschrift des Beklagten wurde in keinem der beiden Schriftsätze mitgeteilt.
47Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte weiterhin seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag. Er rügt die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit und die fehlende Anwendbarkeit deutschen Rechts, da die Verurteilung auf ein betrügerisches Zusammenspiel einer italienischen Firma mit schweizerischen Firmen gestützt werde. Auch handele es sich bei dem angefochtenen Urteil nicht um eine eigenständige richterliche Entscheidung, vielmehr hätten die 1., die 3., die 6. und die 8. Zivilkammer des Landgerichts fast gleichlautende Urteile abgefasst, was auf eine Absprache zwischen den erkennenden Richtern schließen lasse.
48Soweit in dem angefochtenen Urteil von der Insolvenzreife der AP zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Investitionen ausgegangen werde, könne er keine Angaben zu der Leistungsfähigkeit der AP oder der Muttergesellschaft, der AC AG, machen. Er bestreite den Vortrag mit Nichtwissen.
49Soweit das Landgericht aufgrund der Aussagen der Zeugen A.... und Y.... die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der AP angenommen habe, beruhe dies auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung. Die Bekundungen beider Zeugen würden vielmehr belegen, dass die Firma Handel getrieben habe. Diese Bekundungen sprächen gegen die Annahme, dass es sich bei der AP um eine Scheinfirma handele. Auch sei, da noch im Sommer 2007 stattgefundene Rückzahlungen von Darlehen von der Zeugin Y.... bekundet worden seien, davon auszugehen, dass noch bis Sommer 2007 nicht absehbar gewesen, dass die Darlehen nicht bedient werden könnten. Vielmehr ergebe sich aus den Zeugenaussagen das Bild eines Unternehmens mit Anlaufschwierigkeiten, aber auch mit wirtschaftlichen Perspektiven und der Möglichkeit, lukrativen Handel zu betreiben.
50Die angenommene bilanzielle Überschuldung der AP beruhe auf der Anwendung deutschen Rechts; ob nach italienischem Recht Konkursantrag zu stellen gewesen wäre, stehe damit nicht fest. Eine bilanzielle Überschuldung sei aber auch für die Frage, ob Handel getrieben werden könne und Gewinne erzielt werden könnten, unerheblich. Insofern bietet der Beklagte Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der italienischen Rechtslage an sowie durch Vernehmung von Zeugen zu den Tatsachen, dass Darlehensrückzahlungen geleistet worden seien und Handel getrieben worden sei. Kenntnis von der bilanziellen Überschuldung habe er jedenfalls nicht gehabt.
51Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Bestreiten eines Schadenseintritts bei den Klägern. Es sei nicht versucht worden, die AP auf Darlehensrückzahlung in Anspruch zu nehmen.
52Entgegen der Würdigung des Landgerichts könne in subjektiver Hinsicht nicht davon ausgegangen werden, dass er Kenntnis von dem betrügerisch konzipierten Anlagemodell gehabt habe. Aus den Bekundungen des Zeugen Z.... ergebe sich vielmehr, dass alleiniger wirtschaftlicher Berechtigter der Z.... Herr N... gewesen sei. Auch an diesen seien die Bürgschaftsurkunden gelangt. Die AGB der Z.... seien nicht von dem Beklagten erstellt worden. Die Bürgschaftsurkunden seien von dem Zeugen Z...., der Wirtschaftsprüfer sei, unterschrieben worden. Es müsse davon ausgegangen werden und hierauf dürfe man vertrauen, dass der Zeuge dies erst nach Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bürgin getan habe.
53Ferner sei ein Kausalzusammenhang der von ihm vorgenommenen Handlungen mit dem bei den Klägern eingetretenen Schaden nicht ersichtlich. Seine Teilnahme an Besprechungen mit Anlageinteressenten habe im Mai 2006 geendet und nach dem Inhalt der Zeugenaussagen habe er keine Informationen über das Geschäftsmodell gegeben. Auch die Bilanz sei erst im Mai 2006 gefertigt worden.
54Die Argumentation des Landgerichts, der Beklagte habe selbst ein Darlehen gewährt und dies getan, um Anlageinteressenten von der guten Erfolgsaussicht der Investition zu überzeugen, sei unzulässig. Dies lasse außer Acht, dass er zu keinem Zeitpunkt für die Anlage geworben und ab Mai 2006 auch nicht mehr an Besprechungen teilgenommen habe. Zudem werde ein eigener Verlust von 80.000,- € regelmäßig nicht hingenommen, um eine fremde sittenwidrige Schädigung zu fördern. Zum Beweis, dass er selbst ein Darlehen gewährt und keine Rückzahlungen erhalten habe, benennt der Beklagte erneut Herrn K... als Zeugen und legt einen Darlehensvertrag sowie einen Kontoauszug vor.
55Soweit das Landgericht ausführe, dass mit der Firma Ad.... GmbH ein gutgehender Medikamentenhandel vorgespielt werden sollte, könne dies nicht als Indiz für eine Förderung des Taterfolges durch den Beklagten herangezogen werden. Die Verträge mit den Anlegern seien bereits abgeschlossen gewesen, bevor die Ad.... am Markt aktiv geworden sei. Auch für die Ad.... sei er anwaltlich tätig gewesen, nämlich mit der Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit der im Zusammenhang mit dem Reimport von Medikamenten vorzunehmenden Umetikettierungen.
56Der Beklagte beantragt,
57das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28.10.2014, 8 O 243/10, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
58Die Kläger beantragen,
59die Berufung zurückzuweisen.
60Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie behaupten, sie hätten die Z.... Bürgschaftskasse erfolglos in Anspruch genommen.
61Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
62Der Senat hat den Beklagten mit Beschluss vom 08.06.2015, auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (Bl. 676 ff. GA), auf Bedenken an der Zulässigkeit der eingelegten Berufung hingewiesen und den Beklagten zur Mitteilung seiner ladungsfähigen Anschrift aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 19.06.2015 hat der Beklagte eine als Postanschrift bezeichnete Adresse in England (……England) mitgeteilt, unter welcher er jederzeit schriftlich erreichbar sei.
63Die Akten 130 Js 5/06, StA Düsseldorf, lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
64E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
65Die von dem Beklagten eingelegte Berufung war als unzulässig zu verwerfen, denn der Beklagte führt die Berufung aus dem Verborgenen hinaus.
66Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gilt im Grundsatz, dass die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers in der Berufungsschrift keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berufung ist (BGH, Urteil vom 11.10.2005, XI ZR 398/04, NJW 2005, 3773). Es stellt sich jedoch dann als ein der Zulässigkeit entgegenstehendes rechtsmissbräuchliches Verhalten dar, wenn ein Kläger den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen. Der Schluss, eine solche rechtsmissbräuchliche Absicht liege vor, kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn trotz gerichtlicher Anfrage nach der Anschrift des Berufungsklägers deren Mitteilung ohne hinreichende Angabe von Gründen verweigert wird (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2005, aaO.; BGH, Beschluss vom 28.11.2007, III ZB 50/07; BGH, Beschluss vom 01.04.2009, XII ZB 46/08; jeweils zitiert nach juris).
67Vorliegend ist aufgrund einer Mehrzahl von Anhaltspunkten der Rückschluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beklagten gerechtfertigt.
68Vor dem Hintergrund, dass die ladungsfähige Anschrift des Beklagten bereits erstinstanzlich unbekannt gewesen ist und dass sich auch aus der beigezogenen Strafakte keine andere aktuelle Anschrift des Beklagten als eine bereits erstinstanzlich mitgeteilte Anschrift in England ergibt (…..Vereinigtes Königreich), unter welcher eine Zustellung gescheitert war, hat der Senat dem Beklagten mit dem in Bezug genommenen Beschluss vom 08.06.2015 aufgegeben, seine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen.
69Die daraufhin mit Schriftsatz vom 19.06.2015 mitgeteilte und als Postanschrift bezeichnete Anschrift des Beklagten genügt indes nicht, um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beklagten durch Führung einer Berufung aus dem Verborgenen hinaus ausschließen zu können.
70Erforderlich ist die Mitteilung der von dem Gericht angefragten ladungsfähigen Anschrift des Beklagten. Damit ist die Angabe des tatsächlichen Wohnortes einer Partei gemeint, also der Anschrift, unter der eine Partei tatsächlich und persönlich zu erreichen ist. Entscheidend im Sinne der Zustellungsvorschriften der ZPO ist dabei nicht die Anmeldung eines Wohnsitzes, sondern die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Eine ständige Anwesenheit des Zustellungsempfängers an diesem Ort ist nicht erforderlich; die Eigenschaft von Räumen als Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften geht aber dann verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (BGH, Urteil vom 19.03.2013, VI ZR 93/12, zitiert nach juris). Das Erfordernis der Mitteilung des tatsächlichen Aufenthaltsortes einer Partei, nicht nur der schriftlichen Erreichbarkeit der Partei, ist damit zu begründen, dass hier nicht nur Ladungen vorzunehmen sind, sondern auch weitere zivilprozessuale Vorschriften die Kenntnis von der vollständigen Wohnanschrift einer Partei voraussetzen. So kommt beispielsweise eine Ersatzzustellung gemäß §§ 178 ff. ZPO nur dann in Betracht, wenn die Person in ihrer Wohnung nicht angetroffen wird. Hinzu kommt das Interesse, die Durchsetzung von Kostenforderungen, sei es das öffentliche Interesse an der Zahlung von Gerichtskosten, sei es das Kosteninteresse des Prozessgegners als privatem Gläubiger, ausreichend abzusichern. Die Kenntnis der Wohnungsanschrift ist sowohl bei der Mobiliarpfändung durch den Gerichtsvollzieher, § 808 ZPO, als auch im Rahmen der Erzwingung einer eidesstattlichen Versicherung, ggfls. durch Haft, § 899 ff. ZPO, erforderlich (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 13.04.1999, 1 C 24/97, zitiert nach juris).
71Dass die von dem Beklagten auf gerichtliche Nachfrage nunmehr mitgeteilte Anschrift auch sein tatsächlicher Wohnort ist, kann nicht festgestellt werden. Der Beklagte hat die neu mitgeteilte Anschrift in England schriftsätzlich als „Postanschrift“ bezeichnet, unter welcher er jederzeit „schriftlich erreichbar“ sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten diese Erklärung wiederholt und ausgeführt, dass an den Beklagten versandte Schriftstücke ihn dort erreichen würden. Dass der Beklagte dort jedoch auch tatsächlich den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens hat, lässt sich nach diesen Erklärungen nicht feststellen. Auf die dahingehende Nachfrage des Senats hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, er glaube nicht, dass der Beklagte dort wohne, er wisse es aber nicht.
72Die bloße Behauptung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2015, Schriftstücke würden den Beklagten jederzeit unter der nunmehr mitgeteilten Adresse erreichen, auch Zustellungen könnten vorgenommen werden, stellt sich als reiner Parteivortrag des Beklagten dar. Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Angaben fehlen. Ließe man aber diese Erklärung des Beklagten ausreichen, würde der Erfolg von Zustellungen von der Mitwirkung des Beklagten oder der von ihm eingeschalteten Personen abhängen, nämlich seinem Willen, an der Postanschrift eingehende Schriftstücke entgegen zu nehmen. Inwieweit das Ergreifen von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung an dem Ort der mitgeteilten Postanschrift überhaupt möglich sein könnte, ist nicht ersichtlich.
73Die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Beklagten ist auch nicht mit der Begründung für ausnahmsweise entbehrlich zu erachten, dass beachtliche Gründe, die ein Geheimhaltungsinteresse des Beklagten begründen könnten, vorliegen.
74Zwar können im Einzelfall der Angabe der ladungsfähigen Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. In derartigen Fällen ist aber wenigstens zu fordern, dass dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann (BGH, Beschluss vom 28.11.2007, III ZB 50/07, aaO.).
75Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, der Beklagte habe ihm von einer Bedrohungssituation erzählt, aus der sich ergeben habe, dass er der Lage psychisch nicht mehr gewachsen sei, genügt dies nicht, um ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Beklagten verzichten zu können. Aus den Erklärungen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten geht nicht hervor, wann und wo eine etwaige Bedrohungssituation bestanden haben soll. Ein aktueller Bezug zu dem Verfahren lässt sich so nicht feststellen. Soweit sich die Bedrohung bereits vor dem Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 18.02.2014, zu welchem das persönliche Erscheinen des Beklagten angeordnet war, ereignet haben könnte, war sie jedenfalls nicht der Grund für das Ausbleiben des Beklagten zu dem Verhandlungstermin. Der Grund für das Nichterscheinen des Beklagten war vielmehr, wie es der Prozessbevollmächtigte des Beklagten vor dem Landgericht zu Protokoll erklärt hat, dass der Beklagte „die Leute nicht kenne“ und nicht wisse, weshalb er dann erscheinen müsse.
76Auch fehlen den Erklärungen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nähere Angaben dazu, wie die Bedrohung konkret ausgesehen haben soll. Eine Prüfung, ob die angeführte Bedrohung ein Ausmaß gehabt haben könnte, dass ein vorrangiges schutzwürdiges Interesse des Beklagten, seinen tatsächlichen Wohnort ausnahmsweise geheim halten zu dürfen, anzuerkennen sein könnte, ist so nicht möglich.
77Ebenso wenig konkret und ohne Bezug zu dem hiesigen Verfahren ist die weitere Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, Herr W…, einer der Anlagevermittler, der in dem vor dem Senat anhängigen Parallelrechtsstreit mit dem Aktenzeichen 21 U 201/14 ursprünglich ebenfalls verklagt war, habe ihm, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten, erklärt, einer der Kläger aus dem Parallelrechtsstreit sei Mitglied der Rockerband H..A…. Unabhängig von der Frage der Richtigkeit dieser Erklärung ist auch nicht ersichtlich, woraus und für wen sich aus diesem Umstand eine Bedrohung ergeben soll.
78Schließlich spricht es für die Unzulässigkeit der von dem Beklagten aus dem Verborgenen heraus geführten Berufung, dass Kostenansprüche, die sich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren gegenüber dem Beklagten ergeben können, gefährdet sind. Eine anderweitige Absicherung von Kostenansprüchen gegen den Beklagten, die gegebenenfalls dazu geeignet sein könnte, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs durch den Beklagten wegen Verschweigens seiner ladungsfähigen Anschrift entfallen zu lassen, ist nicht gegeben.
79Zum einen besteht ein öffentliches Interesse daran, dass gerichtliche Kostenforderungen erfüllt werden. Dieses Interesse ist im vorliegenden Fall nicht gesichert. Einen Gerichtskostenvorschuss für die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte bislang nicht eingezahlt. Sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war, wie es sich aus dem Beschluss des Senats vom 08.06.2015 ergibt, abzulehnen, da der Beklagte keine Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht hat. Auf Nachfrage hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, sich keinesfalls für die entstehenden Verfahrenskosten stark zu sagen.
80Zum anderen besteht das Interesse der Kläger des vorliegenden Verfahrens an einer Durchsetzung titulierter Ansprüche gegen den Beklagten. Für eine etwaige Mobiliarvollstreckung bedarf es aber, wie oben ausgeführt, der Kenntnis von der Wohnungsanschrift des Beklagten. Ergänzend kann in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass ausweislich der mit Schriftsatz vom 11.12.2014 erfolgten und in dem Verhandlungstermin vor dem Senat wiederholten Mitteilung des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus dem parallel gelagerten Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 21 U 201/14 die Zustellung eines vom dem Landgericht Düsseldorf in einem weiteren Parallelverfahren erlassenen Versäumnisurteils nicht möglich gewesen ist. Auf eine an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten gerichtete Anfrage, ob er das Versäumnisurteil als zugestellt entgegen nehme, habe dieser sich nicht erklärt. Diesem Vorbringen ist der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auch nicht entgegengetreten. Ist aber bereits eine Zustellung des Titels nicht möglich, kommt auch eine Zwangsvollstreckung aus dem Titel nicht in Betracht.
81Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.
82Streitwert für das Berufungsverfahren: 29.080,39 Euro
83S…-L… B….. K..-P…
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Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 28. Juli 2015 - I-21 U 199/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Be rufung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
- Durch Urteil vom 26. Mai 2004 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 86.528,46 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Berufungsschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, dem das Urteil zugestellt worden ist, enthält keine Anschrift der Beklagten. Am Ende ist links neben der mit der Bezeichnung "Rechtsanwalt" versehenen maschinenschriftlichen Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des Prozessbevollmächtigten handschriftlich das Wort "Für" angebracht. Rechts neben diesem Namen ist die Berufungsschrift mit der handschriftlichen Bezeichnung "RA" sowie mit dem Namenszug "S. " versehen. Darunter ist in Klammern handschriftlich "zugelassen am OLG B. " vermerkt. In entsprechender Weise ist auch die Berufungsbegründung unterzeichnet.
- 3
- Nachdem der Vorsitzende des Berufungsgerichts auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen hatte, weil ein "RA S. " im Briefkopf des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht genannt sei und sich auch nicht anhand des Anwaltsverzeichnisses der RechtsanwaltskammerB. individualisieren lasse, erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 25. Oktober 2004, die Berufungsschrift und die weiteren Schriftsätze seien von Rechtsanwalt M. S. unterzeichnet worden. Zugleich teilte er als letzte bekannte Adresse der Beklagten eine Anschrift in der Schweiz mit.
- 4
- Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagt en als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich ihre - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebun g des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Der Berufung der Beklagten fehle das Rechtsschutzb edürfnis, weil sie durch Nichtangabe ihrer ladungsfähigen Anschrift zu erkennen gegeben habe, an dem Berufungsverfahren kein Interesse zu haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten sei, auf die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift in der Klageschrift nicht verzichtet werden. Sonst fehle es an einer ordnungsgemäßen Klageerhebung. Nichts anderes könne für einen Berufungskläger gelten. Mangels Angabe einer ladungsfähigen Anschrift der Beklagten sei ihr Rechtsschutzbegehren unzulässig.
- 8
- Überdies fehle es, ohne dass es darauf noch ankomm e, an einer formwirksamen Unterzeichnung der Berufungsschrift. Bereits die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung sei nicht hinreichend erkennbar, da zumindest die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass es sich nur um eine - noch zu unterzeichnende - Namensnennung handele. Außerdem sei eine Individualisierung des die Berufungsschrift unterzeichnenden Rechtsanwalts erforderlich. Wenn dieser - wie hier - nicht im Briefkopf genannt sei, habe er seinen vollständigen Namen und seine Kanzleianschrift anzugeben.
II.
- 9
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung der Beklagten unzulässig sei, weil ihre ladungsfähige Anschrift in der Berufungsschrift nicht angegeben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt worden sei (1.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann auch keine Rede davon sein, die Berufungsund die Berufungsbegründungsschrift seien nicht ordnungsgemäß unterzeichnet (2.).
- 10
- 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 65, 114, 117) und des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1987, 1356 f.) ist eine Rechtsmittelschrift auch dann ordnungsgemäß, wenn sie die ladungsfähige Anschrift des Rechtsmittelbeklagten oder seines Prozessbevollmächtigten nicht enthält, obgleich dadurch die alsbaldige Zustellung nach § 521 Abs. 1 ZPO erschwert wird. Entsprechendes gilt nach - soweit ersichtlich - einhelliger Meinung, wenn in der Rechtsmittelschrift die ladungsfähige Anschrift des Berufungsklägers fehlt (BGHZ 102, 332, 333 f.; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 25. Aufl. § 519 Rdn. 30a; Musielak/ Ball, ZPO 4. Aufl. § 519 Rdn. 6; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl. Aktualisierungsband § 519 Rdn. 15; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl. § 519 Rdn. 25; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 518 Rdn. 18; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 15. Aufl. S. 821). Der in § 519 Abs. 4 ZPO enthaltene Verweis auf - unter anderem - die Sollvorschrift des § 130 Nr. 1 ZPO ändert nichts.
- 11
- a) Der Hinweis des Berufungsgerichts, ohne Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers liege grundsätzlich keine ordnungsgemäße Klageerhebung im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 i.V. mit § 130 Nr. 1 ZPO vor (BGHZ 102, 332, 336; BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, WM 2004, 2325, 2326), entsprechendes müsse für eine Berufung ohne Angabe der Anschrift des Berufungsklägers gelten, geht fehl. Bei einer Klage gibt der Kläger, wenn er nicht triftige Gründe für die Vorenthaltung seiner Adresse anführen kann, zu erkennen, dass er den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen; dies wäre rechtsmissbräuchlich (BGHZ 102, 332, 336). Diese Grundsätze lassen sich auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragen. Die Einlegung der Berufung ohne Angabe einer ladungsfähigen Anschrift der Beklagten als Berufungsklägerin rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, sie wolle fortan das Verfahren aus dem Verborgenen führen, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen.
- 12
- Für ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten d er Beklagten bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 8. September 2004 erklärt, dass mit dieser noch nicht habe Rücksprache gehalten werden können, weil sie umgezogen sei. Am 25. Oktober 2004 hat er die letzte bekannte Anschrift der Beklagten in der Schweiz mitgeteilt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass ein Nachforschungsantrag noch nicht abschließend beantwortet worden sei. Daraus ergibt sich lediglich, dass der Prozessbevollmächtigte seit Einlegung der Berufung keinen Kontakt zur Beklagten hatte. Dies rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Beklagte das Verfahren fortan aus dem Verborgenen führen wolle, um sich einer etwaigen Kostenpflicht zu entziehen. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass sich die Beklagte - wie in dem der Entscheidung BGHZ 102, 332 zugrunde liegenden Sachverhalt - bewusst geweigert hätte, ihre ladungsfähige Anschrift anzugeben.
- 13
- b) Auch die Erwägung des Berufungsgerichts, die An gabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers sei im Hinblick auf eine mögliche Anordnung seines persönlichen Erscheinens erforderlich, rechtfertigt nicht die Verwerfung der Berufung als unzulässig. Das Ausbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen mangels ladungsfähiger Anschrift nicht angeordnet (§ 141 Abs. 2 ZPO) werden kann, steht einer Fortführung des Verfahrens nicht entgegen. Für den Gegner ergeben sich daraus keine nachteiligen Folgen. Bei einer angeordneten Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO bleibt es dem Gericht, auch wenn die Sanktionen der §§ 446, 454 ZPO mangels ordnungsgemäßer Ladung (§ 450 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO) nicht eingreifen können, unbenommen, aus der Vorenthaltung einer ladungsfähigen Anschrift unter Heranziehung des allgemeinen Gesichtspunktes einer Beweisvereitelung Schlüsse zum Nachteil der Partei zu ziehen (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, WM 2004, 2325, 2326). Selbst wenn die Partei erschienen wäre, ließe sich ohnehin weder eine persönliche Erklärung nach § 141 ZPO noch eine Aussage im Rahmen einer vom Gericht angeordneten Parteivernehmung erzwingen.
- 14
- c) Rechtsirrig ist auch die Auffassung des Berufun gsgerichts, der Berufung der Beklagten fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie durch Nichtangabe ihrer ladungsfähigen Anschrift zu erkennen gegeben habe, an dem Berufungsverfahren kein Interesse zu haben. Regelmäßig ergibt bereits die Beschwer das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung der höheren Instanz (BGHZ 50, 261, 263; BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445). Nur ausnahmsweise kann es daran fehlen, wenn eine unnötige, zweckwidrige oder missbräuchliche Beschreitung des vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelweges anzunehmen ist (BGHZ 57, 224, 225). Davon kann, wenn es die Rechtsmittelklägerin - wie hier - lediglich versäumt hat, nach einem Umzug ihrem Prozessbevollmächtigten die neue Anschrift mitzuteilen, keine Rede sein.
- 15
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts f ehlt es bei der Berufungs- und bei der Berufungsbegründungsschrift auch nicht an dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Unterschrift eines beim Berufungsgericht postulationsfähigen Rechtsanwalts (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086, 2087; BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 jeweils m.w.Nachw.).
- 16
- a) Was unter einer "Unterschrift" zu verstehen ist , ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Eine Unterschrift setzt danach einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 1993 - V ZR 112/92, NJW 1994, 55 und vom 18. Januar 1996 - III ZR 73/95, NJW 1996, 997; Beschluss vom 29. Januar 1997 - XII ZB 11/97, aaO; Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 24/97, NJW 1997, 3380, 3381).
- 17
- Diesen Anforderungen genügen die Unterschriften de s Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf der Berufungs- und der Berufungsbegründungsschrift. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die der uneingeschränkten Überprüfung durch den Bundesgerichtshof unterliegt (BGH, Urteil vom 24. Juli 2001 - VIII ZR 58/01, NJW 2001, 2888), handelt es sich hierbei nicht um eine bloße - noch zu unterschreibende - Namensnennung. Soweit die Wiedergabe des Namens eines Prozessbevollmächtigten unter einem Anwaltsschriftsatz nicht maschinenschriftlich erfolgt, wird sie üblicherweise handschriftlich in Druckbuchstaben oder mit einer gut lesbaren Handschrift vorgenommen. Beides trifft auf den hier in Rede stehenden Namenszug nicht zu. Zwar sind die handschriftlich ausgeführten Buchstaben "Sch" am Anfang und die Buchstaben "dt" am Schluss lesbar. Dazwischen befindet sich jedoch lediglich ein im Wesentlichen waagerecht verlaufender Strich, über dessen Ende ein Punkt angebracht ist. Diese charakteristischen Merkmale verleihen dem Namenszug "S. " den Charakter eines individuellen Schriftzuges und damit einer "Unterschrift" im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO.
- 18
- b) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht auch der Au ffassung, wenn der unterzeichnende Rechtsanwalt - wie hier - nicht im Briefkopf der Berufungsschrift genannt sei, habe er seinen vollständigen Namen und seine Kanzleiadresse anzugeben. Ebenso wenig wie die Einlegung einer Berufung nicht deswegen unwirksam ist, weil die Berufungsschrift nicht die ladungsfähige Anschrift des Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten enthält (BGHZ 65, 114, 116), hängt die Wirksamkeit der Berufungsschrift von der Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers ab (Musielak/Ball, aaO, § 519 Rdn. 6). Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, nur so sei sichergestellt, dass der Rechtsanwalt für das Gericht auch jederzeit erreichbar sei, ist für einen Fall wie hier nicht nachvollziehbar. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründungsschrift "für" Rechtsanwalt F. , dessen Kanzleiadresse jeweils im Briefkopf angegeben war, unterzeichnet. Damit handelte er erkennbar als dessen Unterbevollmächtigter (vgl. BAG NJW 1990, 2706). Das ist, jedenfalls wenn - wie hier - auch der Unterbevollmächtigte bei einem Oberlandesgericht zugelassen und deshalb vor dem Berufungsgericht postulationsfähig ist (§ 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO), unbedenklich.
- 19
- c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, da nach d em Anwaltsverzeichnis der Rechtsanwaltskammer B. beim dortigen Oberlandesgericht zwei Rechtsanwälte mit dem Namen "S. " zugelassen seien, sei eine Individualisierung des die Berufungsschrift unterzeichnenden Rechtsanwalts vor Ablauf der Berufungsfrist objektiv nicht möglich gewesen, überspannt die formalen Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels. Ein Rechtsanwalt hat die seine Postulationsfähigkeit begründende Zulassung bei einem Gericht weder bei der Einlegung noch bei der Begründung einer Berufung nachzuweisen oder auch nur glaubhaft zu machen. Die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts bei einem Gericht ist Prozesshandlungsvoraussetzung (Zöller/Vollkommer , ZPO 25. Aufl. § 78 Rdn. 3) und muss im Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung gegeben sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1989 - IVa ZB 15/89, NJW 1990, 1305 und vom 30. Juni 1992 - VI ZB 15/92, NJW 1992, 2706). Wenn sich bei Prüfung der Zulässigkeit der Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO Zweifel an der Postulationsfähigkeit des Rechtsanwalts ergeben, hat das Berufungsgericht von Amts wegen entsprechende Feststellungen zu treffen (BGH, Beschluss vom 30. Juni 1992 - VI ZB 15/92, NJW 1992, 2706). Anders als im Fall des Fehlens einer Unterschrift des Prozessbevollmächtigten unter einer Berufungs - oder Berufungsbegründungsschrift und der Prüfung, ob Umstände im Zusammenhang mit der Übermittlung dieses Schriftsatzes eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten sowie seinen Willen ergeben, für den Inhalt die Verantwortung zu übernehmen und ihn bei Gericht einzureichen (vgl. Senatsurteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086, 2088), müssen die Rechtsmittelvoraussetzungen, wenn das Berufungsgericht - wie hier - die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO als unzulässig verwirft, sondern aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet, - erst - nach dem Erkenntnisstand am Schluss dieser mündlichen Verhandlung gegeben sein (BGHZ 91, 105, 115; MünchKommZPO/Rimmelspacher, aaO § 522 Rdn. 4; Stein/Jonas/ Grunsky, aaO Allgemeine Einleitung vor § 511 Rdn. 16).
- 20
- Hier waren Zweifel an der Postulationsfähigkeit de s Prozessbevollmächtigten der Beklagten jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 28. Oktober 2004 nicht mehr begründet. Der Unterbevollmächtigte der Beklagten hatte bereits am 25. Oktober 2004 seinen vollständigen Namen mit "M. S. " mitgeteilt. Aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Anwaltsverzeichnis ergibt sich, dass ein Rechtsanwalt dieses Namens beim Ober- landesgericht B. zugelassen ist. Damit war er auch beim Berufungsgericht postulationsfähig (§ 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
III.
- 21
- Nach alledem waren das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 26.05.2004 - 4 O 5117/01 -
OLG München, Entscheidung vom 28.10.2004 - 19 U 3717/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 248.470,18 € festgesetzt.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
- 1
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
- 2
- a) Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers für die Berufungsinstanz ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen , da der Kläger die ihm nach § 117 Abs. 2 ZPO obliegenden Angaben zu seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen nicht innerhalb der ihm gesetzten Fristen in genügender Form dargetan und glaubhaft gemacht habe. Schon der Name des Klägers sei zum Nachweis seiner Identität nicht ausreichend. Ausweislich seiner Angaben in seiner verantwortlichen Vernehmung vom 28. September 2001 beim Landeskriminalamt habe er erklärt, dieser Name sei frei erfunden. Nicht erläutert werde auch, dass der Sohn des Klägers in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung den Namen N. K. trage. Auch die Vornamen differierten von den Angaben des Sohnes. Die Angaben des Klägers zu seinen finanziellen Verhältnissen genügten ebenfalls nicht. Die Angaben des Sohnes, dass er mindestens monatlich 250 US-Dollar zahle, reichten nicht aus, da es sich nur um eine Mindestzahlung handele und nicht erklärt werde, wie viel auf den Vater entfalle. Darüber hinaus habe der Kläger vor dem Landgericht auch nicht angegeben, dass er über Grundvermögen verfüge. In seiner verantwortlichen Vernehmung habe er aber erklärt, dass er in Afghanistan Grundstücke besitze. In seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor dem Landgericht habe er auch angegeben , dass er keine weiteren Einnahmen als Sozialhilfe habe. In der eidesstattlichen Versicherung seines Sohnes heiße es jedoch, dass dieser die Familie seit 2000 finanziell unterstütze.
- 3
- Im Übrigen sei die Rechtsverfolgung durch den Kläger ohne Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift rechtsmissbräuchlich. Er weigere sich trotz Nachfrage , seine ladungsfähige Anschrift dem Gericht mitzuteilen, nachdem er aus Deutschland abgeschoben worden sei. Die schlichte Behauptung, er könne seine Adresse gegenüber anderen Personen als seinem Prozessbevollmächtigten aus Sicherheitsgründen nicht offen legen, sei keine ausreichende Entschuldigung. Vielmehr sei nicht auszuschließen, dass der Kläger sich seiner Kostentragungspflicht entziehen wolle. Durch die Nichtangabe seiner Anschrift werde die Möglichkeit genommen, bisher nicht erstattete Kosten der ersten Instanz durch Vollstreckung beizutreiben. Im Übrigen habe die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen habe.
- 4
- b) Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren liegen nicht vor.
- 5
- aa) Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert. Der Kläger hat deshalb eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen.
- 6
- Es ist im vorliegenden Fall nicht hinreichend vom Kläger dargetan, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Angaben des Klägers zu seinem Grundvermögen unzureichend sind. In seiner Erklärung vor dem Landgericht hat er dieses noch gänzlich verschwiegen. Die Grundstücke sind auch nach den Angaben des Klägers in der Rechtsbeschwerde nach wie vor vorhanden. Soweit sich der Kläger im Rahmen der Rechtsbeschwerde nunmehr darauf beruft , dass das Grundeigentum in Süd-Afghanistan belegen und derzeit von anderen Volksgruppen besetzt und deswegen nicht verwertbar sei, ist diese Angabe über das Grundeigentum nach wie vor nicht hinreichend. Zum einen ist nicht konkret angegeben, welche Größe das Grundeigentum hat, wie es bewirtschaftet wird und wo es genau liegt. Eine Überprüfung, ob die Angaben des Klägers zutreffend sind, ist wegen deren Ungenauigkeit nicht möglich. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in seiner persönlichen Vernehmung am 28. September 2001 noch angegeben hat, dass er seinen Lebensunterhalt in Afghanistan auch aus seinen Grundstücken bestritten habe.
- 7
- bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Rechtsverfolgung des Klägers in der Berufungsinstanz und damit auch im Rahmen des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtsmissbräuchlich ist.
- 8
- Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers in der Berufungsschrift ist nicht Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - NJW 2005, 3773). Es stellt sich jedoch als ein der Zulässigkeit entgegenstehendes rechtsmissbräuchliches Verhalten dar, wenn ein Kläger den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 aaO; Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02 - NJW-RR 2004, 1503; BGHZ 102, 332, 336).
- 9
- Der Schluss, eine solche rechtsmissbräuchliche Absicht zur Führung des Prozesses aus dem Verborgenen zur Vereitelung der Inanspruchnahme wegen der entstandenen Kosten liege vor, ist gerechtfertigt, wenn trotz gerichtlicher Nachfrage nach der Anschrift des Berufungsklägers deren Mitteilung ohne hinreichende Angabe von Gründen verweigert wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 aaO). Der Angabe der ladungsfähigen Anschrift eines Klägers können im Einzelfall unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierig- keiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Solchen Schwierigkeiten muss das Verfahrensrecht Rechnung tragen. In derartigen Fällen ist aber wenigstens zu fordern, dass dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann (vgl. BGHZ aaO).
- 10
- Nach diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung des Klägers vorliegt. Er hat keine hinreichenden Gründe dafür angegeben, dass er seinen Aufenthaltsort bzw. seine ladungsfähige Anschrift nicht mitteilt. Soweit er sich mit der Rechtsbeschwerde darauf beruft, dass er aus Sicherheitsgründen dem Gericht die ladungsfähige Anschrift nicht mitteilen könne, sondern nur sein Prozessbevollmächtigter diese habe, ist dies als Erklärung unzureichend. Es ist nicht ersichtlich, warum er durch die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift in der Bundesrepublik im hiesigen Zivilverfahren seine Sicherheit in Pakistan gefährden könnte. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass seine Anschrift nicht in öffentlicher Sitzung mitgeteilt würde, sondern allein den Prozessbeteiligten zur Kenntnis gelangen würde.
- 11
- Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich jedenfalls nicht massiv verfolgt fühlt. Durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass seine Abschiebung rechtswidrig gewesen sei, da er freiwillig zur Ausreise bereit gewesen sei. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn ihm nach seiner Einschätzung keine wesentlichen Gefahren an seinem neuen Aufenthaltsort drohen.
- 12
- Des weiteren ist einzubeziehen, dass der Kläger nicht nur mit der mangelnden Angabe im Berufungsverfahren dem Prozessgegner eine mögliche Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen unmöglich macht. Auch für die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Abschluss des Klageverfahrens zwecks Kontrolle, ob eine Änderung der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 120 Abs. 4 ZPO erforderlich ist, wird dadurch verhindert. Insbesondere im Falle des Erfolgs der Klage wäre ein Anhaltspunkt für eine solche Überprüfung gegeben, da es aufgrund der Höhe der geltend gemachten Forderung auf der Hand liegt, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dann nicht mehr vorliegen dürften. Auch die aus dem Prozess erlangten Vermögensvorteile sind bei einer Änderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2006 - IX ZB 305/05 - NJW-RR 2007, 628; MünchKommZPO/Wachs, 2. Aufl., § 120 Rn. 18; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 120 Rn. 24).
- 13
- Da bereits die beiden vorgenannten Gesichtspunkte jeder für sich die Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Berufungsinstanz tragen, kommt es auf die weiter geltend gemachten Einwände gegen den mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts nicht mehr an.
- 14
- 2. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bleibt aus den oben genannten Gründen gleichfalls ohne Erfolg.
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.11.2005 - 303 O 508/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.07.2007 - 1 U 189/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragsgegnerin begehrt die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverbund.
- 2
- Die Parteien haben am 28. Dezember 1992 die Ehe geschlossen, aus der das am 13. Januar 2000 geborene Kind T. hervorgegangen ist. Bereits kurze Zeit nach der Heirat bezogen die Ehegatten verschiedene Wohnungen in München; seit dem 1. April 2005 leben sie getrennt. Die Antragsgegnerin verzog mit dem Kind nach Heidelberg.
- 3
- Im Dezember 2004 beantragte der Antragsteller, das Umgangsrecht mit T. zu regeln; im April 2006 begehrte er die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind. Zur Begründung trug er vor, die Antragsgegnerin sei aufgrund ihrer psychischen Disposition nicht in der Lage, ihr Verhalten am Wohl des Kindes zu orientieren und beeinflusse dieses negativ. Sie behindere einen regelmäßigen Umgang von Vater und Sohn. Das Amtsgericht ordnete nach Anhörung der Parteien und Einholung eines Gutachtens eine Verfahrenspflegschaft an und übertrug im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Antragsteller. In der Folgezeit lebte T. beim Vater in München. Dort wurde das Kind am 16. September 2006 von der Antragsgegnerin entführt, als es sich in Begleitung der damaligen Partnerin des Antragstellers auf dem Weg zu dessen Wohnung befand. Seitdem ist der Aufenthalt von Mutter und Sohn unbekannt. Die Antragsgegnerin wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ihre Mutter wurde wegen Beteiligung an der Tat zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.
- 4
- Durch Verbundurteil vom 3. Mai 2007 wurde die Ehe der Parteien geschieden und - dem Begehren des Antragstellers folgend - der Versorgungsausgleich nach § 1587 c BGB ausgeschlossen. Zur Begründung wurde ausgeführt , durch die Entführung des Kindes habe die Antragsgegnerin dieses dem Vater nicht nur gänzlich entzogen, sondern zugleich eine schwerwiegende Eheverfehlung begangen; der Vater müsse damit rechnen, das Kind nie wieder zu sehen. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin nur geringfügige ehebedingte Nachteile erlitten und infolge der getrennten Haushaltsführung keine Versorgungsleistungen für den Antragsteller erbracht habe.
- 5
- Die gegen das Verbundurteil eingelegte Beschwerde, mit der die Antragsgegnerin die Durchführung des Versorgungsausgleichs erstrebt, hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die - vom Oberlandesgericht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
II.
- 6
- Die Rechtsbeschwerde ist unbeschadet des Umstands zulässig, dass in der Rechtsbeschwerdeschrift wiederum die Anschrift der Antragsgegnerin angegeben worden ist, unter der sie sich nicht aufhält. Der Antragsgegnerin muss es nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens möglich sein, die vom Oberlandesgericht verneinte Frage einer zulässigen Beschwerdeeinlegung auf die zugelassene Rechtsbeschwerde durch den Senat überprüfen zu lassen, ohne durch die Mitteilung ihrer Anschrift in der Rechtsmittelschrift ihren Rechtsstandpunkt von vornherein aufzugeben (vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 332, 334 = FamRZ 1988, 382).
III.
- 7
- Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
- 8
- 1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in OLG Karlsruhe OLGR 2008, 615 ff. veröffentlicht ist, hat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragsgegnerin verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Seit dem 19. September 2006 sei der Aufenthalt der Antragsgegnerin allgemein unbekannt , weil sie "untergetaucht" sei. Diese Situation habe auch beim Eingang der Beschwerde vorgelegen, da die Antragsgegnerin nicht mehr unter der angegebenen Adresse gelebt habe. Ohne eine ladungsfähige Anschrift liege grundsätzlich keine ordnungsgemäße Klageerhebung im Sinne der §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO vor. Eine Rechtsmittelschrift sei allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 65, 114, 117) und des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1987, 1356 f.) auch dann ordnungsgemäß, wenn sie die ladungsfähige Anschrift des Rechtsmittelbeklagten oder seines Prozessbevollmächtigten nicht enthalte, obgleich dadurch die alsbaldige Zustellung nach § 521 Abs. 1 ZPO erschwert werde. Entsprechendes gelte nach wohl einhelliger Meinung, wenn in der Rechtsmittelschrift die ladungsfähige Anschrift des Berufungsklägers fehle. Die zitierten Entscheidungen könnten auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragen werden, denn ihnen habe jeweils ein versehentliches Verhalten der Partei zugrunde gelegen. Etwas anderes müsse bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten gelten, wie es der Antragsgegnerin anzulasten sei. Die zum Verbund gehörenden, inzwischen abgetrennten Folgesachen elterliche Sorge und Umgangsrecht hätten wegen des unbekannten Aufenthalts der Ehefrau nicht zum Abschluss gebracht werden können. Wenn die Antragsgegnerin einerseits für sich in Anspruch nehme, dass alle Beteiligten die Folgen dieses Verhaltens hinnehmen müssten, andererseits aber Rechtsschutz gegen die Versorgungsausgleichsentscheidung begehre, manipuliere sie das Verfahren in ihrem Interesse und stelle sich allgemein gegen die Rechtsordnung. Sie könne deshalb schlechterdings nicht erwarten, dass unter diesen Umständen ein Beschwerdeverfahren durchgeführt werde. Dieser Wertung stehe nicht entgegen, dass Schreiben, die an die angegebene Adresse gerichtet würden, die Antragsgegnerin möglicherweise erreichten. Der Rechtsmissbrauch liege nicht in der völligen Unerreichbarkeit, sondern in dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich im Rahmen des auch von ihr betriebenen Verfahrens nicht vorbehaltlos der Rechtsordnung unterwerfe, sondern für sich in Anspruch nehme zu entscheiden, inwieweit sie ihr Verhalten an der Rechtsordnung ausrichte. Unter derartigen Bedingungen sei weder ein geordneter Ablauf des Verbundverfahrens noch des Beschwerdeverfahrens möglich.
- 9
- Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 10
- 2. a) Im Ansatz zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass die ladungsfähige Anschrift des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift nicht Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels ist (BGH Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - FamRZ 2006, 116; Senatsurteil BGHZ 102, 332, 333 f. = FamRZ 1988, 382). Dies geht über das Erfordernis, dass eine Rechtsmittelschrift ergeben muss, für und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird, hinaus, da die Anschrift einer Partei grundsätzlich nicht notwendig ist, um ihre Parteirolle in der Rechtsmittelinstanz zu bestimmen.
- 11
- b) Anders ist die Situation dagegen für die Frage zu beurteilen, ob eine ordnungsgemäße Klageerhebung bei fehlenden Angaben zur ladungsfähigen Anschrift des Klägers vorliegt. Die Klageschrift ist Anlass und Voraussetzung für das gerichtliche Verfahren und soll für dieses eine möglichst sichere Grundlage schaffen. Die Angabe der Anschrift des Klägers ist im reinen Parteiprozess schon deswegen geboten, weil er sonst nicht zu den Gerichtsterminen geladen werden kann, zu denen er, wie § 330 ZPO zeigt, grundsätzlich erscheinen muss. Aber auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, kann auf die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift nicht verzichtet werden. Da mit dem Betreiben des Prozesses nachteilige Folgen verbunden sein können, wie insbesondere die Kostenpflicht im Falle des Unterliegens, wird dadurch dokumentiert, dass er sich diesen möglichen Folgen stellt. Auch muss er bereit sein, persönlich in Terminen zu erscheinen, falls das Gericht dies an- ordnet (vgl. §§ 141, 279 Abs. 1, 445 ff. ZPO; vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 332, 334 f.).
- 12
- c) Wird allerdings - wie im vorliegenden Fall - eine in der Klage- bzw. Scheidungsantragsschrift angegebene ladungsfähige Anschrift erst im Laufe des Prozesses unrichtig und bringt der anwaltlich vertretene Kläger eine neue ladungsfähige Anschrift nicht bei, darf die Klage nicht allein aus diesem Grund als unzulässig abgewiesen werden. Eine gesetzliche Grundlage hierfür besteht nicht. Vielmehr hat der Kläger mit der Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klageschrift die Anforderungen an die Bezeichnung seiner Person nach §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO erfüllt. Die Prozessvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Klageerhebung, die ihrer Natur nach nur die Einleitung der Klage betrifft, ist damit gegeben. Der Kläger hat zugleich zum Ausdruck gebracht , dass er sich nachteiligen Folgen im Fall des Unterliegens stellt (BGH Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02 - NJW-RR 2004, 1503 f.).
- 13
- d) Ungeachtet dessen kann es sich als ein der Zulässigkeit entgegenstehendes rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen, wenn ein Kläger den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen. Der Schluss, eine solche rechtsmissbräuchliche Absicht liege vor, kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn trotz gerichtlicher Anfrage nach der Anschrift des Berufungsklägers deren Mitteilung ohne hinreichende Angabe von Gründen verweigert wird (BGH Beschluss vom 28. November 2007 - III ZR 50/07 - veröffentlicht bei juris).
- 14
- e) Aus diesem Gesichtspunkt ergeben sich im vorliegenden Fall indes keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde. Die Rechtsbeschwerde hat geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe bereits im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass ein möglicher Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers aufgrund ihres unbekannten Aufenthalts nicht berührt werde, weil sie zusammen mit diesem Miteigentümerin einer Eigentumswohnung sei, die - erforderlichenfalls nach öffentlicher Zustellung - verwertet werden könne. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin im Rechtsbeschwerdeverfahren in zulässiger Weise nachgetragen, ihre Mutter habe sich bereit erklärt, sich für eventuelle Kostenerstattungsansprüche zu verbürgen. Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Handelns, um sich durch eine Prozessführung aus dem Verborgenen heraus einer möglichen Kostenerstattungspflicht zu entziehen, scheidet damit jedenfalls aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich aus der Entscheidung des XI. Zivilsenats vom 11. Oktober 2005 (XI ZR 398/04 - FamRZ 2006, 116 f.) aber nicht generell herleiten, dass die bewusste Weigerung der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift auch bei anderen Fallgestaltungen zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs führe.
- 15
- 3. Das Oberlandesgericht hat dem Kostenargument letztlich selbst keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, die Antragsgegnerin handele rechtsmissbräuchlich, weil sie sich einerseits einer Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens entziehe, andererseits aber Rechtsschutz gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich beanspruche und sich damit allgemein gegen die Rechtsordnung stelle. Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden.
- 16
- a) Das Rechtsschutzinteresse stellt keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels dar. Mit dem Erfordernis der Beschwer ist im Allgemeinen gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht. Allenfalls kann bei ganz besonderer Sachlage eine Prüfung angezeigt sein, ob trotz Vorliegens der Beschwer eine unnötige, zweckwidrige oder missbräuchliche Beschreitung des vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelwegs anzunehmen ist.
- 17
- Eine solche besondere Sachlage liegt hier indessen nicht vor. Es ist zwar zutreffend, dass die Antragsgegnerin das Scheidungsverbundverfahren nur selektiv betreibt, während sie es im Übrigen aufgrund des unbekannten Aufenthalts , auch des Sohnes T., torpediert. Das hat aber nicht zur Folge, dass ihr der Zugang zur Rechtsmittelinstanz und damit die Wahrnehmung ihrer Verfahrensgrundrechte , insbesondere desjenigen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) im Rahmen einer statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde , verweigert werden dürfte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass die Erwägungen, die zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs geführt haben, sich mit denjenigen, aus denen das Oberlandesgericht ein rechtsmissbräuchliches Handeln hergeleitet hat, überschneiden. Die Antragsgegnerin muss aber trotz des ihr anzulastenden schwerwiegenden Verhaltens die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes haben, d.h. eine sie beschwerende Entscheidung und damit die Rechtsfolgen ihres Handelns in der Sache überprüfen lassen können. Das setzt voraus, dass ihr Verhalten nicht bereits als der Zulässigkeit der Beschwerde entgegenstehend bewertet wird.
- 18
- b) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts steht das Verhalten der Antragsgegnerin auch einem geordneten Ablauf des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen. Für den Gegner ergeben sich aus dem Ausbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen mangels ladungsfähiger Anschrift nicht angeordnet werden kann, bei einem nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung durchzuführenden Verfahren keine nachteiligen Folgen. Bei einer angeordneten Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO bleibt es dem Gericht unbenommen , aus der Vorenthaltung einer ladungsfähigen Anschrift unter Heranzie- hung des allgemeinen Gesichtspunkts einer Beweisvereitelung Schlüsse zum Nachteil der Partei zu ziehen (BGH Urteile vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02 - NJW-RR 2004, 1503 f. und vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - FamRZ 2006, 116 f.).
- 19
- Bei dem hier vorliegenden Versorgungsausgleichsverfahren handelt es sich zwar um ein sog. echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, an dem die Ehegatten durch Auskunftserteilung über ihre Versorgungsanrechte mitzuwirken haben. Wenn ein solches Verfahren in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist und ohne weitere Mitwirkung durchgeführt werden kann, weil etwa - wie hier - die Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen, steht der unbekannte Aufenthalt des Rechtsmittelführers der geordneten Abwicklung des Beschwerdeverfahrens aber nicht entgegen. Vielmehr ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen eine Entscheidung in der Sache möglich.
- 20
- 4. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befinden, da sie nicht entscheidungsreif ist. Der Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Die von der Rechtsbeschwerde angeregte Zurückverweisung an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO) hält der Senat unbeschadet der Frage, ob die Vorschrift im vorliegenden Fall anwendbar ist, nicht für gerechtfertigt.
Vorinstanzen:
AG Heidelberg, Entscheidung vom 03.05.2007 - 37 F 97/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.01.2008 - 16 UF 109/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
- 14
- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
- 16
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
(1) Die Pfändung der im Gewahrsam des Schuldners befindlichen körperlichen Sachen wird dadurch bewirkt, dass der Gerichtsvollzieher sie in Besitz nimmt.
(2) Andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere sind im Gewahrsam des Schuldners zu belassen, sofern nicht hierdurch die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird. Werden die Sachen im Gewahrsam des Schuldners belassen, so ist die Wirksamkeit der Pfändung dadurch bedingt, dass durch Anlegung von Siegeln oder auf sonstige Weise die Pfändung ersichtlich gemacht ist.
(3) Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner von der erfolgten Pfändung in Kenntnis zu setzen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 248.470,18 € festgesetzt.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
- 1
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
- 2
- a) Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers für die Berufungsinstanz ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen , da der Kläger die ihm nach § 117 Abs. 2 ZPO obliegenden Angaben zu seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen nicht innerhalb der ihm gesetzten Fristen in genügender Form dargetan und glaubhaft gemacht habe. Schon der Name des Klägers sei zum Nachweis seiner Identität nicht ausreichend. Ausweislich seiner Angaben in seiner verantwortlichen Vernehmung vom 28. September 2001 beim Landeskriminalamt habe er erklärt, dieser Name sei frei erfunden. Nicht erläutert werde auch, dass der Sohn des Klägers in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung den Namen N. K. trage. Auch die Vornamen differierten von den Angaben des Sohnes. Die Angaben des Klägers zu seinen finanziellen Verhältnissen genügten ebenfalls nicht. Die Angaben des Sohnes, dass er mindestens monatlich 250 US-Dollar zahle, reichten nicht aus, da es sich nur um eine Mindestzahlung handele und nicht erklärt werde, wie viel auf den Vater entfalle. Darüber hinaus habe der Kläger vor dem Landgericht auch nicht angegeben, dass er über Grundvermögen verfüge. In seiner verantwortlichen Vernehmung habe er aber erklärt, dass er in Afghanistan Grundstücke besitze. In seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor dem Landgericht habe er auch angegeben , dass er keine weiteren Einnahmen als Sozialhilfe habe. In der eidesstattlichen Versicherung seines Sohnes heiße es jedoch, dass dieser die Familie seit 2000 finanziell unterstütze.
- 3
- Im Übrigen sei die Rechtsverfolgung durch den Kläger ohne Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift rechtsmissbräuchlich. Er weigere sich trotz Nachfrage , seine ladungsfähige Anschrift dem Gericht mitzuteilen, nachdem er aus Deutschland abgeschoben worden sei. Die schlichte Behauptung, er könne seine Adresse gegenüber anderen Personen als seinem Prozessbevollmächtigten aus Sicherheitsgründen nicht offen legen, sei keine ausreichende Entschuldigung. Vielmehr sei nicht auszuschließen, dass der Kläger sich seiner Kostentragungspflicht entziehen wolle. Durch die Nichtangabe seiner Anschrift werde die Möglichkeit genommen, bisher nicht erstattete Kosten der ersten Instanz durch Vollstreckung beizutreiben. Im Übrigen habe die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen habe.
- 4
- b) Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren liegen nicht vor.
- 5
- aa) Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert. Der Kläger hat deshalb eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen.
- 6
- Es ist im vorliegenden Fall nicht hinreichend vom Kläger dargetan, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Angaben des Klägers zu seinem Grundvermögen unzureichend sind. In seiner Erklärung vor dem Landgericht hat er dieses noch gänzlich verschwiegen. Die Grundstücke sind auch nach den Angaben des Klägers in der Rechtsbeschwerde nach wie vor vorhanden. Soweit sich der Kläger im Rahmen der Rechtsbeschwerde nunmehr darauf beruft , dass das Grundeigentum in Süd-Afghanistan belegen und derzeit von anderen Volksgruppen besetzt und deswegen nicht verwertbar sei, ist diese Angabe über das Grundeigentum nach wie vor nicht hinreichend. Zum einen ist nicht konkret angegeben, welche Größe das Grundeigentum hat, wie es bewirtschaftet wird und wo es genau liegt. Eine Überprüfung, ob die Angaben des Klägers zutreffend sind, ist wegen deren Ungenauigkeit nicht möglich. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in seiner persönlichen Vernehmung am 28. September 2001 noch angegeben hat, dass er seinen Lebensunterhalt in Afghanistan auch aus seinen Grundstücken bestritten habe.
- 7
- bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Rechtsverfolgung des Klägers in der Berufungsinstanz und damit auch im Rahmen des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtsmissbräuchlich ist.
- 8
- Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers in der Berufungsschrift ist nicht Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - NJW 2005, 3773). Es stellt sich jedoch als ein der Zulässigkeit entgegenstehendes rechtsmissbräuchliches Verhalten dar, wenn ein Kläger den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 aaO; Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02 - NJW-RR 2004, 1503; BGHZ 102, 332, 336).
- 9
- Der Schluss, eine solche rechtsmissbräuchliche Absicht zur Führung des Prozesses aus dem Verborgenen zur Vereitelung der Inanspruchnahme wegen der entstandenen Kosten liege vor, ist gerechtfertigt, wenn trotz gerichtlicher Nachfrage nach der Anschrift des Berufungsklägers deren Mitteilung ohne hinreichende Angabe von Gründen verweigert wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 aaO). Der Angabe der ladungsfähigen Anschrift eines Klägers können im Einzelfall unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierig- keiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Solchen Schwierigkeiten muss das Verfahrensrecht Rechnung tragen. In derartigen Fällen ist aber wenigstens zu fordern, dass dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann (vgl. BGHZ aaO).
- 10
- Nach diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung des Klägers vorliegt. Er hat keine hinreichenden Gründe dafür angegeben, dass er seinen Aufenthaltsort bzw. seine ladungsfähige Anschrift nicht mitteilt. Soweit er sich mit der Rechtsbeschwerde darauf beruft, dass er aus Sicherheitsgründen dem Gericht die ladungsfähige Anschrift nicht mitteilen könne, sondern nur sein Prozessbevollmächtigter diese habe, ist dies als Erklärung unzureichend. Es ist nicht ersichtlich, warum er durch die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift in der Bundesrepublik im hiesigen Zivilverfahren seine Sicherheit in Pakistan gefährden könnte. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass seine Anschrift nicht in öffentlicher Sitzung mitgeteilt würde, sondern allein den Prozessbeteiligten zur Kenntnis gelangen würde.
- 11
- Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich jedenfalls nicht massiv verfolgt fühlt. Durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass seine Abschiebung rechtswidrig gewesen sei, da er freiwillig zur Ausreise bereit gewesen sei. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn ihm nach seiner Einschätzung keine wesentlichen Gefahren an seinem neuen Aufenthaltsort drohen.
- 12
- Des weiteren ist einzubeziehen, dass der Kläger nicht nur mit der mangelnden Angabe im Berufungsverfahren dem Prozessgegner eine mögliche Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen unmöglich macht. Auch für die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Abschluss des Klageverfahrens zwecks Kontrolle, ob eine Änderung der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 120 Abs. 4 ZPO erforderlich ist, wird dadurch verhindert. Insbesondere im Falle des Erfolgs der Klage wäre ein Anhaltspunkt für eine solche Überprüfung gegeben, da es aufgrund der Höhe der geltend gemachten Forderung auf der Hand liegt, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dann nicht mehr vorliegen dürften. Auch die aus dem Prozess erlangten Vermögensvorteile sind bei einer Änderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2006 - IX ZB 305/05 - NJW-RR 2007, 628; MünchKommZPO/Wachs, 2. Aufl., § 120 Rn. 18; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 120 Rn. 24).
- 13
- Da bereits die beiden vorgenannten Gesichtspunkte jeder für sich die Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Berufungsinstanz tragen, kommt es auf die weiter geltend gemachten Einwände gegen den mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts nicht mehr an.
- 14
- 2. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bleibt aus den oben genannten Gründen gleichfalls ohne Erfolg.
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.11.2005 - 303 O 508/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.07.2007 - 1 U 189/05 -
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)